Die nackte Phäakenprinzessin am Strand
Der mit der Flut des Vorabends an den goldgelben Strand von Ermona gespülte Odysseus reibt sich schlaftrunken die Augen. Nach den erotischen Abenteuern mit Königin Dido in Karthago und der hübschen Nymphe Kalypso in Ogygia liegen anstrengende Monate auf hoher See in der glühenden Sommerhitze am Mittelmeer hinter dem Achaier. Erschöpft fällt er in einen todesähnlichen Schlaf, kaum dass seine Füße statt der schwankenden Schiffsplanken endlich wieder festen Boden unter sich verspüren.
Die schlanke, blonde Erscheinung schenkt dem verwirrten Seemann ein bezauberndes Lächeln. Sie steht nackt vor ihm, so wie sie Venus geschaffen hat. Auf seinen ungläubig fragenden Blick antwortet sie mit einem Schlag ihrer langen schwarzen Wimpern, unter denen eisblaue Augen hervorblitzen. "Wo bin ich?", stammelt der Listenreiche, der offenkundig gerade am Ende seiner Weisheit angelangt ist. "Und wer bist Du, meine Schöne?"
"Nausikaa, die Tochter von Antinoos, des Königs der Phäaken." Die Stimme der Prinzessin tönt glockenhell durch die frische Morgenluft und wird nur durch das leise Rauschen der Brandung begleitet. "Du bist auf unserem herrlichen Eiland Scheria gestrandet, auf das noch nie ein fremder Eindringling seinen Fuß zu setzen gewagt hat", fügt sie mit leisem Vorwurf hinzu.
Diese Anschuldigung trifft Odysseus. Er schämt sich plötzlich, die paradiesische Insel heimlich wie ein Dieb in der Nacht betreten zu haben, blickt verlegen an seinem verschwitzten, salzverkrusteten Körper hinab, fährt mit der rechten Hand durch seine verfilzten Haare und reißt schnell einen dicht belaubten Ast vom Olivenbaum neben sich ab, um damit seine Blöße zu bedecken.
Doch der Fremde gefällt der Königstochter trotz seines verwahrlosten Aussehens. Sein Blick ist stolz, seine Rede gewandt. Er sieht zwar auf den ersten Blick aus wie ein Landstreicher, bei näherer Betrachtung kommt aber seine edle Herkunft zu Tage. Nausikaa ist neugierig wie die meisten Frauen und so stellt sie die Frage, die ihr auf den Lippen brennt: "Wer bist Du, Fremder? Und wo kommst Du her?" Odysseus ist nun hellwach und auch sein Selbstbewusstsein ist zurückgekehrt: "Meine Geschichte ist lang, Prinzessin. Viel zu lang für ein kurzes Gespräch am Strand!"
Lebensechte Bilder von vergangenen Eskapaden steigen vor seinem geistigen Auge hoch. Er sieht die Königin Dido, die ihm völlig nackt bis auf den schweren Goldschmuck ihr afrikanisches Reich zu Füßen gelegt hat und ihren verführerischen jungen Körper dazu. Und die Nymphe Kalypso, die ihm für heißen Sex ewige Jugend versprochen hat, sollte er bei ihr bleiben. Ja, er hat wahrlich die Freuden der Liebe in vollen Zügen genossen. Doch wann? In einem längst verblichenen Leben in einer versunkenen Zeit.
Von Amors Pfeil getroffen, wartet Nausikaa nicht mehr auf weitere Erklärungen, schlingt ihre schlanken Arme um den ausgehungerten Seefahrer und ihre vollen roten Lippen schenken ihm einen langen intensiven Kuss. Odysseus schließt die Augen, drückt sie fest an sich und erwidert die Zärtlichkeit, die er schon so lange entbehren musste. Was braucht er einen dürren Ast, wenn der Pfahl in seiner Mitte erregt zum Himmel ragt? Wie ein wildes Tier stürzt er sich auf das willige Mädchen und nimmt sie brutal. Nausikaa stöhnt laut auf vor Lust und gibt sich dem ungestümen Eroberer in der rauschenden Brandung hin. "Nimm mich, Held und besitze dieses Land und seine Bewohner!" Sie hofft nichts inständiger als mit dem Fremden ein wildes unbezähmbares Geschlecht zu zeugen, das die Welt beherrschen soll!
Nach der ungezügelten Paarung am Strand ist Nausikaa wieder ganz tugendhafte Prinzessin. Sie wirft sich eine weiße Tunika über, schlüpft behende in die Sandalen, die sie im Olivenhain zurückgelassen hat und geleitet ihren Gast formvollendet in den Palast ihres Vaters. Ihre Sklavinnen baden den erschöpften Krieger, reiben seinen muskulösen Körper mit wohlriechenden Ölen ein und ziehen ihm goldbestickte Kleider an.
Odysseus verneigt sich tief vor dem königlichen Gastgeber und trinkt gierig rot funkelnden Wein aus dem dargebotenen schweren Pokal, den ihm Nausikaa mit einem feinen Lächeln reicht. Das lange entbehrte Getränk berauscht ihn und löst seine Zunge. Nur zu gerne kommt er der Aufforderung von Alkinoos nach, über seine Abenteuer der letzten 10 Jahre seit seinem Aufbruch aus dem besiegten Troja zu erzählen. Eine Episode reiht sich an die andere und freimütig berichtet der Sohn des Laertes über seine Ausschweifungen an fernen Gestaden. Ein misstrauischer Blick des Königs trifft seine schöne Tochter. Ob er etwas ahnt? In neun Monaten wird er Gewissheit haben ...
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