Honolulu


Schambereich

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16.11.2013
Schamsituation

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Das Ausgeliefertsein ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist dieses Gefühl, wie wenn Salz in eine Wunde rieselt, dieses Brennen anderer Blicke auf der Haut. Sie starren besoffen von ihrer Geilheit, tasten jeden Centimeter deines Körpers ab und du weißt das es ihnen in den Fingern juckt. Doch sie dürfen nicht, das ist die Regel. Jedem Spiel seine Gesetze. Was wird heute noch geschehen? Ich weiß es nicht! Doch fangen wir bei Anfang an:

 

Es war ein Nachmittag. Einer dieser grauen verregneten Herbsttage, deren bloße Existenz ein Gefühl der Tristesse und Unbehaglichkeit auslöst. Es sind diese Tage, in denen die Menschen Schals tragen, hochgekrempelt an einem vorbei rauschen, wort- und grußlos und nur eine Kondensatzwolke bleibt. Bis auf diesen einen Mann. Mit den tiefliegenden Augen, die ab und an im Schein der UBahn-Scheinwerfer aufblitzen. In seinen Fäustlingen eine Karte und der geraunte Hinweis, dass ich eine Menge Geld machen könnte. Wo und wie verrät er mir nicht, aber ich hab ja die Karte. Palmen sind darauf und der Schriftzug "Honolulu", was auch immer das bedeuten soll! Normalerweise werfe ich solche unnütze Papierfetzen in den nächsten Mülleimer. Doch heute ist es anders. Warum nicht mal etwas wagen? Ich blicke auf die Adresse. Nähe Prenzlauer Berg. Keine verrufene Gegend. Nein, eher das Gegenteil!

 

Durch die Vorlesungen quäle ich mich mit aufgesetzer Aufmerksamkeit, doch in mir Kreisen die Fragen. Soll ich wirklich? Ich könnte ja Liz mitnehmen! Aber hat die nicht heute ihr Vorsprechen bei der Volksbühne? Nein, det schaffst du aleene!

Zuhause angekommen ziehe ich mich aus und springe unter die Dusche. Wasser an und Shampoo druff. Ich wasche mich länger und gründlicher als gewohnt, denn beim Duschen kann ich so gut nachdenken. Ich beschließe mich ganz schlicht anzuziehen. Nicht grau in grau aber auch nichst auffälliges. So ne Top-Leggins-Kombi mit Pumps. Naja. Jedenfalls höre ich im Bademantel noch ein bisschen Musik und gehe dann zum Kleiderschrank. Bevor ich mich anziehe kontrolliere ich meine Achseln, meine Beine und meine Muschi. Man sieht einen Schatten. Besonders unten, wo sich die Bikinstreifen aus Italien immer noch nicht ganz verzogen haben. Aber alles in allem aktzeptabel.

 

Es regnet als ich die UBahn verlasse. Kalte Gischt steigt auf von den Straßen. Eine adrette Wohngegend. Doch von irgendwoher summt Musik. Ich folge dem leises Klang in eine Seitenstraße und begegne rauchenden Männer. Auch ein paar Frauen haben sich hierher verlaufen. Unter ihrem starken MakeUp blicke ich in Leere. Es dauert eine Weile bis ich bemerke, das mich alle anstarren. Je näher ich der Quelle komme, desto durchdringender werden sie. Schließlich komme ich zu einer Kellertreppe. Schlicht. Keine Neonschrift so wie man das aus Filmen kennt. Nein, man könnte glauben hier lagert irgendein Spießer seine Modellflugzeuge.

 

Drinnen ist es warm und laut. Dumpfe Luft schlägt mir entgegen. Es läuft etwas, das sich so anhört wie die Platten meines Dads. Ich schaue mich um. Hinter der Bar steht ein Typ, etwas älter als ich. Ich gehe zu ihm. Zuerst verstehe ich nichts, zu laut wummert der Bass. Dann lese ich ein Wie heißt du? von seinen Lippen ab.

Ida

Und was willst du hier?

Ich hab inner UBahn sone Karte gekriegt

Ach so - Dann geht nach hinten. Frag nach Jasper, der kümmert sich um dich

Und ich gehe.

 

Hinter den Perlvorhängen, durch zwei Räumen mit Plakaten von Playmates und einem Billiardtisch, komme ich zu einer Tür mit der Aufschrift Privat. Nachdem ich geklopft habe öffnet ein hagerer Mann mit Nickelbrille und schlohweißem Haar. Er lächelt mich ehrlich an und bittet mich zu ihm ins Zimmer. Und dann erklärt er mir, dass dies eine Art Swinger-Club sei, indem sich einzelne Frauen einer Gruppe von Männern hingeben könnten. Er sagt, dass viele Frauen diese Fantasie hätten und hier könnten sie sich ausleben. Ich bin mir nicht sicher. Außerdem, so verspricht er mir, bekämen die Frauen ein ordentliches Handgeld für ihre Teilnahme an solche einem Akt. 5000 für einen Abend. Das sei wahrscheinlich mehr, als ein Jahr BaFög, gibt er zu bedenken und grinst mich an. Und er hat recht. Er reicht mir einen Vertrag. Und ich unterschreibe.

 

Jetzt liege ich nackt und mit verbundenen Augen vor einem unsichtbaren Publikum. Ich höre nur Atemstöße, Rascheln und das Poltern von Stühlen. Noch zehn Minuten müssen sie ausshalten. Damit sich was aufbaut, hat Jasper gesagt. Es beginnt zu kribbeln. Wärme wandert vom Bauchnabel nach unten, während sich Blicke wie hunderte Stecknadeln in mich bohren. Könnte ich bewegen, würde ich wenigstens meine Schenkel schließen, so dass nicht jeder hier sehen kann, das Blut in der Vulva pocht.

 

Ich schwitze. Nicht wirklich viel, aber über meinen Körper hat sich ein salziger Film gelegt. Strähnen kleben auf meiner Stirn. Auf einmal wird es still, nur mein Herzschlag dringt laut an meinen Hals. Wie gerne würde ich mich bewegen, wie gerne würde ich wenigstwens sehen, was passiert ist? Aber nein.

Auf einmal ertönt ein Gong und durchschneidet das warme Schweigen. Es dauert keine zehn Sekunden da spüre ich etwas. Es wundert mich, dass jemand meinen Oberarm berührt, aber da spüre ich schon wie sich Lippen auf meine Fotze legen und ihr einen Kuss aufdrückten. Jemand knetet meine Brüste, ein anderer bohrt seine Zunge in meinen Mund. Gerüche dringen an mein Ohr, mal herb mal süßlich, Haut legt sich auf meine Haut, mal haarig mal glatt wie ein Aal.

 

Ich weiß was kommt. Und ich weiß es nicht. Wer kommt als nächstes? Welchen Geruch nehmen meine Sinne als nächstes wahr? Werden die es wirklich wagen mich zu ficken? Schon in den Sekunden bekomme ich darauf eine Antwort. Erst glaube ich, das es sich nur um einen weiteren Finger handelt, der abgerutscht nach Halt tastet. Doch dann spüre ich die Größe und Hitze des Objekts. Ich versuche mich zu entspannen, stelle mir vor, dass es jemand ist, den ich gut kenne. Der gut aussieht. Ich hebe mein Becken unwillkürlich an, als mich der erste Stoß trifft. Ich gehe mit, arbeite weiche nicht aus, komme ihm aber auch nicht entgegen.

 

Schwanz folgt auf Schwanz. Zunge folgt auf Zunge. Fingerkuppe folgt auf Fingerkuppe. Etwa eine Stunde geht das so. Es wundet mich, dass ich so beherrscht bleibe. Mich nicht vergesse. Kein Laut weicht über meine Lippe. Mein Becken bleibt angespannt. Und mein Herz pocht schon längst nicht mehr.

Als die Augenbinde gelüftet wird, blinzele ich aufgrund des einfallendes Lichts. Ich stehe auf, wanke, man reicht mir ein Handtuch.

 

Wenig später sitzte ich wieder in der UBahn. Bin um eine Erfahrung reicher. Aber um keinen Orgasmus, geschweige denn einer neuen Facette meiner Sexualität!


Kommentare

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selena333 schrieb am 04.03.2024 um 22:36 Uhr

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