Anna -Teil drei- das Büro
Montag Morgen, das schrille, digitale Piepen meines Weckers um 6:30 Uhr war ein Akt der Gewalt. Es riss mich aus den letzten, süßen Fetzen eines Traums, in dem ich noch immer auf meinem Altar thronte, umgeben von der Wärme anbetender Körper und dem Glanz von poliertem Schwarz. Die Realität, die mich empfing, war die graue, unbarmherzige Morgendämmerung eines Montags. Mein Körper, noch immer ein Echo der Ekstase vom Wochenende, protestierte mit jedem Muskel, als ich mich aus den Laken schälte. Die Göttin war tot. Es war Zeit, die Sekretärin wiederzubeleben.
Der erste Schritt der Rückverwandlung fand unter dem heißen Strahl der Dusche statt. Das Wasser prasselte auf meine Haut und wusch die letzten Spuren von Schlaf und Traum von mir. Dann begann das eigentliche Ritual, eine Handlung von fast chirurgischer Präzision, die für meinen Beruf ebenso unerlässlich war wie für meine privaten Leidenschaften: die Rasur. Ich schäumte meine Beine, meine Achseln und den Bereich zwischen meinen Schenkeln mit einer dicken, cremigen Seife ein. Mit einer frischen, scharfen Klinge zog ich lange, gleichmäßige Bahnen. Ich liebte dieses Gefühl. Die Klinge glitt über meine Haut und hinterließ nichts als makellose, fast unnatürliche Glätte. Es war eine Vorbereitung, eine Reinigung der Leinwand. An diesem Morgen fühlte es sich an, als würde ich die Spuren der Göttin abtragen, um Platz für die Angestellte zu schaffen. Als ich fertig war, war meine Haut seidig, empfindsam und bereit, eingekleidet zu werden.
Nachdem ich mich abgetrocknet und meine Haut mit einer dezent duftenden Lotion eingecremt hatte, trat ich vor meinen Kleiderschrank. Die linke Seite war ein Abgrund aus schwarzem, glänzendem Latex, eine schlafende Armee der Lust. Die rechte Seite war das Arsenal von "Fräulein Anna". Eine geordnete Reihe von Bleistiftröcken, Seidenblusen und Pumps. Die Uniform. An den meisten Tagen akzeptierte ich diese Dualität. An manchen Tagen, wie heute, empfand ich sie als eine Herausforderung. Ein Funke Rebellion zündete in mir. Ich wollte nicht alles von der Nacht hinter mir lassen. Ich brauchte ein Geheimnis, einen Anker in meiner anderen Welt, um diesen Tag zu überstehen.
Mein Blick fiel auf eine kleine, unscheinbare Schublade. Ich zog sie auf. Darin lagen meine kleineren Latex-Sünden. Handschuhe, Halsbänder und eine Auswahl an Unterwäsche. Ich griff nach einem einfachen, aber perfekt geschnittenen schwarzen Latex-Thong. Er war dünn, nahtlos und würde unter der strengen Uniform unsichtbar sein. Aber ich würde ihn spüren. Das war alles, was zählte.
Ich zog ihn an. Die kühle, glatte Umarmung des Gummis auf meiner frisch rasierten, empfindsamen Haut war ein elektrischer Schock. Es war eine sofortige, geheime Verbindung zu meinem wahren Ich. Eine zweite Haut unter der Haut, die ich der Welt zeigen musste. Ein leises Quietschen, als ich mich bewegte, nur für meine Ohren bestimmt. Ein geheimes Versprechen, das nur ich kannte.
Nun zur offiziellen Uniform. Ich griff nach dem Strumpfhaltergürtel aus zarter Spitze und den echten, hauchdünnen Nahtnylons. Dieses Ensemble war nicht nur eine Vorschrift, es war ein Vermächtnis. Der Gründer der Kanzlei, der alte Dr. Walter Senior, hatte diesen Dresscode vor fast sechzig Jahren eingeführt. Damals war es der Gipfel der Eleganz, ein Ausdruck von Seriosität und Stil. Er wollte, dass seine weiblichen Angestellten einen absolut einheitlichen, makellosen und gepflegten Eindruck auf die hochkarätige Klientel machten. Was damals modisch war, wirkte heute fast anachronistisch, wie aus der Zeit gefallen. Doch genau das war zum Markenzeichen unserer Kanzlei für Wirtschaftsrecht geworden. Es signalisierte Beständigkeit, Tradition und einen unerschütterlichen Qualitätsanspruch.
Ich setzte mich auf die Bettkante und zog den ersten Strumpf langsam über mein Bein, wobei ich peinlich genau darauf achtete, dass die dunkle Naht perfekt gerade an der Rückseite meiner Wade und meines Oberschenkels verlief. Im Büro gab es natürlich die üblichen kleinen Sticheleien. Die älteren Kolleginnen, deren Körper die Spuren von Jahrzehnten trugen, blickten oft mit einer Mischung aus Neid und Missbilligung auf mich und meine gleichaltrige Kollegin Nina. Doch trotz dieser kleinen Rivalitäten vereinte uns die Uniform. Das tägliche, fast rituelle Anlegen der Strümpfe, das vertraute Klicken der Halter, das Rascheln der Seide – es war eine geteilte Erfahrung, die uns zu einer Art stillen Schwesternschaft verband. Es erfüllte uns alle mit einer gewissen Portion Stolz, Teil dieses erlesenen, erfolgreichen Teams zu sein. Und ich musste zugeben, ich hatte meine Berufskleidung lieben gelernt. Sie war eine andere Art von Rüstung, eine andere Art von Fetisch.
Ich befestigte die acht Clips des Gürtels am oberen Rand der Strümpfe. Dann schlüpfte ich in den engen, hoch taillierten Bleistiftrock aus grauem Wollstoff. Er zwang meine Hüften in eine sanft wiegende Bewegung und zeichnete an den Oberschenkeln die zarten, verräterischen Umrisse der Strumpfhalter-Clips ab – ein Detail, das von außen züchtig und von innen unanständig war. Darüber kam die hochgeschlossene, cremefarbene Seidenbluse. Zum Schluss die schwarzen Pumps, die mit ihrem 8-Zentimeter-Absatz meine Haltung sofort veränderten und mich in die Rolle der perfekten Sekretärin zwangen.
Ich trat vor den Spiegel. Die Verwandlung war abgeschlossen. Fräulein Anna war bereit für ihren Auftritt. Nichts an ihr verriet die Göttin der Nacht, außer dem winzigen, unsichtbar in die Nase geklappten Septum-Piercing und dem kühlen, geheimen Gefühl von schwarzem Latex auf meiner Haut. Mit einem letzten, wissenden Lächeln nahm ich meine Handtasche. Das Klicken meiner Absätze auf dem Parkett war der erste Takt der Symphonie des Montags.
Das schwere, messingpolierte Portal der Kanzlei Dr. Walter & Partner schloss sich hinter mir und schluckte den Lärm der Straße. Augenblicklich war ich in einer anderen Welt. Die Luft hier roch nicht nach Abgasen und Backwaren, sondern nach altem Leder, Bohnerwachs und dem dezenten, teuren Parfüm, das alle meine Kolleginnen zu benutzen schienen. Das Foyer war eine Kathedrale aus dunklem Mahagoni, gedämpftem Licht und dicken Perserteppichen, die das Klicken meiner Absätze zu einem leisen, respektvollen Klopfen dämpften. Hier herrschte eine fast klösterliche Stille, nur unterbrochen vom leisen Summen der Klimaanlage und dem entfernten, rhythmischen Klackern von Tastaturen, die mit der Präzision von Schreibmaschinen bedient wurden.
Ich ging durch das Großraumbüro des Sekretariats, und sofort spürte ich die Blicke. Es war ein unsichtbares, aber spürbares Netz aus taxierenden Augen. Meine Kolleginnen, eine Phalanx aus perfekt gestylten Frauen zwischen Mitte dreißig und Ende fünfzig, saßen aufrecht an ihren wuchtigen Schreibtischen. Jede einzelne war ein Kunstwerk der Konformität, gekleidet nach dem ungeschriebenen, aber eisernen Gesetz der Kanzlei. Enge, knielange Röcke in Grau-, Schwarz- oder Marinetönen. Dünne Seidenblusen, hochgeschlossen und züchtig. Und an den Beinen aller Frauen die verräterische, dunkle Naht der echten Nylons, die sich über schlanke, gepflegte Waden zog. Sie waren alle schlank, alle tadellos gepflegt, ihre Frisuren saßen perfekt, ihr Make-up war makellos. Doch unter der Oberfläche dieser Uniformität brodelte es. In den Blicken der älteren Frauen, deren Haut nicht mehr ganz so straff war und deren Augenringe sich nicht mehr so leicht überschminken ließen, lag ein Hauch von Gift. Ein missgünstiges Flimmern, das mir und Nina galt, den Jüngsten im Team.
"Guten Morgen, Anna! Hattest du ein schönes Wochenende?", trällerte eine fröhliche Stimme. Ich drehte mich um und lächelte. Nina. Sie war ein Sonnenstrahl in diesem ehrwürdigen, leicht verstaubten Mausoleum. Groß, blond, mit einer üppigen Oberweite, die die dünne Seide ihrer Bluse auf eine Weise spannte, die bei den älteren Kolleginnen regelmäßig zu missbilligendem Schnauben führte. Ihre Leidenschaft für den Rockabilly- und Pin-Up-Stil der 50er und 60er Jahre war der eigentliche Grund, warum sie hier war. Als sie die Stellenanzeige und die Bilder der Kanzlei gesehen hatte, hatte sie sich sofort verliebt – in die Kleidung, die für sie keine strenge Uniform, sondern gelebte Nostalgie war. Sie liebte es, mit ihrem Freund Max in seinem alten Mustang Cabrio zu Treffen zu fahren, und brachte ein wenig von diesem rebellischen Geist mit ins Büro, etwa in Form der vier kleinen Perlenohrringe, die sich an jedem ihrer Ohrläppchen aufreihten.
Als wir uns später am Kaffeeautomaten trafen und für einen Moment unbeobachtet waren, seufzte sie. "Manchmal wünschte ich, ich könnte mir einfach ein kleines Nasenpiercing stechen lassen. Nur einen winzigen Stecker. Aber Frau Stefanie würde wahrscheinlich einen Anfall bekommen." Ich sah mich kurz um. Die Luft war rein. "Schau mal", flüsterte ich und zog mit dem Daumen meine Oberlippe leicht nach unten. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand klappte ich den kleinen, silbernen Ring meines Septums nach unten, sodass er für einen Moment sichtbar war. Ninas Augen wurden groß. "Wow! Anna, das ist ja der Hammer! Das steht dir bestimmt super!", flüsterte sie begeistert. "Seit wann hast du das?" "Seit Samstag", murmelte ich und klappte es ebenso schnell wieder nach oben in sein Versteck. "Aber wehe, du sagst ein Wort." Sie legte sich die Hand auf den Mund und nickte verschwörerisch. Sie ahnte nicht, dass dieses kleine Stück Metall nur die harmlose Spitze eines sehr großen, sehr dunklen Eisbergs aus Latex und Piercings war.
Gerade als ich zu meinem Platz zurückkehren wollte, kam Florian, der Juniorchef, aus dem Büro seines Vaters. Er war dreißig, trug einen perfekt sitzenden Anzug, und sein Lächeln hatte schon mehr als eine Kollegin aus dem Konzept gebracht. Unsere Blicke trafen sich nur für einen Sekundenbruchteil. Aber es reichte. Ein vertrautes Kribbeln durchfuhr meinen Bauch, und ich spürte, wie sich eine leichte, verräterische Feuchtigkeit in meinem Schritt ausbreitete, direkt dort, wo das kühle Latex auf meiner Haut lag. Ich senkte schnell den Blick und ging zu meinem Schreibtisch, mein Herz pochte ein wenig schneller.
Die Mittagspause war eine kurze, aber leider trügerische Oase der Normalität. Als ich zurückkam, wurde ich sofort vom strengen Blick der Chefsekretärin empfangen. Stefanie. Mitte vierzig, das Haar zu einem makellosen Chignon gesteckt, ihre Haltung so gerade wie ein Lineal. Sie leitete das Büro mit eiserner Hand und einer Aura unantastbarer Perfektion. Wenn sie etwas brauchte, standen Nina und ich stramm. Es war uns ein ewiges Rätsel, wie sie mit ihren fast drei Zentimeter langen, immer perfekt blutrot lackierten Fingernägeln schneller und fehlerfreier tippen konnte als wir beide zusammen. Ihre Nägel klickten auf der Tastatur wie die Klauen eines Raubtiers.
Ihr Blick traf mich wie ein physischer Schlag. "Fräulein Anna, in mein Büro. Sofort." Ihre Stimme war leise, aber scharf wie eine Klinge. Mir gefror das Blut in den Adern. Ich folgte ihr in ihr gläsernes Reich, das sie wie eine Spinne im Netz beherrschte, und schloss die Tür hinter mir. Sie deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch, ohne mich anzusehen, und studierte eine Akte. Sekunden vergingen, die sich wie Stunden anfühlten. Dann klappte sie die Akte zu, verschränkte die Hände mit den furchterregenden Nägeln auf der Schreibtischplatte und sah mich zum ersten Mal direkt an. Ihr Blick war kalt und analytisch.
"Setzen Sie sich", sagte sie tonlos. Und dann, ohne jede weitere Einleitung: "Erzählen Sie mir von dem neuen Piercing in Ihrer Nase."
Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Ertappt. Es hatte keinen Sinn zu leugnen; Stefanies Blick bohrte sich in mich, als könnte sie das kleine Stück Metall direkt durch meine Haut sehen. Ich schluckte. "Ich... es ist ein Septum, Frau Stefanie", stammelte ich und meine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen.
"Ein Septum", wiederholte sie tonlos, ohne eine Miene zu verziehen. "Fräulein Anna, Sie kennen die Kleiderordnung dieser Kanzlei. Sie ist nicht verhandelbar. Sie repräsentiert die Werte von Dr. Walter & Partner: Beständigkeit, Diskretion, absolute Professionalität. Ein sichtbares Gesichtspiercing ist der Inbegriff des Gegenteils." Ihre Stimme war so kalt und präzise wie ein Skalpell.
"Ich verstehe. Es tut mir aufrichtig leid", sagte ich schnell und versuchte, meine Stimme fest klingen zu lassen. "Ich kann es hochklappen, dann ist es absolut unsichtbar. Ich verspreche Ihnen, es wird im Büro niemals zu sehen sein."
Stefanie musterte mich für einen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte. "Ich werde Sie beim Wort nehmen", sagte sie schließlich. "Betrachten Sie dies als Ihre erste und letzte Verwarnung. Sollte ich auch nur den Hauch von Metall in Ihrer Nase sehen, sind die Konsequenzen... endgültig. Verstanden?"
"Ja, Frau Stefanie. Absolut verstanden."
"Dann gehen Sie jetzt zurück an Ihre Arbeit."
Wie auf Autopilot stand ich auf und ging aus ihrem Büro, spürte die neugierigen Blicke der anderen Kolleginnen im Rücken. Zurück an meinem Schreibtisch sank ich auf den Stuhl, mein Herz hämmerte gegen meine Rippen. *Woher, zum Teufel, wusste die alte Hexe das?* hatte Nina geplaudert? Unwahrscheinlich. Hatte es jemand anderes gesehen? Als ich mich auf dem Stuhl zurechtrückte, spürte ich es. Die Konfrontation, die kalte, schneidende Autorität in Stefanies Stimme und die absolute Macht, die sie über mich hatte, hatten mich klatschnass werden lassen. Ein kleines, geheimes Lächeln huschte über meine Lippen. Zum Glück war Latex wasserfest.
Auf dem Weg nach Hause an diesem Abend kreisten meine Gedanken nicht mehr um Florian. Sie kreisten um Stefanie. Die Standpauke war nicht nur eine Strafe gewesen. Sie war ein Rausch. Die Angst, die Unterwerfung, die schiere Dominanz in Stefanies Blick hatten etwas in mir entzündet. Wie weit müsste ich gehen, um das noch einmal zu erleben? Ein Rock, der einen Zentimeter zu kurz war? Ein zweiter Knopf an der Bluse, der "versehentlich" offenblieb? Was wäre zu weit gegangen? Die Frage hing wie ein verlockendes Versprechen in der Luft.
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