Ausweglos - Teil 3
Wer sind Sie?
Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ein Gefühl der Angst, der Scham und der Ausweglosigkeit noch grausamer sein könnte. Der Abend in Bernau war bis heute das Maximum dessen, was ich glaubte aushalten zu können. Die Träume waren und sind die Hölle. Zwar war ich überzeugt, dass ich das alles nie wirklich vergessen könnte. Aber ich lebte immer in der Hoffnung, nein eigentlich in der festen Überzeugung, dass es irgendwann derart verblassen würde, dass es im Nebel unschöner Jugenderinnerungen abtauchen würde. Bis heute.
Und nun der Umschlag. Alles wieder da. Schlimmer als jemals zuvor. Aber ich hatte auch noch nie so viel zu verlieren. Mein ganzes Leben war im Beziehungsbereich gescheitert. Alles wegen dieses einen Abends in Bernau. Bis zum heutigen Tage ertrage ich keine fremde Hand auf mir. An der Uni hatte ich alle Interessenten, darunter unglaublich nette Jungs, vor den Kopf gestoßen. KEINE HÄNDE MEHR AUF MIR, DIE MIR SCHEINE IN DEN SLIP STECKEN!!! UND ALLE MÄNNER WOLLEN NUR DAS. MICH KAUFEN UND ERNIEDRIGEN. So gingen die Jahre dahin. Allein. Flucht in Alternativaktivitäten. Verhaltensforscher würden es vermutlich Übersprungshandlung nennen. Glücklicherweise ine äußerst produktive Form der Übersprunghandlung. Alle Kraft und Energie in die Wissenschaft fokussiert. Weltweit anerkannte Koryphäe auf meinem Fachgebiet. Natürlich der fast auf Profiniveau betriebene Radsport, der unbewusst die körperlichen Malusse kompensierte. Das Reiten. Die Sorge um die Betreuung meine Mutter. Alles Fluchtwege, um keine Beziehung zulassen zu müssen.
Und nun der Umschlag. Eine schlaflose Nacht liegt hinter mir. Nicht nur schlaflos, sondern von Ängsten und Sorgen durchflochten. Meine Versuche, am neuen Projektantrag zu arbeiten, verliefen kläglich im Sande. Wie soll ein Mensch auch einen klaren Gedanken fassen, wenn die Panik seinen Kopf umwühlt, altes, langsam in der Versenkung Verschwundenes wieder ganz nach oben zerrt?
Der Kaffee bringt mich wieder etwas in Schwung, so dass es mir ohne Probleme gelingt, Isabella, meiner alleinerziehenden Nachbarin, die ihre beiden engelsgelockten Zwillinge zur Schule fährt, im Treppenhaus einen schönen Tag zu wünschen. Und natürlich komme ich demnächst mal wieder auf ein Glas Wein herüber … Ich öffne die schwere hölzerne Eingangstür zu unserem Vierparteienaufgang und mir wird bewusst, dass dieser Tag in Bezug auf das Wetter ebenso phantastisch werden wird wie der gestrige. Ja, in Bezug auf das Wetter. Aus dem Briefkasten fallen mir die Zeitung entgegen, in der Zeitung ein Stapel Briefe. Idioten schimpfe ich in mich hinein. Elende Werbung. Die Schlagzeilen überfliegend gehe ich zurück in die Wohnung, gieße mir die zweite Tasse Kaffee des heutigen Tages ein – dabei wehmütig an den hochsignifikanten Unterschied zwischen meiner braunen Brühe und Mandys Meisterwerk denkend – und setze mich an den Küchentresen. Während die Müsliflocken eine innige Verbindung mit dem Joghurt, den Bananen- und Pfirsichstücken sowie den zerstoßenen Walnüssen eingehen, strukturiere ich in Gedanken den heutigen vorlesungsfreien Tag. Ich werde mich verausgaben, um mit körperlicher Brachialität den im Kopf sitzenden Feind zu bekämpfen. Also nach dem Frühstück Contessa besteigen, langsam aufwärmen, stadtauswärts – 150 Kilometer müssen es heute werden. Mindestens. Und 150 Kilometer am Limit. Vielleicht schaue ich auf dem Rückweg kurz auf dem Gestüt in Dornstadt vorbei. Meine dort untergestellte Stute Cordula wird sich freuen – ich war seit drei Tagen nicht mehr bei ihr. Als ich den in die Briefe durchgehe stockt plötzlich mein Atem. Ein Umschlag. Dieselbe Farbe. Dieselbe Größe. Der computergeschriebene Adressaufkleber identisch. Fester Inhalt. Kleiner fester Inhalt. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich den Würgereflex unter Kontrolle bekomme. Tief einatmen. Wegwerfen? Erst am Abend öffnen?
Einatmen, der kalte Edelstahl des Brieföffners durchtrennt mit glattem Schnitt das Papier. Ein Fotoabzug, leicht verbleicht wie der gestrige. Der heutige zeigt mich. Uniform, diesmal die der Thälmannpioniere. Tanzstange an die Scham gedrückt, ein blauer 100 DM-Schein hängt aus dem roten Seidenslip. Das Foto gleitet aus meiner Hand. Und ich zucke zusammen als ein mit der Nummer 66 versehener Schlüssel aus dem Umschlag fällt. Daran ein kleiner Zettel: „Schließfachanlage Hauptbahnhof – Abholung bis 7. Oktober 11:30 – Bei Nichterfüllung Verteiler für alle Fotos samt Erläuterung des Zustandekommens: 1. Präsident der Uni Ulm, 2. Kanzler der Uni Ulm, 3. Personalrat der Uni Ulm, 4. AStA der Uni Ulm, 5. Sekretariat Prof. Dr. Nina Meier – persönlich z.H. Frau Mandy Kreinhagen, 6. Isabella Kronschmidt, 7. Gestüt Dornstadt, 8. Radsportclub Ulm e.V.; 9. Subaru-Autohaus Neu Ulm, 10. Elvira Meier.“
Es dauert Minuten, bis ich verarbeitet habe, dass der Verteiler meine Welt umfasst. Meine kleine hart erarbeite heile Welt. Meine fragile Welt. Jede maßgebliche Stelle der Uni, meine einzige wirkliche Freundin hier in Ulm, alle Leute mit denen ich meine Freizeit verbringe. Und meine Mutter, meine Mutter, MEINE MUTTER!!! Die Liste hätte keine sensibleren Adressaten enthalten können. Einzig Position 9 kann ich nicht nachvollziehen – genauso gut hätte dort auch der Bäcker von nebenan oder mein Friseursalon stehen können. Ansonsten ist der Umschlag leer.
Meine Tagesplanung ist natürlich dahin. Wie ferngesteuert dusche ich. Ziehe mich an, Jeans, Bluse, leichte Jacke. Mein Kopf scheint von Watte ausgefüllt. Ich bemerke nicht bewusst, wie ich mir Contessa auf die Schulter schiebe und die Treppe heruntertrage. Den Weg zum Bahnhof nimmt das Rad automatisch. Immer wieder greife ich in meine Hosentasche, um zu fühle, ob der Schließfachschlüssel noch da ist. Verteiler – 1 …, 2. …9. Elvira Meier. Verdammt schreie ich. Der Mitfünfziger, der an der Ampel neben mir auf das Grünsignal für die Radler wartet schaut mich erschrocken an. Weiter. Feste Tritte, keinerlei Belastung für mich.
Ulm ist eine wunderschöne Stadt. Aber Ulm hat hässliche Ecken und strapaziert den Besucher mit architektonischen Zumutungen, die Alteingesessene mehrheitlich wohl als gegeben und völlig normal hinnehmen. Die Uni gehört dazu. Und in jedem Falle auch der Hauptbahnhof. Über den Haupteingang des für sich allein schon furchtbaren Hauptgebäudes wurde – vielleicht im Versuch der Welt zu zeigen, in welch moderner, vom Freigeist geprägter Stadt sie gerade ankommt – ein filigran freischwingendes Glasdach „geklebt“. Unglaubliche Kombination! Wie immer lasse ich Contessa nicht an den Fahrradständern, sondern jongliere sie durch die Menschenmassen. Heute allerdings nicht in Richtung der Fernbahnsteige, die Ausgangspunkt meiner 14täglichen Reisen Richtung Norden, zu meiner Mutter, sind.
Heute biege ich vor den Bahnsteigen ab und bewege mich in den Schließfachbereich: Dieser erscheint inmitten des Menschengewühls wie eine Ruhezone. Die in Hunderterblöcken gruppierten Fächer bilden eine Wand in Richtung der großen Bahnhofshalle. Meine Augen überfliegen die schwarzen, zerkratzten Nummern auf den ehemals stahlblauen Metalltüren. Die 66 findet sich in der unteren Hälfte des ersten Blocks. Ich brauche einige Zeit um durchzuatmen. Contessa vorsichtig neben mir an die Schließfachgallerie lehnend, krame ich den Schlüssel aus der Jeans. Ich bin fast allein, als der Schlüssel in das Schloss gleitet und die sich unangenehm quietschende Tür freigibt. Ich muss in die Hocke gehen um das Fach ganz einsehe zu können. Im Dämmerschein der künstlichen Beleuchtung erkenne ich einen schwarzen Plastebeutel auf dem einer der teuflischen Umschläge prangt. Beschriftet wie die ersten beiden. Dieser enthält auf der Rückseite aber ergänzende Informationen: „Umschlag und Tüte nehmen und auf der Toilette öffnen! Anweisungen befolgen! Schießfach verschließen! Schlüssel mitnehmen!“
Wieder der Würgereiz. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand. Tief und ruhig atmen. Gleichmäßig. Tief und ruhig. „Geht es Ihnen gut?“ fragt besorgt eine ältere freundlich blickende Dame. Ich nicke nur und sie schleicht weiter, mich aber aus den Augenwinkeln unter Kontrolle behaltend, als befürchte Sie, dass ich gleich zusammensinke. Doch ich fasse mich. Mein Atem geht wieder ruhiger. Alle Kraft zusammennehmend greife ich Tüte und Umschlag und bewege mich in Richtung der Toiletten, nicht ohne der Dame, die gerade eine Tasche aus einem anderen Schließfach holt, noch einmal nett zuzuwinken.
Nachdem es mich einige Mühe gekostet hat, Contessa sicher abzustellen gehe, besser gesagt schleiche ich auf die Damentoilette. Eine mürrische Türkin mit beachtlichem Körpervolumen bewacht, auf einem angesichts ihres Gewichts bemitleidenswerten Stuhl hockend den Eingang und den Teller auf dem einige 50-Cent-Stücke liegen. Ich grüße freundlich, ohne dafür eine Reaktion zu bekommen.
Trotz meiner furchtbaren Lage atme ich etwas erleichtert auf, nachdem ich die Kabinentür hinter mir verschlossen habe. Der Drachen am Eingang ist zwar in jedem Dienstleistungsgewerbe geschäftsschädigend, scheint jedoch 23 Stunden am Tag die Toilettenanlagen zu putzen. Der angenehm frühlingshafte Duft erfüllt jeden Winkel, die Fliesen glänzen mit dem Becken um die Wette. Ich muss zwar nicht, würde aber bei Bedarf fast in Erwägung ziehen, mich auf die Brille zu setzen. Kurz grinse ich, als ich daran denke, wieviel schwerer es anderen Frauen fällt, die nicht über derart trainierte Oberschenkelmuskeln verfügen wie ich und vermutlich schon nach kurzer Zeit in der peinlichen Körperhaltung zu zittern beginnen. Und, was ich noch nie auf einer öffentlichen Toilette Gesehen habe – die Rückseite der Tür ist mit einem Spiegel versehen. Wie sich herausstellt, ist es ein bedampfter Edelstahlspiegel, keine gläsernes Modell, das den Anforderungen des Bahnhofbetriebs vermutlich nur wenige Tage wiederstehen würde. Seltsam alles. Aber sauber. Aber dann ist die Angst wieder da.
Zitternd schließe ich den glänzenden Deckel des Beckens und lege die Tüte darauf ab. Das schwere, zähe Plastik knistert gedämpft. Zögernd, als fürchte ich eine giftige Schlange aus dem Umschlag fahren, reiße ich ihn mit meinen eiskalten Fingern auf. Das obligatorische Foto. Diesmal eine nicht identifizierbare schlanke Frau in blauen Halterlosen und blauem Slip von hinten. Das war kurz vor dem Ende der ersten Stripeinlage... Ich kann mich an jede Sekunde erinnern. Und ein comutergeschriebener Brief. An die Wand lehnen. Durchatmen. Auf die Geräusche in der Nachbarkabine achten. Allen Mut zusammennehmen. Lesen.
"Hallo Chantalle,
wie ich gehofft und nicht anders erwartet hatte, bist Du gekommen und hast meine Nachricht an Dich gefunden. Dies spricht dafür, dass selbst eine minder bemittelte Zonenfotze wie Du einen erst Verstand unter ihren blonden Haaren trägt.
De gestrige Tag war der Beginn einer intensiven Beziehung, deren wesentlicher Teil Du bist, deren Ausgestaltung aber nicht im Mindesten von Dir beeinflusst werden wird. Gleichwohl gebe ich Dir die Möglichkeit, Dein bisheriges Leben nach außen unverändert fortzusetzen. Voraussetzung ist, dass Du in jederlei Hinsicht parieren wirst. Sei versichert, dass Auflehnung und Nichtgehorsam zur unverzüglichen Information des heute Morgen genannten Verteilers führen werden.
Aus Gründen, die Dir schon bald bewusst werden, liegt mir viel daran, Dich zu verletzen, Dich zu demütigen und Dich zu erniedrigen. Und das wird ein weites Feld …
Ich gehe davon aus, dass Du mein Angebot, Dein Leben wie bisher weiterleben zu dürfen, annehmen wirst. Um dies zu demonstrieren, machst Du jetzt Folgendes:
- Du packst den Plastebeutel aus.
- Du schaltest das im Beutel befindliche iPhone an. Die PIN-Nummer lautet 6666.
- Du entkleidest Dich vollständig.
- Du tauschst die in der Tüte befindlichen Sachen gegen das, was Du momentan trägst.
- Du hältst folgende Situationen fotografisch mit dem iPhone und unter Nutzung des Kabinenspiegels fest: 1. Dein jetziges Outfit, 2. Dich unbekleidet und 3. Das Outfit aus der Plastetüte. Du wirst bei allen Aufnahmen darauf achten, dass Dein Gesicht deutlich zu erkennen ist.
- Du verstaust Deinen alten Sachen in der Tüte.
- Du verlässt die Bahnhofstoiletten und schließt den Beutel im Schließfach 66 ein.
- Du sendest die drei Fotos an den einzigen im iPhone gespeicherten Kontakt.
- Du fährst mit dem Rad auf direktem Wege zum Münster und wartest auf den Stufen des Westportals auf weitere Anweisungen. Wage nicht, zu versuchen, das Rad zu schieben!
Du hörst von mir!
Entsetzt lege ich den Zettel zur Seite. Es gibt also Schlimmeres als die Hölle. Das edel wirkende iPhone gegrüßt mich mit einem schmeichelnden Ton, als ich die Kombination eingebe. Musste es gerade diese sein? Das auf dem Display erscheinende Hintergrundbild lässt mich einen kalten Schauer über den Rücken laufen – es ist das Bernauer Striplokal, offenbar eine aktuelle Aufnahme. Zitternd lege ich das Gerät zur Seite und widme mich voll schlimmer Vorahnung dem Kleiderbündel. Verdattert stelle ich fest, dass es sich um ein teures Businesskostüm handelt, in der 36, meiner Größe. Dann greife ich nach der kleinen Schachtel. Sie enthält hautfarbene Halterlose. Abgesehen von der Bernauer Episode habe ich nie im Leben derartige Strümpfe getragen. Die vor mir liegenden Exemplare sind offenbar teuer. Sie werden in dezenter Schrift als „außergewöhnliche glatte halterlose Strümpfe in 10 Denier mit Spitzenrand aus England“ beworben. Da überkommt es mich. Ich muss mich in Panik in die Toilettenschüssel übergeben. Was passiert hier mit mir? Gibt es keinen Ausweg? Aber egal wie ich mein Hirn zermartere, mir fällt keiner ein. Auf dem Toilettendeckel liegen nun nur noch eine einfache weiße Bluse und ein Paar Pumps mit etwa 5 cm Absatz. Verzweifelt krame ich in der Tüte, zwischen dem Kostüm. Aber ich finde keine Unterwäsche. Nachdem ich mich mit dem iPhone vertraut gemacht habe fotografiere ich mich im Spiegel. Das Resultat ist eine den Tränen nahestehende Blondine in legerer Freizeitkleidung.
Gegen die Tränen kämpfend entkleide ich mich. Von Tränenkrämpfen geschüttelt. Meine Füße berühren die kalten Fliesen und trotz der peniblen Sauberkeit ekelt es mich. Dann das Justieren des iPhones und ein Foto. Trotz meiner 44 Jahre kein Gramm Fett. Deutlich abgesetzte Bräunungsstreifen an den Rändern des Radtrikots. Das erste Mal beobachte ich dies bewusst – blasser Körper, braune Beine, Arme und Gesicht. Ein dichter Flaum zwischen meinen Beinen. Meine Hoffnung, dass das Foto unscharf wird erfüllt sich nicht. Verdammt scharf. Tränen.
Lustiges Geschnatter einer Schulklasse, die wie ein Heuschreckenschwarm in die Damentoilette einfällt. Als an meiner Tür geruckelt wird, erstarre ich zur Salzsäule. Aber sie ist ja verschlossen. Es kostet mich Überwindung in die neuen Sachen zu steigen. Ein Kleidungsstil, den ich verabscheue. Den ich bei festlichen Anlässen an der Uni über mich ergehen lassen muss. Aber dann in Hosenanzügen, von denen ich einige besitze. Aber keine Röcke! Keine Kleider! Das zieht doch die Blicke der Kerle auf meine Beine. VERDAMMT! Als ich die Halterlosen an meinen Beinen hochrolle, habe ich die große Angst, dass sie sich selbständig machen. Oh je – nicht daran denken, dass Sie sich nach unten bewegen, ohne dass ich es beeinflussen kann. Dann die Bluse. Endlich meine nackten Brüste verdecken. Sie fällt, sehr eng aus und hätte ich nicht eine makellose Figur, würde sich die winzigste Fettfalte durch den edlen Stoff abzeichnen. Dann der Rock. Verdammtes Frauen degradierendes Teil. Reicht gerade mal eine handbreit über die Knie. Übersetzt anderthalb Handbreit bis zum Rand der Halterlosen und zwei Handbreit zu meiner unbedeckten Scham. Im Moment kann ich nicht unterscheiden, ob mein damaliger Tanzauftritt oder das im Moment schlimmer ist. Dann den edlen Blazer darüber. Dann das dritte Foto.
Als mein 50-Cent-Stück in den Teller klingelt, ist dem auf Sauberkeit bedachten Türdrachen die Verwunderung anzusehen. In ihren Augen kann ich lesen, dass Sie nicht damit klarkommt, dass die Kundin, die jetzt ihr Reich verlässt dieses zuvor nicht betreten hat. Die Absätze begleiten jeden meiner Schritte, während meine Turnschuhe keinen Laut verursachten.
Als ich Contessa abschließe, muss ich fest die Beine zusammenpressen, ansonsten …. Dann der Weg zurück zu den Schließfächern. Den Beutel mit dem Teil von mir, den ich gezwungen war, abzulegen. Alles auf Rücklauf. Die Tür schließt sich hinter der schwarzen Plastetüte. Ich schiebe Richtung Ausgang. Das hässliche Glasdach. Und als ich mich in den Sattel schwinge, wird mir glasklar bewusst, welchen Zweck der letzte Satz der neunten Anweisung hatte. Wenn ich das Schwein in die Finger bekomme bringe ich es um. Dann, bevor ich losfahre, ein Blick in die Kontaktliste. Kreidebleiches Staunen, unwillkürliches Kopfschütteln. Nur ein Kontakt: „Your hellmaster“. Senden …
Die kurze Strecke zum Münster wird zur Tortur. Obgleich sich die Herbstsonne durchkämpft, ist die feuchte Luft empfindlich kalt, besonders im Fahrtwind. Besonders an der den unbedeckten Stellen meines Körpers. Und damit nicht genug, bin ich sicher die einzige Einwohnerin dieser großen Stadt, die mit einem Businesskostüm auf einem Rennrad durch die Fußgängerzone fährt. Jede Rotation der Pedale wirft den Rock nach oben. Man erkennt, wenn man genau hinsieht, dass ich Halterlose trage. Sähe man mich von vorn, sähe man noch mehr. Wenige Minuten später komme ich frierend, zugleich durchgeschwitzt wie nach einem Rennen am altehrwürdigen Münster an. Es war mir noch nie solch eine Wohltat, mich von Contessa zu schwingen.
Als nur Sekunden darauf das iPhone klingelt, das ich in einer dezenten Innentasche meines Blazers untergebracht habe, durchfährt mich das Grauen in dreifacher Hinsicht. Erstens, weil meine Ankunft offenbar beobachtet wurde, zweitens wegen des Klingeltons – die tiefe prägnante Stimme von Hans Albers dringt mit „Auf der Reeperbahn ….“ in meine Gehörgänge. Und drittens wegen der prägnanten Anruferkennung: „Your Hellmaster is calling“. Verzweifelt nehme ich das Gespräch an. „WER SIND SIE?“ presse ich kurzatmig in das iPhone.
Kommentare
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