Olympia
Wenn Olympias Träumen dann ein Ende nimmt, | |||||
Tritt in der süßen Botin schwarzem Arm der Frühling ein. | |||||
Zur Sklavin war sie in der Liebesnacht bestimmt, | |||||
Doch will am Tag sie feiern schönen Augenschein: | |||||
Die hehre Frau, in der die Flamme glimmt.*
Du liegst nackt auf dem weißen Damast Deines Himmelbetts, die goldenen Seidenpantoffeln auf dem mit Blumen besticktem Bettüberzug und schaust mich an, trotzig, selbstbewußt, mit einem überlegenen Lächeln um die feinen geschlossenen Lippen, die gerade noch das Champagnerglas umschlossen. Du denkst nicht an mich und auch nicht an die anderen, die Du entflammt. Du denkst nur an Deinen eigenen Vorteil!
In Deinem rötlichen Haar leuchtet eine blaßrosa Kamelie wie bei Dumas' Kurtisane Marie Duplessis, um den Hals baumelt an einem schwarzen Band eine einzelne Perle, der Schmuck der Liebesgöttin Venus. Eine Tochter der Venus bis Du für jeden, der Dich dafür ansehen will.
Deine feingliedrige rechte Hand hält den Stoff des Überzugs, am Handgelenk mein goldener Armreif. „Die Liebste war nackt, und da sie mein Herz kannte, trug sie nur ihr klingendes Geschmeide“ (Charles Baudelaire, Les Fleurs du Mal). Weißt Du noch nach welch feuriger Liebesnacht ich es Dir umgelegt, meine Olympia? Erinnerst Du Dich der Leidenschaft, in der ich Dich umfaßt, meine Arme um Dich gelegt und Dich genommen habe? Weißt Du noch in welcher Seligkeit ich geschwelgt während ich mich in Dich verströmt, Du meine süße Liebessklavin? Und Du hast mich berührt, überall berührt mit diesen Fingern, die mir überirdische Lust verschafft.
Oh nein! Deine Augen wirken kalt, gleichgültig, abwesend. Du hast Dich verkauft für jene Nacht und der Schmuck war Dein Trinkgeld, denkst Du wohl. Du gehörst immer demjenigen, der Dich gerade bezahlt. Wer mehr sucht als rasche Befriedung für Geld ist bei Dir falsch. Du gibst nur Deinen schönen Körper, kein Gefühl, keine Seele.
Ach, und Deine weißen Brüste, deren blasse Knospen wegstehen, reizen mich bis zum Wahnsinn. Sieh, wie ich bereits am Vorhang stehe in Gehrock und Zylinder, um mich zu verabschieden und Dein Liebreiz mich zurückruft an Dein Lager! Ich kann jetzt nicht gehen weg von Deinem warmen Lager in die kalte Nacht hinaus.
Ich habe gehört, Du hast Dich einer Geliebten zugewandt! Ziehst die Gesellschaft einer Frau im Bett der meinen vor! Ihre weichen Glieder und saften Lippen meinem harten stolzen Leib. Wie soll ich kämpfen gegen die Frau in Deinem Herzen, Grausame? Möchtest Du meinen Skandal durch einen noch größeren übertrumpfen?
Deine schwarze Dienerin sieht dich fragend an, wohin sie meinen Blumenstrauß stellen soll, das Zeichen meiner Liebe, die ich Dir täglich mit meinen blühenden Gaben erneut beweise.
Du beachtest weder sie noch mein Geschenk. Eisig bist Du und abweisend!
Denk an das wundervolle Frühstück im Freien mit Ferdinand. Diese Partie carée war doch ganz nach Deinem Geschmack! Zwei vornehm gekleidete Männer mit Geld! Ausgelassene Stunden im Wald von Argenteuil. Wie glücklich schienst Du mir! Ich habe Dich unsterblich gemacht, mit den Göttinnen der alten Meister wirst Du verglichen, doch es läßt Dich kalt!
Meine Darstellung nennt man gewagt, ja unverschämt, aber nur Du allein sollst ins Licht gerückt werden!
Deine Linke ruht auf Deinem Schoß, dem Zentrum meines Begehrens, in das ich gerade noch in brennender Leidenschaft eindringen durfte, mit Lippen, Zunge, Händen und Geschlecht. Wie versperrt ist es jetzt nachdem die Zeit abgelaufen ist. Dein linkes Bein ist lässig über das rechte geschlagen wie um zu zeigen: jetzt geht nichts mehr!
„Gern hätte ich mein Leben zugebracht ... wie zu Füßen einer Königin wollüstig eine Katze“ (Charles Baudelaire, Les Fleurs du Mal). Wie beneide ich Deine schwarze Katze, die einen Buckel macht und den Schwanz in die Höhe stellt, um mich zu vergraulen, obwohl Du mich doch verhext hast und ich daher nicht gehen kann.
Schau mir nur frech ins Gesicht, Schamlose, Du bist nicht die göttliche Venus, die sich scheu abwendet oder die nackt überraschte Schlummernde. Nein, Du setzt die Reize Deines Körpers bewußt ein, um mich zu verderben. Du läßt Dich nur willig von mir betrachten, von Deinem freigiebigen Freier, Du gierige Hure! Und dennoch liebe ich Dich abgöttisch!
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