Mandana Prolog
Mandana Prolog
Was war das für eine Woche, geprägt von Personalverantwortung, wirtschaftlicher Vernunft und natürlich den einsamen Abenden in einem Frankfurter 5 Sterne Hotel, aber jetzt sitze ich endlich im IC nach München und für mich ist nicht nur Wochenende, nein jetzt ist auch Urlaub. Ja, endlich Urlaub und ich kann für 4 Wochen meinen Job hinter mir lassen und mich ganz auf das beschränken was mir wichtig ist. Aber da ich den ICE verpasste muss ich mich noch etwas länger gedulden bis ich nach Hause komme. Ich sitze im Zug und starre durch die vom Dauerregen verschmierte Scheibe, draußen soll Sommer sein, aber dieser Julifreitag erinnert mich vielmehr an Herbst. Das saftige grün der Sträucher, Wiesen und Wälder zieht an mir vorbei und die trostlose Regenoptik macht mich nachdenklich. Nachdenklich über das, was diese Woche mir brachte, nachdenklich über mein Leben, nachdenklich was der Urlaub mit mir vor hat. Mit welchen „Kotzbrocken“ musste ich mich diese Woche rumärgern, aber das bringt natürlich mein Job so mit sich. Schließlich stehe ich in der Verantwortung für Personal und anderen Aufgaben, die die Arbeit als HR-Managerin bei einer großen Bank so mit sich bringen. Klausurtagung war diese Woche angesagt. Personelle Ausrichtung in Zeiten von Griechenlandunterstützung und Eurokrise, da wird natürlich gestritten, diskutiert und jede Seite versucht mit allen Mitteln seine Standpunkte und Meinungen zu realisieren. Aber wenn ich jetzt jammere, dann wohl auf sehr hohem Niveau, den schließlich werde ich für meinen Job sehr gut bezahlt und zweitens mache ich ihn ja freiwillig, denn in Deutschland wird keiner gezwungen eine Tätigkeit auszuüben, die er nicht machen will. Ganz anders natürlich in der Heimat meiner Eltern, dem Iran. Aber den kenne ich nur aus ein paar Besuchen in meiner Kindheit und die gesellschaftliche und politische Stimmung dort überzeugen mich nicht im Geringsten in naher Zukunft ein Bein auf den Boden Persiens zu stellen. Ja, ich habe es schon richtig gut erwischt. Meine Eltern hatten es mit Sicherheit nicht so leicht und verließen den Iran auch nicht ganz freiwillig. Aber nach dem Ende des Schah-Regimes wurde es dort für Akademiker wirklich nicht leicht und so nutzte mein Vater seine Kontakte zu einem deutschen Elektrokonzern und floh mit meiner damals mit mir schwangeren Mutter und meinem älteren Bruder, Hossein 1979 nach Deutschland. Ich dagegen erblickte vor 32 Jahren das Licht der Welt schon in München. Meine Kindheit war gezeichnet durch das freie westliche Leben in der BRD und dem islamischen Leben in den vier Wänden meiner Eltern. Sehr lange wusste ich nicht, nach was ich mich orientieren sollte, aber so geht es wohl den meisten Kindern und jungen Menschen, die nicht in einer Familie aufwachsen, die von der abendländischen Kultur geprägt ist. Aber eines werde ich meinen Eltern immer hoch anrechnen, sie förderten stets die Bildung ihrer Kinder, sie vermittelten uns Werte und waren immer bestrebt, dass aus meinem Bruder und mir einmal was wird. Klar, mein Vater bekam auf Anhieb einen gut bezahlten Job bei dem Konzern, der ihm damals half, den Iran zu verlassen und für unsere Familie das Leben in München vorbereitete und somit waren meine Eltern auch in der Lage für ihre Kinder, Hossein und Mandana private Nachhilfestunden meist im Fach Deutsch zu finanzieren, ohne die ich mit Sicherheit nicht diesen schulischen Werdegang bestritten hätte, den ich jetzt mein Eigen nennen kann. Auch war es nie ein Thema wie lange ich für den Universitätsabschluss brauche und die finanzielle Hilfe war und ist für sie stets eine Selbstverständlichkeit. Oh, ich war ein wenig eingeschlafen und ich wurde durch das quietschen der Zugbremsen geweckt. Ich blicke nach draußen und stelle fest, dass wir mittlerweile den Hauptbahnhof Würzburg erreichen, Leute drängen aus dem Zug und andere wiederum drängeln und wollen einsteigen. Nach einem kurzen Aufenthalt rollt langsam der Intercity wieder an und setzt seine Fahrt fort. Das Wetter hat sich seit Frankfurt nicht verbessert, im Gegenteil, mir kommt es vor als hätte sich der Niederschlag noch verstärkt und ich kann es kaum noch erwarten, bis wir endlich München erreichen, München, die Stadt meiner Kindheit und Jugend. Seit mittlerweile 2 Jahren lebe ich mit meinem Mann Thomas auf dem Land, wir bauten uns ein kleines Häuschen, weit ab von Hektik und Großstadtstress. Genau das, was wir uns immer erträumt haben. Denn wie auch ich, ist mein Mann oft durch seine Arbeit als Maschinenbauingenieur in der Firma seines Vaters sehr eingespannt und so können wir unsere Freizeit gemeinsam nutzen und unseren Alltagsstress hinter uns lassen. Thomas und ich sind seit 10 Jahren ein Paar, von denen wir 3 Jahre verheiratet sind und ich bezeichne ihn als größtes Glück, das mir je begegnete. Klar, es war nicht immer leicht, was oft an dem lag, dass wir aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. Thomas der waschechte Bayer und ich die Tochter aus der Einwanderer Familie. Aber jeder Anfang ist bekanntlich schwer und so trotzten wir den kleinen Schwierigkeiten mit Familie und Tradition und wurden ein unzertrennliches Team. Wir lernten uns damals auf einer Studentenparty kennen, auf die mich eine Kommilitonin mitschleppte. Studentenpartys waren eigentlich nie meine Sache, da es auf diesen ja bekanntlich sehr ausschweifend zugeht und dieser Lebenswandel mir von meinen Eltern zwar nicht untersagt wurde, aber gerne hätten sie es mit Sicherheit nicht gesehen. Wie gesagt, ich lernte meinen heutigen Mann auf dieser Party kennen, ich weiß noch genau, wie er damals vor mir stand, mir was von „auf einen Drink einladen“ vorstammelte und nicht so genau wusste, was und wie er mich anquatschen sollte. Ich fand das sehr süß, aber ich ließ mich damals nicht einladen, da Alkohol für mich bis zum damaligen Zeitpunkt einfach nie vorstellbar war, was natürlich glaubens- und kulturbedingt war. Dennoch lachten wir die halbe Nacht und mich erwischte es damals vom ersten Augenblick an. Dieser freche Kerl, braungebrannt, einfach diese Art Sunnyboy, der vor nichts zurückschreckt, aber dennoch bei Frauen die Flatter bekommt, war so anders als meine bisherigern zwei Freunde, die beide aus meinem Kulturkreis stammen. Wie er mir damals gestand, faszinierte ihn meine Erscheinung, mein Größe von 174 cm, meine langen pechschwarzen Haare, mein dunkler Teint und meine dazu rot geschminkten Lippen, genau so, wie er mich heute noch gerne sieht und so wie ich auch jetzt in diesem IC-Abteil sitze. Heute ist irgendwie ein Tag um in der Vergangenheit zu schwelgen und wie aus dem Nichts erreichen wir schon Nürnberg, also nicht mehr lange bis in meine Heimatstadt, von da aus muss ich dann anschließend noch mit dem Auto, dass auf dem Parkplatz der Bank steht, noch 40 km bis zu unserem Idyll fahren, unserem Häuschen im Grünen, wo wir im Umkreis von 500m keinen Nachbarn haben, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen und wo wir unser Glück in diesem von uns renovierten Haus mit großem Garten gefunden haben. Aber in den nächsten Wochen werden wir obwohl wir unser Domizil lieben, diesem „Auf Wiedersehen“ sagen, denn Thomas und ich werden für mindestens zweieinhalb Wochen in die Ferien fahren, genauso wie fast in jedem der vergangenen Jahre, werden wir mit unserem Campingbus in die Freiheit brausen und unsere Jobs, die Arbeit zuhause, Familie, Freunde und Problemchen zurücklassen und uns nur auf uns und das Wesentlich konzentrieren. Herrlich, wenn ich daran denke, freue ich mich schon jetzt, denn das graue Regenwetter mit nicht einmal 20 Grad lädt nicht zum Dableiben ein. Endlich! Endlich! Der IC erreicht München, unglaublich, mit dem ICE wäre ich vermutlich schon zuhause, aber egal, daheim wartet niemand, Thomas kommt erst morgen von seiner Dienstreise zurück und bis dahin habe ich noch einiges zu tun, Urlaubseinkäufe erledigen, Campingbus einräumen, Friseurbesuch und unser Haus muss auch noch urlaubsfest gemacht werden. Also noch jede Menge, mit diesen Gedanken sitze ich mittlerweile in meinem Auto und fahre über die Landstraßen Richtung neue Heimat. Der Regen hat immer noch nicht nachgelassen und ich fahre die letzten Kilometer bis ich kurz darauf in die Straße, die direkt zu unserm Haus führt einbiege und unser Heim oben am Hügel stehen sehe. Ich freue mich richtig, als ich nach fünf Tagen in unsere Hofeinfahrt einbiege, mein Auto abstelle und die Haustüre aufsperre, Hurra, geschafft!!!!!!!
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