Anonym


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25.03.2011
Exhibitionismus

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Mit vollen Einkaufstüten schlendern die Menschen über den Marktplatz, ergattern einen der schattigen Plätze unter den Kastanien, schlecken Eis im Café oder sitzen hier neben mir auf dem Brunnenrand und kühlen ihre Füße im Wasser.

Über zwei verwaisten Bänken in der Mitte des Platzes flimmert die Luft. Bei der Sommerhitze setzt sich keiner da hin. Auf der anderen Seite fotografieren Touristen aus aller Welt die verwitterte Statue. Der Zeiger der Turmuhr dahinter springt auf neun vor Zwölf.

Ich wische meine schwitzenden Hände an meiner Jeans ab und schaue auf mein Handy. Bei Twitter tut sich nichts. Eigentlich müsste es gleich losgehen. Aber von uns sehe ich keinen. Ich steige auf den Brunnenrand, mache meine Ein-Meter-Dreiundsechzig lang und schaue mich nach einem von uns um. Wir müssten auffallen. Ich fürchte, dass ich sonst die einzige Frau bin.

Endlich kommt ein neuer Tweet mit letzten Instruktionen. Um Zwölf soll es losgehen. Ich eile in eine der Straßen, die vom Marktplatz wegführen, und von dort in eine ruhige Seitengasse hinter den Geschäften, wo kaum Menschen sind.

Ich warte, bis eine Frau an mir vorbei ist und husche in einen schmalen Gang zwischen zwei Häusern, der etwa zwei Meter tief von einer alten Holztür versperrt ist. Hier ist kein Mensch. Aber noch wichtiger ist, dass mich hier keine Überwachungskamera sehen kann.

Ich lege meine Umhängetasche vor die Tür und hole die zwei Sachen raus, die ich gleich brauchen werde, und lege sie auf die Tasche. Ich gucke noch mal aus dem Gang, ob auch wirklich keiner vorbei kommt.

Dann ziehe ich schnell das T-Shirt und den BH aus und stopfe es in die Tasche. Ich bekomme eine Gänsehaut vor Aufregung und weil es hier viel kälter ist als auf dem Markt. Ich schlüpfe in das weiße Shirt, auf das ich richtig stolz bin. Ich hatte eine Schablone aus dem Internet ausgedruckt und ausgeschnitten. Dann auf das Shirt gelegt und mit Schwamm und schwarzer Farbe betupft. Jetzt steht „STASI 2.0“ in großen Lettern quer über meiner Brust. Es liegt hauteng an und meine Nippel bohren sich zwischen den Buchstaben in den Stoff. Genauso wie ich es wollte.

Als ich die Jeans aufmache, rollt hinter mir ein Auto lang. Ich verharre und warte. Erst als ich es nicht mehr höre, zieh ich hastig die Turnschuhe aus, streife die Jeans runter und ziehe die Schuhe wieder an. Die Jeans kommt in die Tasche.

Ich prüfe, ob die Gummibänder an der Maske halten. Ich hatte sie ausgetauscht. Das Gummiband, das vorher dran war, war viel zu dünn. Ich muss sicher gehen, dass die Bänder halten und die Maske immer mein ganzes Gesicht verdeckt. Dann ist es so weit. Ich schließe die Augen und setze sie auf.

Jetzt bin ich einer von ihnen.

Durch eine der ovalen Augenöffnungen schiele ich aufs Handy. Es ist kurz vor Zwölf.

Ich schnappe meine Tasche, laufe los und stolpere über die erste Bordsteinkante, weil ich nicht sehe was vor meinen Füßen ist. Ich gehe langsamer und gucke auf den Boden, damit ich nicht hinfalle.

Als ich den ersten Menschen auf der Straße begegne, komme ich mir furchtbar nackt vor nur in Hemd und Hotpants, auch wenn es Frauen gibt, die weniger anhaben als ich. Dass ich gerade wegen der Maske angestarrt werde, macht es nicht angenehmer für mich.

Ich komme auf den Marktplatz und bin überrascht so viele von uns zu sehen. Sie stehen in der Mitte um die zwei Bänke. Ich bleibe stehen und gucke, ob auch Frauen dabei sind. Ein paar haben lange Haare und eine weibliche Figur. Ich hoffe, dass das alles Frauen sind, und zähle, mit mir, sechs. Ich bin erleichtert, dass ich nicht die einzige bin. Aber die Männer sind deutlich in der Überzahl. Fünf oder sechs mal so viele.

Toll nicht alleine zu sein, aber das ändert nichts daran, dass ich immer noch gewaltigen Schiss habe mitzumachen. Noch könnte ich einfach umdrehen, weggehen und niemand würde erfahren, dass ich zu feige bin, mich für meine Überzeugungen einzusetzen. Andererseits macht die Maske mich anonym, und keiner würde erfahren, dass ich es doch tue.

Als mich jemand an der Schulter berührt, dreh ich mich erschrocken um und werde von Guy Fawkes angegrinst.

Über dem Grinsen führt ein geschwungener Bart, von der langen geraden Nase in weiten Bogen bis in Grübchen. Das Grinsen wirft hervorstehende Pausbacken, die rosa leuchten und sich von dem leicht gelben Teint abheben. Grübchen ziehen sich runter bis zu dem langen Kinn. Von der Oberlippe bis zum Kinn zieht sich ein spitzer Kinnbart. Die Augenbrauen sind in der Mitte streng nach unten gezogen. Aber die Augen in den dunkel schattierten Augenhöhlen mit den Falten an den Seiten schauen mich freundlich an.

Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass ich die gleiche Maske trage und auch so aussehe. Ich frage mich, ob ich die Leute auch so erschreckt habe. Dann muss ich kurz lachen, als mir die langen, braunen Haare mit dem geraden Pony auffallen, die das Gesicht umrahmen. Sieht aus wie im Film, fehlt nur noch der Hut.

Weil ich am Gesicht nicht erkennen kann, ob ich einen Mann oder eine Frau vor mir habe, schaue ich kurz runter, und starre auf ein Bild von einer Überwachungskamera, die von großen Brüsten unter dem Shirt verzerrt wird. Sie nickt mir zu und stolziert auf hochhackigen Schuhen an mir vorbei zu den anderen. Das Klacken ihrer Schuhe übertönt den Lärm auf dem Markt. Sie trägt halterlose Strümpfe und auf ihrem Slip ist auch eine Kamera, die mit jedem Schritt hin- und herwackelt. Nach ein paar Metern dreht sie sich zu mir und winkt, ich soll ihr folgen.

Ich komme mir in meinem billigen, selbst bemalten Hemd, der einfachen Hotpants und den Turnschuhen schäbig vor. Aber darauf kommt es heute nicht an.

Ich folge ihr, bis wir mitten unter Guy Fawkes sind. Im Gegensatz zu anderen Demonstrationen, trauen sich heute nur ein paar bei der Sommerhitze einen Anzug zu tragen. Die meisten sind so angezogen wie ich: Shirts mit Aufschrift, einfache Unterhosen und bequeme Schuhe.

Ein paar Männer grüßen uns mit stummem Nicken. Bei der Oberweite und dem Outfit ist es kein Wunder, dass die meisten ihr hinterher schauen. Für mich ist das kein Grund eifersüchtig zu sein. Ich kenne sie ja gar nicht. Sie könnte der netteste Mensch der Welt sein. Schade, dass ich sie nicht kennen lernen werde. Ich würde gerne, aber dann wüsste schon eine Person, dass ich heute an der Aktion teilgenommen haben werde.

Ich stelle meine Tasche neben die Bänke, wo andere auch ihre Taschen abgestellt haben. Ich schaue mich um und bin umgeben von jungen Männern und Jugendlichen. Auch wenn ich die Gesichter nicht sehen kann, schätze ich keinen von uns über dreißig. Vielleicht ist sogar keiner über fünfundzwanzig.

Jeder hält zu jedem Abstand. Ich könnte meine Arme ausstrecken und würde niemanden berühren. Keiner spricht. So war es über Twitter abgemacht. Wir sind unter uns. Kein Passant traut sich durch uns durch. Wir nehmen Raum ein und lassen gleichzeitig freie Räume.

Immer mehr Zuschauer sammeln sich um uns, halten Abstand als gäbe es eine Absperrung. Sie tuscheln, fragen sich was wir hier machen. Sie richten etliche Kameras auf uns. Wir werden fotografiert und gefilmt. Ich hoffe sie sind nicht blind und sie werden unsere Botschaft verstehen.

Eigentlich könnte es jetzt losgehen. Genug Publikum haben wir. Auf uns sind vermutlich mehr elektronische Augen gerichtet als menschliche. Und doch werden mehr Menschen uns sehen, wenn die Videos und Bilder erst mal im Internet sind.

Ob die Überwachungskameras, an den vier Laternen in jeder Ecke des Platzes, schon auf uns gerichtet sind?

Ich wippe nervös auf den Zehenspitzen und wische meine nassen Hände immer wieder am Shirt ab. Jetzt gibt es kein Zurück mehr für mich und die anderen. Jetzt ziehen wir es durch. Wir warten nur darauf, dass es Zwölf schlägt.

Kurz vor um fangen einige von uns an mit allem möglichen zu filmen - Handy, Fotoapparat, Kamera. Ich hole ebenfalls mein Handy aus der Tasche, neben der ich noch stehe, und filme als erstes meine sexy Freundin. Sie streckt ihre Brüste raus. Die Überwachungskamera auf ihrem Shirt verzerrt fast unerkennbar. Dann streckt sie mir ihren Hintern hin und posiert für mich.

Es schlägt Zwölf.

Meine neue Freundin zieht irgendeinen Mann in Anzug an sich. Um mich herum bilden sich erste Paar. Ich stecke mein Handy in die Tasche, atme unter der Maske nochmal durch und suche mir auch einen Partner.

Mehrere Männer stehen um mich herum und bieten sich mir an. Bei dem Überschuss kann ich mir einen aussuchen, und auf die Schnelle weiß ich gar nicht, welchen ich nehmen soll. Durch die Masken sehen alle gleich aus. Nur die Kleidung und die Körper unterschieden sie. Im Grunde ist egal welchen ich nehme. Ich kenne sie nicht und sie kennen mich nicht.

Einer ist mir irgendwie sympathisch, weil er auf seinem Shirt, das von einem kleinen Bäuchlein ausgebeult wird, „2+2=4“ steht. Er ist auch sonst sehr rund gebaut. Ein paar dunkle Strähnen gucken unter einer Baseballkappe vor. Am besten gefällt mir im Moment aber das, was seine karierte Boxershorts in meine Richtung wölbt.

Er schaut mich erwartungsvoll durch die Augenhöhlen an. Ich nicke ihm zu. Er guckt nach links und rechst und zeigt auf sich, als könne er nicht glauben, dass er gemeint ist. Ich nicke wieder. Dann kommt er zwischen den andern durch zu mir.

Als er vor mir steht, hält er mir ein Kondom hin. Er ist wohl noch unsicherer als ich und weiß nicht, wie er anfangen soll. Also übernehme ich die Initiative, hocke mich hin und ziehe die Shorts runter. Dabei springt sein steifer Schwanz fast in meine Maske. Er steigt aus der Shorts und kickt sie bei Seite. Ich nehme ihm das Kondom ab und reiße die Packung auf. Ich rolle es über seinen Steifen, halte ihn einen Moment in der Hand und spüre seinen harten Puls. Ich würde seinen Prügel gerne mit dem Mund nehmen, nur um die Dicke mit der Zunge zu spüren, aber blasen geht mit der Maske leider nicht.

Ich stelle mich hin und atme ein paar Sekunden durch, was gar nicht so leicht ist mit der Maske. Bevor ich es mir doch noch anders überlege, lasse ich meine Geilheit über meine Angst siegen und ziehe die Hotpants vor allen, vor uns und den Zuschauern, aus. Ich staune über den großen nassen Fleck im Schritt und werfe sie dann auf meine Tasche.

Dann drehe ich mich mit dem Rücken zu ihm und beuge mich vor. Meine Knie zittern in meinen Händen. So aufgeregt war ich nicht mal bei meinem ersten Mal. Bei meinem ersten Mal waren auch nicht dutzende Kameras dabei, die jetzt bestimmt schon etliche Fotos und Videos von meinem nackten Hintern und meiner rasierten Möse gemacht haben.

Er fast mich sanft an den Hüften und gleitet leicht in meine triefende Möse. Ich starre auf die Betonplatten vor mir und höre, wie die Menge immer wieder schockiert aufstöhnt. Ich höre sie immer lauter murmeln, höre Kameras klicken, höre aber auch, wie sie lachen, klatschen und jubeln.

Ich genieße seine langen und langsamen Stöße und sehe, wie es die anderen treiben. Einige machen es sich so leicht wie wir und ficken im stehen von hinten. Ein Paar hat es sich auf einer Matte auf dem Boden gemütlich gemacht und fickt in Löffelchenstellung.

Meine sexy Freundin ist fast nackt, bis auf die hochhackigen Schuhe, die halterlosen Strümpfe und die Maske natürlich. Sie hat ihren Anzugträger auf die Bank geschmissen, seine Hose und Unterhose bis auf die Knie gezogen und reitet auf ihm wie auf einem wilden Hengst. Ihre Titten hüpfen und sie stöhnt wie gut er ist und wie geil das ist. Eigentlich war über Twitter abgemacht, dass nicht gesprochen wird. Ich glaube, sie kann nicht anders.

Mein Stecher keucht und stößt schneller. Sein Schwanz pulsiert in mir und dann ist er plötzlich fertig und zieht ihn raus. Das Ficken in der Öffentlichkeit war wohl sehr erregend für ihr. Mir ging das aber zu schnell. Was kein Grund ist, mich zu beschweren. Ich nehme mir einfach den Nächsten. Genug Auswahl hab ich ja.

Ich erspähe ein paar Meter entfernt zwischen den andern Männern einen kräftigen, sicher zwei Meter großen Mann mit breiten Schultern und Bürstenhaarschnitt, der es mir jetzt so richtig hart besorgen soll. Ich winke ihm zu, aber der Depp sieht mich nicht, weil er gerade meiner Freundin zuguckt. Sie liegt mit dem Rücken auf der Bank und macht einen Spagat. Zwischen ihren Beinen tobt sich ein anderer Mann aus. Sein knackiger Arsch spannt sich immer wieder und stößt nach vorn.

Ich hole ein Kondom aus der Tasche, weil ich nicht weiß, ob der große Typ eins hat, und geh zu ihm. Die andern Männer, die sich mir anbieten, sind enttäuscht, weil ich sie zurückweise. Gleich hinter ihm sind die Zuschauer. Sie halten immer noch respektvollen Abstand von mindestens zwei bis drei Metern.

„Zeig uns deine Titten!“, brüllt ein Junge aus der Menge.

Vor mir steht eine Gruppe Jugendlicher, die die erste Reihe eingenommen haben. Ich stell mich vor sie, ohne ihnen zu nahe zu kommen, und reiße mein Shirt hoch. So wie mein Shirt hoch geht, so jubeln die Jungen und Mädchen gleichermaßen laut auf. Nicht nur die Jungs, sondern auch die Mädchen, fotografieren und filmen alles. Einige starren gebannt nur auf die Displays, obwohl sie meinen nackten Körper in echt sehen könnten.

Eine Frau zieht einen neugierig guckenden Jungen aus der ersten Reihe, hält ihm die Augen zu, gafft aber selber. Andere nehmen sofort den Platz ein. Mittlerweile stehen so viel Leute um uns, dass ich nicht mehr hindurchsehen kann. Es müssen hunderte sein. Ganze Reisebusse. Mit hunderten Kameras. Viele sehen aus wie Touristen. Die meisten sind aber junge Schüler und Studenten. Sie haben bestimmt die Tweets verfolgt und sind aus Neugier auf den Markt gekommen. Schade, dass sie nicht mitmachen. Dann währen wir nicht nur ein paar Dutzend, sondern ein paar hundert.

Ich wende mich meinem neuen Stecher zu, der noch nichts von seinem Glück weiß, und wedele mit dem Kondom. Auf seinem T-Shirt steht: „Big Brother is watching you“. „watching“ ist durchgestrichen und „fucking“ mit Filzstift daneben gekritzelt.

Er guckt zu mir runter, als hätte er mich vorher nicht bemerkt. Ich halt ihm das Kondom hin, damit er endlich begreift, dass ich mit ihm ficken will. Er zieht sofort sein Shirt und seine Unterhose aus und wirft sie achtlos auf den Boden. Dann wichst er seinen Schwanz ein paar mal, bis er richtig steif ist, nimmt mir das Kondom ab und zieht es sich über.

Die Mädchen kreischen, als hätte sich gerade Justin Bieber vor ihnen ausgezogen.

„Wie wollen wir 's machen?“, brüllt er, um dagegen anzukommen.

Ich zeige auf ein Paar mitten unter uns, das akrobatisch im Stehen fickt und staune über meine Freundin, die schon wieder einen neuen hat.

Er packt mich am Becken und hebt mich mit Leichtigkeit hoch. Ich halte mich an seinen starken Schultern fest, umklammere ihn mit meinen Beinen und suche mit meiner Möse nach seinem Schwanz. Ohne Zögern dringt er in mich ein und schiebt ihm bis zur Wurzel rein. Wir verharren einen Moment. Dann hält er mich am Arsch fest, stemmt mich mit seiner Kraft hoch und schiebt mich wieder auf seinen Harten. Ich schmiege mich an ihn. Meine Nippel kitzeln, als sie über seine Brust reiben. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter, stöhne und genieße das Kribbeln im ganzen Körper.

Hinter mir grölt und klatscht die Menge im gleichen Takt wie wir ficken.

Über seine Schulter sehe ich, wie es die anderen treiben. Meine Freundin reitet wieder und wichst gleichzeitig zwei, die links und rechts neben der Bank stehen. Ich bin mir sicher, dass sie ohne Maske noch einen Schwanz mit Mund aussaugen würde. Wenn sie so weiter macht, gleicht sie den Männerüberschuss alleine aus.

Mein Typ erhöht das Tempo. Der Schweiß läuft unter der Maske und ich keuche nach Luft, die man durch den schmalen Schlitz im Mund kaum bekommt. Ich will jetzt kommen, klammer meine Beine noch fester um ihn und komme ihm mit jedem Stoß entgegen. Ich zucke und stöhne, als ich einen wundervollen Orgasmus mit einem fremden Mann vor allen Leuten hier auf dem Markt habe.

Während er mich noch hüpfen lässt, schaue ich mich nach dem nächsten um. Das hat mich alles so geil gemacht. Ich mehr will.

Plötzlich brüllt irgendwer irgendwas, das ich nicht verstehe. Von uns rennen alle durcheinander. Mein großer Freund lässt mich runter und zeigt hinter mir. Ich dreh mich um und sehe, wie sich zwei in schwarzen Uniformen durch die Gruppe Jugendlicher schubsen. Sie kommen direkt auf mich zu.

„Bullen!“, ruft irgendeiner. Andere wiederholen es wie ein Echo.

„Komm!“, brüllt mein neuer Freund mich von hinten so laut an, dass ich zusammenzucke. Dann packt er meine Hand und zieht mich in seine Richtung. Ich wirbele herum, stolpere gezogen ein paar Schritte und falle fast hin.

Dann trifft mich ein schneidender Schmerz am Hals und drückt mir die Luft ab. Mit der freien Hand fasse ich an den Kragen, der sich tief ins Fleisch gräbt. Jemand greift nach dem Arm. Mein Freund zieht stärker. Dann reißt der Stoff. Ich falle nach vorne, verliere seine Hand, rappel mich auf und renne los. Immer hinter ihm her. Alle rennen in Panik durcheinander. Ein Polizist fliegt rechts von ihm weg wie Kegel. Jemand schreit. Wir stürzen in die Zuschauer. Menschen stoben bei Seite oder werden von ihm bei Seite geschubst. Erstarrte Gesichter huschen an mit vorbei.

Wir verlassen die Zuschauermenge und laufen Slalom um die Passanten, am Eiscafé vorbei, unter einer der Überwachungskameras an Pfählen lang und in eine Straße. Links rauschen parkende Autos und rechts Fassaden an mir vorbei. Immer wieder weichen wir verdutzen Menschen aus. Ich versuche an seinem nackten Hintern dran zu bleiben, aber ist zu schnell für mich und rennt mir fast davon.

Er dreht sich ein paar mal um, wird langsamer und wartet an Ecken sogar auf mich. Ich weiß nicht, ob wir noch verfolgt werden. Ich renne nur.

„Lass die Maske auf.“, ruft er ohne wirklich aus der Puste zu sein. „Hier sind überall Kameras.“

Ich kann nicht mehr. Eigentlich konnte ich schon nicht mehr, als wir losgelaufen sind. Und am liebsten würde ich mir die Maske vom Gesicht reißen, um atmen zu können.

Aber ich reiße mich zusammen und folge ihm weiter bis in eine enge Gasse, in die nicht mal das Mittagslicht fällt. Moos wächst zwischen den Pflastersteinen. Leere Blumenkästen säumen eine verwitterte Bank. Außer uns ist hier kein Mensch.

Ich steuere die Bank an und lass mich fallen. Ich will rufen, damit er wartet, bekomme aber keinen Ton raus. Zum Glück dreht er sich nach mir um und kommt zurück. Er schmeißt seine Maske auf die Bank und setzt sich zu mir. Ich sehe ihn nicht an.

Abnehmen will ich die Maske auf keinen Fall, auch wenn hier vermutlich keine Überwachungskameras sind. Ich hebe sie nur an, sauge frische Luft ein, die kühl im Gesicht prickelt und reibe die schmerzende Stelle am Hals. Mir ist übel. Ich huste vorgebeugt und versuche mich nicht zu übergeben.

„Alles okay?“, fragt er.

Ich kann nur nicken. Dann keuchen wir schweigend einige Minuten.

Mein Brüste hängen oben aus meinem selbst bemalten Shirt. Es ist vom Kragen bis zu beiden Ärmeln aufgerissen. Erst bin ich traurig, dass mein Hemd kaputt ist. Ich schlucke die Tränen runter und dann bleibt die Wut auf die Bullen, die mir es zerrissen haben. Ich fluche leise vor mich hin, ziehe es hoch und bedecke meine Brüste, was total sinnlos ist, weil ich halb nackt bin.

Er fängt an zu lachen, was ich gar nicht witzig finde.

„Guck mal, was ich gerettet habe.“, sagt er und hält mir das Kondom unter die Nase. „Keine Beweise zurücklassen.“

Ich setze die Maske wieder richtig auf und schiebe seine Hand bei Seite, als mir klar wird, was ich zurückgelassen habe.

„Meine Tasche steht noch da!“, krächze ich.

„Oh.“, sagt er nur und starrt mich von der Seite an. „Was machen wir jetzt?“

Ich antworte nicht. Ich zähle in Gedanken die Sachen, die ich in der Tasche zurückgelassen habe. Jeans und Oberteil hätte ich jetzt gerne. Ohne Schlüssel komm ich zu Hause nicht mal rein. Das alles wäre nicht so schlimm, wenn nicht das Handy in der Tasche wäre. So wäre es nur irgendeine Tasche, die irgendjemandem gehört, den man nicht kennt. Aber mit dem Handy kann die Polizei ganz leicht herausfinden, dass ich an der Aktion teilgenommen habe.

„Wir müssen zurück.“, sag ich.

„Bist du verrückt? Da wimmelt es von Bullen. Ich geh nicht nochmal zurück. Schon gar nicht so.“, sagt er und zeigt auf seinen Schwanz.

„Wo sind eigentlich deine Sachen?“

„Hab ich nem Kumpel gegeben. Du hast nicht zufälligerweise ein Handy dabei?“

Ich schüttele nur den Kopf und stelle mir vor, wie einer von den Bullen meine Tasche durchwühlt.

„Riechst du das?“, fragt er nach einer Weile.

Ich rieche nichts außer dem Plastikgestank von der Maske.

Er springt auf und schnuppert wie ein Hund. Sein Hintern hat rote Streifen von der Bank. „Das riecht nach frischer Wäsche.“ Er setzt die Maske wieder auf. „Los komm!“

Ich schleiche hinter ihm her und folge ihm in die Gasse durch einen Durchgang auf einen Hinterhof. Große, weiße Laken blenden uns in der Sonne. Mir würden die schon reichen, aber daneben hängen Hemden und kurze Hosen. Wir rennen hin und reißen was wir kriegen können von der Leine. In dem Moment kommt eine alte Frau hinter den Lacken vor und schreit hysterisch.

Wir sind wieder auf der Flucht und ich renne wieder hinter seinem nackten Hintern hinterher. Ein paar Häuser weiter, verstecken wir uns in einer noch dunkleren Gasse.

Die besten Sachen haben wir nicht erwischt. Ihm passt das Unterhemd und die ausgewaschene, grüne Shorts gut. Aber bei mir geht das Unterhemd fast bis zu den Knien. Die weiten Armausschnitte schlabbern so, dass man von der Seite meine Brüste sehen kann, als ich mich vorbeuge und eine rote Shorts anziehe. Mein selbst bemaltes Shirt muss ich leider ausziehen. Wenn wir zurückgehen, könnte man es erkennen. Die Hose muss ich festhalten, damit sie nicht rutscht. Schön sehen wir nicht aus, aber immer noch besser als halb und ganz nackt durch die Stadt zu laufen.

Nachdem wir uns angezogen haben, nimmt er die Maske ab und ich sehe zum ersten Mal sein Gesicht. Seine Gesichtsfarbe ist viel gesünder und nicht so Gelb wie die Maske. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und aus den hübschen, braunen Augen. Seine Nase ist breiter. Nur sein Lächeln ist nicht ganz so breit wie das von Guy Fawkes.

Jetzt, wo er sich mir gezeigt hat, nehme ich auch meine Maske ab.

Er lächelt mich an und sagt: „Das schönste hast du bis jetzt versteckt.“

Ich merke wie ich rot werde.

„Las und gehen! Ich heiß übrigens Lars.“

Ich zögere. Jetzt kennt er schon mein Gesicht. Aber ich kenne sein Gesicht und seinen Namen.

„Emilia.“, sag ich nach einer Weile als wir auf dem Weg zurück zum Markt sind. Jetzt sind wir keine Anonymen mehr.

Auf dem Weg schmeißen wir die Masken und mein Hemd in einen Abfallkorb, weil wir nicht riskieren wollen damit erwischt zu werden. Vorher wischen wir unsere Fingerabdrücke ab, nur für alle Fälle. Gegen die DNA, die wir in die Sachen geatmet und geschwitzt haben, können wir nichts machen. Ich schaue mir Guy Fawkes breites Grinsen ein letztes Mal an. Ich hätte die Maske und das Shirt gerne als Erinnerungen behalten.

Wir kommen in die Straße durch die wir geflüchtet sind und checken erst mal die Lage. Auf dem Markt hat sich die Menschenmenge aufgelöst. Dafür sind jetzt drei Polizeiwagen aufgefahren und etliche Polizisten und ein Fernsehteam schwirren herum wie aufgescheuchte Wespen.

Von uns, von den Anonymen, ist keiner zu sehen. In den Wagen sitzen nur Uniformierte und ich hoffe, dass niemand erwischt und verhaftet wurde.

Wir mischen uns unauffällig unter die Menge und suchen nach meiner Tasche. Um die Polizisten machen wir große Bögen und dem Fernsehteam laufen wir nicht vor die Linse.

Ich hoffe, dass mich niemand erkennt. Unter der Maske konnte ich mich verstecken, konnte nicht ich selbst sein. Ich war einer von vielen Anonymen.

Um die zwei Bänke herum liegt Unterwäsche von Frauen und Männern verstreut. Die Matte liegt auch noch hier. Auf einer Bank liegt der Slip mit der Überwachungskamera auf dem Hintern. Meine neue Freundin muss genauso nackt weggerannt sein wie wir.

Meine Tasche steht nicht da, wie ich schon befürchtet habe. Die Bullen müssen sie gleich einkassiert haben. Die werden ihren ganzen Machtapparat gegen mich auffahren. Über das Handy kriegen die alles raus. Name. Adresse. Alter. Alles. Dann legen sie ein Profil von mir in ihrer Datenbank an mit allen möglichen biometrischen Informationen. Und alles wird für die Ewigkeit noch lange nach meinem Tod gespeichert sein.

Ich schaue mir einen Bullen nach dem anderen an und überlege, wer das Arschloch ist, das mein Hemd zerrissen hat.

Dabei fällt mir eine junge Frau auf, die geradewegs auf uns zu kommt und mich die ganze Zeit anguckt. Ihre schwingenden Hüften, ihr leichtfüßiger Gang auf hochhackigen Schuhen und das lauter werdende Klacken, dass alles übertönt, kommen mir bekannt vor. Aber sie sieht gar nicht aus wie meine neue Freundin. Sie hat kurzes blondes Haar mit pinken Strähnen. Wenn sie es wirklich ist, erkenne ich sie mit der vielen Kleidung und ohne Maske nicht. Vielleicht hat sie eine Perücke getragen?

Als sie näher kommt, merke ich, dass sie nicht mich, sondern meinen neuen Freund anguckt.

Er grinst sie schelmisch an, kommt ihr entgegen und gibt ihr Küsschen auf die Wangen. Ich trotte hinterher.

„Ich hab dich noch nie so rennen sehen.“, sagt sie und lacht. „Und wie siehst du überhaupt aus? Opa!“

„Wir haben auf der Flucht improvisieren müssen.“

„Wir?“

„Hi.“, sag ich und strecke ihr die Hand hin. „Ich bin Emilia.“

„Hallo. Doreen.“ Während sie mir die Hand gibt, rutsch ihr eine Umhängetasche von der Schulter. Meine Umhängetasche.

„Das ist meine!“

„Ach, du bist das.“, sagt sie und gibt sie mir.

„Danke. Wie hast du ...?“

„Ich hab gesehen, wie du deine Tasche abgestellt hast. Und dann, als alle in Panik geflüchtet sind, wie du hinter Lars her gerannt bist und deine Tasche vergessen hast. Ich hab sie genommen, damit sie keiner klaut.“

Ich bedanke mich noch Mal und hole mein Handy aus der Tasche. Ich gucke nicht ob alle Sachen da sind. Ich vertraue ihr.

Sie holt ebenfalls ihr Handy raus, tippt was und holt nebenbei und sehr unauffällig ihren Slip. Als sie zu uns zurück kommt steckt sie beides ein.

Einige Sekunden später kommt ein neuer Tweet in dem steht, dass die verlorene Tasche ihren Besitzer wiedergefunden hat, und dass keiner verhaftet wurde.

Ich starre sie einen Moment verwundert an. Ihr selbstbewusstes Lächeln macht Guy Fawkes Konkurrenz. Sie steckt dahinter. Sie hat zu der Demo aufgerufen. Ich dachte auf so eine Idee kommen nur Männer.

„Du schuldest Peter übrigens 50 Euro.“, sagt sie plötzlich an Lars gewandt.

„Was?“, sagt er und stemmt gespielt seine Fäuste in die Hüften. „Wie hat der denn das gemacht?“

„Frag sie.“, sagt Doreen und zeigt auf mich.

„Wir haben mit der Selben gefickt.“ Lars fängt an zu lachen. „Mit wie vielen hast du eigentlich gefickt?“

„Zählt auch mit der Hand?“

„Ja.“

„Sieben.“, sagt sie trocken, als wäre nichts dabei.

„Nimmst du auch Ratenzahlung an.“

Ich verfolge die Unterhaltung und verliere mit jedem bisschen mehr, das ich begreife, die Fassung.

„Moment mal!“, unterbreche ich sie. „Ihr kennt euch alle und das war nur eine scheiß Wette?“, frage ich entsetzt. „Ich dachte es geht um mehr. Gegen Überwachung. Für Freiheit. Und so.“

„Gewettet haben wir nur zum Spaß.“, beschwichtigt sie. „Und ja die meisten kennen wir. Mit einigen bin ich zur Schule gegangen.“

„Kommilitonen waren auch dabei.“, ergänzt er.

„Wir kämpfen schon seit Jahren gegen die zunehmende Überwachung.“, sagt Doreen und wird ernst. „Allein hier in der Innenstadt gibt es weit über 100 Kameras, die in den Geschäften natürlich nicht mitgezählt. Und das bei so einer kleinen Stadt. Die meisten sind völlig falsch montiert und total überzogen. Da ist zum Beispiel die Kamera einer Bank, die den Eingang eines Erotikladens mitfilmt.“

„Und einige Kameras,“, fügt Lars hinzu, „zu denen auch die vier auf dem Markt gehören, gucken sogar in die Schlafzimmer der Anwohner. Die meisten wissen nicht mal, dass sie beim Ficken beobachtet werden.“

„Wir hoffen mit dieser Aktion, dass wir genug Aufmerksamkeit bekommen, damit die Leute endlich aufwachen und sich uns anschließen, gegen die ausufernde Überwachung vor zu gehen.“

„Und ich hab euch geholfen.“, sage ich erleichtert und stolz und weiß, dass ich neue Freunde gefunden habe.



ENDE


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