Erster Tag als Inspektorin
Montag, 29. Juni 2144
In meiner Schlafbox wurde es kalt. „Bloß schnell raus hier“ dachte ich und beeilte mich, bevor es noch kühler würde. Diese Form des Weckens gilt als nachhaltig effektiver als das Wecken mit leichten Stromstößen. Vor allem, wenn die Implantate wieder spinnen und die Stromstärke falsch geregelt wird. Seit ich zum Level 4 aufgestiegen bin, kann ich mich endlich so wecken lassen.
Heute wird also mein erster Einsatztag als Inspektorin der Verhaltensordnung des hohen Rates. Mit den Aufgaben hatte man mich bereits die letzten beiden Monate vertraut gemacht. Nach der Begutachtung durch den hohen Rat wurde ich für die neue Aufgabe als würdig befunden und in Level 4 erhoben.
Ja, mit meinen 36 Jahren war ich bereits im letzten Drittel meines Lebens und sollte nun als Inspektorin für die Einhaltung der „Allgemeinen Verhaltensordnung“ – kurz „AVor“ sorgen. Seit dem „großen Desaster“ war die Bevölkerung auf wenige 10 Millionen Menschen geschrumpft. Bis auf ein paar Aussätzige, die sich in den verbotenen Regionen verstecken sollen, findet das Leben nur noch in 2 riesigen Städten der iberischen Halbinsel statt. Die restliche Welt soll total zerstört sein. Durch eingeschlichene Gendefekte, die auf Versuche zum Beginn des letzten Jahrhunderts zurückgingen, hatte sich die Welt total verändert. Die Versuche, das wieder gerade zu biegen, liefen schon Generationen, aber viel Hoffnung gibt es bisher nicht. Deshalb gibt es seit rund 10 Jahren die neue Verhaltensordnung, dass Fortpflanzung nicht mehr natürlich erfolgen darf. Es herrscht allgemeines Sex-Verbot. Sex darf nur noch im Beisein eines Inspektors nach vorherigen Anmeldung stattfinden. So sollen und wollen unsere klügsten Köpfe dafür sorgen, dass nur noch genkompatible Nachkommen erzeugt werden, deren neue Gendefekte minimal sind. Langfristig soll das die Menschheit retten.
Mein erster Einsatzort heute ist der Wohnturm 242. Alle diese Wohntürme sind mit vielerlei Sensoren ausgestattet. Mit der Auswertung der ermittelten Daten ergeben sich dann für mich entsprechende Aufgaben. Ich betrete also den Kontrollraum, in dem bereits 6 andere Inspektoren sitzen und angestrengt den Sensoren lauschen. Nach Ablösung eines Inspektors führe ich die Kopplungsroutine durch und schließe meinen Sensorbereich an mein Implantat an. Eintausendundvier Wohneinheiten sind mein Areal für die nächsten 6 Stunden.
In Wohneinheit D808 registriere ich abnormale Vitalwerte von 2 Personen. Ein Treffer? Über ein Sicherheitsprotokoll mit einem Inspektor von Level 3 schalte ich die Überwachungskameras ein. Vor mir baut sich eine 3dimensionale Abbildung aus der Wohneinheit auf. Die Qualität ist beeindruckend. Auf den ersten Blick von der Realität kaum zu unterscheiden. Diese Wohneinheit ist sogar mit einem Bett ausgestattet. Auf dem Bett liegen 2 Personen, die eindeutig die „AVor“ missachten. Sie praktizieren Sex. Die Abbildung ist so realistisch, dass man die Schweißperlen der beiden sehen kann. Durch Veränderung des Betrachtungswinkels kann man genau sehen, wie der Mann immer wieder in die Frau eindringt. Den beiden macht das ganze offensichtlich Spaß. Mir ist unklar, wie man bei den drohenden Strafen heimlich Sex haben muss. Der Mann scheint seine letzten Stöße zu machen, dann sinkt er über seiner Frau zusammen und ruht etwas aus. Als er seinen Penis aus der Frau heraus zieht, sieht man Sperma aus der Scheide der Frau tropfen. Der zweite Verstoß! D808 wird verriegelt und unter Aufsicht gestellt. Ein Trupp Strafinspektoren wird aktiviert und leitet die Ahndung der Verstöße ein. Vor mir sehe ich noch immer das Bild der jungen Frau, aus deren Scheide weiteres Sperma tropft. Ich denke an meine Jugend und die Zeit vor dem Sexverbot. Was hatten wir nicht alles getrieben. Und keiner musste zusehen, dass keine Samenzelle unkontrolliert in meinen Körper eindrang. Eigentlich eine Schande, was den Menschen heute angetan wird.
Nach 6h Dienst, in dem sonst nichts weiter geschah, koppelte ich mich vom System ab und hatte meinen ersten Dienst als Inspektorin beendet. Ich ging spazieren. Ich beobachtete andere Leute und dachte über das „Gesehene“ nach. Ich selbst hatte seit über 10 Jahren keinen Sex mehr gehabt. Anfangs war das für alle eine schwere Zeit und Bestrafungen recht selten. Aber seit die Wohneinheiten mit immer besseren Sensoren versehen wurden, erwischte man viele Menschen beim Sex. Die Strafen waren teilweise extrem. In der Regel folgte Zwangsarbeit auf den Feldern um die Ernährung der Menschen in den beiden Städten sicherzustellen.
Zu hause angekommen musste ich immer wieder an die Bilder der beiden denken. Was mag aus den beiden geworden sein? Ich aß meinen synthetischen Brei und kroch müde in meine Schlafbox. Mitten in der Nacht wurde ich wach, zwischen meinen Beinen klebte es. Ich hatte einen unglaublich intensiven Traum. Ich war die Frau, die auf dem Bett lag und von dem Mann genommen wurde. Ich stellte mir vor, wie zärtlich und vertraut er zu mir war. Wie lange ist das her, als ein Mann seinen Penis in meine Scheide geschoben hatte? Über 10 Jahre – eine verdammt lange Zeit! Ich versank in meinen Gedanken, konnte aber erst einschlafen, als es in der Box merklich kühler wurde. Zeit zum Aufstehen.
Kommentare
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mal eine ganz andere Geschichte.
:-)
Eine schöne nette Idee. Was eine Gemeinheit in Zukunft von Kälte geweckt zu werden, da läuft mir ja nun schon ein Schauer den Rücken herunter.
Allgemeines Sexverbot. Möchte nicht wissen welch brutaler Polizeistaat das durchsetzen muss. Und doch würde ich gerne mehr hören, weil das Setting mal etwas anderes ist.
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