Insel der Scham - die Botschaftseröffnung Teil 2


Luftikus

8
4543
2
07.06.2015
Insel der Scham

Bewertungen
7 x 4.0
0 x 0.0
6 x 4.5
1 x 1.0
0 x 0.0

„Meine Anrufe sind erledigt.“

Erika Behmkamp sprach leise und gefasst, bestimmte jedoch nicht die Situation. Es verlief anders, als vorgenommen, durch Normalität zu kontrollieren. Unwohlsein klang ungewollt in ihrer Stimme. Eine kleine Nuance, kaum hörbar, dennoch genug. Sie zeigte Unsicherheit, gab dem Wachmann ein Machtgefühl, machte sich zum Objekt seiner Begierden, die er nicht ausleben, nicht äußern durfte. Dieses durch selbstbewusstes Auftreten zu unterbinden, war ihr nun nicht gelungen. Seine Blicke verrieten es. Er stand erneut hinter seinem Schreibtisch auf, wusste nicht wohin mit seinen Augen.

Andreas Gütmer schaute nach unten, sah die Wildleder Pumps mit den schlanken Fußgelenken in schwarzen Nylons.

Sie stand vor ihm, würde sich gleich ausziehen.

Heiß und kalt durchströmte es ihn. Sein Magen pochte, drehte sich vor Erregung. Vorhin, bei den drallen jungen Frauen war es ein leichtes Kribbeln, als er die Körbe holte. Aber nun. So intensiv beherrschte ihn der Gedanke an ihre Nacktheit, dass ihm die vorgegebenen Abläufe entschwanden. Sie war anders, klug, elegant, mit Stil, für ihn schön und unerreichbar.

„Soll ich den Botschafter jetzt oder nach...“

Dem Wachmann stockten die Worte, die gelernten Formulierungen schwirrten ungeordnet in seinem Kopf. Er konnte sie nicht abgreifen. Vom Ausziehen durfte er nicht sprechen. Sein Stützgeländer der vorgefertigten Schemata brach weg. Ohne hampelte er hilflos vor der, ihm geistig überlegenen, Frau.

Leicht amüsiert beobachtete Erika Behmkamp die Reaktion ihres Gegenübers. Sie spürte die Macht der weiblichen Waffen. Deren Anwendung lehnte sie ab, legte Wert auf ihre intellektuellen Fähigkeiten, wollte sich stets durch eigene Leistung durchsetzen, statt mit den Tusneldas um männliche Beachtung zu buhlen. Ihr Habitus gab sich unterkühlt. Aber nun spürte sie diese Macht.

„Sie meinen bevor ich mich ausziehe, oder nachdem ich ohne Kleider da stehe?“

Der Satz saß, traf ihn tief ins Mark seiner Sehnsüchte. Erika Behmkamp schritt zum Regal.

„Bitte holen Sie mir den Korb herunter.“

Sie bemerkte sein leichtes Zittern in den Beinen, als er sich zum obersten Regalboden streckte. Nach Abstellen des Bastkorbes, drohten dem Wachmann vor Erregung die Beine zu versagen. Nun müsste sie ihn unter Kontrolle haben.

„Bitte drehen Sie sich um.“

Ein kühl gesprochener Satz. Ein kalter Guss. Andreas Gütmer war wieder bei sich.

„Das darf ich nicht. Haben Sie sich nicht auf unserem Internetauftritt informiert?“

Erika Behmkamps Gesicht blieb ungerührt. Sie antwortete mit leiser Ironie.

„Steht das auch in Ihrem Gesetz Nummer 7 ?“

Er verstand nicht, holte Luft, spannte die Brust, setzte zum Aufsagen an. Die junge Anwältin, schritt auf ihn zu, legte bedeutungsvoll ihren Zeigefinger auf die geschminkten Lippen.

„Bitte!“

Diese Augen. Auf der Nase mit kleinen Sommersprösschen saß der Metallrahmen einer Brille. Hinter den Gläsern sahen ihn tiefgründig ihre dunklen Augen an. Sie stand vor ihm. Mit dem Blick der Unnahbaren vermeinte Andreas Gütmer die ersehnte Intimität zu spüren, wehrte sich im Inneren gegen sein Wissen, dass sein Wunsch ihn betrog. Er sah die Anwältin ihr Smartphone hervorholen, und lesen. Der Text besagte, dass der Wachmann die Körbe zu bewachen habe, und die Relation von Scham und Sicherheit in der Sulmavischen Kultur eine andere sei. Nach einer kaum merkbaren Reaktion des Unwillens, suchten ihre Augen erneut den Bilckkontakt.

„Was haben Ihre Eltern Ihnen zum Thema Nacktheit beigebracht?“

Er konnte sich nicht von ihren Augen lösen, zögerte mit seiner Antwort.

„Die haben mich immer mit zum FKK Strand genommen.“

Erika Behmkamp lächelte ihr Gegenüber an.

„Aber Herr Gütmer, dann wissen Sie doch, wie unbekleidete Frauen aussehen, und brauchen mich nicht so anzustarren, wie die jungen Frauen vorhin.“

Der Wachmann bewegte kurz die Lippen, stockte, wollte widersprechen, sich verteidigen, wusste nicht wie. Die junge Anwältin setzte nach.

„Wenn es Ihnen untersagt ist, sich weg zu drehen, dann tun Sie Ihre Pflicht. Aber bitte, setzen sich an Ihren Schreibtisch und schauen Sie nicht direkt zu mir rüber. Würde ich an die Körbe gehen, wäre es doch zu hören, oder nicht, Herr Gütmer ?“

Dem Angesprochenen war im seinem Vorbereitungskurs eingeprägt worden, nicht aufdringlich oder anzüglich zu wirken. Wie sollte er etwas entgegnen, ohne das zu tun?

Nun schaute sie ihn mit einem rehäugigen Blick an.

„Sie müssen doch verstehen, dass ich mich sehr unwohl fühle, wenn Sie meiner Intimsphäre so nahe kommen. Sie wissen doch bestimmt, wie man sich gegenüber einer Dame benimmt? Oder müsste ich mich in Ihnen täuschen?“

Der Wachmann setzte sich an seinen Schreibtisch und schaute das Fenster gegenüber an. Nun kontrollierte Erika Behmkamp die, ihr unangenehme Situation, ärgerte sich jedoch über ihr stilloses Verhalten. Sekretärinnen oder Kellnerinnen biedern sich so schamlos an. Wie konnte sie nur ? Sie drehte sich, den Wachmann im Blick zu behalten, schob den Korb vor sich. Unwillkürlich ließ ihn das Geräusch seinen Kopf zu ihr wenden, er sah in ihr Gesicht.

„Herr Gütmer!“

Wieder das Fenster. Stille im Raum. Er hört das leise Rascheln, als sie ihr Jackett aufknüpft, es faltet, es in den Korb legt. Unruhe steigt in ihm auf. Nein, er darf nicht, muss sich konzentrieren, den Kopf still halten. Die Bluse raschelt anders. Er versucht sich vorzustellen, wie sie in Unterwäsche aussieht.

Erika Behmkamp hatte ihre Bluse geöffnet. Die Perlenkette. Sollte sie diese ablegen? Einmal in ihrem Tennisklub verlegte sie das Familienerbstück, bekam es mit viel Glück zurück. Seitdem trug sie die Kette ihrer Urgroßmutter nur an Tagen, an denen sie sich nicht umziehen musste. Ließ sie das Erbstück in ihrer Wohnung, verschloss sie es im kleinen Safe. Undenkbar, ohne die Kette zu einer Familienfeier zu kommen, die achtete die Tradition.

Andreas Gütmer hörte nichts mehr. Nach dem ersten Rascheln der Bluse nun Stille. Warum hörte sie auf, sich auszuziehen? Sollte er nachschauen, um dann wieder ihre strenge Zurechtweisung zu erhalten? Er hielt seinen Kopf krampfhaft still.

Erika Behmkamp überlegte. Unbekleidet mit Perlenkette? So präsentieren sich Prostituierte ihren Freiern! Was sollte sie tun? Ihre Kette dem Wachmann anvertrauen? Nach dem Geschehen im Tennisklub musste sie ihrer Familie versprechen, das Erbstück niemals aus der Hand zu geben. Sie entschloss sich, die Kette anzubehalten.

Ein Geräusch. Der leichte Hauch der Bluse beim Ablegen in den Korb. Sie machte weiter. Der leise Ratsch eines Reißverschlusses ist zu hören. Sie zieht ihren Rock aus.

Erika Behmkamp schaut auf ihre Schuhe. Soll sie die anbehalten. Ja. Sie steigt mit ihren Schuhen aus ihrem knielangen Rock.

In der Stille der Situation hämmerte das Klacken der auftreffenden Absätze ihrer Pumps in den Ohren des Wachmanns. Ganz kurz schnellte sein Kopf in ihre Richtung. Da steht die junge Anwältin in ihren Dessous. Sie sieht auf den Boden, als sie ihr linkes Bein aus dem Rock hebt, bemerkt seinen Blick nicht.

Üblicherweise trug Erika Behmkamp weiße Sportunterwäsche, dazu eine Strumpfhose. Heute nicht. Das Frühstücksfernsehen zeigte die neue Pariser Dessous Kollektion. Die hatte sie am Kleiderschrank noch vor Augen gehabt, als sie die andere Schublade, die mit ihren besonderen Teilen, nur für sich, aufzog.

Andreas Gütmer schaute auf das Fenster, sah das Nachbild der Anwältin in Dessous. Es war verschwommen, zu kurz der erhaschte Anblick. Er versuchte, sich die Details vorzustellen, als er den Rock in den Korb fallen hörte.

Die junge Anwältin löste die Strapse von den Nylons. Die Strümpfe würde sie bestimmt nicht anbehalten. Nackt mit halterlosen Nylons? Ein No Go! Barfuß in den Pumps? Zu schwitzig.

„Ich nehme doch lieber die Flip-Flops.“

Hatte sie es gedacht? Nein, es laut ausgesprochen! Schon drehte sich der Wachmann zu dem kleinen Regal hinter sich, sah sie nun, mit kleinen roten Sandalen in seiner Hand, an. Er zögerte, wollte nicht zu aufdringlich wirken.

Was sollte sie tun? Warten bis sie ganz nackt da stand? Warum ausgerechnet heute die Dessous? Hätte sie ahnen können, sich heute so präsentieren zu müssen? Sollte sie sich umdrehen? Damit er dann ihren Hintern betrachten kann? In lockerer Haltung blieb sie stehen.

„Bringen Sie mir bitte die Flip-Flops. Legen Sie sie hier auf das Parkett.“

Andreas Gütmer stand auf, und sah nun die Details der jungen Anwältin in Dessous. Pepita. Schwarzweiß kleingemusterter, blickdichter Stoff, eine Korsage und ein Höschen. Die kräftigen Körbchen ließen die Oberweite nur erahnen. Zwischen ihren Brüsten prangte ein kleines rotes Schleifchen mit einem weißen Knopf in der Mitte.

Erika Behmkamp dachte an ihre Freundinnen im Tennisklub. Die dürfen es niemals erfahren. Sich so nuttig vor einem Wachmann zu präsentieren, ein Klatschthema. Wäre sie gesellschaftlich erledigt? Würde sie noch beruflich ernst genommen?

Andreas Gütmer tat einen weiteren Schritt auf sie zu, sah nun die beiden roten Schleifchen am Bund des Höschens. Er ging in die Knie, um die Flip-Flops abzulegen, hatte das ihm verbotene Land vor Augen. Helle weiche Haut hob sich von den schwarzen Nylons ab. Vor den, nicht zu dünnen, wunderbar geformten Schenkeln baumelten die losen Strapse, ebenso mit roten Schleifchen verziert.

Schon wollte Erika Behmkamp ihn zurechtweisen. Hätte sie ein Recht dazu, wenn sie sich mit losen Strapsen hier entblößt? Was denkt der Wachmann, hält er sie für ein billiges Flittchen ? Sie musste ihn fragen.

„Was denken Sie ?“

Er verstand nicht, begriff nicht ihre Situation. Für ihn war es normal, dass stilvolle, elegante Frauen schöne Kleidung tragen. Nicht käme ihm die Idee, dass diese Dessous nicht elegant, oder gar nuttig seien. Was wollte sie hören? Ein Kompliment? Er würde sich den Mund verbrennen. Was sollte er sagen?

„Herr Gütmer?“

„Ehm ja. Ich bin im Dienst.“

Sie lächelte. Ihre Ironie verstand er wieder nicht.

„Sehr schön. Weiter machen. Aber sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.“

Er musste an ihre Schenkel denken, muskulös und doch weiblich.

„Treiben Sie Sport?“

Erika Behmkamp zweifelte nicht an der Ehrlichkeit seiner Antwort. War er so einfältig, nicht die Selbstentwürdigung einer Frau zu erkennen?

„Ich tanze.“

Andreas Gütmer war einen Schritt zurückgetreten, bewunderte ihre Silhouette.

„Aerobic oder Zumba?“

Die junge Anwältin setzte ihren strengen Blick auf. Sie gab ihm zu verstehen, dass ihr Gesicht oben ist.

„Gesellschaftstanz.“

„Und damit bekommt man so ….“

Der Wachmann biss sich auf die Lippe. Er durfte nicht anzüglich werden.

„Ja Herr Gütmer, Gesellschaftstanz formt den Körper. Aber nun setzen Sie sich bitte wieder. Und nicht schauen!“

Wieder betrachtete der Wachmann das Fenster mit dem weißen Vorhang von dem er meinte, inzwischen jeden einzelnen Faden auswendig zu kennen. Sie hatte die Schuhe in den Korb gelegt, streifte nun die Strümpfe ab. Er spürte das elektrisierende Knistern des Nylons als den Marsch tausender Ameisen auf seiner Haut. Sie öffnete ihre Korsage, ein leises Zipp folgte jedem geöffneten Häkchen, das Oberteil fiel. Wie würde ihr Busen aussehen? Das Höschen hörte er nicht, nur das sanfte Auftreten ihrer Füße. Nun war sie nackt! Es folgte das leichte Platschen der Flip-Flops. Was kam jetzt?

„Herr Gütmer, Sie können jetzt den Bastkorb zurück in das Regal stellen.“

Würde er sie nun nackt sehen? Sein Kreislauf sackte ihm weg, als er aufstand und sich umdrehte.

Da stand sie! Neben dem Regal reckte sich die Pflanze mit den lila tropischen Blüten zur einfallenden Sonne, daneben im Lichte des Fensters stand sie ihm zugewandt. Die Ledertasche mit den wichtigen Dokumenten hielt sie vor ihre Scham. Die leichtere persönliche Dokumentenmappe bedeckte die Brüste.

Andreas Gütmers Mundwinkel sanken. Gut ablesbar zeigte das Gesicht des Wachmannes die Enttäuschung.

„Aber Herr Gütmer! Sie wissen doch, wie eine Frau aussieht! Ihre Eltern, der FKK Strand, das haben Sie bestimmt in Erinnerung, oder? Nun stellen Sie bitten den Korb hoch.“

Er trat mit dem Korb nah an das Regal, hoffte von der Seite einen Blick durch die Pflanze erhaschen zu können. Sie ließ ihm die Chance nicht, drehte sich mit.

Plötzlich zuckten durch das gegenüberliegende Fenster Blitze herein, ein, näher kommendes, lautes Gejohle drang in die Stille des Raumes.

„Herr Gütmer! Was ist da los?“

Der Wachmann stellte den Korb ab, ging zum Fenster. Draußen versammelte sich eine große Menschenmenge. Unzählige Arme streckten sich durch die Eisenstäbe des Zauns, hielten ihre Handys und kleine Fotoapparate hoch, um die „Botschaft der nackten Weiber“ digital zu speichern. Einer der Handwerker hatte die Nachricht eingestellt, die sozialen Netzwerke explodierten. Schon näherte sich ein Haufen junger Männer der Pforte 2.

Andreas Gütmer musste handeln. Sofort. Das wusste er aus der Erfahrung seines Streifendienstes in den nächtlichen S-Bahnen. Er trat vor die Tür.

Erika Behmkamp stand nun allein im Raum, spürte Angst, nahm alles intensiv wahr. Den Geruch der Pflanze, des Holzes, die Wärme der Sonne in ihrem Rücken. Sie sah den Korb auf den Boden. Sollte sie sich schnell anziehen? Oder würde sie erst nackt da stehen, wenn der Mob schon eindrang? Sie blieb stehen. Dort konnte sie von außen nicht gesehen werden. Die vorgehaltenen Taschen wurden schwer, ihre Handgelenke schmerzten. Von draußen hallte die laute Stimme des Wachmanns herein.

„Sie verletzen die Immunität der Sulmavischen Botschaft, da versteht Vater Staat keinen Spaß. Vorstrafe! Ein Jahr Bau mindestens!“

Die kleine Kamera in der Hand des Wachmanns tat ihr übriges. Die jungen Männer zogen sich zurück.

Andreas Gütmer kam zurück. Ihre Handgelenke, sie schmerzten. Er verriegelte von innen die Tür.

Diese vermaledeit schwere Aktentasche sank ihr herunter. Er drehte sich um, sah ihre rasierte Scham, die feinen langen Lippen.

Das Klingeln seines Diensttelefons auf dem Schreibtisch holte in aus seinen Träumen.

Erika Behmkamp wollte im Boden versinken. Einem Wachmann die eigene Scham zu präsentieren. Sollte sie nun, da er es schon gesehen hatte, den Hilferufen ihrer Handgelenke nachgeben, und die Aktentaschen kurz ablegen? Nein. Sie wird nicht so weit unter ihr Niveau sinken! Sie wird durchhalten. Unter großer Anstrengung bedeckte sich Erika Behmkamp, sah zu dem Wachmann, der am Telefon unaufhörlich nickte.

„Ja Exzellenz.“ Es folgte eine kurze Pause. „Ja Exzellenz.“ Er legte auf, drehte sich der jungen Anwältin zu. Diese Schultern. Schlank, fein, weiblich, dazwischen eine weiße Perlenkette. Dazu der Gedanke, dass sie hinter der Dokumentenmappe nackt war, Andreas Gütmers Sinne verwirrten sich in diesem Anblick. Er merkte nicht, dass er lange da stand, ohne etwas zu sagen.

Mit den immer schwerer werdenden Taschen, dehnte sich für Erika Behmkamp jede Sekunde zur Ewigkeit aus. Mit einem strengen „Herr Gütmer!“ ließ sie ihn aus seiner Versenkung hochfahren.

Leicht verlegen über sein Verhalten antwortete er.

„Die Polizei ist bereits verständigt. Es dauert jedoch noch einige Zeit, bis genug Einsatzkräfte zusammengezogen sind, um die Menschenmenge aufzulösen. Exzellenz bitte Sie, hier solange zu warten. Es ist ihnen natürlich nicht zuzumuten, sich diesem Auflauf zur Schau zu stellen, oder sich gar fotografieren zu lassen.“

Erika Behmkamp war nun in dieser, ihr unangenehmen Situation gefangen. Sollte sie sich wieder anziehen, um sich danach wieder auszuziehen, somit dem Wachmann eine zweifache Stripshow bieten? Der Schmerz der Handgelenke wurde unerträglich. Sie klemmte den linken Arm auf die oben bedeckende Dokumentenmappe, so dass ihre rechte Hand die untere Aktentasche ergreifen konnte, dann winkelte sie den linken Unterarm an, bis ihre Finger die Mappe erreichten. Erleichterung brachte der Wechsel nicht.

„Frau Behmkamp, wenn Sie sich vielleicht setzen möchten? Eine ihrer Hände könnte sich dann ausruhen.“

Machte sich dieser Wachmann lustig über sie? Er hatte recht, die Finger verkrampften sich schon.

„Unbedeckt auf ein Stoffpolster?“

Mit einem kurzen Nicken hastete Andreas Gütmer zur Schreibtischschublade, aus der er ein weißes Einwegvlies hervorzog. Eilig streifte er die Folie ab, breite es auf dem Sitz aus.

Mit seitlichen Schritten, die Aktentaschen stets dem Wachmann zugewandt, tippelte die junge Anwältin zum Rattansessel, setzte sich schräg, bevor sie sich in die Sitzfläche drehte. Nachdem die schwere Aktentasche auf ihren Schoß ruhte, hob sie ihren Hintern leicht an, um mit der freien Hand das Vlies gerade zu ziehen.

Andreas Gütmer saß am Schreibtisch, bewunderte den flachen Bauch der jungen Anwältin, die anmutige Bewegung ihrer Seiten, als sie sich im den Sitz drehte. Was für ein wunderbar femininer Körper! Sie winkelte leicht ihre Unterschenkel zur Seite, richtete ihren Oberkörper gerade auf. Der Wachmann wollte vor Sehnsucht vergehen, als lautes Klopfen seine Stimmung zerriss. Grölender Gesang dröhnte dumpf durch die verriegelte Tür.

„Wir wollen die nackten Weiber sehen, wir wollen die nackten Weiber sehen.“

Erika Behmkamp krampfte sich zusammen. Auch wenn der Wachmann ihr versicherte, dass die Tür stabil sei, und halten werde, fühlte sie sich absolut nackt und ausgeliefert. Die Finger verkrampften sich, egal wie oft sie auch wechselte. In beiden Händen war keine Kraft mehr. Sie gab auf, legte ihre Dokumentenmappe auf die Aktentasche. Ihre Brüste waren zu sehen.

Der anhaltende Krach aus Hämmern und Gejohle verschwamm in Andreas Gütmers Ohren zu einem fernen Säuseln. In seiner Welt gab es nun nur noch ihn und ihre Brüste. Vollrund, perfekt geformt, so nah und unerreichbar. Niemals mehr wäre es ihn vergönnt, einer solchen klasse Frau näher zu kommen, als jetzt.

„Möchten Sie noch eine Tasse Kaffee?“

„Wenn es Ihnen gelingt, mir die Tasse zu servieren, ohne auf meine Oberweite zu starren, dann gerne.“

Es gelang ihm nicht. Wie gebannt blieben seine Augen am zarten Rosa der Vorhöfe hängen.

„Aber Herr Gütmer, wissen sie denn immer noch nicht, wie eine Frau aussieht?!“

Der Angesprochene brauchte nicht zu antworten. Plötzliche Stille, kein Klopfen mehr, dann brauste ein Blitzlichtgewitter und erneutes Gebrülle auf. Die Menge schrie.

„Schneckenalarm, da, da drüben kommen nackte Weiber.“ Es folgte ein Gejohle und Geklatsche, die beiden drallen jungen Frauen hatten das Hauptgebäude verlassen und gingen durch den Botschaftsgarten zurück zur Pforte 2. Jubelnd traten sie durch Tür.

„Wir fahren in die Südsee und dürfen nach der Arbeit sogar an den Hotelstrand. Juhu, jeden Tag am luxuriösen Südseestrand.“

Die beiden gingen in die Hocke, um sich die Bänder mit den Gaderobenmarken abzubinden, boten mit den ausgebreiteten Schenkeln einen tiefen Einblick.

Der Wachmann stand immer noch vor Erika Behmkamp. Die weibliche Anatomie der beiden Gören schien ihn nicht zu interessieren. Sollte sie es als Kompliment nehmen?

„Herr Gütmer, ihre Pflicht ruft. Holen Sie den jungen Damen die Körbe herunter.“

Während der Wachmann zum Regal ging, wandte sich die Anwältin an die jungen Frauen.

„Stört es Sie nicht, unbekleidet fotografiert zu werden?“

„Och nö, wenn man auf Sulmavi arbeiten will, darf man davor nicht bange sein, da ist das erlaubt. Da darf uns draußen jeder fotografieren.“

„Falls eines der Fotos veröffentlicht würde, könnte ich für Sie Klage wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte erheben. Das könnte für Sie finanziell interessant sein.“

Die beiden, noch nackten, Frauen sprangen sich mit erhoben Armen an, nicht nur ihre Hände, auch die drallen Brüste klatschten aneinander.

„Juhu Mädels, es gibt Extrageld für die Urlaubskasse.“

Nicht auszudenken, würden die beiden sich vor Gericht genauso benehmen. Schon bereute Erika Behmkamp ihr Angebot. Die junge Frau mit dem vollen Schamhaar blickte auf die aufrecht sitzende Anwältin.

„Sitzt du dann auch, so wie jetzt, vor Gericht?“

„Natürlich nicht. Dort trage ich eine Robe.“

„Mit nichts drunter?“

Erika Behmkamp schwieg, vor der Tür heulte eine Unzahl Martinshörner auf, der Polizeieinsatz begann. Während sich die Menschenmenge entfernte, das Gejohle abnahm, zogen sich die drallen Frauen an. Andreas Gütmer saß an seinem Schreibtisch, beachtete sie nicht. Seine Augen klebten an der eleganten Erscheinung auf dem Rattansessel. Bald musste sie aufstehen, ihren Weg zum Botschafter nehmen. Wie würde sie das tun? War es ihm dann vergönnt, mehr ihrer grazilen Gestalt in eleganter Bewegung zu sehen? Die beiden jungen Frauen stellten sich, fertig angezogen, vor seinem Schreibtisch, versperrten ihm die Sicht.

„Können wir jetzt nach Hause gehen ?“

Sie stellten sich vor die verriegelte Ausgangstür. Der Wachmann schaute aus dem Fenster, versicherte sich der Ungefährlichkeit der Lage, entriegelte die Tür, verabschiedete die Frauen. Als er sich umdrehte war Erika Behmkamp bereits gegangen.

Der leichte Wind umstreichte sanft die nackte Haut der jungen Anwältin, als sie die Tür hinter sich schloss. Ein Rundumblick beruhigte. Sie stand allein auf dem schmalen Gartenweg, keiner der Handwerker in Sichtweite. Trotzdem klemmte sie sich die Mappe unter die Achsel und hielt die schwere Aktentasche darunter an ihre Seite, verbarg ihre Reize zur Richtung des Haupttores. Gerne hätte sie sich beeilt. Die Flip-Flops ließen auf dem Kies nur einen gemächlichen Gang zu. Langsam näherte sich die Seitentür des Hauptgebäudes, die Erika Behmkamp mit einem mulmigen Gefühl betrachtete. Wenn jetzt ein Handwerker heraustrete, sie frontal beäugte?! Sollte sie jetzt die Taschen vor sich halten? Wie dann die Tür öffnen? Warteten hinter der Tür gierige Augenpaare? Sie fühlte sich ausgeliefert, schutzlos. Beim herunter drücken der Klinke pochte die Angst in ihr.

Der Flur war leer, führte zur Empfangshalle mit der ausladenden Steintreppe. Die musste sie hoch. Laut hallten die Flip-Flops von den steinernen Absätzen in die Villa, als sie die ersten Stufen nahm. Erika Behmkamp erschrak. Jetzt müssten alle aufhorchen, sie anglotzen. Sie drehte sich, schaute auf das obere Geländer. Niemand war durch die Geräusche aufmerksam geworden.

Dann stand sie endlich vor der Tür mit dem improvisierten Pappschild “Büro des Botschafters“, trat ein. Schon mit dem ersten, sich öffnenden, Spalt der soliden Tür drangen Töne an ihr Ohr. Musik der 60er Jahre. Eine seltene Live-Aufnahme von CCR. Gemächlich drehten sich die Spulen, die ein dreifingerbreites Magnetband fortbewegten. Auf dem abgewetzten Holzboden stand ein Tonbandgerät, von dem das dicke Kabel zur mannshohen Lautsprecherbox führte. Links davon füllte ein Altar aus Pflanzen den lichtdurchfluteten Erker mit den bodentiefen Fensterfronten aus. In der Mitte des sonnenbestrahlten grünen Rundes stand der einfache Fichtenholzschreibtisch der Sekretärin. Nackt auf einem großen grünen Sitzball balancierend, saß die polynesische Frau davor, tippte in ihr Laptop, dass eingequetscht zwischen vielen Blumentöpfen auf dem sperrholzigen Büromöbel stand. Ihre Figur war füllig aber wohlgeformt. Volle Lippen und große Augen gaben ihrem runden Gesicht einen Flair der Südsee. Zahlreiche Blüten leuchteten eingeflochten in ihren langen schwarzen Haaren. Einige graue Strähnen verrieten, dass sie nicht mehr die Jüngste war, auch wenn ihr Körper kaum ihr Alter erkennen ließ. Die zeitlose Schönheit nahm ihre Finger von der Tastatur, blickte auf.

„Guten Morgen, Sie müssen Erika Behmakamp sein.“

Sie sprach ein perfektes Deutsch, auch wenn in ihrer dunkel samtigen Stimme ein Akzent sonor mitschwang.

„Ich möchte zum Botschafter.“

Die junge Anwältin hatte ihre Taschen am Schreibtisch abgestellt, konnte endlich ihre Handgelenke entlasten. Lächelnd betrachtete sich die Sekretärin ihr nacktes Gegenüber, bevor sie antwortete.

„Ich bin der Botschafter!“

Erika Behmkamp verzog das Gesicht, fühlte sich nicht ernst genommen, dachte an die wichtigen Dokumente. Noch bevor sie kritisch nachfragen konnte, betrat ein junger polynesischer Mann mit einem Stapel Akten den Raum. Er trug ein kariertes Wickeltuch um die Hüften. Zahlreiche Tätowierungen schmückten seinen nackten muskulösen Oberkörper. Hastig schlug die junge Anwältin bei seinem Anblick ihre Arme vor Busen und Scham, stand zusammengekauert da. Der junge Mann reagierte heftig. Seine Nasenflügel weiteten sich, die Pupillen wurden größer, seine Atmung heftiger.

„Das ist mein Sekretär Hulanu. Bitte lege mir die Akten hier auf die freie Ecke des Schreibtischs.“

Der sprang nach vorne knallte die Pappen auf die besagte Stelle und wollte fluchtartig den Raum verlassen. Erika Behmkamp rief ihm hinterher.

„Einen Moment bitte, kommen Sie zurück.“

Der junge Mann drehte sich um, sah die junge Anwältin verwundert an. Die deutete, immer noch durch ihre Arme bedeckt, mit einer Kopfbewegung auf die Frau hinter dem Schreibtisch.

„Ist sie die Botschafterin?“

Er antwortete beim Umdrehen, bevor er raus rannte.

„Ja, das ist Ihre Exzellenz Botschafterin Mava Wulmati.“

Die Botschafterin schüttelte lächelnd den Kopf.

„Aber Erika. Ich darf doch Erika sagen? Mussten Sie den armen Jungen so quälen ?“

„Bitte?!“

„Ach, Sie wissen es nicht! Sulmavische Frauen signalisieren ihr sexuelles Interesse, indem sie sich mehrmals kurz vor dem Mann ihrer Wahl bedecken. Natürlich haben wir unseren Männern die deutschen Gepflogenheiten erklärt. Aber die von der Kultur geprägte Psychologie fordert ihren Tribut. Sind Sie mit den Armen bedeckt, ist das so, als wenn unser deutscher Wachmann eine nackte Frau erblickt. Apropos, wie hat sich unser Herr Gütmer gemacht ?“

Erika Behmkamp wusste nicht wie ihr war, musste lachen.

„Für seine bescheidenen Verhältnisse hat er sich tapfer geschlagen.“

Jetzt lachten beide, lange und laut. Das Eis war gebrochen.

„Dort in der Ecke ist noch ein Sitzball. Kommen Sie. Setzen Sie sich.“

Die junge Anwältin rollte sich den Ball zum Schreibtisch, wischte ihn oben mit einem Flüssig-Reinigungstuch ab. Beim Aufsitzen spürte sie Hitze an ihren Lippen, schreckte hoch. Der Ball hatte am Fenster in der Sonne gestanden. Dann wurde es sehr angenehm.

Nach dem schnellen Erledigen des Papierkrams richtete sich die Botschafterin auf. Erika Behmkamp sah nun verwundert auf ihre übervolle Schambehaarung. Wie die meisten Frauen ihres Alters fand die junge Anwältin solche Behaarung als abstoßend.

„Ich dachte Sulmavische Frauen sind traditionell rasiert?“

Die Botschafterin betrachtete die Schamlippen der jungen Anwältin.

„Ach Kindchen, ich bin und war Nonkonformistin, gestern und heute, auf Sulmavi und in Deutschland. Ihre Lippen haben eine wunderbare Form. Sie können es sich wirklich leisten, ohne Behaarung zu gehen. Kommen Sie, wir machen eine Runde durch das Botschaftsgelände. Und lassen Sie Ihre Dokumentenmappe hier. Wenn das Handy klingelt, dann klingelt es eben. Vorhin hatte ich die Handwerker aus dem Gebäude geschickt, damit ich endlich an die Dokumente komme. Jetzt werden wir uns, ganz nach Sulmavischer Art, den Männern präsentieren.“

Mit ruhigen, sanft schwingenden Kreisen ihres Beckens schritt Mava Wulmati auf die Tür zu. Von der ungewöhnlichen Atmosphäre eingenommen, folgte Erika Behmkamp ihr, der Gedankengang ihres Verstandes, sich nicht als öffentliche Person nackt präsentieren zu sollen, verhallte als ferner Ruf in einem Nebel eines wohligen Gefühls, das von der Nähe der Botschafterin ausging. Die beiden stiegen die Stufen der Treppe herunter, nahmen Kurs auf zwei Elektriker, die in blaue Latzhosen gekleidet an einem Sicherungskasten arbeiteten. Mava Wulmati stelle sich vor den Handwerkern auf.

„Guten Morgen die Herren.“

Während der jüngere der Elektriker die Botschafterin offen ansah, blickte der Ältere verschämt zu Boden. Diesen sprach die polynesische Frau an.

„Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Sie Stehen so verkrampft da.“

Immer noch auf den Boden blickend antwortete er.

„Ich weiß nicht so recht, wie ich mich zu verhalten habe. Ich will mir von meinem Chef nicht anhören müssen, mich bei einem Kunden daneben benommen zu haben.“

Mit einem gewinnenden Lachen breitete Mava Wulmati ihre Arme aus.

„In der Sulmavischen Kultur darf der Mann den weiblichen Körper bewundern. Sie dürfen mich ruhig anschauen, ohne einen Tadel Ihres Chefs befürchten zu müssen.“

Dann wandte sie sich an den Jüngeren der Elektriker.

„Und er junge Kollege. Was denkt der?“

Der Angesprochene strahlte über das ganze Gesicht.

„Bei so attraktiven Frauen um einem herum macht das Arbeiten doch gleich viel mehr Spaß!“

Die Botschafterin reagierte mit einem fröhlichen Lachen.

„Sehr gut! Diese Einstellung gefällt mir. Ich freue mich auf die Arbeitsergebnisse.“

Die beiden Frauen setzten ihren Rundgang fort. Lange blieben die Elektriker an ihren Rückansichten hängen, der breiten kreisenden Hüfte der polynesischen Frau, und den kleinen eleganten Bewegungen des schlanken straffen Gesäßes der jungen Anwältin.

Zahlreiche Augen richteten sich auf, als die nackten Frauenkörper im Sonnenlicht des Botschaftsgartens sichtbar wurden. Erika Behmkamps Schamgefühle verflogen durch die Ausstrahlung der Botschafterin, die durch ihr Wesen ihrer Nacktheit eine Autorität verlieh. Verwundert sah sie ein Fernsehteam, drei Männer, die Aufnahmen des Botschaftsgartens machten. Nun musste die junge Anwältin wieder an ihr öffentliches Ansehen denken, drehte sich zu Mava Wulmati.

„Ich denke Aufnahmen sind hier verboten, ich will auf keinen Fall nackt gefilmt werden.“

„Aber nein Kleines, jede einzelne Einstellung der Kamera muss mit dem Botschaftssekretär abgesprochen werden. Sie werden nicht gefilmt werden. Das wird nicht passieren. Kommen Sie, wir begrüßen unseren Botschaftssekretär.“

Die Botschafterin berührte mit ihrer Stirn, die des ergrauten Mannes in einem westlichen Anzug.

„Eure Exzellenz, das Fernsehteam bittet Sie um ein Interview.“

„Gerne.“

Der Botschaftssekretär winkte das Filmteam herüber, und machte Mava Wulmati mit dem Reporter, einem großen hageren Mann, bekannt. Nachdem einigen wenigen gewechselten Worten übernahm der Wichtigtuer mit der möchtegern intellektuellen Brille schroff die Regie des Geschehens, dirigierte Kameramann und Tontechniker, wies der Botschafterin eine Position in der Sonne mit der Villa im Hintergrund zu.

„Nur die Schulter, pass bloß auf, dass nichts vom Busen zu sehen ist.“

Mit einem harschen Zischen herrschte der Reporter den Kameramann an.

„Nicht so schnell der junge Mann!“

Mava Wulmati, die das nervöse Spektakel bis jetzt gelassen ertragen hatte, übernahm mit einem leisen Lächeln das Heft des Handels.

„Sie wollen doch nicht das Ansehen einer Sulmavischen Frau herabwürdigen?!“

Der Reporter gab sich jovial herablassend.

„Wir werden selbstverständlich nicht mehr von Ihnen zeigen, als nötig.“

Ihre Verärgerung über den Wichtigtuer verbarg die Botschafterin hinter ihrem leisen Lächeln, in ihrem Sprechen hauchte ein aggressiver Unterton .

„Der Herr Reporter befragt mich als vollständige Person. Somit werde ich auch als vollständige Frau auf dem Fernsehschirm erscheinen. Mit meinem unbekleideten Körper!“

„Das geht nicht. Wir sind ein seriöser Nachrichtensender.“

Mava Wulmati sah den Reporter eindringend an, sagte eine Weile nichts, setzte dann wieder ihr leises Lächeln auf.

„So so, Sie sind ein seriöser Nachrichtensender, zeigen Bilder der Zerstörung, fließend von Blut, schalten Werbung für windige Finanzprodukte, jede Lüge ist seriös, solange nur der Krawattenknoten richtig gebunden ist, aber mein Körper ist unseriös?!“

Die Fassade des Reporters fiel. Er zeigte sich überheblich arrogant.

„Sie glauben wohl, dass Ihr Sulmavi ein Paradies für Männer ist? Ich möchte nicht den ganzen Tag mit dem Anblick nackter unansehnlicher Frauen belästigt werden.“

Mava Wulmati sah auf sich herab, zog ihren Rücken nach hinten um ihre Brüste zu heben.

„Finden Sie mich unansehnlich? Ihre beschränkten Schönheitsbegriffe sind doch nur ein verzweifelter Versuch, die Freiheit des menschlichen Körpers in gesellschaftlicher Konvention zu ersticken. Die Schönheit einer Frau ergibt sich nicht aus einer eingeschränkten Liste körperlicher Merkmale. Es ist die innere Haltung, die dem Körper der Frau die erotische Ausstrahlung gibt. Das Interview ist beendet, Sie werden nun das Botschaftsgelände verlassen!“

Die Botschafterin wandte sich vom Fernsehteam ab, ohne dieses eines weiteren Blickes zu würdigen. Erika Behmkamp folgte ihr. Das Auftreten der Botschafterin hatte sie tief beeindruckt, in ihr etwas verändert. Selbstbewusst in einer aufrechten Haltung lief sie neben Mava Wulmati.

„Erika Kleines, wissen Sie eigentlich, warum wir keine Botschaft in den USA, sondern eine in Kanada eröffnet haben?“

Die junge Anwältin schüttelte mit dem Kopf.

„Ein amerikanischer Nachrichtensender hatte es gewagt, Sulmavische Frauen verpixelt zu zeigen. Ein schwerer interkultureller Fauxpas, eine Beleidigung aller Sulmavischer Frauen! Das mit dem Damen von den Naked News aus Toronto war ein großer Spaß.“

So setzten beide ihren Rundgang fort, genossen die Sonne auf ihrer Haut, ließen sich von den Handwerkern bewundern, während sie unaufhörlich miteinander plauschten, bis ein leises Piepsen der Uhr am Handgelenk der jungen Anwältin zum Aufbruch drängte.

Als Erika Behmkamp die Pforte 2 betrat, erblickte sie eine Frau in den mittleren Vierzigern, die sich auszog. Andreas Gütmer saß am Schreibtisch, schaute zu. Die Mitvierzigerin hatte ihre Seite dem Wachmann zugewandt. Mit ihrem linken Arm bedeckte sie ihre Brüste, während sie mit dem rechten umständlich ihren Slip herunter nestelte. Was für eine schlechte Schauspielerin!

„Herr Gütmer, lassen Sie nicht mit sich spielen. Holen Sie mir bitte stattdessen meinen Bastkorb herunter.“

Andreas Gütmer war aufgesprungen. Da stand sie vor ihm, unverdeckt und offen, in ihrer ganzen Schönheit und Eleganz. Der Wachmann fühlte sich im siebenten Himmel, stand mit großen Augen da.

„Aber Herr Gütmer, Sie wissen ja immer noch nicht, wie eine Frau aussieht. Wenn Sie mir jetzt den Korb herunter heben, dürfen Sie auch zusehen. Aber ich fürchte, dass Sie dann immer noch nicht wissen, wie eine Frau aussieht.“

Der Wachmann bewunderte jede der feinen leichten Bewegungen mit denen sich Erika Behmkamp fast lautlos ihre Kleidungsstücke überstreifte. Die Mitvierzigerin, die schon eine ganze Weile nackt und beleidigt daneben stand, bemerkte er nicht.

„Aber Herr Gütmer, ihre Pflicht. Bringen Sie der Dame Flip-Flops und die Gaderobenmarke, und ihr Korb muss auch noch ins Regal gestellt werden.“

Als der Wachmann den Korb der Mitvierzigerin in das Fach schob, hörte er die Eingangstür zufallen. Erika Behmkamp war endgültig weg. Traurig dachte Andreas Gütmer daran, dass ihm für eine solche Frau die Klasse fehlte, sie für ihn unerreichbar war.

Die junge Anwältin kehrte zurück in die andere Welt. Mit ihrem grauen Kostüm hatte sie auch wieder ihre alten Konventionen angelegt, saß zum zweiten Mal an diesen Tag im Büro des Seniors, der sich nun in die lange Schlange verlegen dreinblickender Männer einreihte, die Erika Behmkamp heute erleben durfte.

„Nun Erika. Wie soll ich es sagen. Ungewöhnliche Situation, sehr ungewöhnlich. Wie soll man denn mit so etwas rechnen? Hätte ich davon gewusst, wäre ich selbstverständlich selbst zur Botschaft gefahren.“

Die junge Anwältin setzte ihr süßestes Lächeln auf.

„Aber Herr Oggersmann, denken Sie an Ihre Frau. Ist sie nicht höchst eifersüchtig?“

 

In der folgenden Nacht plagten Erika Behmkamp wilde Träume, dann kam am Morgen der Schock. Schon beim Hereinholen der Zeitungen fiel ihr das große Bild der Boulevardzeitung auf, dass durch die darüber liegenden seriösen Tageszeitungen durchblitze. Mit zitternden Händen zog sie am Küchentisch das Schmierenblatt hervor, las die großen Buchstaben der Überschrift.

„Unsere nackte Anwältin. Deutschlands schöne Antwort auf das Südseeparadies“

Darunter zwei übergroße Fotos von ihr. Das eine zeigte sie im grauen Kostüm. Auf dem anderen war sie nackt abgebildet.

 

 

Fortsetzung folgt... Arbeitstitel „Erika Behmkamp geht ihren Weg“

 

 


Kommentare

Um einen Kommentar zu schreiben, musst du dich einloggen.