Wälsungenblut
Nackt gibt sich die blonde junge Frau ihrem Zwilligsbruder hin. Blutschande! Und doch von den Göttern gewollt, um den unbesiegbaren Helden zu zeugen, der die Welt rettet. Die Schwester wird die Frau des Bruders. So blühe denn Wälsungenblut!
Das Dorf ist niedergebrannt. Alle Männer getötet, die Frauen als Kriegsbeute aufgeteilt. Die siegreichenen Krieger sitzen müde im verwüsteten Saal und saufen Met. Die blutjunge, helläugige, blonde Sieglinde fällt bei der Aufteilung der Mädchen ausgerechnet dem alten finsteren Hunding zu. Gierig grinst er, als er sie mitnimmt. Zu Hause wird er sie als Sklavin behandeln.
Sieglinde ergibt sich in ihr grausames Schicksal. Sie ist dem herrischen Mann ausgeliefert, befolgt stumm seine Befehle. Wie sie ihn dafür haßt, daß er sie regelmäßig vergewaltigt! Das einzige Glück ist, daß sie noch nicht schwanger ist von ihm. Der Fricka hat er geopfert, um seine Zwangsehe zu segnen. Kinder will er, die ihn bei der Jagd begleiten und bei der Arbeit am Hof mithelfen.
Wenn sie an das Hochzeitsmahl denkt wird ihr übel. Die ganze rohe Sippe des Mannes ist am Tisch bei der Esche gesessen und hat sich von ihr bedienen lassen. Von der unglücklichen Braut!
Und dann der seltsame Wanderer, der plötzlich uneingeladen an der Tür steht. Er sieht sie mit fordernden Blick an aus seinem einen Auge. Über die Augenbinde, die das andere verdeckt, hat er einen Schlapphut gezogen. Die grölende Meute blitzt er wütend an. Ohne ein weiteres Wort rammt er sein Schwert in den Stamm der Esche und geht. Ach hätte er sie doch mitgenommen. Die Hochzeitsnacht wird zum Alptraum. Zwei Brüder ihres Mannes halten sie am Lager fest, während der betrunkene Bräutigam über sie herfällt. Er braucht lange bis er endlich abspritzt so besoffen wie er ist. Sieglinde hat keine Tränen mehr, sie denkt an Selbstmord. Wäre da nicht der fremde Mann, dessen Blick ihr Hoffnung gemacht hat.
In einer eisigen Winternacht sitzt sie allein am Herd und wartet auf die Rückkehr des Gatten von wilder Jagd. Dann will er essen und mit ihr schlafen. So wie jedes Mal.
Doch da stürzt er herein. Er, der Fremde, jung und schön und zu Tode erschöpft. Sie bringt ihm kühlen Trank, will seine Wunden verbinden, fragt ihn nach seinem Namen. Er antwortet ausweichend, will erst wissen, wo er sich befindet. Scheint von Feinden gehetzt. Und doch verbindet die beiden sofort eine eigenartige Vertrautheit.
Hunding kehrt heim, müde und hungrig. Mißtrauisch beäugt er den Fremden. Versucht, ihn listig auszufragen. Hält ihn für einen Feind und droht ihm für den nächsten Tag mit Kampf auf Leben und Tod. Dann packt er Sieglinde grob am Handgelenk und zerrt sie aufs Lager. Er will sein Recht auf sie demonstrieren, dem Eindringling zeigen, daß sie ihm gehört, ihm allein. Sein Besitz ist sie und jeder soll es sehen!
Doch heute Nacht verweigert sie ihm den Gehorsam, mischt ihm einen Schlaftrunk und stiehlt sich davon. Dem fremden Mann will sie gehören. Er ist ihr Ebenbild, ihr Traum. Sie tritt vor ihm hin, läßt ihr einfaches Kleid fallen und steht in ihrer ganzen Schönheit nackt vor ihm. Ihr langes blondes Haar fällt lockig über ihre Schultern den Rücken hinab. Die jungen festen Brüste recken sich dem Geliebten entgegen. Nimm mich, sagt ihr feuchter Schoß. Und er empfindet genauso. Erkennt in ihr die Schwester und Geliebte. Plötzlich weicht die Kälte des Winters dem Frühling der Liebe. Für die beiden versinkt die Welt.
Er zieht das Schwert aus dem Stamm und verspricht, sie und ihr gemeinsames Kind zu schützen. Der Enkel des Gottes wird in dieser Frühlingsnacht in der Wonne des Zwillingspaars gezeugt.
Wird er die Welt retten?
Zum 200.Geburtstag von Richard Wagner
Kommentare
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