Treibjagd (4)


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26.04.2012
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Treibjagd 4 (Sodom und Gomorra)

 Ich stehe allein im weitläufigen Mahlwerk der Wassermühle. Ich blicke mich um, um die Situation einschätzen zu können. Rundherum seltsame Kästen, Trichter, Rüttelsiebe , Rohre und Schubfächer. Auf dem Boden liegt ein Stapel prallgefüllter Säcke. Links von mir ist ein angelehntes Fenster zum Mühlteich hin, aber ich befinde mich weit oben im 2. Obergeschoss. Die Fesseln sind nicht mehr einschneidend, durch die dazwischen liegenden Papierservietten auch nicht mehr schmerzhaft, aber dennoch fest.

Die Tür ist jetzt zu, aber wenn sie offen ist, dann kann ich direkt nach unten auf die tafel blicken, Und sie können mich von unten dann auch sehen.

Wie komme ich hier nur raus?

Einfach losmachen und fliehen wird nach den Schüssen im Wald auch nicht mehr von mir ins Kalkül gezogen. Zu riskant. Ich müsste sie alle irgendwie ablenken, und mich selbst unkenntlich machen, aber wie?

Ich bin nackt! Noch wiedererkenntlicher geht es gar nicht.

 

Jetzt kommt jemand die Treppe hoch. Saubere, fast neue Jägeruniform, Alter so um die Mitte der Vierziger, blondhaariger smarter Typ. Nur sein Blick ist etwas unsicher. Er versucht, geflissentlich an mir vorbei zu sehen. Ein höflicher Mensch.

 

„Äh, hmm, also…Junge Frau, ich möchte mich hiermit in aller Form bei Ihnen entschuldigen, für das, was Ihnen die beiden Treiber und Dr.Zuche angetan haben. Glauben Sie mir, ich habe selbst nicht das Geringste damit zu tun.“

 

„Schön für Sie. Dann können Sie mir doch bestimmt auch helfen? Bringen Sie mir etwas zum Anziehen, binden Sie mich los und bringen Sie mich raus hier, am besten hinten, über den Sacklift. Damit haben wir schon als Kinder hier herumgespielt, da könnte ich mich reinzwängen, das würde gehen. Oder rufen Sie auf ihrem Handy die Polizei an, damit die mir helfen kann!“

 

Der smarte Typ zieht eine Mine, wie ein Pfandleiher, der an ein armes altes Mütterchen für ein altes Radio kein Geld mehr herausrücken will.

„Das ist leider nicht so einfach, wissen Sie. Der Herr Richter Rietscher hat nämlich beste Chancen auf den Posten des Landes-Justizministers. Ich bin Staatsanwalt und dann wäre er mein Vorgesetzter und hätte die Macht, mir meine bisher gute Laufbahn zu versalzen. Ich habe ihm Loyalität schwören müssen. Ja, wenn Sie hinreichende Beweise gegen ihn persönlich hätten, dann wäre das etwas ganz anderes, dann würde ich sehr gerne vehement die Anklage gegen ihn führen. Aber die beiden Zeugen sind ja leider…“

Hier bricht er schnell ab und wird erst rot und dann bleich.

„Ach übrigens: Der Herr Richter Rietscher hat alle Handys vorhin einziehen lassen, damit bis morgen keine Spuren und Beweise mehr gefälscht oder verwischt werden können, wie er sagte. Es geht wirklich nicht.

Aber, wenn Sie freikommen und wirklich stichhaltige Beweise für seine Mitschuld finden sollten: Hier ist meine Karte. Oh! Ich weiß nicht, wo ich sie Ihnen schnell und unauffällig einstecken soll…“

 

Dabei glotzt er mir schon eine ganze Weile auf die Stelle, wo er mir ganz gerne was reinstecken würde. Ich verstehe. Karriere ist wichtiger als Mut und Menschlichkeit.

 

Er wird von einem weiteren Mann aus seiner Verlegenheit erlöst. Es ist ein kleiner Dicker mit abgewetzter Uniform, der zuerst mich und dann ihn fröhlich angrinst und sagt:

„Ich bin die neue Wache, ich soll hier aufpassen, dass die Mittäterin nicht abhaut, bevor der Fall aufgeklärt ist. In 30 Minuten werde ich abgelöst, damit ich nicht verdurste, hä, hä.“

 

Jetzt bin ich also schon Mittäterin. Das wird ja immer besser. Die Tür zur Treppe steht jetzt sperrangelweit auf. Unten ist das große Fressen und Saufen angesagt. Auf der Tafel dampfen Knödel, Soßen Wildbret und diverse Früchte. Bier und Wein in Flaschen und Krügen machen die Runde. Ich habe einen Riesenhunger! Aber Wildschwein könnte ich nicht essen. Nie mehr! Vielleicht ist es Marga!

 

Der Dicke geht langsam um mich herum, schüttelt den Kopf und murmelt vor sich hin:

„Dass ich mich einmal von einem dürren nackigen Weib vom Saufen abhalten lassen werde, das hab ich mir im Leben lang nicht träumen lassen.“

 

Bin ich etwa daran jetzt auch schuld?

„Meinetwegen können Sie gerne verschwinden“, sage ich genervt, „ich brauche Sie nicht.“

 

„Nein, nein. So war es doch auch nicht gemeint. So richtig dürr sind Sie ja auch gar nicht, junge Frau, nur, bei mir muss da schon richtig was dran sein, an einer Frau. Was zum Ranfassen, tonnenschwere Titten und ein großer warmer Arsch, der die Kuhle in meinem alten Bett richtig ausfüllt. Na ja, ganz hübsch sind Sie ja schon. Ich glaube, ich habe Sie schon mal gesehen, kann das sein? Ach nein, das war ja in so einem amerikanischen Film. Tschoodi Förster hieß die, oder so ähnlich. Von der schwärmt nämlich mein Sohn, der Jürgen, immer. Einmal im Film war sie auch nackig, in einer Bar. Davon träumt er, der Jürgen…“

Er hat davon so einen Videofilm. Nichts für mich, ist aber auch so ein schmales Hemd, wie du.

„Jodie Foster?“ frage ich nach, „Nein, die bin ich nicht, will ich auch nicht sein, ich heiße Maike. Könnten Sie mal bitte das Fenster öffnen, ich brauche frische Luft. Der ganze Qualm von den Wandfackeln zieht hier herauf.“

Ich will versuchen, mit dem Mann ins Gespräch zu kommen, um etwas mehr über meine Lage zu erfahren.

 

„Was soll denn heute Nacht noch so abgehen, bei der Feier? Ist Ihr Jürgen heute auch hier?“ frage ich vorsichtig und beiläufig. Eine kleine Hoffnung. Ein Fan von meinem Ebenbild?

„Nein, der Jürgen, der hält nichts von der Jagd, der kann kein Blut sehen, sagt er immer, der dumme Kerl.  Jagd ist Leben!“

„Und Tod“, sage ich, „kommt ganz drauf an, wo man steht, ob vor oder hinter der Flinte.“

Der Dicke schnauft: „Weicheier!“ Dann, etwas freundlicher: „Was heute noch los ist? Ganz große Sache! Unser Ulf hat eine Truppe Frauen eingeladen. Richtige Vollweiber sollen das sein. So eine Naturgruppe, angeblich neumodische Hexen. Irgendwas mit „Wichsen“, na meinetwegen sollen die jungen Kerls ruhig wichsen, wenn ihnen nichts Besseres einfällt. Aber die machen angeblich alles mit, hat er gesagt. Tolle Sache!

Ach, was sage ich da? Dich wird das wohl kaum interessieren, Mädel, du hast ja ganz andere Probleme. Auf dich wartet ja der Knast, oder so was, habe ich gehört, weil du mit dem Dr.Zuche zusammen unsere Hubertusfeier stören wolltest und die zwei Treiber verführt und nackig in die Teufelsschlucht gelockt hast, wo sie dann den Jägern ins Schussfeld gelaufen sind. Das ist ganz was Schlimmes, das kann ich dir sagen! Deshalb bleibst du auch nackig hier angebunden, weil das ein Beweisstück ist! Du bist ein Beweisstück.“

 

Ich resigniere langsam. Kennen die sich etwa untereinander nicht richtig? Vielleicht kommen sie ja aus verschiedenen Gegenden hier zusammen. Sieht schlecht aus, um mich. Die werden den größten Mist aussagen, wenn man ihnen den oft genug einredet.

Aber da ist auch wieder ein kleiner Lichtschein im tiefen Tunnel:

„Doch, doch, das interessiert mich schon. Heißt die Hexentruppe etwa „WIXXEN&WITCHES“?

Meine Hoffnung auf Rettung steigt gewaltig. Wenn das die Ines mit unserer Weibertruppe ist, dann kann mir hier gar nichts mehr passieren! In mir keimt heiße Riesenhoffnung auf.

 

„Ja, genau so. Irgend so ein englisches Zeugs, was keiner richtig aussprechen kann. Das kann man ja heute überall lesen und hören. Manchmal könnte man wirklich denken, dass die Dritte Front aus Amis und Briten uns wieder mal überrollt. Mein Vater war nämlich beim Angriff der Amis in der Normandie, und dann auch noch in der Ardennenschlacht dabei. Hat dabei ein Bein verloren. Heute verliert man bei dem Mumpitz eher den Verstand. Fehlte bloß noch, das die uns mit Russisch kommen, wo doch der Schröder jetzt mit dem Putin…. „Wodka Gorbatschow“ steht ja auch unten auf dem Tisch…“

 

Ich höre ihm nicht mehr zu.

Unten im Saal erhebt sich ein lautstarker Tumult. Lautes Klatschen und „Hallooo!“ -Rufe, Quietschen, Kichern und Lachen.

„Die Weibertruppe“ ist angekommen, kein Zweifel. Ich atme durch und warte auf meine Erlösung.

Aber es kommt leider ganz anders.

Ines kommt neugierig die Treppe hoch, zusammen mit dem Richter, zwei anderen Männern und zwei Mädels aus unserer Truppe. Sie lacht zufrieden und hämisch, beglotzt schadenfroh meinen Zustand und meine Fesseln.

„Na, was haben wir denn da? Die liebe Maike, unsere kleine Spielverderberin. Du hast also zwei Treiber mit deinen Hexenkünsten verführt und ermordet? Kann ich zwar kaum glauben, aber wie man sieht, muss es ja wohl stimmen. Geschieht dir ganz recht!“

 

„Ines, Mensch, was soll denn das? Du kennst mich doch! Ich ermorde doch keinen, ich kann doch keiner Fliege was…, das weißt du doch! Hole mich hier raus, Mensch, das ist ein ganz gemeines, abgekartetes Spiel. Ich kann euch alles genau erzählen, wie es wirklich war.“

 

Der Richter kriegt wieder bange Zweifel in den Blick, will Ines wegziehen.

Ines spuckt mich an. Ihre zwei Begleiterinnen, Hannah und Eve, vermeiden es, mich anzusehen, schauen nur ängstlich auf Ines.

 

„Du wirst mir gar nichts mehr erzählen, du gemeine Mörderin! Jens-Eugen war nämlich mein Schwager. So, nun weißt du es! Bei uns in der Truppe hast du dich ja schon seit Monaten nicht mehr blicken lassen. Warst dir wohl zu fein für uns, was? Aber mir wolltest du verbieten, ein echtes lebendes Huhn zu opfern bei der Satansanbetung! Du mit deiner blöden Tierschutzmanie! Dich hätten wir besser gleich rausschmeißen sollen.

 

Aber, was das schlimmste ist: Nie werde ich dir vergessen, dass du dem Fernseh-Team von RTL2 einfach, ohne uns zu fragen, den Termin abgesagt hast. Hast du eine Ahnung, wie lange und wie oft ich meinen Besentanz eingeübt hatte? Meinen nackten Tanz im Feuerkreis auf dem Besenstiel? Du hast ja gar keine Ahnung! Ich könnte jetzt ganz oben sein, im Fernsehen und in der Werbung. Um ein Schweinegeld hast du mich gebracht. Mit dir bin ich für immer fertig. Schmore mal hier schön weiter, bis sie dich einknasten. Viel Spaß, du Sau!“

 

Puh! Alles klar. Mir läuft ein eisigkalter Schauer über den Rücken.

Ex-Freundin Ines entschwebt, die Treppe hinunter. Mit ihr die Delegation.

Wenigstens war ihre letzte Beleidigung für mich das genaue Gegenteil, aber das weiß sie ja nicht. Nichts und niemand kann jemals so hasserfüllt, so gemein und so hinterfotzig bösartig sein, wie eine Ex-Freundin. Das wusste ich zwar vorher schon, aber dieses Mal betrifft es leider mich selbst.

Hoffnung ade.

 

Der Dicke ist auch weg. Seine Ablösung ist jetzt da. Ein blasses schüchternes langes Männeken, das mir wie eine schief aufgehängte Augen-Pendeluhr ständig abwechselnd auf Titten und Möse starrt. Mund offen und Zunge fast draußen. Das ist mir jetzt aber völlig egal. Ich bin erst einmal total am Boden zerstört.

 

Was nun?

Unten im Saal hat der DJ aufgelegt und es wird wild herumgetanzt, gekichert und gegrölt.

Anzügliche, deftige blut- und saftstrotzende Jägerlieder, in denen immer wieder ein wilder Jäger ein scheues nacktes Reh erst beglückt und dann leider totschießen und aufspießen muss, oder auch umgekehrt. Oder: „In einem Polen-Städtchen, da wooohnte einst ein Mädchen. Sie waaar soooo schön! Sie war das allerschönste Kind, dass maaan in Poolen findt, aber nein, aber nein sprach sie, ich küsse nicht!“ Es ist schon hart an der Grenze für mich und meine momentane Leidensfähigeit.

 

„Bist du wirklich so nackig im Wald herumgelaufen?“ Das dünne Stimmchen von dem Langen Lulatsch weckt mich aus meiner depressiven Brüterei schwerer Gedanken.

Ob ich ihm jetzt einrede, dass Hannes und Jens-Eugen mich gewaltsam ausgezogen hätten?

Nein. Ich mache mich doch nicht mit diesem verlogenen Haufen auch noch gemein.

 

„Ja, und? Was ist denn da dabei? Ist das verboten?“

 

„Nee, aber ich habe mir gerade so gedacht, was wäre, wenn ich dich da so gefunden hätte.“

 

„Ja, und? Was wäre denn da gewesen? Sag es mir doch.“

Ich weiß ja, was da gewesen wäre. Marga hätte ihn in die Flucht gejagt. Gerade will ich innerlich anfangen zu lachen, da packt mich schon wieder die Wut.

Ja, Marga, hättest du das mal mit Hagen und Jens-Eugen gemacht, dann wäre alles immer noch gut!

Dann muss ich an unsere kleinen Frischlinge denken, und ich verstehe Marga. Jetzt werde ich wieder traurig. Ich wünsche mir plötzlich, dass unsere Kleinen plötzlich zu voll ausgewachsenen Wildschweinen werden, wie eine Rächer- und Ritterhorde hier in den Saal stürmen und die ganze Mischpoke zum Teufel jagen. Die fünf Bremer Stadtmusikanten-Wildschweine. Leider nur ein frommer Wunsch.

 

Der Lange sagt pessimistisch eingefärbt:

„Was da gewesen wäre? Ich fürchte, nichts.“

„Wie, nichts?“ das halte ich dann doch für stark untertrieben. „Was macht man denn da, ich meine, so als Mann?“

 

Der Lange nimmt endlich einmal seinen Gierblick von meinen blanken Tittchen, schaut mir in die Augen und sagt: „Das ist es ja. Du stehst ja hier am Pfahl, bist ganz nackt, hast wunderschöne runde junge Brüste, einen Bauch und Beine, wie eine Frau aus dem Sex-Magazin, ich sehe dich an und bei mir…“

 

„Was ist bei dir?“

„Eben: Nichts…“

„Gar nichts? Wirklich?“

Was ist denn jetzt auf einmal mit mir los? Warum will ich das denn jetzt wissen? Von DEM??

Ach so, die Frau in mir. Das erträgt sie nicht. Nicht ums Verrecken.

Keinen Reiz auf Männer auslösen zu können, nicht attraktiv genug zu sein, abgewiesen zu werden. Eine tödliche Beleidigung!

Kann das wirklich noch schlimmer sein, als des Mordes bezichtigt zu werden? Offenbar ja.

 

„Ich weiß es nicht, aber ich glaube, es liegt gar nicht an dir, eher schon an mir. Eigentlich ja eher schon an meiner Frau…“

„Wieso das denn jetzt? Ist deine Frau denn auch hier?“

„Nein. Aber sie macht mich immer so fertig, weißt du? Sie behauptet immer, mein Schwänzchen wäre ihr zu klein und sie schimpft immer, weil ich zu viele Bücher lese.

Sie sagt, die Wissenschaft hätte herausgefunden, dass das ganze Blut und die Energie in den Kopf statt in den Schwanz gehen, wenn man immer Bücher liest. So ein Quatsch!

Deshalb kann ich ja bei ihr überhaupt nicht mehr, auch wenn ich will und mir vorher geile Filme und Magazine angesehen habe. Es geht einfach nicht. Aber ich dachte immer, dass ich es wieder lerne, wenn ich in den Puff gehe. Ich bin extra nach Tschechien gefahren, weil es da billiger ist, dann habe ich mich doch nicht getraut. Ich habe mich vor Angst fast eingepinkelt.

Dir kann ich es ja erzählen, weil du ja sowieso in den Knast kommst, für ein paar Jahre.

Du wirst es doch keinem erzählen, oder?

 

Hm, da bin ich jetzt also schon das Seelenklo für arme Sexversager. Wie schön, was für eine Karriere. Erst Wildschwein, dann nackte Sau am Spieß, dann Erpresserin, dann Verführerin, Mörderin und jetzt Seelentümpel!

Na, nennen wir es doch einfach euphemistisch Seelen- und Sextherapeutin. Das geht.

 

„Deshalb wollte ich dich fragen, ob ich bei dir mal,…, äh, also, ob ich dich einmal da überall anfassen darf, du weißt schon, da wo du eine schöne Frau bist.“

 

Ein zweifelhaftes Kompliment. Männer eben, oder was man so dafür hält. „Wo genau?“

 

„Na weißt du doch! Die Brüste und die Muschi und den Hintern. Stell dich doch nicht so an.“

 

„Ach, da bin ich also eine schöne Frau, ja, und an den übrigen Stellen nicht? Was ist mit Rücken, Haar, Nase, Augen, Wangen, Füßen, Händen, Armen, Bauchnabel, Ohrläppchen und so weiter?“

 

„Die übrigen Sachen habe ich doch selber. Und deine Füße wären mir jetzt zu dreckig, dein Hintern und dein Rücken sind übrigens auch ziemlich dreckig, muss ich schon sagen. Hast du dich im Schlamm herumgewälzt?“

 

Daran hatte ich bis jetzt noch keinen Gedanken verschwendet.

Ich muss ja wirklich aussehen, wie eine gesuhlte Wildsau. Ja klar, ich hatte mit den Kleinen in der Schlammsuhle gespielt und mich wild mit ihnen drin gewälzt und sie mit Modder beworfen, dass sie quiekten. Ich werde knallrot. Deshalb also hat sich hier kaum jemand für meine erotischen Qualitäten interessiert. Nur meine Brüste und mein Bauch sind schmutzfrei, weil mich der Hannes beim Grapschen mit den Händen abgewischt, und Jens-Eugen mir mit seinem Zweig die Schamlippen und das Poloch frei gefuchtelt hatte..

 

„Vielleicht liegt es ja auch daran, dass ich jetzt keinen hochkriege, weil du so dreckig bist“, versucht sich der Lange halbherzig zu rechtfertigen. Mir ist das wurscht, ich bin ja nicht seine Frau.

 

„Was machen wir da?“, frage ich zurück, nur um überhaupt etwas zu sagen.

Er schaut sich im Mahlwerk nach Besen oder Lappen um. Dann meint er:

„Ich könnte dich ja mit Mehl einstäuben, dann würdest du aber aussehen, wie ein weißes Gespenst.“

 

Weißes Gespenst? Ob man sie damit in die Flucht jagen könnte? Wohl kaum.

„Mit welchem Mehl?“

 

„Da, in den Säcken. Morgen ist hier ein Mittelalter-Festival mit richtigem Mühlenfest, Ritterturnier, Spießbraten, Brotbacken und allem Drum und dran.

Deshalb liegen auch schon die Mehlsäcke hier.

Ich brauche das Mehl nur da oben in den Trichter einfüllen, du stellst dich darunter und wirst komplett eingepudert. Mal versuchen?“

Da hat er sich tatsächlich schon einen der Säcke aufgebuckelt und schleppt ihn über eine kurze Leiter zum hölzernen Trichter über mir. Dort hängt er ihn hinein und entleert ihn vollständig.

„Ich bräuchte jetzt nur noch den Schieber ziehen, da, über deinem Kopf.“

 

„Ginge es nicht besser mit Wasser?“ Mir ist die Sache gar nicht geheuer.

„Ich glaube, Mehl ist kein gutes Gleitmittel, weißt du? Wasser ist besser.“

Ich will ihm ein wenig Mut und Hoffnung machen.

 

Er klopft sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Wasser! Na klar, ich Rindvieh! Wir haben doch unten noch einen Tank mit warmem Wasser, zum Händewaschen nach der Jagd und dem Ausweiden. Ich werde dir eine Schüssel voll davon holen. Aber Abwaschen müsste ich dich dann, einverstanden? Du bleibst schön festgebunden. Soll ich?“

 

„Na klar, das wäre mir schon recht, so, wie ich jetzt aussehe, will ich nicht mehr lange bleiben. Aber bitte frisches Wasser, ohne Blut!““

 

Er freut sich sichtlich und geht nach unten. Unten achtet keiner auf ihn. Alle sind voll dabei, ein lüsternes Schauspiel zu genießen.

Hannah und Eva aus meiner Ex-Hexentruppe kriechen splitternackt auf allen Vieren grunzend auf der Hufeisentafel herum, wühlen grunzend in den Essensresten, Bierlachen und Weinpfützen und lassen sich von den Kerlen alles Mögliche, was dick und länglich ist, in ihre beiden rückwärtigen Löcher schieben. Flaschenhälse, Gurken, Bananen, Fäuste, Finger, Jagdmessergriffe, Wildschweinhauer, Geweihenden und sogar abgenagte Wildschweinknochen. Die Hälfte der Truppe ist schon voll besoffen und grölt nur noch unverständliches Zeug. Die anderen vier Weiber aus dem Hexenhaufen sitzen mit nackten Ärschen und Titten bei ihren Saufkumpanen auf dem Schoß und lassen sich Einen einführen, so gut es eben geht. Es sieht infernalisch aus. Man riecht den Vorhautkäse, den Schenkelschweiß und den Geilmief bis hier oben. Es ist einfach eklig.

 

Als der Lange gerade wieder die Treppe nach oben beschreitet, liegt Claudia nackt mit weit abgespreizten Beinen lang auf dem Tisch. Einer von den Irren hat einen langen Sauspieß von den Dekor-Waffen an der Wand in den Händen und nimmt Anlauf.

Mir reicht es, ich will das nicht mehr sehen.

 

Der Lange stellt die Blechschüssel auf dem Boden ab und gießt aus einer Kanne Wasser ein.

Lappen oder Schwämme wären bestimmt auch zu finden gewesen, aber er hat keinen mitgebracht. Er will es mit den Händen machen. Sei es drum, mir kann das jetzt gleich sein. Ich kann auch seinen gierigen Blick nicht mehr ertragen, nach dem, was ich da unten soeben gesehen hatte und schließe lieber die Augen.

Der Lange wird wohl denken, dass es mich so geil macht, wenn er mich mit nassen Händen überall abgrapscht. Soll er doch. Mich macht das nicht mehr an.

Genießerisch verschmiert er mir den aufgeweichten Schmutz über die  Brüste, den Bauch und auch zwischen den Beinen. Dann schöpft er mit hohler Hand wieder neues Wasser und alles beginnt von vorn. Ich lasse es geschehen. Ich wollte es ja so.

 

Doch plötzlich bin ich wieder hellwach.

Was ist das? Die Fesseln um meine Hände und Füße lockern sich. Das Wasser hat die Papierservietten aufgeweicht und sie fallen in kleinen Krümelröllchen von mir ab. Ich versuche, meine Hände zu befreien. Es geht noch nicht so richtig, aber ich kann schon die Handgelenke frei drehen. Dem Jens-Eugen möge der Teufel 100 Jahre Fegefeuer erlassen!

 

Da fällt mir ein Gespräch ein, das ich mit Klaus-Peter, meinem Freund, einmal hatte.

Er ist Versicherungsinspektor und untersucht Versicherungsfälle auf Betrugsverdacht.

Er hatte mir einmal erklärt, dass sich Stricke und Seile ganz unterschiedlich verhalten, wenn sie nass werden.

Naturfasern, wie Sisal, Hanf oder Wolle ziehen sich zusammen und schließen fester.

Aber Seile aus Kunstfasern, wie Nylon oder PVC, die lockern sich, weil sie Weichmacher enthalten und dehnen sich dann schon bei leichtem Zug weiter aus. Sie werden weich.

Jetzt kann ich nur noch hoffen.

Natur fesselt mich fester, Kunststoff lässt mich frei kommen.

Ich bitte den Langen, mich doch noch einmal vollständig mit Wasser zu übergießen, warte dann ein paar Minuten und versuche es gleich noch einmal. Stiller Jubel!

Hoch lebe die Kunst! Wenn ich meine Hände zu schalen Röhren zusammenziehe, dann kann ich sie relativ schnell und leicht durch die Schlaufen rutschen lassen. Nur bei den Füßen geht es nicht, weil die einfach zu breit sind. Außerdem könnte es der Lange dann sehen.

Ich will mir aber nichts anmerken lassen.

 

Es ist auch gar nicht nötig, dass ich mir darüber weiter Gedanken mache. Der Lange hat einen Einfall.

 

„Schade, dass ich da unten nicht richtig ran komme. Deine Beine sind zu fest zusammen gebunden. Ich komme nicht richtig dazwischen, um dir deinen Po und die Muschi sauber zu machen“, sagt er.

„Weißt du was? Ich werde dir die Beine schnell einmal losbinden, dann kannst du  sie breit stellen. Versprichst du mir, dass du keine Dummheiten machst?“

Ich jubele innerlich.

„Aber klar, dort möchte ich ja ganz besonders gerne sauber sein, das verstehst du doch, nicht?

Ich werde ganz brav sein und schön hier stehen bleiben. Du kannst gerne alles an mir anfassen. Mach mich schön sauber. Wie heißt du denn eigentlich?“

 

„Ich heiße Rainer. Warum willst du das wissen?“

„Ach nur so, weil du doch ein ganz netter Mensch zu sein scheinst, Rainer.“

Er strahlt über alle vier Backen, zieht mir seinen nassen Zeige- und Mittelfinger durch Poloch und Schamlippen und seufzt glücklich. „Du Maike, ich glaube, ich könnte jetzt wieder, du weißt schon. Es ist einfach herrlich, dich so nass zu streicheln. Himmlisch schön ist das. Aber das Wasser ist alles aufgebraucht. Ich hole schnell frisches warmes Wasser mit der Kanne. Bleib so stehen, ja? Bitte!“

Ich nicke nur, und schon ist er weg, meine Beine sind frei.

Er rennt los mit seiner Wasserkanne.

Ich ziehe die Hände aus den Schlaufen. Ich bin frei.

Noch nicht ganz. Kann ich unbemerkt nach unten gelangen?

 

Unten im Saal ist es auf einmal seltsam still geworden. Halbdunkel ist es auch. Die Wandfackeln sind gelöscht worden.

Eine Stimme sagt bedeutungsvoll: „Und jetzt, meine lieben Jagdgesellen und Waidgenossen, kann ich euch die Sensation des Abends ankündigen: Unsere liebe Oberhexe Ines zeigt uns den geheimen rituellen Besentanz der unheiligen Walpurga im Feuerkreis des Teufels!“

 

Auf dem abgeräumten Tisch ist ein fünfzackiger Stern in einem Kreis von Kerzen aufgestellt. Die Kerzen brennen noch nicht. Ich kann sehen, dass einer der Männer im Licht einer Taschenlampe die Papphülsen mehrerer großer Jagdpatronen öffnet und das Pulver über die Kerzen verteilt. Er zeichnet den Stern und den Kreis mit dem explosiven Pulverblättchen nach.

Jetzt tritt Ines in die Mitte des Sterns und hebt die Arme. Sie ist ganz nackt, wie immer, wenn sie ihren tanz aufführt. Ich weiß, dass der große Reisigbesen mit dem glattgeschliffenen Lindenholzstiel von ihr immer vorher gut mit rot eingefärbter Körperlotion eingeschmiert wird, damit er leichter und möglichst schmerzfrei durch ihre Schamlippen flutscht, wenn sie ihn ekstatisch vibrierend darin hin und her schiebt. Sie wollte dazu eigentlich immer frisches Hühnerblut, aber bisher konnte ich ihr das erfolgreich ausreden. Infektionsgefahr. Ob sie heute Wildschweinblut verwendet?

Marga, wenn es dein Blut ist, dann bitte ich dich sie zu…

 

Ich denke diesen Gedanken nicht weiter, weil mir gerade ein Einfall kommt.

Das wäre doch meine Gelegenheit zur Flucht!

Wenn ich mich jetzt mit Mehl einstäube und so als weißes Gespenst durch den halbdunklen Saal husche, dann würde das doch wohl jeder für einen teil der Inszenierung halten, oder nicht? Alle starren doch auf Ines. Das ist es!

Wie hatte Rainer gesagt?

Einfach nur oben den Schieber ziehen und das Mehl kommt heraus.

Also los!

Unten blitzt eine Flamme auf. Jemand hat den Feuerkreis mit Stern entzündet.

Eine mächtige Stichflamme rast über den Tisch und entzündet die Kerzen.

Teuflische Tamburin-Takte, begleitet von höllisch hellen, schrillen Hexenschreien.

Ines tanzt im Feuerkreis.

Ich ziehe den Schieber. Das Mehl rutscht aus dem Trichter an mir vorbei, wallt in Wellen die Treppe hinunter und schwillt zu einer riesigen wabernden weißen Wolke aus Mehlstaub an.

 

Eine Riesenfaust packt mich, die Erde scheint auf mich zu zu kommen. Ich werde von der Druckwelle hochgerissen und zur Seite, zum Fenster hin geschleudert. Ein schier endloses Fallen, Aufklatschen in kaltem Wasser, hilfloses Rudern in schlammigem Grund. Stille.

Tiefes vergessen.

 

Aufwachen. Schmerzen in der Schulter. Türenklappern.

„Guten Morgen! Na, endlich erwacht? Wir wissen ja leider noch nicht einmal wie Sie heißen. Aber das findet sich schon. Sie sind ja jetzt endlich über den Berg..

Hier ist übrigens die Zeitung. Habe ich für Sie aufgehoben. Da steht was über Sie drin, glaube ich.“

Was, wie? Über mich steht was in der Zeitung?

Ich lese mühsam:

 

„Tödlicher Massenunfall in der alten Wassermühle an der Teufelsschlucht.

Infolge von Unachtsamkeit beim Umgang mit Feuer anlässlich der Hubertusfeier einer 50-köpfigen Jagdgesellschaft fand nach Untersuchungen der Feuerwehr eine Mehlstaubverpuffung statt.  Die Explosion zerstörte die Mühle fast vollständig und sie brannte bis auf die Grundmauern nieder. Es konnten nur zwei Überlebende geborgen werden. Ein Mann (45) und eine junge Frau(geschätzt30).

Der Mann hatte sich im offenen Keller, in der Nähe der Wassertanks aufgehalten. Die Frau wurde von der die Explosion durch ein Fenster in den Mühlteich geschleudert. Sie liegt noch im Koma und ist nicht aussagefähig…“

 

Langsam und schwer kommt die Erinnerung.

Rainer hat überlebt?

Gut.

Er war wohl der einzige Gerechte, wenn man das so sagen kann.

Soll ich ihn aufsuchen?

Nein-

Ich blicke nicht zurück.

Ich bin ja nicht Lots Weib. Ich will nicht zur Salzsäule erstarren.

 



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