Hinter der Badezimmertür (Laura und Vanessa I)
Vorbemerkung
Die nachfolgende Geschichte ist eine neu überarbeitete Fassung meiner gleichnamigen Geschichte, die ich im Oktober 2008 hier auf Schambereich.net veröffentlicht habe.
Nach längerer Unterbrechung meiner Aktivität auf Schambereich.net soll die Geschichte von Laura und ihrer heimlichen Verliebheit in ihre Mitschülerin Vanessa damit wieder aufgegriffen werden.
Aus rückblickender Unzufriedenheit mit den drei bereits veröffentlichten Teilen habe ich mich nach reiflicher Überlegung jedoch dafür entschieden, nicht am Ende des letzten veröffentlichten Teils anzusetzen, sondern die Geschichte noch einmal von vorn und teilweise anders zu erzählen.
Hinter der Badezimmertür
Vanessa schaut auf ihre Armbanduhr. „Oh, schon gleich vier. Für heute müssen wir jetzt leider wirklich Schluss machen." Sie lächelt mich an. "Aber nächstes Mal - wie gesagt, gerne auch länger!“ Sie trinkt den letzten Schluck Kaffee aus ihrer Tasse und behält diese in der Hand, als sie aufsteht.
„Lass die ruhig stehen“, sage ich, „ich räume die gleich schon weg. Geh du dich in Ruhe fertigmachen.“
„Okay, danke“, erwidert sie fröhlich. Auch ich stehe auf und steuere auf die Tür meines Zimmers zu. Vanessa folgt mir. In der Diele nimmt sie ihren neben der Tür abgestellte Sporttasche auf. „Wo...?“
„Immer hier entlang“, sage ich vergnügt, deute ihr mit einer Armbewegung den Weg zum Bad und gehe wiederum voran. Ich öffne die Tür und lehne mich ein Stück hinein, um das Licht in dem fensterlosen Raum einzuschalten, ohne ihn dabei zu betreten.
„Ah, danke dir“, strahlt Vanessa mich an, während ich einen Schritt zur Seite trete und ihr den Weg freigebe.
„Du hast alles, was du brauchst?“, frage ich. „Wenn nicht“, ich folge Vanessa einen halben Schritt ins Bad, „hier sind Handtücher und Waschlappen, Flüssigseife...“
„Danke, nicht notwendig. Alles was ich brauche ist hier drin“, entgegnet sie gut gelaunt und hebt ihre Tasche etwas an.
„Okay, gut“, gebe ich zurück, während Vanessa ihre Tasche abstellt, sich der Tür zuwendet und ihre Hand auf die Klinke legt.
Für einen Moment scheint es mir, als wollte sie mich nun höflich, aber bestimmt, hinauskomplementieren. Eilig trete ich einen großen Schritt zurück in die Diele und wende mich seitwärts zum Gehen, während Vanessa die Tür schließt. Sie lächelt mich durch den schmaler werdenden Spalt noch einmal an. Ihre leuchtend weißen Zähne strahlen mit ihren blauen Augen um die Wette. „Bis gleich“, sagt sie.
„Bis gleich“, erwidere ich, ebenfalls lächelnd. Dann schließt sie die Tür ganz und gar. Ein kurzes, ruckartiges Klicken vermeldet, dass Vanessa den Schlüssel im Schloss herumdreht.
Ich gehe ins nebenan gelegene Wohnzimmer, lasse mich auf das Sofa fallen und schließe die Augen. Meine Gedanken kreisen nur um Vanessa.
Sie ist leibhaftig hier, in unserer Wohnung! Sie ist meinetwegen gekommen. Erst waren wir zusammen in der Küche und haben gemeinsam zu Mittag gegessen. Dann waren wir in meinem Zimmer, haben Seite an Seite an meinem Schreibtisch gesessen. Die ganze Zeit über hat sie nur mit mir gesprochen. Hat mich angesehen, mich angelächelt, haben wir einander zufällig berührt.
Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals zuvor wirklich mit ihr unterhalten zu haben. Bis ich am Montag all meinen Mut zusammengenommen und sie beim Verlassen des Klassenraumes einfach gefragt habe ob sie mir vielleicht helfen würde, für das Latinum zu lernen. Meine Frage muss für sie so überraschend gewesen sein wie für mich der Umstand, dass ich mich überhaupt getraut, habe sie anzusprechen.
Aber sie hat sofort ja gesagt, und wir haben uns auf meinen Vorschlag hin für den heutigen Donnerstag verabredet. Es war kein Traum, sie hat es sich auch nicht anders überlegt, oder doch noch abgesagt.
Vanessa ist gleich nach der Schule mit zu mir nach Hause gekommen. Eigentlich passte ihr der Termin gar nicht so recht. Der Geburtstag ihres Großvaters, am späten Nachmittag wird sie dort zur Feier erwartet, für abends ist ein kaltes Büffet bestellt. Trotzdem hat sie in meinen Terminvorschlag eingewilligt und nur gefragt, ob sie sich eventuell nach dem gemeinsamen Lernen bei mir fertig machen könnte.
Natürlich, habe ich ihr gesagt, das sei gar kein Problem. Also meinte sie, sie würde sich Sachen zum Umziehen mitbringen, hätte bis etwa vier Uhr Zeit für mich, würde sich dann fertig machen und direkt von hier aus zu ihren Großeltern weiterfahren. Sie war spontan bereit, diese Umstände für mich auf sich zu nehmen.
Einfach so, dabei sind wir noch nicht einmal Freundinnen. Schulkameradinnen, ja. Zwei unter knapp hundert in der zwölften Klasse. Die meisten meiner Mitschüler kenne ich seit mindestens der fünften Klasse, einige noch länger. Vanessa kam zu Beginn der elften Klasse dazu. Das ist nun bald anderthalb Jahre her. Anderthalb Jahre, in denen zusammen wir noch bis vor wenigen Tagen kaum so viele Wörter miteinander gesprochen haben dürften wie heute allein.
Vanessa spricht mit niemandem in der Schule viel. Soweit ich weiß, hat sie auch zu niemandem aus unserem Jahrgang privaten Kontakt. Die Pausen verbringt sie allein, meist in ein Buch vertieft. Nach dem Unterricht schlenderte sie früher stets gedankenversunken zum Busbahnhof, wo sie ruhig und geduldig inmitten eines Pulks lärmender Unter- und Mittelstufenschüler in den Bus in ihren Stadtteil stieg. Seit sie vor einigen Wochen achtzehn geworden ist, kommt sie mit ihrem gebrauchten, weinroten Golf zur Schule. In dem sind wir nach dem Unterricht heute auch zusammen zu mir nach Hause gefahren.
Als sie neu an unsere Schule kam, wähnte ich in ihr eine Rivalin. Eine Gefahr für meine Stellung als eines der bewundertesten Mädchen meines Jahrganges. Aber ich sollte rasch lernen, wie sehr ich mich täuschte.
Denn Vanessa stand vom ersten Tag an über jedem Wetteifern um Anerkennung und Beliebtheit. Sie wusste längst, dass sie darauf nicht angewiesen ist. Sie wählte sich zielstrebig selbst die Rolle als krasseste Einzelgängerin unseres Jahrganges, schloss sich noch nicht einmal einer der Außenseitercliquen an. In die würde sie auch gar nicht hineinpassen. Vanessa ist keine Außenseiterin weil sie „anders und dumm“, „anders und hässlich“ oder „anders und versponnen“ ist.
Vanessa ist „anders und wunderschön“, „anders und hochbegabt“, „anders und erhaben“.
Hochgewachsen und schlank, lassen sich unter ihrer Kleidung dennoch ein üppiges C-Körbchen und ein fester, wohlgerundeter Po erahnen. Wie schön ihr Busen sein muss, deutet sie scheinbar gerne mittels V-Ausschnitten an, die einen schmalen, aber tiefen Blick auf ihr Dekolletee erlauben. Oder in eng sitzenden Blusen, die sich über ihre Brüste spannen und deren Knöpfe unter der Macht ihrer prallen Weiblichkeit eine harte Zerreißprobe zu meistern zu haben scheinen.
In den warmen Monaten zeigt sie in hübschen Sommerkleidern lange und gerade gewachsene Beine, in Sandaletten feingliedrige und feminine Füße und Zehen. Ihre Haut ist von einer barocken Blässe.
Ein schlanker Nasenrücken prägt Vanessas edle Gesichtszüge, ihre großen und tiefblauen Augen mit langen Wimpern liegen unter kräftigen, geschwungenen Brauen, ihr Lippen sind blühend, voll und rosig. Eine seidig schimmernde, brünette Haarmähne fällt ihr über die Schultern bis hinunter auf den Rücken. Ihre Kleidung ist stets elegant, ihr Make-up dezent, und ein angenehmer Duft umhüllt sie.
Im Unterricht belegen ihre sprachliche Gewandtheit, zügige Auffassungsgabe und analytisches Denkvermögen, dass ihre exzellenten Noten nicht nur das Produkt sturen Auswendiglernens des Unterrichtsstoffes sein können, sondern als zweifelsfreier Beweis für höchste Intelligenz und Begabung zu gelten haben.
Doch am faszinierendsten ist Vanessas Habitus. In allem was sie tut, selbst wenn sie einfach still dasitzt und dem Unterrichtsgeschehen folgt, strahlt sie auf eine einzigartige Weise Stolz und Erhabenheit aus - als wäre sie ein Engel, mindestens aber eine Aristokratin!
Nein, dieses perfekte Geschöpf muss sich auf keinem Jahrmarkt postpubertärer Eitelkeit zur Schau stellen. Das würde sie nur entwerten und um ihre einzigartige Stellung im sozialen Gefüge ihres Umfeldes bringen.
Ihre Rolle als äußerlich von allen respektierte, und innerlich von vielen verehrte Einzelgängerin ist ihrer einzig würdig und angemessen. Und sie ermöglicht es ihr, bei ihren wenigen näheren Kontakten mit ihren Mitschülern ihr sanftes und liebes Wesen offenbaren zu können.
Vanessas Schöpfer hat sie mit einer natürlichen Überlegenheit und Unnahbarkeit gesegnet, derer sie sich jederzeit so versichert sein kann, dass sie keine Überheblichkeit oder Eingebildetheit zu äußern braucht.
Obwohl sie das perfekteste Wesen ist, das wir alle jemals erblickt haben, äußert niemand je ein abfälliges Wort über sie. Wem die Ehre zu Teil wird, bei der gerade unter jüngeren Lehrern oder Lehramtsreferendaren beliebten Bearbeitung einer Aufgabe in Kleingruppen mit ihr zusammenarbeiten zu dürfen, der erlebt sie fair, engagiert, kameradschaftlich und zuverlässig.
Es war genau ein solches Erlebnis, das mich ermutigt hat, sie darum zu bitten, mir ein wenig in Lateinisch zu helfen. Sie war sofort zur Stelle. Ohne zu zögern, ohne eine Bedingung zu stellen oder eine Gegenleistung zu fordern.
Sie fragte einzig nach der Möglichkeit, im Anschluss an unsere erste gemeinsame Arbeitsstunde das Badezimmer meiner elterlichen Wohnung benutzen zu dürfen. Um unser gemeinsames Lernen baldestmöglich beginnen zu können, obwohl es nicht der glücklichste Termin für sie war. Sie verzichtete für mich darauf, sich in ihrem eigenen Badezimmer auf ein ihr wichtiges Ereignis vorzubereiten, und weicht in eine ihr völlig fremde Umgebung aus. Etwas, das selbst unter Freundinnen so nicht unbedingt selbstverständlich wäre. Für sie ist es das.
Ich erwache plötzlich aus meinem Tagtraum von meiner schönen Nachhilfelehrerin. Etwas holt mich in die Realität zurück, und ich begreife auch schnell, was es ist - es ist das Rauschen in der Wand, und auf ihrer anderen Seite, im angrenzenden Badezimmer.
Ich kenne dieses Geräusch nur zu gut, schließlich habe ich es schon ungezählte Male gehört, weiß daher genau, was es bedeutet. Und wie magisch zieht dieses Geräusch mich an.
Instinktiv pirsche ich auf Zehenspitzen hinüber, in die Diele und vor die Badezimmertür. Ganz von selbst, ohne mein willentliches Zutun, formen die Finger meiner rechten Hand eine lockere Faust und bewegt sich mein Arm auf die Tür zu, um anzuklopfen.Doch da erstarre ich inmitten der Bewegung.
Bist du des Wahnsinns? Sie wird dich fragen, worum es geht, und was wirst du ihr antworten? „Was machst du da drin?“ Das weißt du doch, sie macht sich für eine Geburtstagsfeier in ihrer Familie fertig. Wozu du ihr die Möglichkeit zugesagt hast. Woraufhin sie sich darauf verlassen hat, dabei ganz ungestört zu sein. Und dieses Vertrauen in dich löst sie nun gerade ein. Sie ist mit ihren mitgebrachten Sachen ins Badezimmer gegangen, hat die Tür hinter sich geschlossen, den Schlüssel im Schloss herumgedreht - das Schlüsselloch! Ich schlucke.
Da ist sie, die von Vanessa völlig unbedachte Schwachstelle ihres geschützten Raumes. Der einzige kleine Punkt, an dem sie nicht zentimeterdickes Holz von meiner Beobachtung abschirmt. Da die Tür in der kürzeren Wand des rechteckigen Raumes liegt, würde ein Blick durch das Schlüsselloch es ermöglichen, diesen zumindest in der gegebenen Sichthöhe komplett zu überblicken.
Mein Gewissen und Verstand verabschieden sich sofort aus der Kontrolle über mein Handeln. Mit vor Aufregung glühenden Wangen und Ohren, kurzatmig und schon leicht schwindelig auf immer wackeliger werdenden Beinen stehend, beuge ich mich vor, kneife ein Auge zu und spähe mit dem anderen durch das Schlüsselloch.
Ich sehe - hellblau, und sonst nichts. Wie denn auch, versuche ich meine Enttäuschung zu dämpfen. Denn direkt gegenüber der Tür, am anderen Ende des Raumes befindet sich die Badewanne, die die ganze Breite des Raumes einnimmt. Dank einer Stange mit Halterung für den Brausekopf kann sie auch als Dusche genutzt werden. Und zu diesem Zweck gibt es den breiten, hellblauen Duschvorhang, der zugezogen die ganze Breite der Wanne einnimmt.
Eigentlich passiert gerade ja nun gar nichts irgendwie Spektakuläres in unserem Badezimmer. Was Vanessa dort tut, tut sie jeden Tag, wie jeder Mensch. Und normalerweise tut sie es auch nur wenige Kilometer von hier entfernt. Ich wusste eben nur nie, wann genau sie es tat. Ich wusste nie, wo genau sie es tat, wo der Raum lag oder wie er eingerichtet war. Ich wusste nie, wie genau sie es tat.
Nun bin ich mit einem Mal keine fünf Meter mehr davon entfernt. Was für mich immer eine, trotz der Alltäglichkeit des Ereignisses, faszinierende Vorstellung von etwas war, das außerhalb meiner Welt zu passieren schien, ereignet sich in diesem Moment im Badezimmer meiner elterlichen Wohnung.
Vanessas bloße Anwesenheit hier war mir schon fast unwirklich erschienen. Dass sie meinetwegen hier war und ich allein ihre ganze Aufmerksamkeit genossen habe noch um so mehr. Doch mittlerweile beginne ich ernsthaft zu zweifeln, ob ich nun wache, oder träume.
Angestrengt darum bemüht, keinerlei Geräusch zu verursachen, versuche ich, mein Blickfeld durch vorsichtiges Hin- und Herbewegen etwas zu verändern. Ich lehne mich nach links, spähe schräg nach rechts durch die winzige Öffnung in der Tür in den Raum, und erhasche einen Blick auf den Hocker vor der Heizung. Was ich sehe, lässt mich erneut schlucken. Ich muss mich am Türrahmen festhalten.
Auf dem Hocker liegt, sauber zusammengefaltet, die Kleidung, die Vanessa ausgezogen hat. Ihre anthrazitfarbene Stoffhose und ihr flauschiger, beiger Rollkragenpullover. Ein weißes T-Shirt und dunkle Strümpfe. Zuoberst ihre Dessous. Allzu genau kann ich sie nicht erkennen, aber es scheint ein Zweiteiler zu sein, BH und Höschen. Vielleicht ein Slip, vielleicht auch nur ein String. Jedenfalls sind sie - schwarz.
Vanessa trägt tatsächlich schwarze Dessous! Das heißt, zumindest heute. Den ganzen Schultag über hat sie dort in den Unterrichtsräumen gesessen, gelesen, sich Notizen gemacht, mit den Lehrern gesprochen, und ihre Mitschüler wie üblich schüchtern und mit erhabener Zurückhaltung angesehen. Dabei hatte sie unter ihrer gewohnt eleganten Oberbekleidung schwarze Dessous an.
Niemand wusste das, oder hätte es wahrscheinlich auch nur geahnt. Und erst recht wusste niemand, auch ich nicht, von Vanessas Vorhaben für heute nachmittag.
Ob sie sich nach der Lateinischnachhilfe bei mir für den Geburtstag ihres Großvaters "fertigmachen" könnte, um anschließend auf einem Weg durchzufahren, war ihre Frage gewesen. Das hatte ich natürlich bejaht. Und mir darunter vorgestellt, dass sie vielleicht ihr Gesicht und ihre Hände am Waschbecken waschen, sich neu schminken, frisieren und umziehen würde.
Aber da hatte ich mich in der eitlen und peniblen Vanessa getäuscht. Sie steht in diesem Moment, während sie meinen zugesagten Gefallen einlöst, sich bei mir für den Geburtstag "fertigmachen" zu können, nicht etwa am Waschbecken, um sich, zumindest ohne ihren Pullover oder vielleicht sogar auch ohne ihr T-Shirt an, einer Katzenwäsche zu unterziehen.
Vanessa steht in unserem Badezimmer unter der Dusche - völlig nackt!
Ich habe dabei nicht auf die Uhr gesehen. Um kurz vor vier Uhr war sie allein ins Bad entschwunden. Hatte sich dort vermutlich zuerst abgeschminkt und ihre Körperpflegeartikel auf dem Badewannenrand bereitgelegt, um sich schließlich komplett auszuziehen.
Wie sie sich dabei wohl gefühlt hat? Nackt in einem fremden Badezimmer, bei einer Schulkameradin zu Hause, die sie noch bis heute mittag eigentlich kaum kannte - und auch seitdem irgendwie immer noch nicht wirklich kennt?
Ob Vanessa wohl Herzklopfen hatte, als sie in dieser ungewohnten Umgebung alle Hüllen fallen ließ, und dann rasch unter die Dusche geschlüpft ist, um es nur schnell hinter sich zu bringen?
Mein subjektives Zeitgefühl spricht klar dagegen. Ich bin zwar zu gebannt von dem Wissen um die nackte Vanessa hinter dem Duschvorhang, den ich durch das Schlüsselloch wieder in den Blick genommen habe, als dass ich auf meine Armbanduhr schauen könnte. Doch kommt es mir so vor, als rausche das Wasser schon seit mindestens einer Viertelstunde durch die Rohrleitungen in der Wand und aus dem Brausekopf heraus.
Vanessa scheint sich wohlzufühlen und sich Zeit zu lassen. Es ganz bewusst zu genießen, wie das Wasser auf ihren nackten Körper regnet, und um ihn ausgiebig von Kopf bis Fuß einzuseifen, ihre zarten Fingern dabei jeden, auch die intimsten, Teile ihres Körpers berühren zu lassen.
Ein vergnügtes Lächeln umspielt meine Lippen bei dieser Vorstellung. Heimlich ausgemalt habe ich mir das natürlich schon oft. Jeden Morgen, wenn ich selbst nackt unter der Dusche stand. Oder wenn ich abends manchmal unter einem Berg duftenden Schaums in der Wanne lag, und meine Finger meinen Kitzler umspielen ließ.
Viele Male schon habe ich, sehr wahrscheinlich zusammen mit ausnahmslos allen Jungs in unserer Stufe, unauffällig Vanessas bekleideten Körper gemustert, in der Hoffnung darauf, ihre Brustwarzen würden sich vielleicht einmal unter ihrem Oberteil abzeichnen, oder sich ein etwas tieferer Blick in ihr Dekolletté ergeben. Doch damit ist es nun vorbei, darauf werde ich nicht mehr angewiesen sein.
Denn ich werde einfach alles sehen, wenn Vanessa gleich den Duschvorhang zur Seite zieht, aus der Wanne steigt, sich abtrocknet und - davon darf ich wohl sicher ausgehen - eincremt. Ihren Busen, ihren Po, und vor allem auch, welche Frisur sie im Intimbereich bevorzugt!
Vanessa kann meinen Blicken dabei nicht entkommen, sie sitzt in der Falle! Sie glaubt sich hinter der verschlossenen Tür geschützt vor Störungen und Beobachtung, sicher und geborgen wie in ihrem heimischen Badezimmer. Aber das ist sie nicht. Viele Jahre schon vor ihrer - und meiner - Geburt hat ein ahnungsloser Architekt ihr jene Falle präpariert, in die ich sie gar nicht gelockt, sondern in die sie sich freiwillig begeben hat. Ich musste bloß meine Position beziehen, und muss mich nun nur noch Augenblicke gedulden.
Doch während das Wasser unablässig weiterrauscht und Vanessa noch immer keine Anstalten zu machen scheint, es abzustellen und den Duschvorhang endlich zu öffnen, steigt langsam, aber unerbittlich ein eisiges Gefühl der Scham und des schlechten Gewissens in mir auf und beginnt, meine Erregung allmählich zu verdrängen. Mit einem Mal fühle mich nur noch hundeelend.
Was tust du hier eigentlich, frage ich mich plötzlich? Du vergötterst dieses Mädchen! Du ergehst dich gerne in kitschigen Fantasien, ihr deine Liebe zu schwören und zum Beweis wer weiß welche Opfer zu bringen - und jetzt willst du ihr das antun?
Sie hat die Tür geschlossen und den Schlüssel umgedreht, das ist eine klare Ansage. Sie will nicht, dass du sie nackt siehst. Und sie vertraut dir, dass du diesen Wunsch respektierst. Sie wollte noch duschen, bevor sie zur Geburtstagsfeier fährt, und hat sich gesagt: das kann ich bestimmt bei Laura tun. Sie ist meine Schulkameradin, sie ist auch ein Mädchen. In ihrem Badezimmer bin ich so ungestört wie zu Hause in meinem. Ich muss keine Bedenken haben mich dort auszuziehen.
Vanessa fühlt sich sicher hinter dieser Tür. Sicher auch vor mir, die ich ja nun keinesfalls ihre Freundin oder Vertraute bin. Sondern nur eine Schulkameradin, die sie überhaupt nicht näher kennt, der sie aber sofort zu helfen bereit war, als sie sie danach fragte. Mit der sie aber dennoch keine intimen Momente teilen möchte, und das am allerwenigsten wohl ungefragt und unfreiwillig!
Langsam richte ich mich vor der Tür wieder auf, und wiederhole dabei im Geiste immer wieder nur: „Vanessa, es tut mir so leid!“
Plötzlich verstummt das monotone Rauschen des Wassers. Kein Laut ist in der Wohnung zu vernehmen, nur das Ticken unserer großen Standuhr im Wohnzimmer. Sekunden später höre ich, wie Vanessa den Duschvorhang zur Seite zieht.
Stockstarr angewurzelt ob meines Entsetzens über den miesen Vertrauensbruch, den ich Vanessa gegenüber um ein Haar begangen hätte - in diesem Moment jetzt begehen würde, wenn nicht die Scham mich noch überwältigt hätte - bleibe ich vor der Tür stehen, unfähig, mich zu bewegen.
Jedes noch so kleine Geräusch aus dem Bad dringt an meine Ohren und in mein Bewusstsein.
Ich höre das Rascheln von Vanessas Badetuch, wie sie sich abtrocknet.
Das Klicken des Verschlusses einer Flasche, vermutlich mit Körperlotion. Mir ist, als hörte ich sogar Vanessas Handflächen über ihre Haut gleiten, während sie sich eincremt.
Dann raschelt sie kurz in ihrer Tasche. Zu kurz, würde ich sagen, um frische Kleidung dort herauszuholen. Es muss etwas anderes sein.
Ratsch, ratsch - Vanessa bürstet ihr nasses Haar durch.
Der Deckel der Steckdose neben dem Waschbecken klappert, ein Stecker wird dort eingeführt. Sofort darauf ertönt ein anderes, dröhnenderes Rauschen als jenes laufenden Wassers. Es ist das eines Haarföhns.
Ich habe zwar nichts gesehen, aber doch alles gehört. Vanessa hatte, seit sie aus der Dusche gekommen ist, keine Gelegenheit, sich etwas anzuziehen. Sie hat sich abgetrocknet, eingecremt, Haarbürste und Föhn aus ihrer Tasche genommen, ihre Haare durchgebürstet, und föhnt sie nun. Noch immer nackt.
Dieses Wissen zaubert neuerlich ein Lächeln auf meine Lippen. Nicht, weil ich somit nach wie vor die Gelegenheit hätte, durch das Schlüsselloch zu spähen und Vanessa nackt zu sehen. Das werde ich nicht tun. Aus Liebe zu und Respekt vor Vanessa.
Ich schwelge einfach glücklich in dem aufregenden Wissen, das ich gewonnen habe, ohne auch die letzte Grenze des Vertrauensbruchs noch zu überschreiten: die schöne, kluge und unnahbare Vanessa trägt nicht nur schwarze Dessous, sie pflegt nach dem Duschen ihre Haare auch nackt zu föhnen! Wer hätte das von ihr gedacht?
Und ich genieße das prickelnde Gefühl, dass sie das jetzt gerade in jenem Raum tut, in dem auch ich jeden Tag nackt bin. Ein Raum voller Dinge, die mir gehören. Jedes Mal, wenn ich künftig meine Zahnbürste, meine Kosmetika, meinen Duschschwamm, meinen Haarföhn oder meine Haarbürste berühren werde, werde ich Gegenstände berühren, die einmal in einem Raum mit der nackten und vergnügten Vanessa gewesen waren. In dem sie nicht nur geduscht, sondern auch ihr intimes Ritual nach dem Duschen begangen hat.
Durch das Rauschen und Dröhnen von Vanessas Haarföhn davor geschützt, mich durch von mir verursachte Geräusche zu verraten, schleiche ich ins Wohnzimmer zurück.
An irgend eine Ablenkung oder Beschäftigung ist natürlich nicht zu denken. Innerlich glühend vor Aufregung lausche ich dem leisen, montonen Geräusch aus dem Badezimmer und male mir aus, wie Vanessa dort nackt und verträumt vor dem Spiegel steht und ihre Haare trocknet. In Sicherheit und Geborgenheit, ganz so, wie sie es sich vorstellt. Weil sie sich mit ihrem in mich gesetzten Vertrauen eben doch nicht getäuscht hat.
Es ist längst fünf Uhr durch, als das Geräusch schließlich verstummt. Noch eine ganze Weile Zeit vergeht, in der Vanessa sich offenbar anzieht, schminkt und parfümiert. Dann höre ich, wie der Schlüssel im Schloss der Badezimmertür wieder herumgedreht wird.
Schritte, eine Wolke lieblichen Dufts weht herein. Ich schaue auf und erblicke Vanessa. Sie sieht hinreißend aus in dunklen Blue Jeans, weißer Bluse und einer braunen Weste, ihre glänzende brünette Haarmähne umrahmt ihr Gesicht, aus dem sie mich fröhlich anstrahlt. „Gefalle ich dir?“, fragt sie lachend, in gespielt forschendem Ton.
„O ja“, seufze ich mehr, als dass ich es sage, aber Vanessa scheint das nicht zu bemerken.
„Okay, danke“, antwortet sie sichtlich zufrieden, "ich muss dann jetzt wirklich los."
Um ganz natürliche Bewegungen bemüht stehe ich von der Couch auf, begleite sie zur Wohnungstür und reiche ihr ihren Mantel.
"Danke", sage ich lächelnd.
"Danke auch", lächelt Vanessa zurück, "für das Essen und dafür, dass ich euer Bad benutzen konnte."
"Das war ja wohl das Mindeste", winke ich ab, "ich hoffe, du hast dich ganz wie zu Hause gefühlt?"
"Das habe ich bestimmt", schmunzelt Vanessa und zwinkert mir zu. Für einen Moment herrscht eine geheimnisvolle Stille zwischen uns, während wir einander in die Augen sehen.
"Wir sehen uns dann morgen in der Schule", sagt sie schließlich.
"Ja, bis morgen", erwidere ich, "und viel Spaß beim Geburtstag!"
Vanessa verdreht lachend die Augen. "Danke."
Dann wendet sie sich zum Gehen, ich schließe die Tür hinter ihr, und steuere schnurstracks das Badezimmer an...
- Ende Teil I -
Kommentare
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