Karibik (9)


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30.03.2011
Kunst

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Karibik (9) Björn, der Frauenarzt

Es war tatsächlich die “Swallow”. Eigentlich ja auch kein allzu großes Wunder. Der Hurrikan hatte sich gegen die Uhrzeigerrichtung gedreht, und wir hatten es zuletzt mit dem westlichen Ausläufer zu tun gehabt, und der hatte uns alle in südliche Richtung verweht, die „Swallow“ und auch unser Schlauchboot. Jetzt wurden wir in unserem Schlauchboot vom wieder stetig aufkommenden Nordwestpassat ans Ufer der Insel getrieben. Es war später Nachmittag und die Leute von der „Swallow“ schienen noch zu schlafen oder sie waren gar nicht anwesend. Als wir mit Hilfe der Paddel ans Ufer gerudert und an Land gegangen waren, sahen wir lediglich Ihr Ölzeug am Ufer liegen und einige Kisten mit Vorräten und zwei Kanister mit Wasser. Es war ein sehr heißer, fast wolkenloser Tag.

Weit und breit war nirgendwo eine menschliche Behausung zu sehen, auch keinerlei Spuren von Besiedelung. Mike und ich tranken ein paar Schlucke frisches Wasser, zogen das Schlauchboot hoch ans Land, legten unsere Köpfe in seinen Schatten und fielen in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.

Erst am Abend wurden wir von Stimmen und lauten Rufen geweckt.

„Demmi, Mike! Da seid ihr ja wieder! Wie habt ihr uns denn gefunden? Ein Wunder…!” Usw., usw.

Wir erzählten ihnen unsere Story und sie erzählten uns ihre.

Nach unserem Abgang von der „Swallow“ hatte Björn notgedrungen die Führung übernommen. Der Motor war tot und alleine die Segel bedienen konnte er auch nicht. Er hatte also Hannes geholt und dem das Steuer übergeben. Der Hannes seinerseits hatte sich auch immer wieder übergeben, wie er sagte, vor Trauer um uns, Angst und Seekrankheit. Björn hatte das Focksegel festmachen wollen, und fand dabei vorne am Bug den Treibanker, ein kleines Segel mit Schwimmblasenkugeln daran. Den hatte er am Heck befestigt und ausgeworfen. So trieb die Swallow ohne Segel und Motor, aber immer längs der Windrichtung im Sturm und Wellen nach Süden, genau wie wir in unserem Schlauchboot. Leider hatte sie dabei einige dicke Brecher Wasser über bekommen. Wir müssten uns in der Nacht fast begegnet sein. Aber die Yacht von Mr. Kurt hatten sie nicht gesehen. Vielleicht deshalb, weil sie keinen Mast mehr gabt hatte.

Die Wiederbegegnung zwischen mir und Mike einerseits und Björn andererseits schien spannend zu werden. Mike, der ja nun wusste, was er an mir hatte, schaute mich erst einmal ganz schuldbewusst an, bevor er seinen Freund Björn in die Arme schließen wollte. Er war von seinen Gefühlen hin- und hergerissen, das konnte man ihm ansehen. Ich hatte ihm seine Haut gerettet, und Björn hatte seine „Swallow“ gerettet. Es knisterte in der Luft. Was nun?  Das Problem löste sich aber wieder einmal auf eine ganz unerwartete Art. Bevor Mike noch dazukam, auch Björn zu umarmen, sagte dieser plötzlich: „Demmi, was ist mit dir? Du blutest ja zwischen deinen Oberschenkeln. Was hast du? Bist du verletzt?“

Gerade wollte ich noch sagen: „Was geht dich denn das an?“, da merkte ich es auch schon selber. Die Holzsplitter in meinen Oberschenkeln und in meinen Schamlippen hatten sich entzündet und begannen, wie verrückt zu schmerzen. Bisher war ich einfach zu müde und zu betäubt gewesen, um es zu merken. Heike motzte noch entrüstet den Björn an, dass so was ja schließlich hin und wieder mal bei einer Frau vorkäme, dass sie da blutet, aber Björn winkte ab und sagte: „Das weiß ich doch selber und darüber musst du mich nicht aufklären, Heike. Aber das hier hat damit nichts zu tun, das ist was ganz Anderes.“

Heike winkte ab und sagte: „Wenn Sie meinen. Sie müssen es ja wissen, Dr. Hauser.“ Heike war wieder in voller Montur, und auch die anderen hatten sich wieder was angezogen. Aber keiner störte sich mehr an meiner Nacktheit. Schon eher hätten sie sich über eine angezogene Demmi gewundert. Mir war es recht so. Kein Thema mehr.

„Dr. Hauser?” Björn ist Arzt? Das wusste ich ja noch gar nicht. „Bist du wirklich ein Arzt, Björn?“ „Ja, ich bin hier der Expeditionsarzt für alle kleinen Wehwehchen. Außerdem bin ich auch noch Gynäkologe.“

„Gynäkologe?“ Da blieb mir doch gleich mal der Mund offen stehen. Der schwule Björn ist Frauenarzt bei einer Ornithologischen Expedition? Einfach irre! „Ja, es ist so, kannst es glauben, Demmi. Und nun mach mal den Mund wieder zu, und komme mir langsam nach auf die „Swallow“. Wir haben dort unsere Notapotheke, da werde ich dich zuerst einmal notdürftig verarzten. Morgen, bei Sonnenlicht, sehe ich mir das dann einmal genauer an.“

Die vier Ornithologen hatten am Nachmittag die Insel erkundet und dabei festgestellt, dass es hier gar nichts gab, außer einem riesengroßen menschenleeren Naturschutzgebiet. Das war zwar schön für sie, aber es war nicht die Insel Mayaguana. Sie deshalb auch in dieser Hinsicht ganz besonders, dass Mike wieder da war und mit Hilfe von Björn und den Instrumenten der „Swallow“ unsere Position feststellen konnte. Ich legte mich auf der Totenmanneskiste lang und Björn schmierte mir zuerst einmal eine Wundsalbe zur Desinfektion auf meine Oberschenkel und über meine Schamlippen. Ich fand, dass das schon wieder mal eine ganz komische Situation war, vor einem Mann die nackten Beine breit zu machen, ohne dass ich dabei bei ihm irgendeine Erregung feststellen konnte. Da war ich ja schon sehr gespannt auf die gründliche Untersuchung am nächsten Morgen. Beim Frauenarzt war ich noch nie.

Mike hatte die Sternbilder am Himmel angepeilt und stellte fest, dass wir uns offensichtlich auf der kleinen bewaldeten aber menschenleeren Insel

Little Inagua (21°28’49“ N, 72°59’38“ W) befanden. Ein Meeres- und Landschaftsschutzgebiet. Südlich von uns, gar nicht weit weg, war eine größere Insel, aber da wollten wir ja gar nicht hin.

Mayaguana (22°23’33”N, 72°58’30”W), Lag 52 Meilen direkt nördlich von uns, ein Katzensprung. Wenn wir den Motor wieder zum Laufen bekamen und die noch intakten Segel setzten, dann könnten wir am kommenden Mittag dort sein. Nur ein Problem hatten wir noch: die meisten unserer Lebensmittel hatten durch den Sturm und die überschlagenden Wellen Seewasser abgekriegt und waren am Vergammeln, und auch das Wasser ging langsam zur Neige. Aber auf der Insel sollte es ja aber laut Karte eine kleine Siedlung mit einer Funkstation und sogar einen kleinen Flugplatz geben. Da kam bei uns gleich wieder frohe Hoffnung auf.

Am nächsten Morgen nahmen alle außer mir ein nacktes Bad im Atlantik und dann wurde von Hand der Motor angeworfen. Wie ich es aus Erfahrung schon geahnt hatte, wurde daran anschließend auch gleich wieder die warme Dusche benötigt. Diesmal mischten sich auch ganz problemlos Björn und Mike mit unter die Rückenschrubber. Und das sogar auch ganz ohne Hose. Da fand der Hannes endlich einmal auch sofort eine intensive Zuwendung und konnte diese zurückgeben. Aber Björn hatte auch kein Problem damit, sich dabei die sehr lebendigen Brüste von Heike ganz aufmerksam und dennoch ohne steifen Björni anzusehen. ‚Er hat schon einen tollen, gut gewachsenen Männerkörper, der Björn, das muss ich schon sagen!’

Bei Mike spriesten auch wieder die ersten Haare auf der Brust, aber zufrieden stellen konnte mich das noch lange nicht. Ich hatte in der Nacht doch lieber in der Kabine von Hannes geschlafen, da bin ich konsequent. Leider hatte weder er noch ich so richtig was davon, weil ich unten herum ja noch ziemlich lädiert und mit Binden umwickelt war. Aber meine Brüste hatte ich schon kuschelig und warm in seiner Wuschelwolle wälzen können. Das war so schön beruhigend und tröstend. Ich habe ihn dafür ein bisschen mit meiner Hand zurückgetröstet. Zweimal hatte es Eis am Stiel gegeben.  

Nach dem Duschen wurde gefrühstückt und das Boot klar gemacht.

Als der Motor wieder ok war, ließen wir ihn im Leerlauf den Akku laden und setzten die Segel. Björn hatte auch das blaue Auge und die geschwollenen Lippen von Mike verarztet und führte jetzt zusammen mit Hannes die „Swallow“. Mike spielte den Segellehrer. Wir kamen gut voran, dicht am Wind mit Kurs Nord. Schon am Mittag tauchte die Insel Mayaguana am Horizont auf und am frühen Nachmittag liefen wir in die Abraham Bay ein, eine von einem langen Riff geschützte große Lagune südlich vom Flugplatz mit dem Namen „New Mayaguana Airport“. Der ganze „Flughafen“ bestand aus einem hübschen, aber leider völlig unbewohnten, weißen Holzhaus und einer einfachen gewalzten und inzwischen wieder fast zugewachsenen Graspiste als Landebahn.

Warum die ganze Insel unbewohnt war, das sollten wir leider auch noch bald merken. Es lag nicht nur an den vielen Hurrikans. Es gab da kein Trinkwasser mehr. Das wurde dann bald auch unser Problem. Zuerst einmal richteten wir uns in dem wirklich nett eingerichteten Flugplatzgebäude ein Wohnlager ein.

Als ich dann Björn mit seinem Arztköfferchen und mit in Plastik verpackten Gummihandschuhen in der Rechten auf mich zukommen sah, da wusste ich Bescheid: Jetzt bin ich dran. Besser gesagt, mein leicht lädiertes Untergestell. Da wurde ich mir zum ersten Mal schmerzlich meiner Nacktheit und meiner Probleme bewusst, die jetzt auf mich zukamen: so dicht und so intensiv, wie es mir jetzt gleich bevorstand, hatte ich noch keinen an mich ran gelassen. Beim Frauenarzt war ich noch nie, dem war ich immer ausgebüchst, und es hatte bisher auch keinen Grund gegeben, einen aufzusuchen. Nun kam einer auf mich zu, in eindeutiger Mission, und der war auch noch ausgerechnet Björn! Björn, der Gynäkologe. Auf so was wäre ich ja nie im Leben gekommen, das dies einmal geschehen könnte.

„Mahlzeit, Signora! Na, da wollen wir uns doch gleich einmal…“ versucht Björn einen Oberärztlichen Ton anzuschlagen, doch er stoppt mittendrin.

„Frei machen, Björn? Ich bin es schon, wie du ja sehen kannst, aber wenn du willst, dann habe ich gar nichts dagegen, wenn du dich auch…“

Da kam bei ihm gleich mal Verlegenheit auf. „Oh, entschuldige. Wie kann ich denn auch so einen Unfug daherreden…, ich meinte natürlich: lege dich doch bitte gleich einmal hier auf den Tisch, auf das Laken, schiebe dir die zusammengerollte Decke unter die Hüften und öffne deine Oberschenkel zur Sonne hin, damit ich auch was sehen kann. Leider habe ich hier keine Spezialinstrumente und ich hoffe sehr, dass die auch gar nicht nötig sein werden. Und meine Hose nebst Hemd behalte ich doch einmal lieber an, schon wegen der Hygiene.“

Ich lege mich also so auf den Tisch, dass mir die Sonne direkt von unten zwischen die Oberschenkel mitten ins Tivoli scheinen kann. Aber was sonst gewöhnlich „unten“ ist, das ist ja jetzt „oben“. Mein Rothaargebirge ist jetzt der höchste Punkt auf dem Tisch. Björn zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich so zwischen meine Fahrwerke, dass sein Kopf die Sonne nicht abdunkelt. So nackt, hilflos und ausgeliefert bin ich mir ja noch nie vorgekommen!

Björn wickelt mir erst einmal vorsichtig die Binden von den lädierten Oberschenkeln.

‚Ach du dicker Elefant! Ich glaube, jetzt werde ich auch noch rot. Peinlich, peinlich! Ausgerechnet ich. Ich kann es ja nicht fassen! Ist das aber auch eine fatale, blöde Stellung, irgendwie komme ich mir wie eine nackte Tabledancerin von der Reeperbahn, die sich gleich ihre Mu…, na ja, sag es lieber nicht, Demmi, nicht mal in Gedanken!’

Jetzt wünsche ich mir doch, dass ich diese Erfahrung schon früher einmal gemacht hätte, dann wäre ich jetzt wenigstens daran gewöhnt. Aber Björn sieht sich das ganze Dilemma ganz unaufgeregt und sehr ernst an. Dann legt er aber auch schon los:  

„Rupturen, Reste von Holzsplittern und eingebrannten Pulverteilchen an den Innenseiten der Oberschenkel, am Anus, an den Labiae majora pudenti und auch teilweise an den Labiae minora pudenti, Fissuren am Mons Pubis und am Präpudium clitoritis, aber die Klitoris ist unverletzt…“

Ich drehe meinen Kopf scheinbar verwundert nach links und nach rechts. „Wo hast du denn hier deine Sprechstundenhilfe, Björn? Ich kann keine sehen.“

„Sprechstundenhilfe? Kleiner Scherz, wie? Aber eigentlich hast du ja ganz Recht, Demmi. Ich müsste eigentlich eine Schwester hier dabei haben, wegen der Vorschrift. Willst du lieber, dass ich die Heike dazu hole?“

„Bloß nicht! Die hätte mir jetzt gerade noch gefehlt. Nein, ich meine: wem erzählst du denn dieses ganze Medizinerchinesisch? Warum musst du denn mit mir hier auf Lateinisch kauderwelschen? Etwa, damit ich nichts verstehe? Welchen Sinn soll das denn dann haben? Da komme ich mir ja gleich vor, als wäre ich eine tote Leiche, an der du wissenschaftlich herumsezierst…“

Irgendwie muss ich aber jetzt etwas ganz Schlimmes gesagt haben, ohne es wirklich zu verstehen…

Björn läuft auf einmal kreidebleich an, steht abrupt von seinem Stuhl auf und geht nach draußen. Ich kann es gar nicht verstehen. ‚War doch nur so dahin gesagt, ohne böse Hintergedanken. Hat das was mit mir zu tun?’

Ich bin völlig ratlos. Soll ich jetzt wieder runter vom Tisch?  

Aber nach wenigen Minuten kommt Björn wieder herein und ist auch ganz gefasst und nicht mehr so bleich. „Entschuldige, Björn, wenn ich vorhin was Dummes gesagt habe, ich konnte aber doch nicht wissen, …“

„Ist schon gut, Demmi. Das hatte nichts mit dir zu tun und du kannst ja auch nichts dafür. Ist eine alte Sache, aber ich will nicht darüber sprechen. Nicht jetzt.“

Dann nimmt er sich eine sterile Pinzette aus seiner Ledertasche und beginnt damit, mir die ganzen kleinen Splitter aus den Oberschenkeln herauszuoperieren. Mit der linken Hand drückt er mir sanft die Haut neben den Splitter zu einer Wulst zusammen und drückt die Splitter heraus. Dann fasst er sie mit der Pinzette und zieht sie vorsichtig, aber schnell ab, ohne, dass ich dabei allzu heftige Schmerzen hätte. Fachmännisch eben. Meine anfängliche Erwartungsangst kann ich wieder fallen lassen und auch wieder normal atmen, nicht mehr so flach hechelnd vor Angst. Was mir ganz neu dabei ist: dass ein Mann seine Hände so dicht an meiner nackten Musch hat, ohne dass ich dabei feucht zwischen meinen lateinischen Labia-Dingsdas werde, meinen Schamlippen. Das liegt wohl daran, dass ich von ihm nichts erwarte, in sexueller Hinsicht, aber komisch ist es eben doch schon. Die Schmerzen halten sich aber in Grenzen, bloß gut.

Ihm scheint das auch aufzufallen. „Du bist ja gar nicht sehr wehleidig und scheinst eine ganze Menge Schmerzen zu vertragen.“

„Na ja, die dicksten Dinger habe ich mir schon selber, im Schlauchboot, rausgezogen. Das war schon richtig schmerzhaft, aber da war ich ja auch noch total betäubt von dem Schuss.“

Dann erzähle ich ihm noch einmal, wo dieser Kurt hingeschossen hatte, und wie ich mich dabei gefühlt hatte.

„Das könnte doch schon noch Komplikationen ergeben. Wollen wir es mal lieber nicht hoffen, dass du dabei eine Vaginalembolie erlitten hast. Sieht aber eigentlich nicht so aus. So, pass auf, Demmi, jetzt könnte es aber wirklich ein wenig heikel werden.“

Gleich begreife ich auch, warum. Er drückt mir jetzt mit zwei Fingern die Schamlippen erst links und dann rechts fleckchenweise zusammen und holt die kleinen Splitter und Pulverteilchen da heraus. Das ist jetzt aber wirklich gemein! Am Venushügel geht es ja gerade noch so, aber dann, am Kitzler! Das ist vielleicht eine Tortour! Da hört er mich doch schon mal schreien. „Aua! Kann man das nicht von alleine heraus heilen lassen?“

„Könnte man. Aber dann hättest du wochenlang Badeverbot und es könnten sich auch sehr schmerzhafte Abszesse bilden. Mal ganz abgesehen davon, dass es auch nicht besonders schön aussehen würde…“

„Schön aussehen? Ich kann es ja sowieso nie begreifen, was die Männer eigentlich so schön an diesem Faltengekröse finden, dass sie immer so scharf darauf sind, es zu sehen zu kriegen. Mir ist es immer am liebsten, wenn es mir ganz dezent und unsichtbar zwischen den Lippen klemmt, wenn ich nackig herumlaufe. Und das ist ja eigentlich fast immer so, wie du weißt. Was soll bloß daran so schön oder so interessant sein?“

„Und das fragst du ausgerechnet mich?“ Björn lacht hintergründig.

„Oh, entschuldige bitte. Aber du bist doch schließlich Arzt und weißt das doch alles viel besser als ich. Bist du wirklich schwul, Björn? Und wie ist das eigentlich, wenn man als Mann mit einem anderen Mann…? Ich bin wirklich nicht voreingenommen oder konservativ, Björn. Ich möchte es eigentlich nur auch richtig verstehen…“ 

„Dass ausgerechnet du mich das fragst… Aber gut, du gehörst ja ganz offensichtlich zu der Sorte von Frauen, mit denen man auch vernünftig reden kann. Du wärest dann auch die erste, der ich das erzähle, eigentlich überhaupt, außer meiner Mutter, der einzige Mensch. Wie fühlst du dich jetzt? Hast du noch starke Schmerzen, Demmi?“ „Nein, es lässt nach.“

„Ok, dann bleibe noch eine Weile so und lasse die Sonne einwirken, das fördert die Heilung. Wo soll ich anfangen? Eigentlich bin ich ja gar nicht homosexuell im eigentlichen Sinne. Ich meine: ich bin nicht von Natur aus dazu veranlagt, hormonell, wenn du verstehst, was ich meine. Bei mir kommt es eher vom Kopf her, aus gewissen Erfahrungen. Ich war sogar einmal verlobt und kurz davor zu heiraten…“  „Mit einer Frau, wirklich?“

„Ja, wirklich. Sie hieß Julie und war eine ganz wundervolle Frau und eine gute Kameradin, die Beste für mich. Wir waren ein Herz und eine Seele, wie man so sagt. Und wir waren zusammen auch ein Körper, da gab es keine Tabus und keine Geheimnisse. Ich wusste, was sie gern hat und sie wusste es von mir ebenso. Ich stand kurz davor, eine steile Karriere als gynäkologischer Chirurg zu machen. Die Zeit als Assistenzarzt hatte ich hinter mir, und stand direkt vor der Prüfung zum Zweiten Examen in Chirurgie. Mir fehlte nur noch der Abschluss in forensischer Pathologie.“

„Wo hast du sie denn kennen gelernt, deine Julie?“

„Ach du lieber Himmel! Das war vielleicht eine Sache, das glaubt mir ja keiner. Ich war Student im vierten Semester und mit ihr an irgendeiner Bar zufällig ins Gespräch gekommen. Sie sah wahnsinnig gut aus und sie hatte sich gerade mit einem Ex-Liebhaber zerstritten und trank alleine einen doppelten Whiskey. Sie war noch ganz erregt und vor Enttäuschung ganz rot im Gesicht. Ich wollte ihr das Trinken ausreden und wir kamen ins Gespräch. Ich sagte, dass ich Mediziner sei und wollte ihr gerade die vielen schädlichen Auswirkungen des Alkohols vor Augen halten. Aber sie hat nur gelacht, den Whiskey in den Aschenbecher geschüttet und mich zum Tanzen aufgefordert. Sie war eine wunderbar exstatische und leidenschaftliche Tänzerin. Dann waren wir von der Medizin im Allgemeinen auf die Gynäkologie im Besonderen gekommen. Sie interessierte sich sehr stark dafür. Da habe ich sie einfach einmal nur zum Scherz gefragt, ob sie sich mir als Untersuchungs- und Übungsmodell zur Verfügung stellen würde. Mir stand damals mein erstes klinisches Praktikum bevor und ich hatte bisher eigentlich nur Theorie im Kopf, keinerlei Erfahrung mit lebenden Patientinnen. Ich hatte schon manchmal wirklich Albträume gehabt, wie dämlich und unerfahren ich mich da anstellen würde und in welche großen Fettnäpfchen ich da wohl treten würde, wenn ich an echte Patientinnen käme. Manchmal war mir schon richtig schlecht vor Aufregung. Eine Vulva oder eine Vagina, einen Kitzler und Schamlippen, Brüste und Venushügel kannte ich ja fast nur von Bildern und Fotos aus medizinischen Büchern. Sie hat meine Hände in ihre Hände genommen und sie hat sich meine Fingernägel genau angesehen. Dann hat sie sofort und ohne lange Nachzudenken zugesagt. Sie konnte es kaum erwarten, wie mir schien.

Es war dann auch unbeschreiblich schön und auch lehrreich für mich. Sie kam auf meine Studentenbude, hat sich gleich ohne viel Federlesens nackt ausgezogen und sich auf meinen Tisch gelegt, fast genau so, wie du jetzt da liegst. Ich glaube, ich war knallrot und ich habe geschwitzt, wie in der Sauna. Aber dann hat sie einfach meine Hände genommen und sie über ihre Brüste und ihren Bauch nach unten zu ihrem Venushügel geführt.

„Na, was ist denn jetzt? Fang doch an“, sagte sie einfach.

Da habe ich mich dann auch endlich gefasst und darauf besonnen, dass es ja mein Wunsch gewesen war, sie zu erforschen. Anfangs habe ich sie immer noch gefragt, ob ich dieses und jenes darf, aber sie hat immer nur darüber gelacht und deshalb habe ich sie dann auch gar nicht mehr gefragt. Sie hatte jedenfalls ihren absoluten Spaß dabei, das hat sie mich schon merken lassen und ich konnte es auch deutlich hören. Ich habe einfach alles an und in ihrem Körper erforscht, was ich nur ohne Aufschneiden erreichen konnte. Sie hat mir immer genau gesagt, was sie dabei fühlte und was ihr angenehm oder auch unangenehm war. Den G-Punkt haben wir gemeinsam gesucht und auch gefunden. Das wollte sie dann auch ganz genau wissen. Sie wollte wissen, wie man den G-Punkt beim Sex am besten erreicht und stimulieren kann. In Echt natürlich. Da wurde ich dann zu ihrem dankbaren Übungs- und Untersuchungsobjekt. Wir haben alle möglichen und auch die scheinbar unmöglichen Stellungen ausprobiert und wir hatten beide unseren Spaß daran. Das ging fast eine ganze Woche so, Abend für Abend, Nacht für Nacht. Ich brauchte keinen anderen Menschen mehr, außer ihr. Irgendwann haben wir uns dann auch verlobt, aber das war schon mehr, um einen Grund zum feiern zu haben. Das Praktikum habe ich dann jedenfalls mit großem Erfolg absolviert.“

„Das kann ich mir auch sehr schön vorstellen, das mit Julie“, sage ich leise zu Björn, „aber warum bist du denn nicht bei ihr geblieben?“

Björn gefriert das eben noch vorhandene fröhliche Lächeln im Gesicht.

„Ja, warum? Das wollte ich dir ja gerade erzählen, Demmi. Ehrlich gesagt, es fällt mir wirklich immer noch sehr schwer…

Aber es muss einmal sein. Wie ich vorhin schon sagte: Ich war bestellt zur chirurgischen Prüfung in forensischer Anatomie, in die Pathologische Abteilung der Uni. Ich sollte dort an einer Leiche die Gebärmutter, die Eierstöcke und die Vagina heraus präparieren und analysieren. Ich höre noch, wie der Chefarzt gönnerhaft sagte: „Extra für Sie, Herr Tanner, haben wir etwas ganz Frisches besorgt, Verkehrsunfall von heute Nacht, na, da legen Sie mal los mit summa con laude!“ Dieser Satz verfolgt mich heute noch in Albträumen, da wache ich immer schweißgebadet auf.

Als der Assistent das Tuch weggenommen hatte, hatte ich schon das Skalpell in der Hand und wollte gerade ansetzen, da sah ich es: drei kleine schwarze Leberflecke gleich links unter dem Bauchnabel, die aussehen, wie zwei kleine Augen und ein lachender Mund. Das Gesicht war noch zugedeckt, aber ich wusste dennoch schon, dass sie es war, ich wollte ihr Gesicht nicht sehen, auch deshalb, weil sie ansonsten überall unverletzt war…“

„War sie es? War es Julie? Oh Gott!“ Mir wird ja ganz schlecht.

„Ja, sie wollte am späten Abend noch ihre Mutter in Schweinfurt besuchen, mit ihrem Motorrad. Sie hatte eine Harley Davidson und war leidenschaftliche Bikerin gewesen.“

„Das tut mir ja so leid, Björn…“

„Ja, es war sehr hart. Ich sehe es heute immer noch nur wie im Nebel vor mir. Ich will es immer noch nicht wahr haben. Es war sie. Ich weiß nur noch, dass ich laut geschrien und um mich geschlagen habe. Dem Assistenten habe ich wohl dabei mit dem Skalpell das Ohr aufgeschlitzt, bevor ich es weit von mir geschleudert habe. Ein halbes Jahr auf Bewährung wegen fahrlässiger Körperverletzung. Man nennt ihn heute noch „Dr. Schlitzohr“. Ich bin da weg, von der Uni und habe zwei Jahre lang als Frauenarzt gearbeitet, als einfacher Facharzt. Aber das ist leider auch nicht gut ausgegangen. Jetzt bin ich eben hier, bei euch.“

„Konntest du den Anblick nicht mehr ertragen, Björn? Ich meine, wenn sich eine Frau untenherum so nackt vor dich hin…“

„Na ja, anfangs hat mich das schon einige Überwindung gekostet, aber man gewöhnt sich sehr schnell daran. Das wird bald zur Routine. Aber etwas ganz anderes hat mir zu schaffen gemacht. In der kleinen Stadt war ich bei den Frauen bald überall bekannt und sie hatten auf einmal alle immer wieder irgendwo an den Brüsten oder an den Schamlippen oder auch sonst wo ein kleines böses Zipperlein. Sogar auf der Straße und im Geschäft kamen sie auf mich zugeströmt und erzählten mir laut ihre „Problemchen“. Das war schon manchmal ziemlich peinlich, besonders dann, wenn man gerade mit einer anderen Frau oder einem Bekannten im Gespräch war. Aber das war immer noch nicht das Schlimmste. Es war ja eigentlich gut für das Geschäft, für die Praxis. Nein, es war was ganz anderes…“

„Wollten sie dich alle haben, Björn? Du bist ja auch wirklich ein sehr gut aussehender Mann.“

„Du wirst nicht drauf kommen, Demmi. Ja, es ist schon so gewesen, dass sie viele was von mir wollten. Aber das Allerschlimmste daran war, dass sie sich, bevor sie kamen, immer ihre Schamhaare, Schamlippen und manchmal sogar die Vagina innen grässlich mit Parfüm eingedüst haben. Es war nicht mehr zum Aushalten. Ich habe eine Allergie auf bestimmte Blütenduftstoffe und mir lief ständig die Nase, wenn ich sie untersuchen musste. Bloß gut, dass du frei von solchem widerlichen Zeugs bist. Eine von denen, die ganz besonders penetrant hinter mir her waren, hat mich dann, als ich nicht auf sie einging, vor Gericht gezerrt. Angeblich hätte ich bei ihrer Untersuchung immer vor lauter Geilheit durch den Mundschutz gesabbert und heimlich in meiner Praxis eine Kamera eingebaut, um Filmchen und Bilder von ihr während der Untersuchung zu machen. Den Prozess hat sie zwar verloren, aber ich konnte diesen Beruf einfach nicht mehr machen, schon gar nicht in dieser Stadt. Ich hatte aber ja auch noch meinen Abschluss als Allgemeinarzt, und so bin ich dann über mehrere Etappen hier gelandet. Aber du hattest mich ja etwas gefragt. Was die Männer an deiner Scham so schön und interessant finden. Also, wenn du mich fragst: schön ist weder dein noch mein Geschlechtsorgan. Das muss es auch gar nicht sein, sonst hätten die Männer ja vielleicht Augen an der Eichel oder die Frauen welche am Kitzler. Es ist einfach funktional, weiter nichts. Schön sind vielleicht die Rundungen drum herum. Das hat schon eher einen ästhetischen Wert. Das ist wie bei einer Zielscheibe zum Bogenschießen: die Scheibe ist groß und rund mit schönen bunten Ringen an ihrem Rand, aber eigentlich wichtig ist nur die Mitte, das Ziel. Das muss nicht schön sein, das muss einfach nur funktionieren und den Pfeil aufnehmen können. Aber die schöne Scheibe verlockt den Schützen zum Schuss. Männer haben übrigens auch schöne Rundungen, die einen schon anlocken können…“

„Wem sagst du das, Björn? Deine Rundungen sind ja auch ganz besonders schön. Wenn ich nicht den Mike schon hätte, dann würde ich mich glatt in dich vergaffen.“

„So? Findest du? Danke!” 

“Ja, bei Mike ja auch. Aber für mich sind eben bei einem Mann auch noch zusätzlich die Haare an der Brust wichtig, so, wie bei den meisten Männern die Titten bei einer Frau.“

„Die „Titten“! Musst du dich eigentlich immer so derb ausdrücken Demmi?“

„Und du, Björn? Musst du denn immer so den oberfeinen vornehmen Spießer herauskehren? Sag doch mal ganz ehrlich: Was hast du damals, als ihr auf die „Swallow“ gekommen seid, über mich gedacht, als ich da plötzlich ganz nackt auf dem Deck stand?“

„Hm. Willst du das jetzt wirklich wissen? Na ja, ich dachte eben: oh Mann! Schon wieder eine nackte Frau…“

„Sei mal ganz ehrlich, Björn! Ich habe doch gesehen, dass du ein Wort auf der Zunge hattest, das mit „Sch…“ anfing. Sage es mir jetzt!“

„Nein, auf gar keinen Fall! Du bist meine Patientin, Demmi, das kann ich doch nicht…“

„Doch, Björn, du kannst. Sage es mir Jetzt.“

„Schlampe?“

„Genau! Sage es jetzt ganz laut. Ich will nämlich nicht mehr, dass wir uns ständig aus dem Weg gehen müssen, und ich will auch, dass wir immer so miteinander reden können, wie uns der Schnabel gewachsen ist, Björn. Also schreie mich jetzt an, beschimpfe mich! Gehe zur Tür, damit du auch richtig laut reden musst, Björn. Was bin ich? Wie sehe ich jetzt aus? Das will ich jetzt ganz laut und ganz unverblümt aus deinem Munde hören!“

Björn zögert sehr lange, er ringt mit sich selbst und mit seiner guten Erziehung.

„Komm schon, Björn, was bin ich?“ Dann sieht er mein freches Grinsen, fasst sich ein Herz, und schreit laut von der Tür her:

„Demmi, du bist eine geile nackte exhibitionistische Schlampe!“

„Gut! Das geht mir ja runter wie Öl, Björn! Und wie sehe ich jetzt aus, Björn?“

„Demmi, du geile alte Schlampe solltest dich endlich einmal wieder gründlich waschen. Du stinkst wie ein toter Hering und du siehst um deine verlotterte blutige Fotze herum aus, als hätte dich gerade die ganze besoffene Besatzung von einen versifften und vermoderten Piratenschiff nacheinander gründlich durchgefi…!“

Da geht auf einmal die Tür auf. Es ist Mike. Er wechselt im Gesicht zwischen zornesrot und leichenblass, wie ein Tintenfisch an Land. Er kriegt kaum noch Luft.

Dann japst er mit gepresster Stimme: „Björn, du Schwein! Das ist aber jetzt das Ende unserer Freundschaft! Du hast ja gar keine Ahnung, was die Demmi für ein prächtiger Kumpel und für eine wunderbare Frau ist, du Arschl…!“

Dann holt er weit aus, um Björn eine zu verpassen. Ich bin inzwischen vom Tisch gesprungen und schnell zwischen die beiden gegangen. Dadurch trifft mich die Faust von Mike mitten aufs rechte Auge. Heimat, deine Sterne! Den Schmerz fühle ich aber erst einmal gar nicht.

„Mike! Nein! Der Björn ist doch voll ok. Ich wollte das doch so, weil ich mit ihm Freundschaft geschlossen habe. Willkommen im Club. Wir sind jetzt zu dritt und jetzt kann jeder mit jedem und jeder mit mir und ich mit euch beiden. Nur jetzt kann ich gerade nicht…“

Dann falle ich um und hoffe, dass der Björn in seiner Doktor-Tasche eine schwarze Augenbinde für mich hat.

Hören kann ich auch noch, wie Björn den Mike fragt: „Schließt die eigentlich immer so Freundschaft?“

 


Kommentare

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