Panther 1


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30.08.2009
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Brüllende Stille.

Ich erwache aus einem bösen Traum.

Ich bin Reisejournalistin und ich sollte eine Reisereportage über die Stadt Brasilia und ihre Touristenattraktionen machen. KONDOR-Tours hatte dazu eingeladen, anlässlich ihres 16-jährigen Bestehens.

Da war doch eben noch ein summendes einsäuselndes Geräusch. Das fast als still wahrgenommene Brummen der sechssitzigen Cessna Caravan Amphibien.

Gemütlich, mit großen Schwimmern. Wir wollten auf dem Wasser landen.

Auf einem künstlichen See, in Brasilia.

Es hatte die absolute Sicherheit und Gemütlichkeit verbreitet.

Die Sicherheit der abgeschirmten Kabine.

Dann: da gab es  einen Knall und noch einen heftigen Stoß und weitere harte Schläge.

Dann das Gefühl der Schwerelosigkeit,  magenstressend weil ungewohnt.

Das Gefühl, ins Unendliche zu fallen. Peitschende Hiebe der Äste. Es nahm mir die Luft.

Und dann war da wieder ein anderer, rauschender Knall und eine pulsierende Erschütterung.

Der Aufschlag. Ausgeliefertsein. Machtlosigkeit gegen Naturgewalten.

Ja, wir sind aufgeschlagen. Wir sind durch die Bäume des Dschungels gestreift und dann irgendwo am Boden aufgeschlagen. Ich habe das alles bewusst miterlebt.

Ohne es begreifen zu können.

Ich lebe noch.

Ich liege flach zwischen Büschen  und Bäumen mitten im Dschungel von Brasilien.

Ich erhebe mich und sehe an mir herunter: Alles zerfetzt.

Ich selbst bin am ganzen Körper zerkratzt. Blaue Flecke und blutige Striemen.

Meine Klamotten sind nur noch ein Sammelsurium von kläglichen Fetzen.

Ich war ziemlich leicht bekleidet wegen der schwülen Hitze, bevor der Absturz kam:

Ich hatte nur halblange Shorts und Tshirt an. Beide Teile sind völlig zerfetzt.

Durch den Sturz in die Bäume. Aber die Bäume haben mein Leben gerettet.

Und die Bäume haben meine Klamotten gefressen. Zum Lohn?

Unsinn! Sie hatten ihr Spiel mit mir.

Das ist jetzt aber völlig unwichtig.

Wo ist das Flugzeug?

Wo sind die Anderen?

Ich sehe das Flugzeug nicht, ich bin allein, völlig allein.

Das kann nicht sein. Wenn ich lebe, dann müssen auch andere überlebt haben.

Eine einfache Rechnung.

Ich hatte im Heck der Maschine gesessen.

Im Heck, das plötzlich abgebrochen war.

Abgebrochen im letzten Moment, als wir über die Bäume schlitterten.

Wo liegt der Rumpf der Maschine?

Wo sind die Anderen?

Ich war die einzige Frau an Bord. Ich muss die anderen suchen.

Gleichzeitig wird mir bewusst:

Im schlimmsten Falle bin ich jetzt ganz allein auf mich gestellt.

Soll ich es lieber lassen darüber nachzudenken?

Was erwarte ich, was jetzt auf mich zukommt?

Ich erwarte nichts.

Ich erwarte, positiv überrascht zu werden und ich stelle mich auf das Schlimmste ein.

Ich drehe eine Runde durch den lichten Dschungel und finde das Heck der Cessna.

Im Heck wurde das Reisegepäck verstaut. Die Alu-Teile haben sich in den Boden gegraben und unsere Gepäckstücke sind in langer Spur im Urwald verteilt. Ich merke mir die Stelle.

Aber ich will mich jetzt nicht belasten. Ich muss schnell die anderen finden.

Wir sind durch die Luft gekommen. Also muss ich die Spur oben in den Bäumen suchen.

Die Stille des Urwaldes ist nach dem Schreck plötzlich wieder belebt. Affen kreischen, Vögel balzen in allen musikalische Richtungen, die die Pop-Kultur noch zu entdecken haben wird.

Wahnsinn! Der Dschungel brüllt wieder.

Die Sonne sinkt unaufhaltsam zum Horizont herunter, die ersten Frösche stimmen sich zum Abenddämmerchor ein - erst ganz vereinzelt und plötzlich, wie eine trommelwirbelnde Woge aus Millionen von Schallblasen, eröffnen sie ihr nächtliches Konzert - die Melodie des Regenwaldes, zu der Grillen und Zikaden, Eulen, Ziegenmelker und andere Nachtvögel ihren Solobeitrag leisten - ein raubtierartiges Brüllen dazwischen stammt vielleicht von einem Hochzeit feiernden Kaiman - aber, wenn ich Pech habe, dann  gibt auch der größte Räuber des Regenwaldes, der Jaguar, seinen Beitrag zum Konzert: sein Brüll-Stakkato treibt mir stoßweise Adrenalin durch die Adern.

 

Oben in den Bäumen sehe ich die Spur der Verwüstung. Ich folge ihr. Ich folge den abgebrochenen Baumkronen.

Nach einer gefühlten halben Stunde sehe ich in den Bäumen eine von meiner Schneise abweichende, viel stärkere Verwüstungsspur. Da ist die Maschine entlang gestürzt!

Ich gehe der Spur nach und finde nach einer Stunde Fußmarsch die Cessna.

Ich folge der Spur? Leicht gesagt.

Immer wieder verheddere ich mich mit den kläglichen Resten meines Tshirts und meiner Shorts in den herabgestürzten Ästen und Zweigen der Bäume. Es geht nur mühsam voran.

Notdürftig knote ich mir die Fetzen um den Leib und reiße rigoros überstehende Teile ab.

 

Schließlich habe ich es geschafft. Die letzte Strecke des Weges brauchte ich nur nach der Nase laufen. Kerosingeruch und beißender Nebelqualm.

Ich sehe die rauchenden Trümmer der Cessna.

Der Bug ist auf der linken Seite völlig verbogen und eingedrückt. Der Pilot ist tot.

Ich hatte mit ihm auf dem Flugfeld von Bahia noch zusammen einen Kaffee getrunken

und ich fand, dass er ein Mann war, den ich gern näher kennenlernen würde.

Sehr nahe. Ganz nahe.

Nun ist er tot.

Er liegt mit eingefrorener Schreckensgrimasse in den Trümmern. Kein schöner Anblick.

Ich versuche, alles zu vergessen, was ich mir mit ihm erträumt hatte.

Zum Glück hatten wir uns nicht näher kennengelernt.

Ich muss jetzt hart bleiben. Ich erwarte noch Schlimmeres.

Der Platz des Copiloten ist leer. Neben dem Flugzeug liegt eine weitere Leiche.

Das muss der dicke  Reise-Columnist von der BILD-Zeitung sein. Herr Wagner.

Der mir immer sein Leid geklagt hatte,

wegen der Bedeutungslosigkeit der Columne in seiner Redaktion.

Kein Verlust. Weder für mich, noch für die Menschheit. Warum bin ich dabei so kalt?

Ich werde die Beiden begraben müssen.

Ich werde vielleicht an ihrem Grab einen Spruch ablassen. Vielleicht auch nur im Stillen.

Zumindest bei dem Piloten. Das bin ich ihm schuldig. Ja, ich war fast verliebt in ihn.

Er hat bei mir das gewisse Kribbeln ausgelöst.

Aber der Tod ist endgültig. Ich bin dem Leben verpflichtet. Nur dem Leben.

 

Ich höre Stimmen.

Gott sei dank! Es gibt noch andere Überlebende.

Außer mir haben es fünf Männer überstanden. Sie sitzen an einem kleinen Feuer einige hundert Schritte hinter dem brennenden Flugzeug, in der Schneise der Zerstörung.

Der Qualm zieht jetzt senkrecht nach oben ab, weil es absolut windstill geworden ist.

Alle, die angeschnallt im Mittelteil der Maschine gesessen hatten.

Johann Hemmingland, unser Guide und Übersetzer von KONDOR-Tours.

Der ist jetzt ganz geknickt und still. Denkt wohl an die Entschädigung und an seine Stellung.

Ich möchte auch nicht in seiner Haut stecken. Er hatte, nur so zum Spaß, den Platz des Copiloten eingenommen, entsinne ich mich.

Sind wir deshalb abgestürzt? Ich weiß es nicht.

Arnold Maibach, Reisejournalist von Öger-Tours. Mittelgroß und leicht dicklich.

Er gab immer den Daueroptimisten und grinste jeden zu Boden unter seinem schwarzen Schnauzer.

Sven Axtmann von Pro Sieben, Sonnenklar. Der kehrte immer den Lebemann heraus,

Versuchte penetrant seine schweinischen blöden Witze an den Mann zu bringen.

Dann tat er immer so, als müsse er sich bei mir dafür entschuldigen. Blödmann.

Dem könnte ich Sachen erzählen, für die ich mich dann bei ihm entschuldigen müsste.

Natürlich tue ich es nicht. Aber sein dummes Gesicht dabei wäre ich schon gespannt.

Und außerdem ist da noch in Biologe und Völkerkundler, den ich nicht kenne. Er hatte die Gelegenheit genutzt, und den einzigen noch freien Platz in der Maschine gebucht.

Ich schätze ihn so um die 35. Er sieht so aus, als hätte er schon sehr viele Katastrophen überlebt. Er ist sehr groß und kantig mit einem braunen, von Falten durchzogenen Gesicht.

Jetzt sitzt er nachdenklich am Feuer und schaut sich immer wieder nach jedem nahen Geräusch im Urwald um. Ich glaube, er weiß besser als jeder von uns, was uns bevorsteht.

Mich fröstelt

Und nicht zu vergessen:

Pablo Ermandes, der Co-Pilot. Er war gerade in der kleinen Mini Küche der Cessna, um das Mittagessen für uns in die Mikrowelle zu schieben. Das war sein Glück. Sein gutes Schicksal.

Sie starren mich alle an, wie einen Geist. Und nicht nur ängstlich. Da ist auch noch ein anderer Gesichtsausdruck dabei, den ich hier erst gar nicht einordnen konnte.

 

„Sie haben überlebt? Das Heck war doch schon in großer Höhe abgebrochen? Oder?“

„Nein, wie Sie sehen: Es wurde von den Bäumen weggerissen. Der Urwald hat uns gerettet und gleichzeitig gefangen. Was ist jetzt besser?“

Plötzlich werde ich mir bewusst,  dass ich bei all meinem Tshirt-Fetzen-Geknote die Brüste vernachlässigt hatte.

Die letzten Fetzen meines Tshirts schlangen sich zwar um meinen Brustkorb und um meinen Bauch, ließen aber die Brüste frei. Mich hatte es überhaupt nicht gestört. Warum auch?

Jetzt stehe ich vor den Kerlen mit völlig nackten Titten. Mir macht das ja nichts aus.

Unter Nackten. Da bin ich oft und da fühle ich mich auch wohl.

Aber hier: da wurde das ganz anders bewertet. Das wurde mir schlagartig bewusst.

Reisejournalisten. Die versuchen das doch sofort wieder irgendwo einzuordnen.

In irgendeines der vielen Klischees, die sie so gerne pflegen und hegen.

Die die Grundlage ihrer Berichte sind.

Einheits-Schimären. Snob-Allüren. Langeweile-Attitüden, Skandal-Berichte.

Aber mir ist das jetzt egal. Ich werde das jetzt einfach überspielen,

wegdrücken, gar nicht erst aufkommen lassen.

Ich antworte sachlich: „ Das Heck mit den Koffern und Gepäckstücken liegt 2 Stunden von hier im Busch. Ich kann es Ihnen zeigen, ich komme von dort. Wir sollten unsere Sachen holen und dann versuchen, von hier weg zu kommen oder wenigstens Hilfe anzufordern.“

 

Sie stimmen ab.

Männer müssen immer und über alles abstimmen.

Aus Angst, dass sie jemand beherrschen könnte. Oder aus Angst vor den Konsequenzen einer eigenen Meinung. Das ist die Kehrseite der Macht. Es gibt immer nur einen Mächtigen und viele Ohnmächtige. Ich, als Frau bin es ja lange gewohnt, wenn ich es auch selten akzeptiere.

Sie beschließen mit Mehrheit, sich gleich morgen Früh aufzumachen, und das Gepäck zu retten. Was davon eben noch zu retten ist.

Was hätten sie denn wohl anderes beschließen sollen?

Ich lege mich lang hin und versuche zu schlafen.

Und als ich mich hinlege, fühle ich, dass mir jetzt jeder, der an mir vorbeigeht, um Feuerholz zu holen, direkt und unverhüllt zwischen die Beine in mein weibliches Faltengebirge schauen kann. Meine Shorts sind nunmehr nur noch ein zerfranster Gürtel.

Ich rolle mich zum Igel ein, wie immer, wenn ich einschlafen will.

Und ich weiß auch, welchen Anblick ich ihnen jetzt biete. Von hinten. Ich habe es nie selbst gesehen, aber ich weiß, was es bei ihnen auslöst. Notdürftig zupfe ich die Reste meiner Shorts zurecht und klemme mir die längsten Zipfel und Fetzen von hinten zwischen die Schenkel.

Es ist mir jetzt aber eigentlich völlig scheißegal! Glotzt doch rein in mich, ihr Affen!

Und schon bin ich eingeschlafen, müde und erschöpft. Wie ein Stein.

 

Ich habe einen schrecklichen Albtraum. Eine Kolonie von Riesenameisen ist gerade dabei, mich bei lebendigem Leibe aufzufressen. Jede von ihnen ist so groß wie ein Handteller.

Sie knabbern und beißen an mir herum. Überall am Körper auch wenn ich noch so sehr um mich schlage und sie abzustreifen versuche. Sie sind unerbittlich.

Ich wache auf und der Albtraum ist immer noch da! Jemand hat mir in der Nacht eine Decke übergeworfen. Es muss der Biologe gewesen sein. Er hatte sich am Feuer so eine Decke um die Schultern gelegt. Aber jetzt fühle ich, dass mich unter dieser Decke irgendwas bekrabbelt und beißt und zwackt. Ich werfe die Decke von mir und starre voller Todesangst und Schrecken meinen Körper an. Nein. Es sind keine Riesenameisen. Es sind kleinfingerdicke  weiße Raupen. Maden scheint es. Sie sie sind zu Hunderten auf meinen Kratz- und Schürfwunden verteilt und fressen die verkrusteten Blutspuren meiner Sturzwunden in sich hinein. Das war also mein Traum. Ich ekele mich fürchterlich und wenn ich etwas im Magen gehabt hätte, dann würde ich jetzt hemmungslos kotzen. Mit spitzen Fingern und angeekelt versuche ich die Biester von meinem Bauch und von meinen Beinen und Armen wegzuschnipsen.

„Nein! Lassen Sie das. Es wird ohnehin bald vorbei sein, aber es ist gut für Sie.“

Neben mir steht plötzlich dieser Völkerkundler und Biologe,

vom dem ich noch so gar nichts weiß.

„Waas? DAS soll gut für mich sein? Die fressen mich doch auf, diese Viecher, und wer weiß, welches Gift sie noch so in sich haben! Und: WAS wird bald vorbei sein?“

„Keine Sorge, junge Frau. Ganz im Gegenteil. Das sind die Maden von Blutfliegen. Sie sind sauberer als fast alles hier im Dschungel. Frisch aus dem Ei geschlüpft.

Das verdanken Sie dem toten Piloten und dem kleinen dicken Mann, der sich den Hals beim Absturz gebrochen hat, weil er nicht angeschnallt war. Die Fliegen haben das Blut gerochen, sind gekommen und haben ihre Eier auf den Toten abgelegt. Als Sie dann gestern hier ankamen, wurden Sie auch gleich mit einbezogen. Die Maden desinfizieren ihre Wunden.

Sie sondern ein Sekret ab, das alle Bakterien abtötet.

Die Indianer verwenden sie anstelle von Penicilin und zur Wundheilung. Sehr erfolgreich. Haben Sie schon mal einen Indianer mit schlecht verheilten Wunden gesehen?  Sie werden merken: in wenigen Tagen sind ihre Narben und Striemen spurlos verschwunden.“

 

Ich habe überhaupt noch keinen Indianer gesehen. Ich bin zum ersten Mal in Südamerika.

Aber ich ergebe mich jetzt geduldig in mein Schicksal.

„Wirklich? Wer sind Sie eigentlich? Woher wissen Sie das alles?“ Ich höre widerstrebend damit auf, die dicken Maden wegzuschnipsen. Ein Gefühl der Erniedrigung bleibt aber. Ich bin doch schließlich noch lange keine Leiche! Dagegen ist die Tatsache, dass ich hier fast nackt vor diesem Mann herumliege ein Klacks.

Jetzt geht dieser Mann neben mir auf die Knie, kommt ganz nahe an mich heran.

„Oh, Entschuldigung! Ich bin Carl-Friedrich Rausch von der Universität in Mexiko City. Biologe und Völkerkundler, aber das wissen Sie ja schon, glaube ich. Brasilien und Amazonien sind meine Spezialgebiete. Schreibtische und Hörsäle sind mir ein Horror.

Ich habe hier schon einige Jahre mit verschiedenen der letzten freien Indianerstämme zusammengelebt. Ich bin gerade wieder auf dem Weg zu ihnen.“

„Sie waren gerade auf dem Weg.“ verbessere ich ihn lakonisch. „Übrigens: ich bin Priska von Hambach, Reisejournalistin.“ Das klingt jetzt ziemlich kleinlaut. So, wie ich jetzt hier herumliege, ist an mir nichts mehr von Adel. Gar nichts. Und mein Beruf ist hier und jetzt der nutzloseste Beruf der Welt.

„Nein, ich bin es immer noch, auf dem Weg zu ihnen. Davon kann mich keiner abbringen.“

Ich glaube es ihm. Diese feste Zuversicht und Gewissheit gibt mir jetzt irgendwie Hoffnung.

Große Hoffnung. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man in einer hoffnungslosen Situation einen Menschen findet, dem man vertrauen kann.

 

„Still, Priska! Bewegen Sie sich nicht!“ Sein Gesicht ist plötzlich erstarrt und seine Augen fixieren mein Brustbein. Was ist? Ich fühle nur, dass sich dort etwas bewegt. Die Maden?

Oder doch etwas anderes? Ich neige ganz vorsichtig meinen Kopf und erstarre ebenfalls vor Schreck.

Aus meinen wirr verschlungenen Tshirt-Fetzen  windet sich mitten zwischen meinen blanken Brüsten der gegliederte Schwanz eines Rieseninsekts.

Ein Skorpion.

Das stachelbewehrte peitschenartige Ding rollt sich auf  zum Hieb auf meine linke Brust.

Was macht dieser Carl-Friedrich? Er umwickelt langsam und vorsichtig seine rechte Hand mit dem lappenartig über meinen Unterbauch hängenden Stofffetzen und packt damit blitzschnell diesen Peitschenschwanz, an welchem er das Biest aus meinen Lumpen herauszieht, zusammenquetscht und samt den Resten meiner „Oberbekleidung“ weit von sich wirft.

Ein drehender Tritt mit dem Stiefel beendet das Drama.

Ich springe auf und reiße mir sofort die Shorts vom Leibe, um nach weiteren ungebetenen Gästen auszuschauen. Die meisten der weißen Maden fallen von mir ab. Sie sind satt.

Zum Glück kann ich außer ihnen nichts weiter entdecken. Die anderen Männer kommen von der Untersuchung des Flugzeuges zurück, wohin sie vor meinem Erwachen gegangen waren, um zu retten, was zu retten war. Viel ist jetzt nicht. Und es interessiert auch fast keinen.

Auf die Frage von Carl-Friedrich, ob das Funkgerät noch verwendbar sei, schüttelt Arnold Maibach nur resignierend den Kopf und der Copilot bestätigt ihn kopfschüttelnd.

 „Nichts zu machen, leider.“

Beide starren dabei aber nicht den Völkerkundler, sondern mich an. Verständlich.

Unser Witzereißer Sven Axtmann pfeift anzüglich, bricht dann aber plötzlich ab.

Die Übrigen schweigen. Ich stehe ihnen splitternackt gegenüber. Nackt, blutig und zerkratzt. Es krabbeln immer noch einige wenige Maden auf mir herum.

Was muss das für ein Anblick sein? Abtörnend, schätze ich.

Noch nie zuvor war ich so glücklich darüber, nackt zu sein und dabei abtörnend auszusehen. Das bringt die Situation auf den Boden der traurigen Realität  zurück. Wir sind abgeschnitten im tiefsten Dschungel und völlig auf uns selbst gestellt.

Wieder ist es Carl-Friedrich, der die Situation entschärft und versachlicht:
„Man sollte sich niemals bei Nacht auf den blanken Urwaldboden legen. Schon gar nicht, wenn man sehr verschwitzt oder gar verwundet ist. Wir müssen uns für die nächste Nacht ein hochgelegenes Gerüst mit gut ausgeschüttelter Blätterauflage bauen. Zwischen Boden und Baumwipfeln gibt es die wenigsten Krabbeltiere. Und, was die Bekleidung betrifft, so gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder auf die zivilisierte Art dicht geschlossene Kleidung. Das hat den Vorteil, dass da nur selten Kleintiere hineingeraten. Aber es hat auch einen großen Nachteil: Je mehr man schwitzt und je seltener man die Kleidung wechselt, desto mehr lästige Plagegeister und Malariamücken lockt man an.

Oder: Man macht es so, wie die Indianer, man bleibt nackt, so wie jetzt unsere junge Dame hier, Frau Priska. Ich kenne einige Kräuter und Beerenextrakte, mit denen man sich den Körper einreiben kann, um sich vor den meisten aufdringlichen Insekten zu schützen.

Die Indianer hier tragen im Urwald auch keine Kleidung. Ich habe lange ganz  natürlich bei ihnen und mit ihnen zusammen gelebt.

Erst die Goldsucher und Missionare haben sie gezwungen, sich in unhygienische Fetzen einzuhüllen, die sie aber sofort von sich werfen, wenn sie der Zivilisation noch einmal entkommen können. Ich jedenfalls halte mich in Zukunft an die Indianerversion, wenn Sie nichts dagegen haben, Frau von Hambach?“ und dann, so als sei er sich gerade erst der grotesken Situation bewusst geworden: “Frau  Priska.“ Ich werde ihm das „Du“ anbieten müssen.

Nein. ich will es.

„Ich..? Was?… was sollte ich denn da…dagegen haben? Eigentlich hatte ich ja gar nicht die Absicht…“ Ich beginne zu stottern. Einerseits ist es doch schon ein ziemlich komisches Gefühl, hier unter allen diesen fünf Männern als einzige völlig nackt herumzulaufen, andererseits hatte ich gar keine Zeit gehabt, ein irgendwie begründetes Schamgefühl zu entwickeln. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass ich jetzt ja ohnehin gar nichts mehr Anzuziehen hatte. Auf  keinen Fall stand mir der Sinn danach, die dreckigen Lumpen mit dem breitgetretenen Skorpion darin wieder überzustreifen.

Es hatte schon begonnen, mir zu gefallen. Und außerdem: der einzige Mann hier, den ich sofort und ohne Rückhalt an mich ranlassen würde, wenn mir als Frau danach wäre, der hatte eben die Absicht geäußert, es mir gleich zu tun. Also fasse ich einen kurzen Entschluss:

„Ja, ich werde in diesem Urwald nackt bleiben und ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn jemand das gleiche tun will. Das sei Jedem freigestellt. Mich stört es nicht. Und um gleich noch etwas klarzustellen: es macht mir nichts aus nackt zu sein, am liebsten unter Gleichgesinnten, Mann oder Frau. Es wäre auch wirklich nicht das erste Mal“

Carl-Friedrich beginnt daraufhin auch sofort und auf der Stelle damit, sich seiner Kleidung zu entledigen. Die anderen gehen langsam zum Feuer. Sie diskutieren aufgeregt und heftig streitend und gestikulierend. Ich kann zwar kein Wort davon verstehen, bei dem Getöse des erwachenden Urwaldes, aber ich kann mir schon denken, worum es dabei geht. Um mich.

 

Warum betrachten Männer uns Frauen immer als eine fremde Tierart? Warum müssen sie uns immer gleich verteilen, als wären wir so was wie Besitz, wie ein schneller Windhund oder ein Rennpferd? Man muss als Frau immer Jemandem gehören. Warum denn eigentlich?

Ich gehöre Niemandem, den ich mir nicht selbst ausgesucht hätte. Und wie lange, das entscheide ich selber. Es ist jetzt wieder mal Zeit für eine Entscheidung meinerseits.

Ich gehe langsam auf  Carl-Friedrich zu, der gerade dabei ist, seine Sachen ordentlich zu einem kleinen handlichen Bündel zu schnüren. Er ist groß und hager, schlank und drahtig.

Jede seiner Muskeln zeichnet sich einzeln an seinem Körper ab. Er ist nicht gerade schön zu nennen, eher etwas herb. Aber er gefällt mir. Auch sein Schwanz gefällt mir. Schön groß und lang. Warum auch nicht? Ich bin eine Frau, schließlich.

Erigiert sollte die Eichel schon den Bauchnabel berühren können. Das ist mein Maß.

Und dann sollte er auch krumm sein, wie ein Türkensäbel. Wenn das zusammen kommt, dann habe ich beim Ficken immer das Gefühl, es wäre mein eigener. Und das ist so geil!

Das finde ich einfach elektrisierend und dann sprudelt meine Yoni wie ein Hydrant.

Dann kann ich abspritzen, fast wie ein Mann. Ach was! Wie drei Männer.

Ich lege ihm die Arme um den Hals und drücke meine nackten Brüste und meinen Bauch fest an ihn. Er fühlt sich gut an. Er riecht sogar auch noch gut. Jedenfalls für meine Nase, und die   liebt das Herbe und Wilde. Er riecht nach Männerschweiß und ein klein wenig nach Raubtier.

Ich liebe das.

 „Ich danke dir, wegen dem Skorpion und wegen der verdammten Maden und überhaupt: ich bin so froh, dass du hier bist. Sagen wir „du“ zueinander, ja? Wie darf ich dich nennen?“

Er packt mich an meinen Pobacken und drückt ganz fest zu. „Meine besten Freunde sagen „Fritze“ zu mir. Und du?“

„Meine besten Freunde sagen „Panther“. Das wissen aber nur meine wirklich besten Freunde.

Sag doch einfach „Priska“, wenn die andern dabei sind.“

„Wie kommen denn die bloß auf „Panther“, sag mal?“

„Weil ich so wild bin und weil ich so schnell rennen kann, wie ein Panther“

Und schon bin ich an ihm hochgesprungen, habe meine Schenkel um seine Hüften geschlungen und ihn ins Ohrläppchen gebissen. Tief. er fasst sich erschrocken ans Ohr und ich kann das Blut an seinen Fingern sehen. „Soll ich dir ein paar von den Dicken Maden holen?  Ich glaube, sie waren noch nicht alle satt.“ spöttele ich.

Fritze wischt sich das Blut einfach frech an meinen Brüsten ab und knetet sie dabei kräftig durch. „Rufe sie lieber noch mal zu dir, du Panther, du.“

„Wie gefalle ich dir? Ziemlich ramponiert, was?“

Eigentlich hätte ich mir die Frage ersparen können. Ich fühle, wie gut ich ihm gefalle.

Unten, an meiner Yoni. Da klemmt jetzt was Langes dazwischen, was bestimmt kein Blutfliegenwurm ist. Ich weiß jetzt, was ich wissen wollte.

Er sagt es trotzdem: „Ja, du bist ein herrliches Weib, Pantherchen. Wir kommen darauf zurück, ja? Aber wir sind nicht allein hier. Das wird böses Blut geben.“

Ja, er hat Recht.

Ich drehe mich um zum Feuer um und ich kann sehen, dass alle zu uns her starren.

Ich will ihn nicht länger in Verlegenheit bringen.

Ich löse mich von ihm und knalle ihm eine tüchtige Watsche rechts und links ins Gesicht.

Erst blickt er mich ganz verdattert an, dann grinst er, weil ich auch grinse und ein Auge zukneife. Er hat verstanden: es törnt ihn ab und bringt seine Lanze wieder in Richtung der Schwerkraft. Ich habe gesehen, was ich sehen wollte. Ich freue mich. Türkensäbel ante Portas.

Vom Feuer her kommt hämisches Gelächter. Gut so.

Fritze hält mich jetzt bestimmt für ein total durchtriebenes Weib. Bin ich das?

 

 


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