Weihnachten- ein fiktives Fest
Eine Weihnachtsgeschichte
Schon lange faszinierte mich eine alte Sennhütte in den französischen Alpen und nun ist sie seit zwei Sommern mein Eigentum. Immer wieder fuhr ich nach Savoyen in das kleine Ferienörtchen Valmorel und jedes Mal zog es mich hinauf zu dieser Hütte, mitten auf einer Alm gelegen. Mitunter fuhr ich mit der Seilbahn auf den Gipfel und lief dann bergab, um ihr einen Besuch abzustatten. Sie war immer geöffnet im Sommer und vor der Tür blühten in einem kleinen Gärtchen Blumen, es wuchsen einige Tomaten und verschiedene Kräuter. Ein kleiner Bach führte nur wenige Meter neben der Hütte ins Tal und eine alte Scheune befand sich links von der Hütte, wenn man vom Gipfel kam. Als Aufsicht war dort jedes Jahr ein Mann in meinem Alter und er erklärte den Besuchern, die es wissen wollten, wie die Arbeit und das Leben in früheren Jahren und Jahrzehnten hier oben ablief. Immer im Frühling brachten die Bauern ihre Rinder auf die Hochweiden, der Senn oder die Sennerin fertigten aus der Milch wohlschmeckenden Käse und lagerten ihn im Felsenkeller der Hütte. Betrat man diese, so kam man zunächst in einen großen Wohn- und Arbeitsraum. Die rechte Seite wurde von einem riesigen Kamin beherrscht. Ein Holzgalgen mit einem eisernen Haken trug den kupfernen Milchkessel. So konnte der Kessel immer wieder über ein Feuer geschwenkt werden und die Milch auf der richtigen Temperatur gehalten werden. Davor stand noch ein kleiner Herd, auf welchem sich die zeitlichen Bewohner ihr manchmal karges Mahl zubereiten konnten und auch Brot buken. Von der Tür aus ging man geradewegs auf den riesigen Tisch aus Eichenholz zu. Links und an der hinteren Wand entlang befand sich eine in den Jahren glatt gesessene Bank. Wie viele Generationen mögen wohl das Holz poliert haben? In der linken Wand führte eine schmale Stiege drei Stufen höher in zwei Schlafkammern. In jeder Kammer standen ein großes französisches Bett, ein kleiner eiserner Ofen und eine Truhe. Die kleinen Fenster ließen genügend Licht hinein und sollte es doch kalt werden oder verließen die Bewohner die Hütte, konnten Fensterläden vor Wind und Wetter schützen. Über den Kammern befand sich ein kleiner Heuboden, brandschutztechnisch vielleicht bedenklich, aber als Schutz gegen Kälte sehr zweckmäßig.
Eines Tages, ich war gerade wieder auf dem Weg nach oben, begann es zu regnen und ich schaffte gerade noch die letzten Meter bis zur Hütte, bevor das Unwetter losging. Diesmal war der mir bekannte Mann nicht in der Hütte. Ein älterer Franzose saß am Tisch, im Kamin prasselte ein kleines Feuer und er hatte vor sich einen Becher Rotwein, Brot und Käse stehen. Die Haare schon weiß und die Haut vom Wetter gegerbt, schauten mich seine brauen Augen fragend an. Höflich grüßte ich ihn in seiner Sprache und bat um Unterkunft für die Dauer des Unwetters und er lud mich ein am Tisch platz zunehmen. In gebrochenen Deutsch, er hatte wohl gleich erkannt, dass ich nicht ein Landsmann von ihm bin, bot er mir von seiner Mahlzeit an. Meine nasse Jacke hing ich in der Nähe des Kamins auf, ich stellte mich vor und so erfuhr ich, dass mein Gastgeber Pierre hieß und er der eigentliche Besitzer dieser Hütte war. Nach dem ersten Glas Wein, den ersten Bissen Brot und Käse sah er mir in die Augen und fragte: „Paul, Du kommst jedes Jahr hier hoch und schaust Dir die Hütte an. Gefällt es Dir hier? Mein Neffe berichtete mir schon von dem Deutschen, der jedes Jahr genau diese Hütte besuchen kommt und manchmal stundenlang auf der Bank vor dem Häuschen sitzt und in die Gegend schaut.“
„Ja, ich komme seit zehn Jahren jedes Jahr hierher. Ich will einfach mal Ruhe finden und hier ist es ruhig und die Hektik fällt hier ab. Es ist einfach schön und warum soll ich in die Bettenburgen am Meer fahren, Lärm, Hektik und Stress habe ich das ganze Jahr.“
Pierre schaute mich nachdenklich an, mir schien es, er schaute in mein Inneres und ich wich seinem Blick nicht aus, als er mich plötzlich fragte, ob ich seine Hütte kaufen wollte. Er würde bald achtzig Jahre werden und sein Neffe war in diesem Jahr auch noch weg gegangen. Er seufzte und sagte, dass immer mehr junge Leute weggingen, sie wollten die weite Welt sehen und das große Geld verdienen.
Mich überraschte sein Angebot und so bedeutete ich ihm, dass ich eigentlich nicht soviel Geld hätte, um sein Grundstück zu kaufen. Aber er wischte meinen Einwand weg und bot mir alles für gerade mal fünftausend Euro an und ich müsste ständig hier bleiben und er würde, solange es ihm möglich ist, gerne mal hier hoch kommen dürfen und einige Stunden auf der Alm verbringen wollen. Mehr nicht.
Inzwischen war der Regen in ein Unwetter übergegangen. Der Hagel prasselte auf das Schieferdach und an die kleinen Fenster. Es war dunkel geworden und obwohl meine Uhr gerade mal 15:00 Uhr anzeigte, war es finster wie in tiefster Nacht. Ich stand auf, legte etwas Holz im Kamin nach und dann sprachen wir weiter über die Vorstellungen von Pierre. Auch wovon ich leben sollte sprachen wir und der weise Mann begann meine Bedenken zu zerstreuen. Arbeit gibt es genug im Dorf und die Hotelwirte und die Reiseunternehmen suchten dringend Leute, die gut deutsch sprechen. Es kommen immer mehr Deutsche in diese Gegend, die betreut werden wollen. Auch die Bauern hier bräuchten Hilfe. Sie zahlten zwar nicht gerade die höchsten Löhne, aber gerne mit Naturalien und alles was man zum Essen hatte, bräuchte man ja nicht kaufen. Schlitzohrig meinte er dann noch, die Zeiten, als unsere jungen Männer nach Paris als Kaminkehrer gingen sind lange vorbei und heute verhungert hier niemand mehr.
Ich wollte es mir überlegen, aber dies war eigentlich nur eine kleine Ausrede vor mir selbst, denn zu überraschend sollte sich hier ein Traum erfüllen. Pierre schmunzelte, er hatte mich wohl schon lange durchschaut, stand auf, heizte den Ofen an und kochte Tee. Ich kramte in meinem Rucksack, fand das Baguette und eine kleine Salami und so aßen wir zum Abend. Ich wollte dann los, aber Pierre hinderte mich daran, denn inzwischen war es richtig dunkel und der Regen strömte rauschend vom Himmel, als ob er für das ganze Jahr das Wasser an einem Tag bringen wollte. Also saßen wir beim Schein einer Kerze und dem flackernden Kaminfeuer und erzählten uns ein Teil von unserem Leben. Ich erfuhr von seinem Sohn und der Schwiegertochter, den Enkeln und davon, dass er sie alle nur einmal im Jahr sehen würde, weil sie in Übersee lebten. Sohn und Schwiegertochter arbeiteten als Lehrer, die Enkel, ein Mädchen und ein Junge studierten in Australien und nun war eben sein letzter Verwandter, der Sohn seiner verstorbenen Schwester auch weg gegangen. Aber lächelnd betonte er, niemand ist in unserem Dorf allein, die Leute halten zusammen. Dies hatte ich ja auch schon bemerkt, viele kleine Begebenheiten zeigten es im täglichen Leben und die Leute hier hatten auch immer Zeit für einen kleinen Schwatz, sie nehmen sich auch die Zeit zum Leben, machen eben mal über Mittag ihre Geschäfte zu, genießen die Freuden des Tages und treffen sich auch nach Feierabend. Auch wenn sie hart arbeiten, leben sie nicht um zu arbeiten, sondern arbeiten um zu leben, so scheint es mir jedenfalls und wenn man die Friedhöfe besucht, so werden sie wohl auch sehr alt hier.
Nach einigen Stunden zeigte mir Pierre die Kammer und mein Bett, wünschte mir eine gute Nacht und ging dann in seine Kammer. Lange lag ich noch wach, lauschte dem Regen und versuchte mir ein Leben hier oben vorzustellen. Irgendwann war ich eingeschlafen. Am nächsten Morgen weckte mich der Duft nach frischem Kaffe und die Sonne strahlte vom blank geputzten blauen Himmel. Nichts erinnerte an das gestrige Unwetter. Pierre wünschte mir einen guten Morgen, ich wusch mich an der altertümlichen Waschschüssel und schon kam das Frühstück. Brot vom Vortag, warme Milchsuppe und heißer Kaffe mit viel heißer Milch aus den großen Schalen, die man bei uns für Müsli verwenden würde. Gemeinsam wuschen wir noch ab und dann machten wir uns auf den Abstieg. Unterwegs kamen wir noch einmal auf das Angebot zurück und ich schlug ein. Pierre blieb stehen, seine Augen strahlten und er drückte mich an seine Brust, als ob ich sein Sohn wäre. Hättet ihr ihn gesehen, ihr hättet nicht geglaubt, dass neben mir ein fast achtzig Jahre alter Mann läuft. Schnurstracks ging es zum Bürgermeister, dessen Sohn Rechtsanwalt ist und hier besprachen wir die Einzelheiten. Erstaunlicherweise sprachen die beiden auch ein ausreichendes Deutsch und ich hatte keine Mühe, sie zu verstehen. Nach dieser Unterredung brachte ich Pierre zu seinem Häuschen und wir verabredeten uns für den nächsten Tag beim Bürgermeister und beim Anwalt.
Der Vertrag war tatsächlich fertig, in Deutsch und Französisch ausgefertigt, wir unterschrieben ihn und ich zahlte tausend Euro an. Danach kam das Beste, der Bürgermeister hatte mir Arbeit verschafft und sogar einen Sprachkurs zum Erlernen seiner Muttersprache organisiert. Ich musste nur noch alle Verträge unterschreiben. Ich freute mich riesig, aber ein wenig musste ich die Herren bremsen. Immerhin hatte ich in meiner Heimat noch einiges zu klären und dann erst konnte ich zurückkommen. So fuhr ich nachhause, kündigte meine Arbeit, eiste meine Barschaft los und ein Makler sollte meine kleine Wohnung verkaufen. Mit einem Transporter nahm ich meine persönlichen Dinge mit und sechs Wochen später war ich wieder hier. Pierre bekam sein restliches Geld, ich die Schlüssel für die Hütte und dann richtete ich mich ein. Es war erstaunlich, wie viele Helfer sich einfaden. Sie brachten Brennholz in die Scheune, Frauen halfen mir beim Reinigen der Hütte, da sind sie nicht anders als die Frauen in meiner alten Heimat, nähten Gardinen und stellten sogar Blumen auf den Tisch. Irgendwie schon etwas peinlich, aber so sind sie eben, die Frauen. Mit der Arbeit klappte es auch, ich arbeite als Techniker an der Seilbahn und in dem Hotel, welches immer meine Unterkunft war und manchmal helfe ich den Bauern bei der Heuernte oder auch beim Viehabtrieb. Pierre Aussage zu den geringen Löhnen waren wohl stark übertrieben, ich fand sie durchaus in Ordnung und statt Geld nahm ich lieber Naturalien und diese gab es reichlich.
So kam mein erster Winter, die Touristen strömten in Scharen und an der Seilbahn, im Hotel und auf der Piste gab es reichlich zu tun. Als sich herumsprach, dass ich deutsch spreche, kamen auch immer mehr Leute, um sich dolmetschen zu lassen. Ist schon lustig, ich lerne selbst noch die Sprache, aber da ich sie besser kann, als die Touris, bin ich unter den Blinden als Einäugiger der König. Der Winter verging, es herrschte Ruhe im Ort, bevor zu Ostern das Sommerhalbjahr begann und ich hatte mich eingelebt. Die Einheimischen akzeptierten mich, wir lernten von einander manchen kleinen Kniff und die Sprache. Ich französisch, sie deutsch und mancher Wirt bat um eine deutsche Speisekarte und so halfen wir uns gegenseitig.
Pierre besuchte mich im Sommer fast jede Woche und wenn ich nicht daheim war, saß er auf der Bank oder ging auch schon mal in die Hütte, er kannte mein Schlüsselversteck. Eines Tages lernte ich auch seinen Sohn und seine Schwiegertochter mit den Enkeln kennen. Sehr nette Leute, aber doch auch sehr gehetzt von ihrer Arbeit. In ihrem Urlaub mussten sie alles schnell besuchen, Jedem mal guten Tag sagen und dann waren die vier Wochen auch schon wieder um und sie flogen zurück. So ging es mir wohl auch als Urlauber.
Auch dieser Sommer verging und es wurde Herbst, eine relativ ruhige Zeit, und dann kam der Winter. Pierre kam nun nicht so oft, aber ich fuhr mindestens einmal in der Woche bei ihm vorbei. Es war kurz vor Weihnachten und wir verabredeten, dass wir diesmal Weihnachten bei ihm feiern. Er selbst fühlte sich im Moment nicht so wohl und schließlich würde er am 15. Juni achtzig Jahre werden. Ein ganz neuer Zug bei ihm, er wurde etwas älter und sprach dies auch aus. Aber warum nicht, im vorigen Jahr feierten wir in der Hütte, dann eben in diesem Jahr hier unten.
Es kam der Tag, an dem vieles anders werden sollte. Wir schrieben den 23.Dezember. Die Sonne ging noch strahlend auf, aber das Barometer fiel seit gestern Abend stetig. Der Wind aus Nordwest brachte im Laufe des Vormittags immer mehr Wolken und gegen Mittag gab es die ersten Wetterwarnungen. Die Seilbahn stellte ihren Betrieb ein, die Wirtin der Kammhütte in 1800 m Höhe kam in das Dorf zurück und ich besuchte noch kurz Pierre, dann fuhr ich auch in meine Hütte. Ein Feuer brannte schnell und gerade kochte ich mir meinen Kaffee, da brauste es draußen los und der Schneesturm begann. Die Sicht betrug kaum noch einhundert Meter und so wie es aussah, würde es wohl noch schlimmer kommen. Am späten Nachmittag beruhigte sich der Wind etwas, aber die Flocken fielen dicht. Leise deckte der Schnee alles zu, die Temperatur fiel auf zehn Grad unter Null und ich war froh, in meiner Behausung zu sitzen. Eben hatte ich mich auf meine Bank zurückgezogen, als es an die Tür hämmerte. Als ich öffnete, stand dort eine Gestalt in einem roten Parker und bat um Einlass. Natürlich ließ ich sie rein und als sie den Schnee von der Jacke geschlagen hatte, die Kapuze abnahm, stand vor mir eine junge Frau. Sie sagte höflich guten Tag und stand wie ein Häuflein Unglück vor mir. Als sie bemerkte, dass ich deutsch spreche, war sie irgendwie erleichtert und ich konnte sie verstehen, denn auch ich war ja mal als Tourist hier angekommen. Ich bat sie ihre Jacke und die nassen Stiefel auszuziehen, schob sie auf die Bank und gab ihr einen heißen Tee. Nach einiger Zeit kam sie wieder soweit zu sich, dass ich sie fragen konnte, warum sie bei diesem Wetter unterwegs war. Immerhin ist es leichtsinnig hier in den Bergen bei Unwetterwarnung einfach los zu gehen. Sie war am Morgen mit der Bahn zur Kammhütte gefahren und dann von dort aus weitergelaufen. Als es windig wurde, ging sie talwärts, aber sie hatte wohl die Entfernung unterschätzt und kam so in den Schneesturm. Dann sah sie hier das Licht und hoffte eben auf Hilfe. Helen, so hieß das hübsche Kind, wohnte zufällig in dem Hotel, in dem ich angestellt bin und eigentlich wollte sie mit ihrem Freund dort Weihnachten feiern. Er hatte sich aber von ihr getrennt und so nahm sie ihre Mutter mit. Diese würde sich bestimmt schon Sorgen machen.
Ich gab ihr mein Handy, sie rief das Hotel an und informierte ihre Mutter. Eine Rückkehr heute war aber ausgeschlossen und sie würde wohl hier übernachten müssen. Nach diesem Anruf sah mich Helen aus ihren walnussbraunen Augen fragend an und meinte: „Es ist sicher frech von mir, zu sagen ich schlafe hier in der Hütte. Ich kenne Dich gar nicht und weiß auch nicht, ob Du überhaupt Platz hast:“
Die Kleine war wirklich süß, kommt halb erfroren bis vor die Hütte, wird eingelassen und macht sich Gedanken über die Nacht. Bestimmt kennt sie das ungeschriebene Gesetz der Berge nicht, hier wird jedem geholfen und keiner wird bei solch einem Wetter vor die Tür gesetzt.
„Du bleibst natürlich hier und ich mache Dir das Gästezimmer fertig. Es wird sogar geheizt. Zieh Dir diese Hüttenschuhe an und komm einfach mit.“
Ich zeigte ihr die unbenutzte Kammer, eigentlich Pierres Schlafraum und heizte den kleinen Ofen an. In einem Wandschrank lag immer frische Wäsche, eigentlich nur für Jungs, aber ein warmer Trainingsanzug und Pullover sind immer noch besser als nasse Skianzüge und Stiefel. Helen suchte sich etwas Passendes aus und ich zog mich zurück in den Wohnraum. Schnell waren eine Suppe angesetzt, Brot geschnitten und eine Flasche Wein, Butter und frischer Käse auf dem Tisch. Kaum waren die Vorbereitungen abgeschlossen, kam Helen auch schon wieder aus ihrer Kammer und nun strahlte sie mich an. Sie sah einfach drollig aus in den geborgten Sachen, alles war etwas zu groß, doch so konnte sie ihre nasse Ausrüstung neben den Kamin hängen und morgen würde es schon trocken sein. Meine einzige Glühbirne löschte ich und zündete zwei dicke Kerzen auf dem Tisch an, im Kamin knackte frisches Holz und dann begannen wir zu essen. Sie musste wirklich hungrig sein, denn am Anfang sagte sie kein Wort beim Essen, sie aß einfach nur. Ich schaute ihr mehr zu, als ich selbst aß, denn schon lange hatte ich keine Frau mehr zu Gast in meiner Behausung.
Wie soll ich Helen beschreiben, dunkle Haare, etwa 1,60 m groß, knapp dreißig Jahre und das was Männer im Allgemeinen griffig nennen. Also alles im richtigen Maß und an den richtigen Stellen gepolstert. Eben ein hübsches Mädchen. Langsam bekam sie auch richtig rote Wangen, sicher weil ihr wieder warm wurde und der Wein dürfte sein Übriges dazu getan haben und als ihr erster Hunger gestillt war, begann sie auch über sich zu erzählen.
Helen war 28 Jahre, kam aus Dresden und hatte vor zwei Jahren ihr Architekturstudium abgeschlossen. Dort lernte sie ihren Freund kennen und gemeinsam begannen sie in einem Architektenbüro zu arbeiten. Immer öfter kam es aber zum Streit mit ihm, weil ihre Arbeiten bei den Kunden besser ankamen. Sie hatte einfach mehr Gespür für den Trend der Zeit, die Leute wollten nicht mehr so technisiert und geradlinig wohnen. Romantik war angesagt. Er lebte mehr den Bauhausstil, gerade und zweckmäßig, keine Schnörkel. Das passte sicher in Büros und Betriebe, aber eben nicht zu Privathaushalten und ihr Chef sagte es ihm auch. Als er ihm dann auch noch in ihrem Beisein ihre Arbeiten lobte und ihn bat, sich bei seiner Freundin etwas abzuschauen, verließ er das Büro, räumte seine Sachen aus ihrer gemeinsamen Wohnung und zog zu seiner Mutter. In der Firma kündigte er und wird wohl nun in einem anderen Betrieb anfangen. Ihre geplante Hochzeit im Sommer war damit auch erledigt.
Während sie ihre Geschichte erzählte, stahlen sich einige Tränen in ihre schönen Augen und ich musste ihr mit einem Taschentuch aushelfen. Was ist man doch immer hilflos, wenn eine Frau weint. Eine die man kennt, kann man in den Arm nehmen, aber eine fast fremde Frau? Trotzdem setzte ich mich neben sie und nahm sie einfach in den Arm. Sie kuschelte sich an meine Schulter und als sie sich beruhigt hatte, erzählte sie weiter. Ihre Mama war ohne Vater groß geworden, der Großvater soll ein Franzose gewesen sein und sie selbst wuchs auch zeitig ohne Vater auf. Er verunglückte, als sie gerade zehn Jahre war. So lebte sie mit der Großmutter und der Mutter, bis die Großmutter vor zehn Jahren mit gerade mal 70 Jahren starb. Seitdem hat sie nur noch die Mutter und sonst niemanden, aber mit einem Lächeln betonte sie, dass ja noch nicht aller Tage Abend ist und sie schon noch den Richtigen finden wird.
Nun musste ich meine Geschichte erzählen und wie ich zu diesem Häuschen kam. Also erzählte ich es ihr, nachdem ich eine Wärmflasche für ihr Bett gemacht hatte und noch einmal Holz im Kamin und den Öfen nachgelegt hatte. Helen saß im Schneidersitz neben mir auf der Bank und lauschte meiner Geschichte. Nur manchmal hob sie den Kopf, wenn der wieder auflebende Sturm in den Kamin fuhr und das Feuer niederdrückte. Es heulte nun wirklich schrecklich um die Ecken der Hütte, aber mir war dies nicht unbekannt. Als das Feuer fast runter gebrannt war, zeigte ich ihr noch mein kleines Bad und gab ihr eine kleine Laterne mit für die Nacht und als sie sich frisch gemacht hatte, gingen wir schlafen. Nicht ohne ihr zu versprechen, sie morgen früh in ihr Hotel zu bringen. Ich brachte sie noch bis zur Tür ihrer Kammer, strich ihr sanft über das seidige Haar und wünschte eine gute Nacht. Dann legte ich mich auch in mein Bett und versuchte zu schlafen. In Gedanken stellte ich mir allerdings vor, wie es mit ihr gemeinsam in meiner Hütte wäre. Irgendwann bin ich wohl eingeschlafen. Plötzlich wachte ich auf, denn eine Gestalt in einem zu großen Schlafanzug stand vor meinem Bett.
„Kann ich zu Dir kommen, mir ist kalt allein und ich habe Angst. Der Sturm heult zu schrecklich.“
Flink rutschte ich zur Seite, Helen schlüpfte unter die dicke Decke, von kalt keine Spur und schon kuschelte sie sich an mich. Ihre Haare kitzelten mich an der Nase, ihr warmer Atem am Hals und leise flüsterte sie mir ins Ohr, dass sie einfach nicht in solch einer Nacht allein sein wollte. Also zog ich sie an mich, legte meinen Arm um ihre Schulter, streichelte ihr Haar und ihren Rücken und irgendwann schlief sie wieder ein. Auch ich fand noch einige Stunden Schlaf, bis am nächsten Morgen die Sonne in die Kammer schien und uns aufweckte. Ich stand auf, heizte den Wohnraum an, setzte Kaffeewasser auf und wusch mich. Dann kam auch schon Helen, angelockt durch den Duft frischen Kaffees und aufgebackener Croissants. Dazu gab es Marmelade und heiße Milch. Schnell wusch sie sich, zog sich an und während des Frühstücks schwärmte sie davon, wie gut sie geschlafen hatte. Danach half sie mir das Geschirr abzuwaschen und wir machten unsere Betten, ich heizte noch den Ofen etwas an, damit es nicht zu kalt sein würde, wenn ich morgen wieder komme und schließlich war es Zeit in das Dorf zu fahren.
Wie meistens hatte ich Glück, der Wind hatte den Schnee nicht vor der Hüttentür zusammen geschoben und so kamen wir ungehindert zur Scheune. Ich holte den Jeep raus, Helen kletterte auf den Beifahrersitz und ich fuhr los zum Hotel. Nach einer halben Stunde waren wir angekommen, ich musste mit auf ihr Zimmer und dort erwartete mich schon ihre Mutter. Welch eine Überraschung, sie musste ja schon über sechzig sein, aber man hätte sie für die ältere Schwester von Helen halten können. Freundlich wurde ich herein gebeten und Helen erzählte ihrer Mutter von der „wunderbaren Rettung“ ihrer Tochter und sie schwärmte in den höchsten Tönen von der schönen Hütte und natürlich von mir als Gastgeber. Ich glaube, ich wurde rot und entschuldigte mich, da ja Pierre auf mich wartete und wenn sie wollten, könnten sie ja mitkommen, aber ich müsse nun los. Morgen würde ich wiederkommen, wenn ich dürfte. Helen hatte aber eine andere Idee und so begann die eigentliche Weihnachtsüberraschung oder ein Fest, welches die Beteiligten nie mehr vergessen werden.
Wir verabschiedeten uns also von Helens Mutter und Helen selbst wollte am Abend wieder zurück sein und fuhren an das andere Ende vom Dorf zu Pierres Haus. Kurz nach meinem Klingeln öffnete Pierre und ich glaubte, er bekommt einen Herzschlag. Seine Hand fuhr zum Mund als er Helen sah, seine Lippen formten den Namen Marie und er fasste Helen an den Händen, zog sie in die Stube und wir schauten uns an und wussten nichts zu sagen. Er stand vor Helen, schaute sie an, strich über ihr Gesicht und ihre Haare und murmelte: „Genauso wie meine Marie schaust Du aus, ganz genauso!“
Wir führten Pierre zu seinem Sessel, setzten uns ihm gegenüber und warteten auf eine Erklärung. Irgendetwas war hier geschehen, was wir nicht begriffen.
„Du bist nicht Marie, junges Fräulein, aber Du siehst genau so aus. Nie habe ich geglaubt, dass es noch einmal eine Marie für mich gibt. Wer bist Du, mein Kind?“
„Ich bin Helen und komme aus Dresden in Deutschland. Meine Mama heißt Ulrike und die Oma hieß Marie.“
„Marie und weiter?“
„Marie Baumann aus Dresden war meine Oma. Leider ist sie schon gestorben, sie wäre nächstes Jahr achtzig Jahre geworden.“
„Hast Du ein Bild von Deiner Oma und kannst Du es mir zeigen, bitte?“
„Ja, ein Bild habe ich, aber bitte erklären Sie mir, was mit Ihnen ist1“
„Sofort mein Kind und Dir auch Paul, aber ich würde bitte zuerst das Bild sehen wollen.“
So holte Helen aus ihrer Handtasche das Bild ihrer Großmutter Marie und zeigte es Pierre. Er betrachtete das alte Bild mit seinen alten Augen und zum ersten Mal sah ich ihn weinen. Er streichelte das Bild und murmelte immer wieder „Mon Cheri Marie“
Wir saßen auf unseren Stühlen und langsam dämmerte mir, was hier geschehen war. Ein alter Mann hatte seine Enkeltochter und seine Tochter gefunden. Eine tragische Liebe scheint hier ein glückliches Ende zu finden.
„Deine Mama ist auch hier in Valmorel?“
„Ja Pierre, ihre Mutter ist auch hier und wenn Du möchtest, hole ich sie her.“
„Nein Junge, Du brauchst sie nicht holen, wir fahren hin. Wartet bitte einen Augenblick, ich ziehe mich nur kurz um.“
Nach einigen Minuten stand Pierre in seinem besten Anzug vor uns, den Wintermantel angezogen und seine Mütze keck auf seinem weißen Haar vor uns und drängte zum Aufbruch. In wenigen Minuten waren wir im Hotel angekommen und wurden dort überrascht begrüßt, denn Pierre kam selten in dieses Hotel, weil er eigentlich alles hatte und wenn er in eine Gastwirtschaft ging, dann lieber im Dorf. Dort war er mehr unter seinen Landsleuten. Ich erkundigte mich nach Frau Baumann. Sie saß gerade im Cafe des Hotels und genoss ihren Nachmittagskaffee und las dabei eine Zeitschrift. Pierre beobachtete Ulrike von weitem und da er sie nur im Profil sah, ging er etwas weiter in das Cafe, öffnete dabei seinen Mantel und seine Finger fuhren hinter den Kragen seines Hemdes, als ob ihm der Kragen die Luft abschnürte. Langsam näherte er sich Helens Mutter und als er vor ihr stand, verbeugte er sich, schaute ihr in die Augen und wieder schimmerten Tränen. Höflich bat er darum, Platz nehmen zu dürfen und Helens Mutter schaute sich fragend um, sah uns im Hintergrund stehen, wir hielten uns an den Händen und starrten fasziniert auf die Szene, Helen nickte ihrer Mutter zu und diese rückte Pierre einen Stuhl zurecht und bat ihn sich zusetzen. Pierre schaute Ulrike lange an, unfähig ein Wort zu sagen, stand dann auf und umarmte Ulrike, küsste sie auf die Wangen und wieder stammelte er etwas von seiner Liebe Marie. Endlich gingen wir auch an den Tisch, setzten uns neben die Zwei und die Bedienung schaute uns fragend an. Ich schüttelte den Kopf und leise zog sich meine Kollegin zurück. Doch am Tresen versammelten sich langsam einige Angestellte und sogar die Chefin des Hauses stand neben ihren Angestellten. Alle ahnten, hier geschah etwas Ungewöhnliches, noch nie Dagewesenes und es wurde ganz still im Raum. Die restlichen Gäste schauten ebenfalls zum Tisch und Ulrike wurde es langsam unangenehm, als Pierre sie nach ihrem Geburtstag fragte, dem Namen ihrer Mutter und nach ihrem Großvater. Ulrike war im September 1947 geboren, nur einige Wochen nach der Rückkehr der Mutter aus französischer Internierung, eigentlich war ja nur ihr Opa interniert, aber die Mutter war noch minderjährig und so blieb sie wohl bei einem französischen Bauern und lebte dort von Ende 44 bis zu ihrer Rückkehr. Sie musste wohl irgendwo hier im Süden gelebt haben, denn ihre Mutter erzählte ihr immer, der Opa war in Grenoble interniert und sie konnte ihn wohl manchmal besuchen. Es kann also nicht weit weg gewesen sein und irgendwann verliebte sich die Mutter wohl und das Resultat war dann sie. Doch bevor sie geboren wurde, mussten ihre Mama und der Großvater das Land verlassen und so kamen sie wieder in die Heimatstadt der Mutter, nach Dresden.
Pierre zog aus seiner Jackentasche eine alte Brieftasche, legte einige vergilbte Fotos auf den Tisch und nun erschrak Ulrike, denn auf diesen Bildern sah sie ihre Mutter und Pierre und sie sah auch meine Hütte, die alte Bank, auf der Pierre oft saß, wenn er mich besuchte und plötzlich weinten, lachten und umarmten sich Pierre und Ulrike. Das Personal und die anwesenden Gäste standen um unseren Tisch und wenn auch nicht alle die Sprache verstanden, das was hier geschehen war, verstanden alle. Pierre hielt Ulrikes Hände fest, streichelte seine Tochter und keiner sprach ein Wort, bis die Beiden von selbst ihr Schweigen brachen.
„Paul, ich möchte dieses Weihnachten doch nicht in meinem Haus feiern. Könnten wir zu Deiner Hütte fahren? Ich wünsche mir, dass ich dieses Fest dort feiern darf, wo alles begann, auch wenn Marie es nicht mehr erlebt.“
Diesmal umarmte ich den alten Pierre und weil mir die Tränen kamen, nickte ich nur. Ulrike und ihre Mutter liefen auf ihr Zimmer, packten einige Sachen zusammen und nach wenigen Minuten standen sie wieder vor uns. Madam Justine, die Hotelchefin, überreichte uns eine ganze Kiste Champagner, ich fuhr mit den Dreien noch zu Pierres Haus und wir holten die Weihnachtsleckereien. Danach ging es erst einmal zur Hütte. Pierre ging voran, er hielt Ulrike an der Hand, als ob sie gerade laufen gelernt hatte und zeigte ihr sein altes Reich, das Liebesnest von Marie und Pierre, das auch das Zuhause von Ulrike hätte sein können.
Gemeinsam mit Helen heizte ich alle Öfen an, wir schmückten den großen Wohnraum mit dem Wenigen, was ich an Weihnachtssachen hatte und auf den Platz auf der Bank von Pierre und Ulrike legte ich das weichste Schaffell, welches ich fand. Mit Helen bereiteten wir das Abendessen vor, dann betraten Vater und Tochter den Wohnraum, Kerzen leuchteten, leise Musik spielte, das Kaminfeuer flackerte und wie bestellt, begann es leicht zu schneien. Nach dem Essen erzählte Pierre leise die Geschichte seiner Liebe zu Marie, wie sie begann, wie sie tragisch endete und nun doch zu einem glücklichen Abschluss kam. Während der ganzen Zeit lagen die alten Bilder von Marie und Pierre auf dem Tisch und immer wieder schweiften unsere Blicke zu diesen Bildern. Längst saß Helen dicht an mich gekuschelt, Ulrike streichelte ihrem wieder gefundenen Vater über die Hände und sein weiß gewordenes Haar und kurz vor Mitternacht traten wir vor die Hütte und lauschten den Glocken, die aus dem Tal herauf klangen und die frohe Weihnachtsbotschaft verkündeten.
Zum ersten Mal in meinem Leben bekam Weihnachten eine ganz andere Bedeutung für mich.
Wir waren uns sicher, dass wir uns nie wieder trennen würden, Helen küsste mich lange da draußen im Schnee und Vater und Tochter sahen den tanzenden Schneeflocken zu, schauten in das Dorf hinunter, wo alles hell erleuchtet war.
Am nächsten Morgen fuhren wir alle in die Kirche, für mich eher ungewöhnlich und für Ulrike und Helen auch, aber Pierre wollte der heiligen Jungfrau eine Kerze stiften. Bei Betreten der Kirche stand die gesamte anwesende Gemeinde auf. Sie beglückwünschten Pierre zu seinem wohl größten Weihnachtsgeschenk und der Priester predigte von dem großen Glück der Liebe und ihren manchmal seltsamen Wegen. Wir besuchten das Grab von Pierres zweiter Frau und er erzählte ihr von seiner wieder gefundenen Tochter, danach fuhren wir zu seinem Haus, welches er Ulrike und Helen voller Stolz zeigte und das Mittagessen fand diesmal in einem Restaurant statt. Uns schien es, als ob das ganze Dorf und alle seine Gäste von diesem Wunder schon erfahren hatten, denn alle Leute lächelten uns zu und wünschten uns fröhliche Weihnachten und ein langes Leben.
Kommentare
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