Weeslower  Chroniken VIII  - 2007 -  Inês - Kapitel 10 – Der Reitausflug


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03.02.2022
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Weeslower  Chroniken VIII  -  2007 -  Inês - Kapitel 10 – Der Reitausflug

Am Abend sprachen Inês und Nadine nochmal miteinander. Nadine klärte Inês über ihren zwischenzeitlichen Entschluss auf. Sie wolle ihr Leben in Weeslow ab jetzt auf das Nötigste reduzieren. Und sie werde weiter in Vollzeit in Berlin in der H:S weiterarbeiten, sie habe da schon länger ein entsprechendes Angebot von Reichenbacher. Für die Kinder sei es besser, wenn sie ihren Mittelpunkt nur noch in Berlin hätten. Michael werde schon darüber hinwegkommen.

„Und ich?“ fragte Inês ängstlich.

„Genau das wollte ich Dich fragen, Inês. Was möchtest Du?“

Es war seit langem das erste Mal, dass sie das von jemandem gefragt wurde. Erst recht von Nadine. Entsprechend überrumpelt war sie. Es machte ihr nicht leichter, dass in diesem Augenblick Julia ins Zimmer kam und sich an sie kuschelte.

„Ich liebe Dich.“ flüsterte Inês in den Hörer. „Und ich liebe Julia.“ ergänzte sie. Julia strahlte sie an. Deren vollen schönen Brüste schienen vor Freude zu vibrieren.

In diesem Augenblick wurde Inês klar, dass sie sich tatsächlich über alles in dieses junge, blonde Mädchen verliebt hatte. Nadine war ihre gute Freundin, ihre Vertraute, ja auch ihre Geliebte. Aber Julia gehörte ihr ganzes Herz und ihr ganzer Leib. Julia war ihre Zukunft.

Und nicht etwa ein Mann. Dieser zweite Gedanke schnürte ihr kurz die Kehle zusammen. Sie liebte eine Frau, so wie sie noch nie einen Mann geliebt hatte. Vielleicht auch niemals lieben würde. Sie musste fast zwanzig Jahre alt werden, um zu erkennen, wie viel eine Frau ihr bedeuten konnte.

Als Julia sich wieder erhob, um zu den anderen zurückzugehen, beendete Inês alsbald das Gespräch mit Nadine unter vielen Liebesbeschwörungen, und ging nach draußen, aber nicht zur Terrasse, sondern vorn hinaus, und begab sich auf den Fußweg zum See. Sie musste nachdenken. Liebe ich wirklich Frauen? Anstelle von Männern? Oder beides? Sie war klug genug zu wissen, dass ihre bisherigen Erfahrungen in Sachen Liebe noch sehr übersichtlich waren, und sie das wohl noch gar nicht wissen konnte. Aber Julia hatte in ihr ganz andere Gefühle geweckt als alle anderen vorher, egal ob York und Jesse oder Nadine oder Niklas, und erst recht als alle anderen Schwärmereien vorher. Das, was die drei Männer in ihrem bisherigen Sexleben mit ihr gemacht hatten, war wunderbar gewesen. In dieser Hinsicht konnte sie Männer lieben – oder besser: begehren. Und sie als Männer auch bewundern und verehren. Nadine hingegen hatte sie sowohl begehrt als auch geliebt. Und als Frau auch bewundert. Doch in Julia war sie zum ersten Mal wirklich mit Leib und Seele richtig verliebt. Nach nur zehn Stunden wusste sie dies mit Gewissheit.

Also was tun? Hier bleiben, in Weeslow? Das wäre das Größte. Und nur hier gelegentlich Nadine treffen? Schon dieser Gedanke hinterließ ein flaues Gefühl im Magen. Dazwischen wochenlanger Verzicht auf Nadine, auf York? Und auf Sara und Ivy! Gerade diese beiden süßen Racker fehlten ihr jetzt schon. Sie war doch deren Familienmädchen! Und Niklas? Niklas! Für ihn empfand sie echte Zuneigung, auch in körperlicher Hinsicht. Und sie hatte ihm etwas versprochen, was sie unbedingt einhalten wollte… Ihn in die Liebe einführen, als echten Freundschaftsbeweis. – Wie schön wäre es doch, wenn alle an einem Ort leben könnten.

Sie fand sich am See wieder. Ein kühler Wind kam über das Wasser herüber. Gleich würde es gewittern. Sie fröstelte und eilte zum Haus zurück.

Die Terrasse war verlassen, die Polen waren wohl schon gegangen. Inês hörte durch das offene Fenster des Schlafzimmers, wie Julia und Michael es oben trieben. Julia stöhnte rhythmisch, und auch Michael konnte sie deutlich hören. Das Bett knarzte laut. War auch sie eifersüchtig, weil sie Julia mit ihm teilen musste? Seltsam - nein, war sie nicht. Julia war schließlich sein Sommermädchen, er durfte das mit ihr machen. Und sie mit ihm. Und zudem: es war endlich. Danach… Ja, was danach? Egal, sagte sie sich, ging hinein und stieg die Treppe hoch.

Nur eine Nachtischlampe brannte im Zimmer. Michael steckte tief in Julia, die ihre Beine um seinen Rücken geschlungen hatte, und stieß mit seinem mächtigen Kolben kräftig zu. Mit jedem Stoß schwangen Julias großartige Titten heftig mit. Doch zu Inês Überraschung entdeckte sie noch jemanden, im Schatten auf der anderen Seite des Zimmers, in einem Sessel sitzend. Wiktor. Er schaute den beiden zu und holte sich dabei einen runter. Von Agata keine Spur. Als er seinerseits Inês erblickte, hielt er erschrocken inne und bedeckte seinen aufrechtstehenden Kolben mit beiden Händen. Ob ihn die anderen beiden noch gar nicht entdeckt hatten, fragte sich Inês sogleich. Doch an Michaels Grinsen, als er Inês entdeckte, erkannte sie, dass zumindest er von seinem Zuschauer wusste.

„Hilf ihm doch mal…“

Inês stand einen Moment unschlüssig in der Tür. Michael nickte ihr erneut auffordernd zu, ehe er sich wieder Julia widmete. Inês trat einen Schritt vor, zögernd, dann noch einen. Wiktor verstand allmählich, was auf ihn zukam. Er schüttelte den Kopf. Vermutlich wusste seine Frau nicht, dass er hier war. Und vermutlich war ihm das alles hier nicht erlaubt. Inês blieb stehen, sah ihn fragend an. Der Riese erhob sich, immer noch mit den Händen sein großes, steifes Glied verdeckend, und stolperte eilig an ihr vorbei. Inês ließ ihn passieren, doch dann lief sie hinterher.

„Wiktor! Warte!“

Tatsächlich blieb er auf der Treppe stehen und sah sich zu ihr um.

Inês kam auf ihn zu und umfasste mit beiden Händen seine starken Schultern. „Gute Nacht!“. Dann presste sie sich an ihn, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn lang und ausgiebig, ließ von ihm ab, lächelte ihn lieb an, beugte sich herab, küsste zart seine geschwollene Eichel, ganz Versprechen, so wie sie es neulich mit Niklas getan hatte, und huschte wieder nach oben, um sich den anderen beiden anzuschließen.

Sie ahnte, dass Wiktor wieder still in der Tür stand und ihnen nun beim Dreier zusah. 

 

Am nächsten Morgen, ohne dass einer von den dreien allzu viel Schlaf bekommen hätte, saßen sie schon gegen acht am Frühstückstisch. Michael war bereits angezogen, trank schnell einen Kaffee im Stehen. Er musste vormittags in die Schule. „Also, wie gesagt: Am See haben wir letzte Woche die neue Wasserski-Anlage eröffnet. Auf meinen Namen bekommt Ihr umsonst Wakeboards und könnt das mal ausprobieren. Jan von den H:S-Sporttrainern wird es Euch zeigen, der gibt Euch bestimmt gern Sonder-Unterricht.“

„Okay. Wir überlegen es uns.“ meinte Inês unbestimmt.

„Also, entscheidet Euch und sagt mir dann, wo Ihr Euch herumtreibt. Bis später!“ Er küsste erst Julia, dann Inês, und verschwand.

„Ich muss Dir was gestehen.“ begann Inês leise.

Julia setzt mit verängstigtem Blick ihre Tasse ab. „Was Schlimmes? Dein Freund oder sowas?“

Inês lachte. „Keine Sorge. Ich habe keinen. Keinen eigenen jedenfalls, nur die Männer, die ich mit Nadine teile. - Nein, was ganz anderes. – Ich kann nicht schwimmen.“

Erleichtert lachte auch Julia. „Und ich dachte schon… Also, das ist kein Problem. Lass es mich Dir beibringen.“

„Sehr gern. Aber dann nicht vor allen Leuten.“

„Klar. Am besten gleich hier, an der Badestelle. Fangen wir damit an, und dann fahren wir nachher zum Reiten.“

 

An der Badestelle waren sie zunächst allein, später gesellte sich der kleine Jonas. Mels Sohn, dazu. Julia zeigte ihr die Bewegungen, gab ihr Ratschläge, machte vor, hielt Inês fest unter dem Bauch, so wie Inês es selbst vor kurzem in der Kita in Berlin noch mit den ganz Kleinen gemacht hatte, und so wie Niklas damit bereits bei ihr begonnen hatte. Jonas lachte sich darüber fast kaputt und neckte Inês fortwährend. Aber vor dem Jungen war es ihr nicht peinlich. Zum Glück machte sie schnell Fortschritte. Als aber Agata hinzukam, hörte Inês sofort mit dem Unterricht auf. Die drei Frauen lagen eine Weile nebeneinander träge in der Sonne und plauderten über Belangloses. Schließlich zog Julia ihre Freundin davon, um endlich zum Reiten zu fahren.

 

Sie radelten zum Petershof, wie das Reiterhotel Peters alle nannten. Diesmal führte sie der Weg in der östlichen Richtung um die Seen herum. Sie kamen nach einem Waldstück und einem Feldweg durch Flursdorf hindurch. Ein Bauer auf einem Traktor grüßte freundlich, ebenso der Briefträger, eine alte Frau beim Wäscheaufhängen. Friedliche Provinz, herrliches Landleben. Zwei fröhliche, unbeschwerte, dabei bis auf die Schuhe und ihre Sommerhüte splitternackte Mädchen auf ihren Fahrrädern. Sommerfreuden.

Inês fiel auf, dass sie nun seit 48 Stunden, seit dem Essen bei Pröschls – abgesehen von der kurzen Episode mit dem Rock auf dem Weg nach Weeslow – keinerlei Kleidung mehr am Leib hatte. Und wenn es nach ihr ginge, könnte das jetzt den ganzen Sommer so bleiben.

 

Sie wurden direkt von Stefan Peters begrüßt, als sie ihre Räder abstellten. Der Chef kannte Julia schon, die ihm nun ihrerseits Inês vorstellte. Er selbst sah gut aus, wie Inês fand, doch nicht zu vergleichen mit dem, der jetzt kam: Der Reitlehrer Pavel, der Schwarm aller Mädchen und Frauen, die zum Reiten auf den Hof kamen. Während Peters in T-Shirt und Cargo-Hose herumlief, hatte Pavel nichts anderes an als Reitstiefel und einen Cowboy-Hut. Er war nicht groß, sogar einer klein mit einem Meter siebzig – aber durchtrainiert und sehr sportlich. Und gut bestückt. Julia und Inês warfen sich einen vergnügten Blick zu. Doch auch Pavel ließ ziemlich unverhohlen seine Blicke über die beiden Schönen schweifen. Er brachte ihnen zwei wunderbare Rappen heraus. Die beiden Mädchen striegelten und sattelten die schönen Pferde.

 

„Was schaust Du?“ fragte Inês grinsend, als sie, kurz nachdem sie losgeritten waren, Julias Blicke von der Seite her bemerkte.

„Du siehst gut aus.“

„Danke.“

„So durchgehend gebräunt, so herrlich schlank, so dunkelhaarig, auf diesem schönen Rappen.“

„Jetzt sag nicht, wie ein Indianermädchen.“

„Doch. Genau so. Besonders mit diesem Zopf. Ja, das ist es. Wie ein Indianermädchen auf einem Pferd. So schön und so natürlich, und ein bisschen wild…“

Inês lachte. „Und so nackt… Nenn mich Pocahontas, wenn Du willst! Du darfst das.“

 

Auf einem Waldweg ging vor ihnen eine Familie, Vater, Mutter, ein etwa dreizehnjähriger Sohn, eine etwa sechzehnjährige Tochter. Ihre Kleidung und ihr Gepäck ließen erkennen, dass sie auf dem Weg zum Baden am See waren. Inês und Julia ritten leise heran. Erst als sie etwa fünfzehn Meter hinter den vieren waren, bemerkte sie der Junge. Er sah sich um, blieb stehen, starrte sprachlos die nackten Mädchen auf den schönen Pferden an. Dann drehten sich auch die anderen drei um. Sie machten zögerlich Platz, je zwei auf jeder Seite, und ließen die beiden passieren. Inês ritt voran und bedankte sich höflich. Keine Antwort, nur verblüfftes Schweigen. Und böse Blicke vom Vater. Auch Julia bedankte sich für das Vorbeilassen. Diesmal antwortete nur das Mädchen, eine süße Blondine, nicht allzu groß, mit wunderschönen blauen Augen, dessen sehr knappe Shorts durchaus ein Blickfang waren. Es schaute Julia schüchtern, aber neugierig an und murmelte leise: „Gern.“

Als sie vorbei geritten waren, brach es aus dem Vater heraus: „Unerhört! Was ist das denn?“ Und er rief den beiden Reiterinnen hinterher: „Sauerei! Das müsste man anzeigen!“

Inês kicherte, Julia sah sich grinsend um. Sie hörten ihn noch eine Weile lang, wie er sich fluchend aufregte.

Der Weg wurde breiter, Julia schloss zu Inês auf und ritt wieder neben ihr her: „Was für ein Blödmann. – Aber das ist seit langem die erste richtig böse Reaktion auf meine Nacktheit.“

„Schon mal passiert?“

„Selten. Jedenfalls selten so offen und aggressiv. Wenn dann nur nonverbal.“

„Egal. Lass sie, sie wissen es nicht besser.“

Inês hörte sich selbst so reden und wunderte sich über ihre eigene Abgeklärtheit, die keineswegs gespielt war.

Sie kamen aus dem Wald heraus auf offene Heidelandschaft. Zunächst lief ihnen ein Schaf über den Weg, dann zwei, dann viele.

„Und da kommt das Hauptschaf.“ rief Julia aus. Auch sie kannte Olav, den Schäfer, schon lange. Und die Schafe kannten die Pferde, denn sie begegneten einander fast täglich. Olav grüßte wieder lässig und stapfte durch das hohe Gras am Wegesrand herbei. Die drei machten ihre Scherze, Olav lud die beiden Mädchen ein mitzukommen, aber beide lehnten höflich ab und verabschiedeten sich von ihm.

„Mir tut allmählich der Po weh.“ jammerte Inês. „Ich bin das Reiten anscheinend nicht mehr gewohnt.“

„Reiten wir zur Peese, zu unserem Flüßchen. Da lang, ist nicht weit.“

Sie machten kehrt und schlugen dann einen abzweigenden Weg ein.

Kurz vor dem Südufer des Weeslower See bildete das Flüsschen Peese, das den See speiste, selbst noch einmal ein breites Becken, an deren Seiten man prima baden und vor allem im seichten, nur sachte fließenden Wasser mit den Pferden planschen konnte.

Die Pferde genossen die Abkühlung, die Mädchen auch. Schließlich stiegen sie ab und ließen die Pferde frei herumlaufen, legten sich selbst einfach in den feinen Sand am Ufer.

Kurz darauf traf die Familie ein, der Inês und Julia zuvor schon vom Pferd aus begegnet waren. Als der Vater die beiden nackten Mädchen wieder erblickte, konnte man ihn über die ganze Lichtung hinweg knurren hören. Er stellte sich vor seiner Familie auf, den Rücken der Wiese zugewandt, und wollte sie auffordern, eine andere Badestelle aufzusuchen. Doch dann überlegte er es sich anders, hieß seine Familie zu warten und kam schnellen Schrittes auf Inês und Julia zu.

„Zieht Euch gefälligst was an! Das hier ist ein öffentlicher Badestrand.“ rief er drohend. Er war ziemlich groß und kräftig.

Julia zog sich eingeschüchtert zusammen. Aber Inês blieb erstaunlich locker. Sie stand sogar auf und zeigte sich in ihrer ganzen nackten Schönheit.

„Haben Sie ein Problem damit? Warum probieren Sie es nicht mal selbst?“ meinte sie ganz gelassen, wissend, dass sie ihn damit nur noch mehr provozierte.

„Werd´ nicht frech! Ich hole gleich die Polizei!“

„Den Vorschlag wollte ich auch gerade machen. Sie belästigen nämlich gerade zwei junge Frauen. Warten Sie, ich rufe da an.“ Und schon wandte sie sich von ihm ab, ging zum Pferd und kramte ihr Handy aus der Satteltasche. 

Das verschlug ihm die Sprache. Er sah sich nach seiner Familie um, die in einiger Entfernung zuschaute und jedes Wort mitbekommen musste. Inês wählte tatsächlich eine Nummer. Es war die von Jasmin. Inês horchte.

„Das wirst Du mal schön bleiben lassen…“ Er trat nun einen Schritt vor und wollte ihr das Handy wegnehmen, da rief Julia aus: „Inês, pass auf! – Hey Sie, halten Sie ihn zurück!“ schrie sie in Richtung der Familie und sprang dabei auf. „Wir haben ihm nichts getan.“

Währenddessen hatte Jasmin abgenommen. Inês sagte, immer noch erstaunlich gelassen: „Du Jasmin, sag mal Bürgermeister Dreyer, er soll die Polizei herschicken, Julia und ich werden von einem Mann belästigt. – wie heißt das hier?“

Julia antwortete: „Flursdorfer Bruch. An der Peese. Am besten, die fahren über Flursdorf.“ Nun hatte sie eine Idee. „Ich fotografiere den mal, falls er wegläuft.“

Das war nun zu viel für den Mann. „Ich werde Euch anzeigen!“ Aber er machte sich bereits auf den Rückweg. Er gab auf.

„Jasmin, warte...“ Inês nahm das Telefon vom Ohr und rief ihm hinterher, laut genug, damit seine Familie es hörte: „Vielleicht können wir uns ja auch ohne Polizei verständigen.“

„Pah!“ Ohne sich umzudrehen, machte er eine wegwerfende Bewegung.

„Mein Gott, was haben Sie denn?“ rief sie nochmal.

Doch er war schon bei seiner Familie und scheuchte sie mit ausgebreiteten Armen davon. Inês sah, wie sich das süße blonde Mädchen nach ihnen umdrehte. Es schien zu lächeln.

 

Sie kehrten zum Reiterhof zurück. Pavel brachte den durstigen nackten Mädchen Wasser, während diese die Pferde abrieben. Als sie die schönen, geduldigen Tiere zurück auf die Wiese brachten, begegneten sie einem jungen nackten Reiterpaar. Man grüßte sich freundlich, als die beiden vorbeiritten. „Aus Berlin. Kommen öfter.“, kommentierte Pavel knapp.

„Wir haben Michael vergessen!“ rief Julia plötzlich aus. Inês holte ihr Handy hervor. Fünf verpasste Anrufe. Sie hatte den Klingelton ausgestellt. Akku-Stand noch drei Prozent. Sie versuchte es sofort, aber er ging nicht ran. Noch zwei Prozent. Julia selbst hatte ihr Handy nicht mitgenommen, aber währenddessen schon Pavel nach Michael befragt. Doch der war wohl bis dahin noch nicht auf dem Hof gewesen. Sie überlegten, was sie am besten tun könnten, um sich mit ihm noch zu treffen – und ihn nicht zu verpassen. Sie würden mit dem Rad direkt zum Forsthaus fahren. Wenn er mit dem Rad käme, dann würden sie ihn treffen. Wenn er mit dem Auto käme, nun, dann müsste ihn Pavel informieren, wo sie seien.

„Pavel, was bekommst Du?“ fragte Julia.

Er winkte ab. „Freunde von Michael zahlen nichts.“

 

Auf dem Heimweg, fünf Minuten, nachdem sie den Reiterhof verlassen hatten, sprang auf einer kleinen Kastanienallee mit schlechtem Kopfsteinpflaster bei Julias Fahrrad die Kette ab. Beide hatten mit Fahrrädern nicht viel Erfahrung, und zunächst standen sie etwas ratlos herum. Sie waren etwa zwei Kilometer vom Hof entfernt und etwa genauso weit von der nächsten kleinen Siedlung. Inês Handy-Akku war vollständig leer. Also drehten sie das Rad auf den Kopf und versuchten sich daran. Gerade als sie aufgeben wollten und die Räder nach Hause schieben wollten, näherte sich ein Auto auf dem Feldweg. Sie winkten und machten auf sich aufmerksam, was jedoch kaum notwendig war, denn man konnte sie und das umgedrehte Rad kaum übersehen.

Als das Auto näher kam, erkannten sie, dass es die Familie war, der sie nun schon zum dritten Mal begegneten. Der Vater schaute grimmig geradeaus, als er mit langsamer Geschwindigkeit vorbei fuhr, die Mutter und ihre Kinder dagegen drehten neugierig die Köpfe.

„War doch klar, dass der nicht anhält.“ schimpfte Julia.

Doch genau das passierte plötzlich, in etwa dreißig Metern Entfernung. Einen Augenblick lang stand der Wagen, ohne dass etwas passierte, dann öffnete sich eine der hinteren Wagentüren. Der Junge schaute heraus und rief: „Können wir Euch helfen?“

„Ja.“ antwortete Inês sofort. „Die Kette ist ab.“

Der Junge stieg aus und kam auf die beiden zu. Zugleich setzte der Wagen zurück und hielt neben ihnen. Alle stiegen aus.

Überraschenderweise meinte der Vater, als er um sein Auto herumging: „Das haben wir gleich.“

„Danke! Ich bin Inês.“

„Und ich Julia.“

„Und ich Laura.“ reagierte als erstes das süße blonde Mädchen. Es war etwa einen halben Kopf kleiner als Inês und Julia. Dann stellte sich der Junge vor, die Mutter, zuletzt sogar der Vater.

Der brauchte doch länger als gedacht, weil sich die Kette arg verkantet hatte. Er holte Werkzeug aus dem Kofferraum und begann, das Hinterrad abzumontieren.

Julia und Inês standen mit Laura etwas abseits.

„Ihr seid ziemlich mutig.“ meinte das Mädchen.

„Findest Du?“ entgegnete Julia und meinte grinsend zu Inês: „Also, ich finde uns ganz normal, oder?“

„Seid Ihr nicht die zwei Mädchen aus der Zeitung?“

„Oh! Ist der Artikel schon erschienen?“

„Also seid Ihr es. Ich habe es mir die ganze Zeit schon gedacht. Aber Ihr heißt anders, oder?

„Das sind unsere Tarnnamen.“ lachte Julia. „Und woher kommt Ihr?“ Sie wies auf das Kennzeichen. „Was ist HSK?“

„Sauerland.“

„Und macht Ihr hier Urlaub?“

„Nicht ganz. Wir ziehen hierher. Mein Vater fängt hier bald zu arbeiten an. Wir haben vorhin ein Haus besichtigt, in Bad Sorow oder wie das heißt. Im Moment wohnen wir da in einer kleinen Pension.“

Inês musste die ganze Zeit auf das Lauras T-Shirt schauen, das an vielen Stellen, vor allem am Busen ganz feucht war von einem darunter scheinbar nassen Bikini-Oberteil. Sie fragte sich, warum sie selbst so einen Blödsinn früher auch immer gemacht hatte, wo sich das doch so furchtbar unangenehm anfühlte.

„Wart Ihr also doch noch schwimmen?“

„Ja. Hier gibt es ja jede Menge Badestellen.“

Dann sahen sie zum Vater herüber, der vor sich hin fluchte.

„Was war denn vorhin mit Deinem Vater los? Der scheint doch ganz nett zu sein.“

Laura lächelte etwas gequält. „Ist er auch. Aber mit Nackten kann er nichts anfangen. Das war schon immer so. Findet er widerlich.“

Julia tat ungläubig. „Widerlich? Wir?“

„Nicht Ihr jetzt direkt, denke ich. Ist mehr so aus Prinzip. Gehört sich nicht, und so… “

„Dann solltet Ihr aber nicht ausgerechnet in diese Gegend ziehen. Hier ist das Nacktsein nämlich sehr verbreitet.“

„Ich weiß. Hab davon heute schon in der Zeitung gelesen.“

„Und Du? Wie stehst Du dazu?“ wollte Julia wissen.

Laura meinte grinsend: „Keine Ahnung. Ich würde jedenfalls nicht so wie Ihr hier nackig durch die Gegend laufen, das ganz bestimmt nicht.“

Julia zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Aber für Einsteiger wäre zumindest unser Weeslower See ideal.“ Sie wandte sich an Inês. „Oder, was meinst Du?“

Inês nickte. „Wenn Du schon mal für ein paar Tage hier bist, dann komm doch einfach mal mit uns dahin.“

Laura warf einen vorsichtigen Blick in Richtung ihres Vaters. „Na ja, ich weiß nicht.“

„Musst ihm ja nicht verraten, wohin Du gehst. Machst halt mal einen Ausflug allein. Oder mit Deinem Bruder.“

„Bloß nicht!“ Sie machte eine abwehrende Bemerkung. „Aber vielleicht hat meine Mama ja Lust.“

„Frag sie doch mal!“ bestärkte sie Julia und deutete dabei auf Lauras Bikinioberteil. „Ihr müsst Euch ja auch nicht gleich ganz ausziehen. Züchtiges ´oben ohne´ reicht ja für den Anfang.“

Laura verzog das Gesicht. „Ach, bestimmt nicht, ich muss schon um sowas wie diese Shorts mit denen kämpfen. Also, mit meinem Vater vor allem.“

In diesem Moment rief jener aus: „So, läuft wieder.“ Er stellte das Rad wieder auf die Reifen und wischte sich die Hände an einem Taschentuch ab. „Du bräuchtest aber mal eine neue Kette.“

„Vielen, vielen Dank!“ Julia war drauf und dran, ihn zu umarmen, aber er wich schon vorsorglich aus, und sie hielt sich zurück.

Auch Inês bedankte sich. Dann flüsterte sie Laura zu: „Wir wohnen im alten Forsthaus bei Michael Schneider.“

Julia unterbrach sie, ihr fiel etwas ein: „Auf welche Schule kommst Du?“

„Gymnasium Festenwalde.“

„Dann solltest Du erst recht vorbeikommen. Michael Schneider – also der Mann, bei dem wir wohnen - ist dort nämlich Lehrer. Und ich habe dort gerade Abi gemacht.“

Lauras Miene hellte sich auf. „Wirklich? Ich hätte da nämlich noch eine ganze Menge Fragen.“

„Dann erst recht.“ Sie mussten sich beeilen, die anderen drei waren schon eingestiegen. „Die Telefonnummer findest Du heraus, oder Du kommst einfach vorbei! Altes Forsthaus, Michael Schneider!“ wiederholte sie.

 

Inês und Julia winkten dem davonfahrenden Auto nach.

„So kann man sich irren. War doch ganz nett, der Alte.“ begann Inês.

„Und er hat eine sehr hübsche Tochter. Bin mir sicher, dass diese Laura Spaß am FKK haben könnte. Schien jedenfalls sehr neugierig zu sein.“

„Wie alt war sie nochmal?“

„Sechzehn, sagte sie.“

Inês stieß ihre blonde Freundin scherzhaft an. „Haben wir da etwa das `Sommermädchen 2010´ kennen gelernt?“

„Wer weiß?“

„Sie hat Ähnlichkeit mit Dir. So wie eine kleinere Schwester vielleicht. Wenn sie zehn Zentimeter größer wäre, könnte sie glatt Dein Double sein.“

„Meinst Du?“ fragte Julia ungläubig. Ihr selbst war das nicht aufgefallen, aber das war vielleicht normal, dachte sie, dass man eigene Ähnlichkeit nie bemerkt.

 


Kommentare

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