Hilflos - Die Fortsetzung (XXII)
Wir hörten sie rascheln, das Öffnen von Schranktüren und Schubladen, sie waren sehr geschäftig. Fast zitternd saßen wir vor dem Handy. Jeden Augenblick werden sie bestimmt erwischt. Und was dann? Ich schaute auf die Uhr im Display. Sie haben noch knappe 30 Minuten bis Robertas Mathestunde vorüber ist. Dann hörten wir Stefanie weinen. Stefan fragte was los sei. „Schau mal, was ich gefunden habe. Kopien von Papieren auf eine Anita Abiodun, und sieh mal das Bild, das ist Anita aber ohne Haare und ihr Geburtsdatum ist auch richtig 20.02. nur das Jahr ist falsch, Hiernach wäre sie schon 18, aber sie ist eigentlich erst 17. Und als Geburtsort wird Takoradi in Ghana angegeben. Das stimmt natürlich nicht, so naturblond wie sie ist. Sie ist in Basel geboren, das weiß ich bestimmt. Stefan, schau mal, da sind zwei Briefumschläge, scheinbar mit Bildern.“ Wir hörten das Rascheln und reißen von Papier. „Hier, das ist Anita bei der vorletzten Weihnachtsfeier. Und das hier ist unten im Hof, als wir ein Mitsommernachtsfeuer machten, oder hier im Speisesaal bei der Verabschiedung der letzten Äbtissin. Damals war hier noch alles gut. Erst mit der neuen zog hier die große Veränderung ein.“ „aber hier hat sie blonde Haare und Zöpfe und hier dunklere und einen Pferdeschwanz. Sie ist echt hübsch. Mein Typ.“ Wir hörten Stefanie lachen. „sie liebt ihre langen Haare. Die würde sie niemals kurz wie ich tragen. Die Farben haben wir beide ab und an mal verändert, oder auch mal unser Outfit, ab und zu mal total anders geschminkt. Aber niemals waren ihre Haare ein Thema. Ich ändere auch mal die Länge, aber sie niemals. Wir hörten erneut rascheln und reißen. Jetzt klang ihre Stimme entsetzt, sie zitterte: Das ist Anita. Oh Gott, sieh mal. Sie hat gar keine Haare mehr auf dem Kopf. Und hier diese Schwarzen Augen, und Augenbrauen, sehen aus wie tätowiert. Und der schwarze Nasenring. Warum das alles. Es ist ja noch viel schlimmer als das was ich mir vorstellte, nachdem mir Anja und Sonja erzählt haben, wie sie aussehen könnte und was mit ihr passiert ist“ Wir hörten, wie sie weitere Bilder aus dem Umschlag zog. Sie weinte. „welche Frau würde sich freiwillig so zurichten lassen. Keine Haare mehr auf dem Körper. Dieser Nasenring. Oh Gott, schau dir die Brustwarzen an, dieser dicke schwarze Ring und dann noch zusätzlich dieser Stecker hochkant. Sie haben sie gequält. Oh nein, sie haben sich an ihr vergangen, schau dieses Bild, in jeder Schamlippe sind ja fünf Ringe und scheinbar auch noch ein Piercing in der Klit. Echt abartig, dass alles hätte sie niemals von sich aus machen lassen. So soll ja auch Anja aussehen. Was haben sie nur mit ihr gemacht. Sind da noch mehr Bilder?“ „ja eins in einer ganz anderen Qualität und etwas größer.“ „dreh es mal um“ wir hörten einen Schrei. Was steht da auf dem Tattoo auf ihrem Po? Und da auf der Schulter? Die Sprache kenne ich nicht.“ „ich bemühe mal das Handy, ich habe eben eine ÜbersetzungsApp gesehen. Dann war die Verbindung abgebrochen. Als Stefan drei Minuten später anrief hörten wir Stefanie im Hintergrund weinen. „Auf dem Tattoo auf dem Po steht in einer afrikanischen Sprache Eigentum von und dann ein afrikanischer Name. Auf der anderen Pobacke steht Benutzung nur mit Genehmigung von und dann der gleiche Name wieder. Auf der Schulter steht Sklavin, das scheint eingebrannt. Echt schlimm, was man ihr angetan hat. In dem Umschlag finden sich aber auch Adressen sowie ein Kaufvertrag über 120.000 Franken für sie. Unterschrieben auf der linken Seite von der Äbtissin und Schwester Roberta auf der rechten Seite von einem John Abiodun“ „der gleiche Name wie auf den Papieren.“ „Stefan mach doch mal von den ganzen Unterlagen Fotos.“ Wir hörten sie weitersuchen. „Sag mal Stefanie, hast Du schon einmal detaillierte Pläne von der Burg gesehen. Hier ist ein altes, ziemlich verstaubtes, großes Buch, es lag oben auf dem Regal.“ „wer weiß, vielleicht ist da ja was drin. Das werden wir mal miznehmen. Was liegt eigentlich alles auf dem Schreibtisch?“ „ich wollte da auch gerade nachschauen.“ „hier liegen Namenslisten von Schülern und Eltern. Außerdem einige Einladungskarten zu einer feierlichen Präsentation und Übergabe in 12 Tagen. Aber das ist alles in einer indischen Sprache geschrieben, wie die App sagt.“ „Dann haben wir also noch 12 Tage.“ sagte Sonja, Andy nickte. Ich schaute auf die Uhr im Handy. „Sonja schreibt denen mal, dass sie in 10 Minuten da raus müssen.“ „hier ist ein Kaufvertrag auch in dieser indischen Schrift. Ich mache ein Foto. Der Preis von 350.000$ ist bereits eingetragen. Aber bei der Beschreibung der Ware fehlt noch ein Eintrag, der von Hand eingetragen werden kann. Der Preis deutet ja daraufhin, dass es sich wohl um ein Geschäft für 2 oder 3 Sklaven handelt.“ „Sonja schreib ihnen, dass sie hoch kommen sollen. Ich habe eine Idee, schreibe, sie sollen leere Briefumschläge und Briefbögen mitbringen, wenn sie sowas sehen. Und einen Schulstempel.“ Sonja tippte. Wir hörten von unten die Schulklingel, die Mathestunde ist also rum. „sie sollen da raus!“ „ich hab es ja schon geschrieben“ „und sie sollen das Abschließen nicht vergessen.“ Wir hörten noch Stefan sagen, hey, was machst Du da?“ „Deine linke Brust rutscht. Annas BH ist halt doch nicht ganz passend.“ „soll ich dir auch einfach so an die Brust fassen?“ Stefanie lachte „komm raus hier. Und wir müssen noch abschließen.“ Wir lachen auch. Jetzt aber schnell, denke ich. „komm schnell alles hier in meine Umhängestofftasche, schnell“ sagte Stefan. Dann hörten wir das Schloss, das Quietschen der Tür und wieder das Schloss. „schnell Stefan schließ ab, da kommen Schritte.“ Hör auf und komm von der Tür weg. Wir hörten dann Stefanie „und hier hinten Martina sind dann die Büros der Schulleitung, also nichts Besonderes und hier sollen wir auch nicht aufhalten. Hinter der Tür da geht’s zum Turm in dem dann oben unsere Krankenstation ist, die ist aber gerade geschlossen, weil es da irgendein technisches Problem gibt. Komm, jetzt zeige ich Dir noch die Sporthalle. Guten Tag Schwester Roberta.“ „Was macht ihr denn hier? Wer ist das?“ „Martina, sie schaut doch unser Internat an.“ „Guten Tag Schwester Roberta“ „Schwester Roberta ist unsere gute Seele und organisiert hier alle wichtigen Dinge im Haus. Sie unterrichtet bei uns Mathematik.“ Roberta räusperte sich. „wieso machst du Stefanie eine Führung? Du bist doch gar nicht dafür eingeteilt.“ „oh das tut mir leid. Martina stand da und niemand hat sich um sie gekümmert, dann habe ich es übernommen, weil ich auch sonst niemanden sehen konnte.“ „Heidi sollte sich eigentlich um die älteren Gastschüler kümmern. Mit ihr werde ich ein ernstes Wörtchen sprechen müssen. Ja, zeig ihr die Sporthalle und die neuen Sportgeräte, denk auch daran ihr den Musiksaal und die Biliothek zu zeigen, in den Keller braucht ihr aber nicht gehen.“ Das war deutlich, in den Keller nicht. Dann ging Roberta weiter und wir hörten im Hintergrund die Turmtüre. Sie war jetzt wohl verschwunden. „schnell in Annas Zimmer.“ Wir hörten über sie über das Mikro die Treppe hochlaufen. Dann einen Schrei im Hintergrund „Stephanie“ „Schnell Stefan, ab in Annas Zimmer und abschließen, ich klopfe dann nachher 1x lang 2x kurz. Schnell. Ich gehe weiter Richtung Halle.“ In der Eingangshalle standen Heidi, Ines und zwei Gäste. „Hallo Heidi, ihr habt Martina eben nicht mit auf die Hausführung genommen. Schwester Roberta war schon sauer.“ Heidi schien überrascht „Martina? stand nicht auf der Liste, komisch.“ „kann ich jetzt auch nichts zu sagen. Wo ist sie denn jetzt? Sie ist vorhin hierher in die Halle gelaufen. Ich war nur kurz auf der Toilette, ich dachte sie sei hier.“ „Aber gerade eben sind auch mehrere von den Besucherinnen gleichzeitig gegangen, sie wird dann dabei gewesen sein.“ Im Hintergrund hörte man laute Schritte von harten Sohlen auf dem Steinboden. „Mist, ich muss schon wieder zur Toilette,“ hörten wir Stephanie sagen. Dann hörten wir die Tür zum Toilettentrakt. Sie machte nur ein zwei Schritte und öffnete wieder eine Tür. Sonja grinste „die Herrentoilette.“ Dann irgendwelche Geräusche, rascheln, schieben, rascheln. Schritte, die Tür, Schritte und die Tür zum Toilettentrakt. Sofort klang wieder Robertas Stimme in unsere Ohren „da bist Du ja Stephanie. Wo ist diese Martina?“ Heidi sagte „die ist eben mit den anderen gegangen. Sie schien sehr interessiert.“ „auf der Liste steht aber gar keine Martina. Wie hieß sie mit Nachnamen?“ „das haben wir nicht gefragt,“ sagte Stephanie. „Wieso habe ich oben Stephanie mit Martina getroffen, warum hat Stephanie die Führung gemacht? Es war eindeutig vereinbart, dass nur ihr zwei die Führungen für die älteren Interessentinnen macht. Was ist mit Dir los Heidi? Du meldest Dich vor dem Essen bei mir. Und bring mir bitte zwei volle Wasserflaschen mit. Und sei pünktlich 20 Minuten vor dem Essen da, die sollten dann reichen. Verstanden?“ ein leises „ja“, „und du Stephanie gehst jetzt auf dein Zimmer. Für dich gibt es heute kein Abendessen.“ „ich habe eh fürchterlichen Durchfall“ sagte Stephanie. „Ich muss laufend aufs Klo. Und Tee habe ich noch. Danke Schwester Roberta. Darf ich mir unterwegs noch in der Küche heißes Wasser und eine Wärmflasche holen?“ „ja“, ist gut. Aber wir haben uns verstanden. Und treib kein Spiel mit mir. Du wirst dir nicht im Alptraum ausmalen können, was das bedeuten könnte. Geh und hol dir deine Wärmflasche.“ Wir hörten Stephanie davon gehen und die Stimmen leiser werden.
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