Weeslower Chroniken III - 2002 - Jasmin 2. Teil - Die Eröffnung - und 3. Teil - In der Schule
2. Die Eröffnung
Jasmin hatte sich ganz leise, noch vor Arons Aufwachen, aus dem Staub gemacht, geplagt von Zweifeln und Selbstvorwürfen, und in diesem Seelenzustand auch den gesamten anschließenden Urlaub mit Max verbracht.
Der traumhafte Rausch, dem sie verfallen war, war allzu plötzlich vorbei gewesen. Wie hatte ihr all das nur passieren können? Wieso hatte sie sich so gehen lassen?! Dass Max bei all dem vollkommen ahnungslos war, machte ihr fast noch mehr zu schaffen. Es fiel ihr schwer, vor lauter schlechtem Gewissen den Urlaub einigermaßen genießen zu können. Sie versuchte sich halbwegs zusammen zu reißen und nur noch liebevoller und aufmerksamer ihm gegenüber zu sein.
Doch kam es ihr die ganze Zeit so vor, als würde sie sich Max gegenüber verstellen. - Liebte sie ihn wirklich noch? - Bis vor wenigen Tagen war sie davon felsenfest überzeugt gewesen. Und nun? Eine einzige Versuchung hatte ausgereicht, ihr nachzugaben, sich verführen zu lassen und das voller Hingabe. Und um alles in Frage zu stellen. Ab und an beobachtete sie ihn, wenn er es nicht merkte, und fragte sich, ob es wohl nochmal so schön werden könnte wie früher - oder ob das der Anfang vom Ende war.
Aus Max Sicht war nur eines anders als früher: Jasmin suchte, sehr zu seiner Überraschung, ganz gezielt Nacktbadestrände auf. Beim ersten Mal wirkte es noch wie zufällig. Sie leitete ihn in eine kleine, schwer zu erreichende Bucht und tat erst überrascht, dass dort ein Nacktbadestrand war, schlug dann aber vor, es doch auch mal auszuprobieren. Anschließend schwärmte sie ihm davon vor, wie sehr ihr das gefallen habe, wollte auf keinen Fall mehr dorthin, wo man Badezeug brauchte, und sei es auch nur wie früher allein ihr Bikini-Unterteil. Auf diese Art lernten die beiden in den zwei Wochen beinahe alle FKK-Strände Mallorcas kennen.
Dieses herrlich befreite Gefühl, nichts anderes mehr am Körper zu spüren als den Wind auf der eigenen nackten Haut, das sie im Park des ´Eden´ gerade erst kennen gelernt hatte, wollte sie fortan nicht mehr missen.
Und anders als jener sexuelle Rausch, den sie mit Aron anschließend erlebt hatte, konnte sie diese neue Erfahrung tatsächlich absolut unbeschwert ausleben.
Max fand das aufregend, es regte ihn an, und er machte bereitwillig mit. Und noch etwas gefiel ihm: Jasmin war so sehr beseelt von dieser neuen Freiheit, dass sie in diesem Urlaub oft auf jegliches Darunter verzichtete, sowohl auf BH als auch auf Unterhöschen, selbst bei sehr kurzen Kleidern.
Dennoch war Jasmin beinahe froh, als die zwei Wochen auf Mallorca vorbei waren. Das Zusammensein mit Max erwies sich als äußerst anstrengend, sie musste unbedingt mal allein und für sich sein.
Erst als sie das war, bei sich zu Hause in Berlin, wagte sie erstmals, an die Geschehnisse im ´Eden´ intensiv zu zurückdenken, an die seltsamen Umstände, die von einem zum anderen führten. Die Sonne, die Hitze, das war wohl auch ein Grund gewesen. Die Urlaubsstimmung, in der sie schon angekommen war. Die immer mehr gewordene Nacktheit, erst Arons, dann ihre eigene, zu der sie sich selbst zu ihrer eigenen Verwunderung sehr früh, sehr schnell bereit erklärt und die sie dann auch konsequent durchgezogen hatte, schon wegen Louise - aber auch aus einem stetig wachsenden Gefallen daran. - So ehrlich wollte sie schon zu sich sein: FKK, Nacktsein und so, das war total ihr Ding. Das wusste sie nun. - Aber diese Situation, sich so ganz still und ein bisschen wehrlos unbekleidet zeigen zu müssen, die lieben Menschen – ja doch, das waren sie ja alle gewesen - die inmitten dieser Schamsituation eine gewisse Geborgenheit boten, und dann Aron, der es verstand, ein junges Mädchen wie sie zu verführen. Und an dessen Verführungswillen sie so lange gar nicht geglaubt hatte, gerade bei ihm, dem vermeintlich Schwulen - der ja gar keiner war. Aber woher hätte sie das denn wissen sollen?! - Jasmin! Sie rief sich innerlich zur Ordnung, Jasmin, Du belügst Dich gerade, Du fandest ihn von der ersten Sekunde an sexy!… Aber es war erst nur ein Spiel gewesen - und dann wurde aus dem Spiel Ernst. Warum? Was hatte da meinen Verstand ausgeschaltet?
Aron - er war schön, wirklich schön, ohne Zweifel, attraktiv, charmant, aufregend… Begehrenswert. Er hatte ihre Stimmung, ihr Verlangen ausgenutzt. Schamlos ausge... - Oh nein, Jasmin! Wieder meldete sich die innere Stimme der Vernunft: Du hast ihn sie ausnutzen lassen, Deine Stimmung. Nichts wäre passiert gegen Deinen Willen! - Die Verführung, die Konsequenz, mit der Aron vorgegangen war, das war die eine Seite. Die Schwäche, die Lust am Abenteuer, das war die andere Seite. Deine.
Armer Max… Sie seufzte. Aron – ja, das war ein Spiel gewesen, ein Moment der Schwäche. Nein, nicht wegen Aron hatte sie das schlechte Gewissen. Sondern weil ihr dieser Tag im Eden gezeigt hatte, dass sie im falschen Leben steckte, mit dem falschen Jungen, und etwas ganz anderes begehrte. Etwas wie Aron.
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„Jasmin! Wie schön braun Du bist!“ Louise nahm sie in die Arme.
Ihre Auszubildende trug hautenge schwarze Leggings und dazu ein ebenso schwarzes backless top, beides auf purer Haut. Sie wusste, dass Schwarz ihre Urlaubsbräune nur umso mehr unterstrich.
„Schön, dass Du wieder da bist. Wie war´s? Hast Du Fotos mit?“
Jasmin grinste. „Lass mich doch erst mal rein!“ Sie freute sich über den euphorischen Empfang, und war selbst froh, wieder daheim, bei Louise, in ihrer Agentur sein zu dürfen.
Sie war noch am gleichen Samstagnachmittag in die Agentur gekommen, weil Louise sie per SMS darum gebeten hatte, und ihre Chefin hatte auch gleich schon eine Überraschung für sie parat.
„Jasmin, die feierliche Eröffnung des `Garden Eden` ist heute Abend. Ich dachte mir das so: Ich hole Dich um 19.00 Uhr ab und wir fahren zusammen dahin…“
„Heute Abend schon?! Ich dachte, nächsten Samstag?“ Bei der Erwähnung des `Eden` hatte Jasmin sofort wieder ein flaues Gefühl im Magen.
„Nein! Nächste Woche macht es auf. Aber die Eröffnung mit Presse und Minister und so ist heute… Wird ein richtiger Ball, wie es scheint... Und da darfst Du nicht fehlen.“
„Wieso ich? Da war ich doch gar nicht eingeladen. Erst nächste Woche...“
„Weil Weber ausdrücklich darum bittet. Es ist sein Dankeschön für Deinen `besonderen Einsatz`. - Hier!“
Sie reichte Jasmin eine Karte, in der Weber sie ganz persönlich zum festlichen Abendempfang einlud. Jasmins Herz machte einen Sprung. Da konnte sie ja gar nicht nein sagen. Oder? Aber schon heute, nein, gleich schon, in wenigen Stunden. Verdammt, sie war irgendwie so gar nicht darauf eingerichtet…
Kurz darauf fuhr sie wieder zügig mit dem Rad nach Hause. Ihr blieb keine Stunde, um sich zurechtzumachen – und vor allem, ein passendes Outfit auszuwählen. Und jetzt hatte sie ganz vergessen, nach den Prospekten zu fragen.
Nach einigem Hin und Her entschied sie sich für ein Kleines Schwarzes. Das entsprach dem angenehm sommerlichen Wetter – es war nicht allzu heiß, aber trocken und warm, fast windstill – und hob ihre körperlichen Vorzüge elegant und sexy hervor: Es lag an ihrem schmalen Oberkörper hauteng an, war aus dünner Baumwolle mit einem Lycra-Anteil, hatte ultraschmale Spaghettiträger und einen tiefen Ausschnitt, lag ebenso eng auf Taille und Hüfte und war erst ganz unten etwas weiter geschnitten. Es reichte bis knapp oberhalb des Knies und zeigte von dort an ihre wunderschönen, herrlich gebräunten Beine. Und Schwarz, das war im Moment eh ihr Favorit...
Sie probierte es in verschiedenen Varianten und entschied sich dann für diejenige, die sie schon im Urlaub oft gewählt hatte: Mit nichts darunter als nackter, purer Haut.
Denn egal, welchen BH sie ausprobierte, immer blieb dieser auf unelegante Art sichtbar, ob mit oder ohne Träger. Wenn sie ihn aber wegließ, dann war das zwar nicht zu übersehen, denn es zeichnete sich dann nichts dergleichen unter dem Kleid ab und ihre schönen Brüste wurden in ihrer perfekten natürlichen Form eins zu eins vom dünnen Stoff abgebildet. Aber vorn am Ausschnitt führten zwei Ziernähte aus schwarzer Spitze direkt über den Nippeln herab und verbargen diese, denn die Spitze war blickdicht gewebt. Und das gab dem ganzen einen `züchtigen` Anstrich.
Dass sie keinen Slip trug, nun ja, darauf konnte man ebenso schließen, da sich auch am Po und an den Hüften keine Nähte abzeichneten, aber jeder wusste ja auch, dass es dafür geschickte andere Lösungen geben konnte, also blieb es nur bei einer Ahnung. Das Gefühl aber war wunderbar, und da das Kleid kurz über dem Knie endete, musste sie auch keine peinliche Entdeckung fürchten.
Das ganze vervollständigte ein schwarzes Cardigan-Jäckchen aus ebenso dünnem Baumwollstoff und langen Ärmeln sowie schwarze High Heels mit acht Zentimetern spitzen Absätzen, zudem ein bisschen Silberschmuck an Hals und Ohren.
„Wow!“ Louise entfuhr ein anerkennender Pfiff, als Jasmin aus dem Haus heraus auf die Straße trat.
Der Parkplatz vor dem Hotel war schon recht voll, besetzt von überwiegend sehr exklusiven Nobelfahrzeugen. Überall am Wegesrand brannten Fackeln, das Hotel selbst lag erleuchtet von großen Strahlern in der einsetzenden Dämmerung.
Jasmin stutzte, als sie ausstieg. Sie erblickte ihr eigenes Konterfei auf einem Plakat, das auf die Eröffnungsfeier hinwies. Und nicht nur ihr Gesicht. Als Motiv hatte man eines der Fotos vom See genommen, auf dem Jasmin auf dem Steg stand. Auch wenn das Foto etwas ausgeblasst gedruckt war, ihr Gesicht und ihr nackter Oberkörper mit ihren vollen schönen Brüsten waren deutlich oberhalb des Schriftzuges des Hotels zu erkennen.
Ihr wurde plötzlich ganz heiß. Hieß das, dass… Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. Hier würden ja überall die Prospekte ausliegen. Und man würde sie bestimmt erkennen…
Doch es kam für sie alles noch viel schlimmer.
Weber stand im mit Fackeln erleuchteten Eingang und erwartete sie. Als sie ihn sah, spürte sie wieder dieses seltsam flaue Gefühl im Bauch, so wie früher, vor dem Shooting. Er trug einen eleganten hellen Sommeranzug und sah darin trotz seiner Untersetzheit ganz passabel aus. Zunächst begrüßte er höflich Louise, dann sehr freundschaftlich Jasmin.
In der Vorhalle standen rund dreißig Leute, alle in festlicher Garderobe. Die meisten hielten Sektgläser in der Hand und standen in kleinen Gruppen beieinander, die vielen Stimmen hallten laut von den hohen Wänden wieder.
Kaum, dass Jasmin den Raum betrat, wurde es leiser. Alle Blicke richteten sich nacheinander auf sie. Was war los? Jasmin wurde unruhig. Sie schaute sich um.
Und da, auf der anderen Seite des Raumes, ein Foto, wie sie auf der Seite liegend am Rand des Außenpools lag, mit Rücken und vor allem dem Po zur Kamera, das Gesicht genießerisch nach oben zum Himmel gestreckt, ihre langen blonden Haare vom Kopf herabwallend, und, kaum zu übersehen, mitten im Bild, ihre blanken Schamlippen im Schritt. Die Hauptdarsteller auf diesem Bild waren somit ihr schönen Haare und ihr rosa Pfläumchen. `Nudists welcome` stand dort in großen Lettern, wo ihre Füße hätten sein müssen.
"Oh nein!" Sie wäre sogleich wieder hinausgelaufen, wenn nicht Webers Arm sie am Rücken fest gehalten und Louise ihr den Weg versperrt hätte - beinahe wie abgesprochen.
„Sehen Sie nur, Jasmin, Sie sind jetzt das Gesicht unseres ´Garden Eden Romantik CO Hotels´.“
„Und der Körper…“ ergänzte lachend Aron, der sich ihr leise von der Seite her genähert hatte. „Herzlich willkommen!“
Seine Hand fand sofort ihre Pobacke. Er küsste sie leicht auf die Wange. „Einen Prosecco?“
„Oh ja, bitte!“ seufzte Jasmin und sah ihn verzweifelt an. „Hättet Ihr mich denn nicht vorwarnen können?“ Sie entriss ihm sein Glas und leerte es in einem Zug.
„Warum?“ fragte Louise, die all das mit geplant hatte. „Wir wollten Dich überraschen.“
„Oh ja - das ist Euch gelungen!!“ Sie schaute sich nochmals um, erkannte überall ihr eigenes Abbild und erfasste erst jetzt so richtig die ganze Tragweite.
An Flucht war nicht mehr zu denken. Aber ihre Knie wurden so weich, dass sie sich unbedingt setzen musste, es fühlte sich an, als würde sie ohnmächtig werden. Aron und Louise führten sie behutsam in den angrenzenden, noch leeren Speisesaal, der zu einem Festsaal hergerichtet war, Weber folgte ihnen. Jasmin fiel in den ersten Stuhl, den sie erreichten, sank in sich hinein, brauchte einige Augenblicke, um wieder richtig zu sich zu kommen. Dann löste sie als erstes die Schnüre ihrer High Heels und stieg aus ihnen heraus. Sie schaute zu den andern hoch, die sie umringten.
„Musste das sein?“ fragte sie eher enttäuscht als ärgerlich, ohne jemanden direkt anzuschauen. Eine Träne stand in ihrem Auge.
„Sorry, es war meine Idee.“ erklärte Louise, von den Folgen ihres Tuns sichtlich überrascht und berührt.
„Und ich fand´s gut.“ gestand nun auch Weber. „Die Fotos sind großartig, und...“
Er wollte fortfahren, doch dann drehte er sich um und machte Platz für jemanden. „Herzlich willkommen, Süße!“ Nadine trat zu ihr und küsste Jasmin auf die Wangen. Unbekümmert erzählte sie: „Ist viel passiert in der Zeit, als Du ihm Urlaub warst.“
„Ja, vor allem, seit wir die Pressemitteilung rausgegeben haben.“ meinte Weber, nicht ganz ohne Stolz. „Es hat sich ganz viel Presse angekündigt. Nicht die üblichen Verdächtigen, die Lokalen, sondern auch Überregionales, Privatfernsehen und so. Und ich denke, das hat auch mit Ihnen zu tun…“
"Wir wollten Dir das aber nicht schon vorher erzählen", ergänzte Nadine, "und Dich in Deinem Urlaub mit Deiner neuen Popularität nervös machen.“
„Ach, ja, danke auch! Sehr rücksichtsvoll“ meinte Jasmin spöttisch. „Ich gehe da nicht wieder raus!“
„Wieso das denn?“ Aron sah sie entgeistert an. „Du bist der Star des Abends!“
„Ja, ein Nackt-Star!“ rief Jasmin laut und sprang empört auf. „Presse! Fernsehen! Sag mal, spinnt Ihr?!“
„Komm mal mit!“ meinte Aron und führte sie schon am Arm ab in den hinteren Saal. Jasmin wehte sich erst, aber dann folgte sie ihm widerstrebend, barfuß wie sie nun war.
Ein paar Schritte weiter blieb er mit ihr stehen, hielt sie an den Schultern fest, mit sanftem Druck, aber bestimmt. „Jasmin, hör mal, das hat sich nun mal alles so entwickelt. Ganz so wollten wir das auch nicht. Aber jetzt müssen wir alle das Beste daraus machen. Sieh mich an! Mir geht´s doch genauso mit den Fotos.“
Sie konnte sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. „Du genießt das doch! Dir macht das alles doch absolut nichts aus."
Er zuckte mit den Schultern. „Dann versuche es genauso zu sehen. Und vergiss das mit der Presse und so! Darauf musst Du gar nicht reagieren!“
„Du hast gut reden. Wie soll ich das alles meinem Freund erzählen? Der liest auch die Zeitung und sieht fern…“
Aron schaute sie amüsiert an: „Und, was würde er sagen, wenn er Dich so sähe?“
Jasmin sah zu Boden und atmete tief durch. „Zumindest würde er erwarten, dass ich es ihm vorher erzählt hätte.“
„Dann erzähle es ihm! Und jetzt komm! Du bist nun mal jetzt Teil der Kampagne… Das geht auch alles wieder vorbei.“
Jasmin seufzte. "Aron! Halt mich fest!" Sie umarmte ihn und presste sich dicht an seinen Körper. "Was ist das mit diesem `OC?` Was meinte Weber da vorhin?" wollte sie plötzlich wissen.
"CO meinst Du. Clothing Optional. Ach so, das weißt Du ja noch gar nicht, Du warst ja im Urlaub. Also, Weber hat letzte Woche das gesamte Konzept tatsächlich noch einmal mit Louise zusammen umgekrempelt. Nicht mehr Wellness-Hotel mit angeschlossenem FKK-Bereich, sondern FKK-Hotel mit angeschlossenem Wellness-Bereich. Ich glaube, unsere Fotos haben ihn inspiriert."
"Und was heißt das?"
"Dass die Gäste jetzt überall nackt herumlaufen können, auch im Hauptgebäude, sogar im Restaurant. Deshalb jetzt der Zusatz CO."
"Und daher also diese Fotos von uns." sprach Jasmin, mehr zu sich selbst.
"Genau. Komm, Jasmin, Augen zu und durch. Ich bin bei Dir!"
Doch Jasmin wurde plötzlich vielmehr richtig wütend. "Ich bin jetzt plötzlich das Kampagnen-Girl für ein FKK-Hotel, oder was?! Das sollten alles mal ganz harmlose Saunafotos und so werden, mit menschlichem `Beiwerk`... `Man wird höchstens sehen können, dass Du nackt bist, aber mehr nicht...`" zitierte sie in ihrem Ärger den Fotografen Ralph. "Ihr hättet mich wenigstens fragen können, verdammt!"
"Das habe ich denen allerdings auch gesagt." stimmte ihr Aron zu. "Aber Du seist ja im Urlaub, meinten die - und Du würdest die Idee bestimmt gut finden."
Jasmin vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. "Ich hasse Euch!" Sie klang nun eher enttäuscht als wütend. "Ich träume das alles, oder?!" murmelte sie in ihre Hände hinein.
Er lachte. "Soll ich Dich zwicken? - Komm, Süße, machen wir ein Fest daraus. Und in ein paar Stunden bist Du hier wieder weg. - Wir beiden nehmen das jetzt wie Profis, okay?!"
Ihre großen blauen Augen schienen jetzt irgendeinen Punkt vor sich auf dem glatt gebohnerten Holzboden zu fixieren."Hol mir noch einen Prosecco. Bitte!"
Nach einer Minute war er wieder da. Ohne hochzuschauen nahm sie ihm das Glas ab, seufzte erneut und trank es wieder in einem Zuge leer.
Aron entdeckte Louise, wie sie in der Tür stand und anscheinend auf die beiden wartete. "Na los, komm jetzt!"
Jasmin schaute mit einem resignierten Blick zu ihm auf, dann hinüber zu ihrer Chefin. Sie erhob sich langsam und meinte matt: "Okay. Also los, wir können ja nicht die ganze Zeit hier so abseits hocken."
Sie folgte ihm zu den anderen, mit denen zusammen sie wieder in die Vorhalle ging. Sie gab Louise mit der Faust einen kleinen Stups in die Seite, als diese ihr ihre High Heels wieder überreichte. "Verräterin!" zischte sie ihr zu. Aber das klang schon nicht mehr allzu böse, eher sehr, sehr müde.
Von überall her spürte Jasmin die neugierigen Blicke, und in ihrem zarten Kleidchen fühlte sie sich diesen irgendwie besonders schutzlos ausgeliefert. Sie fanden Daniela, die sie auch sehr herzlich begrüßte.
Mein Gott, merken die nichts, oder wollen die mich alle verarschen? Die muten mir hier die größte Peinlichkeit meines Lebens zu - und tun total nett und super locker.
Doch zumindest inmitten dieses schützenden Kreises ihrer Vertrauten, der um sie herum stand, ging es ihr allmählich wieder etwas besser. Sie schaffte es tatsächlich, auf ein paar Fragen nach ihrem Urlaub zu antworten, sie erzählte und wurde dabei etwas ruhiger und lockerer.
Weber löste sich von der Gruppe und nahm den Wirtschaftsminister des Landes in Empfang, der gerade eingetroffen war. Während er mit ihm sprach, bewunderte der Minister nach und nach die beiden Plakate. Weber zog ihn zu der kleinen Gruppe.
„Darf ich vorstellen: Jasmin Bischoff. Sie ist sozusagen das weibliche Gesicht unseres Hauses, wie Sie sehen können.“ Weber wies nochmal auf die Plakate links und rechts.
„Sehr angenehm, Frau Bischoff! Wunderschöne Aufnahmen.“
Jasmin wusste selbst nicht, wie es ihr gelang, sich derart zusammenzureißen, aber sie machte sogar einen angedeuteten Knicks. Und das alles auch noch in diesem Hauch von Kleid, dachte sie gleichzeitig fast resigniert.
Weber stellte dem Minister auch Aron und die anderen vor. Dann lud er alle Gäste – es waren mittlerweile wohl schon fast fünfzig – zu einem Rundgang ein.
Jasmin wäre gern zurück geblieben, aber ausgerechnet der Minister bat sie, sie zu begleiten. So ging sie denn in der ersten Gruppe mit, der auch noch der örtliche Landrat und der Bürgermeister von Weeslow angehörten. Hauptgebäude, Nebentrakt eins, Nebentrakt zwei. Dort warfen sie alle einen Blick ausgerechnet in die Luxus-Suite, in der sie die Fotos gemacht hatten und in der Jasmin ihre Liebesnacht mit Aron verbracht hatte. Und was musste sie dort sehen? Ein weiteres lebensgroßes Bild von ihr und Aron, als Aufsteller vor dem Fenster, jene Szene, in der die beiden eng umschlungen im Bad standen. Wenigstens sieht man hier nicht auch noch meinen Schoß, dachte sie nur. Oh Mann, was denken die hier wohl alle von mir?!
Ihre Aufmerksamkeit wurde kurz auf eine Frau gelenkt, vielleicht Ende vierzig, sehr blond, sehr gebräunt, sehr schlank, in einem hübschen Sommerkleid, die ihr beim Herausgehen aus der Suite verschwörerisch zuzwinkerte. Die zum Beispiel, was denkt die wohl?
Es ging weiter, hinunter und hinaus in den mit Fackeln erleuchteten Park und den Thermen-Bereich. Und weitere Aufsteller erwarteten Jasmin und die Besuchergruppe mit vielen weiteren expliziten Nacktfotos von Aron und ihr. Vor allem vor dem Massage-Foto, das wirklich alles von ihr in Nahaufnahme zeigte, schloss Jasmin verzweifelt die Augen.
Ihre innere Stimme sprach: Ja, meine Damen und Herren, das da sind meine Titten, das da sind meine blitzeblanken Schamlippen, leider etwas schmal, sie öffnen sich nur allzu leicht und verdecken nicht immer alles, ja, und das da, das ist also meine Klitoris. Ja, leicht geschwollen, ziemlich feucht, sorry, aber wenden Sie sich bitte in dieser Sache vertrauensvoll an Herrn Aron Sommer, der hatte da seine Finger im Spiel...
Die neugierigen Blicke der anderen auf sie wurden nicht weniger.
"Lass das bloß bald vorbei sein." flüsterte sie Louise und Aron zu, als sie ein Stück hinter den anderen zurückblieben.
Louise umfasste ihre Schultern. "Komm, Kleine, das ist tatsächlich ein bisschen heavy, das sehe ich ein. Wir hätten Dich doch besser vorwarnen sollen. Aber Du machst Dich super! Die Fotos sind großartig. Und Du bist einfach umwerfend schön! Ich bin stolz auf Dich, dass Du all das mitmachst."
Jasmin seufzte nur matt. "Was tut man nicht alles..." sagte sie leise, mehr zu sich selbst.
"Nimm es wie ein Profi!" wiederholte Aron, aber es war nicht spöttisch gemeint, er ließ sie dabei spüren, dass er ihre Gefühle zwar nicht teilte, aber gut nachvollziehen konnte.
Arons Gegenwart tat ihr gut. Sie nahm seine Hand, aus ihrem liebevollen Blick sprach aufrichtige Dankbarkeit, ihre schönen Augen drückten dabei all die Verletzlichkeit und Hilfebedürftigkeit ihrer Seele aus. Und ein Zittern durchlief ihren ganzen Körper.
Zusammen mit Aron, Daniela und Louise versuchte sie, stets am Ende der Gruppe zu bleiben. Sie tuschelten miteinander, und Jasmin konnte ab und zu schon wieder über Arons witzige Bemerkungen zu einigen der hoch gestellten und dennoch so gar nicht würdevollen Herrschaften lachen.
Eines musste sie Ralph tatsächlich lassen: Die Fotos hatten hohen künstlerischen Wert, und sie gaben immer den Zusammenhang – Wellness, Entspannung, Erholung – wieder. Nie wirkten Aron oder sie dabei anzüglich oder aufreizend, sondern immer entspannt und natürlich, ihre Nacktheit an sich war immer nachvollziehbar, erklärbar und der Situation nach vollkommen angemessen.
Allmählich blieben sie immer weiter zurück und sprachen von anderem. Nadine kam wieder hinzu und stellte Jasmin ihren Freund und Vater ihrer Tochter, Michael Schneider, vor. Im Stillen gratulierte Jasmin ihr zu ihrem guten Geschmack. Zu der kleinen Gruppe, die sich zusammen mit Nadine genähert hatte, gehörte auch der Bürgermeister von Weeslow. Er stellte sich selbst vor.
Irgendwie sind ja wohl alle scharf darauf, mich mal anzusprechen, dachte Jasmin zunächst etwas missmutig, wäre sie doch am liebsten weiter möglichst unbehelligt von den anderen Gästen geblieben. Aber dann stellte sich dieser Peter Dreyer als recht charmant und sogar witzig heraus. Bei ihm stand eine junge Frau, etwa Mitte zwanzig, blond, groß und schlank wie sie selbst, die er seinerseits vorstellte. Lissy - ihr Nachname wurde gar nicht erst erwähnt - war seine ´persönliche Assistentin´, wie er sie bezeichnete, oder seine `Büroleiterin´, wie sie ihn sogleich verbesserte. Sie war Jasmin schon gleich zu Anfang in der Menge der vielen durchaus gutaussehenden Frauen an diesem Abend aufgefallen, trug sie doch von allen den mit Abstand kürzesten Rock – bei beeindruckend langen, wunderbar schlanken Beinen – als Teil eines perfekt geschnittenen engen Kostüms.
„Wir müssen uns unbedingt mal miteinander unterhalten.“ konnte Lissy nur kurz andeuten, denn schon wieder wurde Prosecco gereicht und die Gruppen setzten sich wieder in Bewegung. Jasmin bekam allmählich ein Gefühl beschwipster Leichtigkeit. Sie trank viel zu schnell. Als sie wieder beim Thema Urlaub waren, erzählte Jasmin freimütig, dass sie sich ausschließlich textilfrei gesonnt habe.
"Also, dann ist das eine nahtlose Bräune, die ich die ganze Zeit an Dir – darf ich Du sagen? - bewundere?" fragte diese Lissy.
"Ja, darfst Du. Und ja, vollkommen nahtlos, durch und durch." sagte sie nicht ganz ohne Stolz, und zu Nadine schauend ergänzte sie: „Wie versprochen.“ Nadine prostete ihr schmunzelnd zu.
"Dann hat Dich unser Foto-Shooting wohl inspiriert?" wollte nun Daniela wissen. Auch sie schien schon leicht beschwipst zu sein.
"Ja, offenbar!" antwortete Jasmin schon wieder ganz fröhlich. Und zur anderen Seite hin meinte sie leise zu Aron: "Sehr sogar."
„Trägst Du ein Höschen?“ fragte er sie ebenso leise.
"Was geht Dich das an?" erwiderte sie keck.
"Also nein?"
"Fühl doch mal...!"
Aron strich sachte über ihren Po. Jasmin grinste. Es ging ihr schon besser. Diese kleine Gesellschaft hatte sie zwei Wochen lang vermisst, das spürte sie nun umso mehr, jetzt, da sie sie alle wiedersah. Doch lieber wäre es ihr gewesen, es wäre unter anderen Umständen geschehen. Oder siebzig - oder wieviel es jetzt sein mochten - andere Leute würden einfach verschwinden.
Später gab es im Festsaal kurze Ansprachen des Ministers, des Landrats und von Weber, dann bat man zu Tisch. Weber und der Minister verschwanden kurz zum anschließenden Pressegespräch.
Jasmin wurde beim Essen eingerahmt vom Landrat und von Aron, ihr gegenüber saßen Daniela und ihre Chefin Louise. Der Landrat, ein dicker, jovialer Möchtegern-Provinzfürst, stierte ständig in ihren tiefen Ausschnitt und wurde ab und an richtig anzüglich im Gespräch. Doch diese unangenehmen Momente fanden glücklicherweise ein Ende, da er zum Pressegespräch anstelle des Ministers, der schon abreisen musste, geholt wurde.
Stattdessen nahm Weber, als er von seinem Teil des Interviews zurückkam, einfach dessen Platz ein und ließ sich einen neuen Teller bringen. Im Vergleich zu dem Weber, den Jasmin in der Zeit vor dem Foto-Shooting kennen gelernt hatte, schien das hier ein ganz anderer Mensch zu sein. Er war äußerst aufmerksam und charmant und ließ die Unterhaltung mit ihr nie abbrechen, selbst wenn er andere dazu in das Gespräch einband. Doch dieser Moment der Nähe wurde beim Hauptgang wieder gestört, als dieser blöde Landrat zurückkehrte, und Weber den Platz höflich wieder an ihn abtrat. Sie flüchtete vor seinen erneuten Anzüglichkeiten noch vor dem Dessert, gemeinsam mit Aron, zum Haupteingang, wo jener eine rauchen wollte.
Draußen war es mittlerweile recht kühl geworden, es hatte einen kurzen Regenschauer gegeben. Jetzt war der Himmel klar, und beide schauten vom Vorplatz aus in die Sterne. Aron sah, dass Jasmin fröstelte, und legte einen Arm um ihre Schultern. Sie schmiegte sich an ihn an. Doch die kühle Abendluft spürte sie nicht nur an den ungeschützten Beinen, sondern bis oben hinauf, bis in den Schritt. Ungewohnt und kribbelig, fand sie, aber auch aufregend. Eine Weile würde sie das schon aushalten können, dann aber wollte sie schnell wieder ins Warme zurück. Sie wandelten ein wenig durch den angrenzenden, immer noch von Fackeln erhellten, jetzt menschenleeren Park, den sie so gut kannten. Kein Wort war nötig, allein das traute Zusammensein reichte den beiden in diesem Moment, um sich einander nah und vertraut zu fühlen.
Erst kurz bevor sie das Gebäude wieder erreicht hatten, blieb Jasmin stehen und hielt ihn zurück. „Du Aron..“ begann sie vorsichtig, „weißt Du, ich habe damals beim Shooting, als ich Dich zum ersten Mal mit Ralph gesehen habe, echt gedacht, dass Du schwul bist.“
Er lachte. „Da kann man mal sehen. – Ich hoffe, es ist jetzt kein Problem für Dich, aber – ich mag auch Männer.“
„Also beides?“
„Exakt. Wobei, falls es Dich beruhigt, im Wesentlichen bezieht sich das auf Ralph. Das ist schon eine sehr, sehr lange Geschichte zwischen uns.“
„Ein wenig beruhigt mich das tatsächlich.“ Sie zog ihn wieder weiter. Für sie war das Thema ein für alle mal geklärt und damit keines mehr. „Sonst müsste ich ja auch noch permanent auf die andere Hälfte der Menschheit eifersüchtig sein.“
Aus dem Dunkel vor dem Hauptgebäude trat Nadine hervor und kam näher.
"Pst..." machte sie. "Habe mich gerade davon gestohlen. Irgendso ein Blödmann von Landrat wollte mir gerade ein Gespräch aufdrängen.“
„Wo ist Dein Freund Michael?“ wollte Jasmin wissen.
„Der musste los, auf Sara aufpassen. Die war bis eben noch bei meiner Freundin, aber allzu lange lassen wir sie noch nicht allein.“
„Wie alt ist sie denn?“
„Ein Jahr. Sie ist zwar schon länger in der Kita. Aber abends ohne uns, das kennt sie noch nicht. - Mir ist das hier zu frisch, kommt Ihr mit rein? Aber lasst mich nicht allein.“
Als Aron und Jasmin durch die hintere Tür wieder in den Saal kamen, waren die Tische schon abgeräumt und wurden gerade zur Seite gestellt. Kurz darauf spielte eine Band auf, und Jasmin und die anderen waren sich einig, dass die Musik ziemlich gut war. Zu ihrer eigenen Überraschung verspürte sie plötzlich Lust zu tanzen.
Doch zunächst wurde ihr von Nadine noch jemand aus Weeslow vorgestellt. Es war jene Frau, die ihr zuvor in der Honeymoon-Suite zugezwinkert hatte. Sabine Wollenhaupt, zusammen mit Nadines Freund Michael die Vorsitzende des örtlichen Vereins.
„Welchen Vereins?“ wollte Jasmin wissen. Sie erinnerte sich nur noch dunkel an eine frühere Bemerkung Nadines.
„Michael und ich leiten den Verein ´Weeslower See e.V`. Wir betreiben das Strandbad. Und kümmern uns um das Gelände drumherum und so.“ erklärte die blonde Frau freundlich.
„Unser FKK-Verein.“ ergänzte Nadine.
„Ach nein, so ganz stimmt das nicht.“ widersprach Sabine Wollenhaupt. „Bei uns kann jeder Mitglied sein. Und am See ist auch Textilbaden erlaubt, ganz klar.“
„Macht nur keiner.“ unterbrach Nadine erneut.
Die Dame nickte. „Das ist etwas anderes. Also, was Nadine sagt, stimmt schon, die meisten Leute bei uns baden nackt. Das hat schon lange Tradition. Und wir freuen uns immer, neue Nackt-Freunde aufnehmen zu können. Also, wenn Sie Lust hätten…“
Jasmin war jetzt in ausgelassener Stimmung. „Bin dabei!“
Nun wurde die Musik lauter und es entstand eine allgemeine Unruhe. Prompt wurden die beiden Damen zum Tanz aufgefordert, Jasmin von Aron, Sabine Wollenhaupt vom Bürgermeister. Jasmin legte noch schnell ihr Cardigan-Jäckchen ab, zwinkerte Nadine zu, die gerade vom bereit leicht schwankenden Landrat angesprochen wurde, und wünschte ihr schmunzelnd ´viel Spaß´.
Für Jasmin war das eine willkommene Ablenkung. Nein, das jetzt gerade war nicht ihre Musik, eher eine dem hohen Durchschnittsalter der Gäste entsprechende. Und sie hatte auch nie Standardtanz gelernt. Doch das war ihr jetzt egal. Und Aron wusste, was er tat. Selbstsicher und gewandt führte er sie, und sie musste nichts weiter tun als sich führen, leiten und drehen zu lassen.
Aron machte sie mit einer Bewegung seines Kopfes auf das neben ihnen tanzende Paar aufmerksam, Bürgermeister Dreyer und Sabine Wollenhaupt, und meinte, dass die beiden lange Zeit verheiratet gewesen waren, nun aber schon ein paar Jahre geschieden seien.
„Schön, dass sie sich noch so gut verstehen.“ hauchte Jasmin eher, als das sie sprach, so sehr wirbelte er sie herum. „Ist Lissy seine Neue? Ich meine…“
Sie wechselten immer ein paar knappe Worte, wenn sie sich nahe waren, dann schwangen sie wieder auseinander, und führten ihre kleine Unterhaltung fort, wenn sie wieder zueinander fanden.
Er grinste: „Sehr aufmerksam. Gut bemerkt. Ja, so kann man sagen.“
Sie wollte wissen, wie er das meinte, dann wirbelte sie schon wieder davon. Ihr weit geschnittener Rockteil wickelte sich am Ende der Drehung um ihre Beine und schwang wieder hoch auf, wenn sie sich entgegen gesetzt zurück drehte.
„Lissy ist so etwas wie seine Dauergeliebte. Seit Jahren schon.“ Er wartete die nächste Drehung ab, bis sie wieder nah bei ihm war, dann fuhr er fort: „Ganz offiziell.“
„Erzähl mir mehr davon. Ich liebe solche Geschichten.“
„Sie ist seine Assistein, seine Muse. Und sein Fickhäschen.“
„Aron!“
„Ist so. Sie tritt jeden Morgen zum Fahnenmastappell an.“
„Du meinst ´Fahnenappell´?“
„Nein. Mast. – Jeden Morgen nach Dienstantrittt bläst sie ihm einen. An seinem Schreibtisch.“
„Aron!“ Jasmin blieb mitten in der Umdrehung abrupt stehen, ihr langes blondes Haar hing ihr wild ins Gesicht. Mit einer schnellen Bewegung wischte sie es zur Seite.„Woher willst Du das wissen?“
„Hat sie mir selbst erzählt. Ist so eine Art Ritual zwischen den beiden.“
Das Lied war zuende. Jasmin griff seine Hand und führte ihn von der Tanzfläche zur Bar, nahm zwei Gläser Prosecco, die dort bereit standen und gab ihm eines davon. Sie suchte den Saal ab und erblickte schließlich Lissy, die sich mit ein paar anderen Gästen lebhaft unterhielt. In ihrem superkurzen Rock war sie leicht zu finden. „Das ist nicht wahr, oder?“
„Doch.“
„Wieso sollte sie Dir das erzählen?“
„Wir sind befreundet. Schon seit der Schulzeit. Wir sind ein Jahrgang.“
Jasmin schaute ihn aufmerksam an. „Und Du, hast Du auch schon mal mit ihr…“
Er beendete grinsend ihren Satz. „…geschlafen? Ja. Aber das haben hier in Weeslow schon viele Männer.“
Wieder sah Jasmin zu der anderen hinüber. „Also so eine ist sie…“
„Was immer Du damit meinst… Früher vielleicht. Aber heute führt sie für Weeslower Verhältnisse ein ganz normales Sex-Leben. Sie hat einen festen Freund – und eben dazu noch Dreyer. Die ganze Stadt weiß daon. Aber warum auch nicht.“
Sie beugte sich herab und schnürte die Bändchen ihrer High Heels ab, dann zog sie sich aus und reichte sie hinüber zu einem Mädchen hinter der Bar. „Könntest Du die hier irgendwo aufbewahren?“ Und zu Aron gewandt. „Komm, lass uns weiter tanzen. Barfuß kann ich das besser als auf diesen Stelzen. Was ist das?“ Ohne ihre Schuhe war sie jetzt einen ganzen Kopf kleiner als er.
„Ein Jive.“ Er nahm ihre Hand und führte sie auf die Tanzfläche, wo noch drei andere Pärchen waren, darunter Dreyer, nun mit einer ihr unbekannten Frau mittleren Alters.
„Jeden Morgen?“ fragte Jasmin noch einmal ungläubig nach, kurz bevor sie einsetzten.
„Ja. So sagt sie. Und das ist ja nicht das einzige, was die beiden so treiben.“
„Er muss ja ziemlich potent sein.“
Aron hob die Augenbrauchen. „Ich weiß auch nicht, ob es am Weeslower Wasser…“ Er schob sie von sich, holte sie zurück. „…oder unserer Luft liegt. Aber das sind wir Männer hier alle.“
Mit der freien Hand klapste sie ihm auf den Bauch. „Angeber.“
„Was machst Du nachher?“
„Weiß noch nicht.“ Bislang war sie dafür noch viel zu aufgewühlt gewesen, doch augenblicklich wurde ihr klar, was sie wollte.
„Ich könnte mir von Daniela den Schlüssel zur Honeymoon-Suite geben lassen.“
Als sie nah genug an seinem Ohr vorbei kam, flüsterte sie: „Tu das bitte!“
Von da an tanzte sie nur noch umso befreiter. Beinahe vergaß sie, wo sie sich befand und unter welchen Umständen, was sie vorhin noch so erregt und aufgeregt hatte. Jetzt war ihr das alles egal. Die ganzen belastenden zwei Wochen, die sie sich mit schlechtem Gewissen gegenüber Max gequält hatte, waren wie weggeblasen. Hier gehörte sie hin, hierhin nach Weeslow. Und zu Aron.
Sie drehte sich, ihr Kleid schwang hoch, ihre gebräunten schlanken Beine wirbelten, die beiden wurden immer ausgelassener und hingebungsvoller. Die anderen Pärchen machten respektvoll Platz, und sie hatten die ganze Fläche und die ganze Aufmerksamkeit für sich. Er im weit offenen weißen Hemd und der schmalen, engen schwarzen Hose, sie in ihrem Kleinen Schwarzen. Ihr jugendlich fester voller Busen unter dem hautengen Stoff wogte auf und ab, die dünnen Träger ihre Kleides verrutschten immer wieder und mussten immer wieder schnell an die richtige Stelle geschoben werden, wollte sie es nicht irgendwann womöglich verlieren, ihre herrlich langen Beine, ihr Poansatz kamen immer wieder schön zum Vorschein, ihre blonde Mähne wirbelte wild herum, ihr lachender Mund erfüllte ihr ganzes strahlendes Gesicht. Kurz vor Schluß eine zweifache Pirouette an seinem Arm. Und erblickte man dabei im für Sekunden offengelegten Schoß, am freien Po wirklich nur gebräunte Haut, oder bildete man sich das nur ein?
Mit einer gewagten Figur, sie dahingestreckt in seinen Armen, endeten sie zum letzten Akkord, um sie herum brandete stürmischer Beifall auf, viele bewunderten die Jugend und dachten vielleicht wehmütig an ihre eigene. Er verbeugte sich, sie knickste lieb vor ihrem Publikum, dann führte er sie ab und strebte zur Bar.
„Oh Gott, ist mir heiß.“ meinte sie dort zu Daniela und Louise, eine Hand auf ihrem Brustkorb, mit der anderen Luft zufächelnd. „Bin ich so froh, dass ich kein Höschen trage.“ Es klang dabei so unschuldig, wie es von ihr in diesem Moment auch gemeint war.
Ihre Chefin Louise legte je eine Hand auf Arons und auf Jasmins Schulter. „Gut, dass Ihr beide tanzt.“
„Ja“, ergänzte Daniela. „Wir waren uns gerade einig, dass ohne Euch beide hier eine Stimmung wäre wie auf einer Goldenen Hochzeit.“
„Zum Glück haben wir das nicht zu verantworten.“ meinte Louise. „Wir hätten das besser organisiert, oder?“
„Immerhin, die Band ist okay.“ fand Jasmin. Mit erhitzten Wangen ordnete sie ihre zerzausten langen Haare so gut es eben ging. Nadine, bestens organisiert wie immer, reichte ihr einen Kamm, mit dem Jasmin zur Damentoilette verschwand.
Hier nun kam sie zum ersten Mal überhaupt halbwegs zur Ruhe. Sie sah vor sich im Spiegel eine Jasmin, die ihr erstmals auf dem Weg zum Erwachsenwerden erschien. Ihre Zukunft lag nicht mehr bei Max und Louise, nicht in Berlin, sondern hier.. Hier wollte sie leben, in Weeslow, dem freien, offenen, toleranten Weeslow. Bei Menschen wie Aron, unabhängig davon, wie es mit ihm weiter ging, wie Nadine, wie Sabine Wollenhaupt, sogar wie diesem lüsternen, lustigen Bürgermeister. Hier gehörte sie hin.
Auf dem Weg zurück traf sie im Gang auf Lissy.
„Wow! Ihr tanzt großartig! Ich wusste gar nicht, dass Aron so ein guter Tänzer ist.“
„Oja, er versteht was davon.“
„Und Du siehst einfach großartig aus.“
„Danke.“
Sollte sie sich trauen zu fragen? Sie gab sich einen Ruck. „Du kennst ihn doch ganz gut, oder?“
Lissy wog den Kopf. „Ja, doch, kann man sagen.“
„Ist er verlässlich?“
Die andere lachte laut auf. „So eine kurze Frage – und so treffend. – Ja. Ist er. Er ist eine treue Seele. Wobei…“ Sie machte eine kurze Pause. „Treu jetzt nicht in Bezug auf Sex, sondern mehr im Sinne von verlässlich eben. Er ist ein prima Freund.“ Noch eine Pause. „Und wenn Du mit ihm zusammen kommen solltest, Süße, dann hättest Du eine erstklassige Wahl getroffen.“ Und dann, schon im Weggehen. “Man kann sich auf ihn verlassen. – Sorry, ich muss ganz dringend…“
Als Jasmin in den Saal zurückkam, hatte die Band die Musik unterbrochen. Weber stand auf der Bühne und redete gerade. Jasmin kam es so vor, als hätte man auf sie gewartet. Er winkte sie hinauf. Aron stand bereits an seiner Seite. Auch das noch, dachte sie, was hat er wohl vor?
Weber sprach derweil, während sie, immer noch barfuß, die fünf Stufen zu dem Podest hochstieg: „Ich möchte mich sehr herzlich bei Ihnen bedanken, dass Sie heute meine Gäste sind – und mich bei allen bedanken, die dieses Projekt möglich gemacht haben.“ Dann zählte er, etwas zu lang, wie Jasmin fand, ganz viele Namen und Funktionen auf, darunter auch Louise und Ralph. „Und nicht zuletzt bei jeden beiden hier“. Mit diesen Worten breitete er seine Arme aus und deutete auf Aron und Jasmin, die ihm zu beiden Seiten standen. Er wartete den freundlichen anhaltenden Applaus ab und erzählte kurz die Geschichte vom Foto-Shooting.
Etwa fünfzig Gäste befanden sich noch im Saal. Jasmin hasste es, vor großen Gruppen zu stehen. Schon vor ihrer Schulklasse fiel ihr das schwer, und das hier waren viel mehr und lauter Unbekannte. Und nun musste sie auch noch diese Geschichte mit anhören, sich und die anderen an die Nacktfotos erinnern lassen. Wieder färbten sich ihre Wangen rot. Am liebsten wäre sie weggerannt. Aber das wäre genauso peinlich gewesen. Also riß sie sich zusammen und schaute starr über die Leute hinweg auf die andere Seite des Saals. Dorthin hatten gerade zwei Helfer die lebensgroßen Poster aus der Eingangshalle hinein getragen. Sie sah sich selbst gegenüber stehen, ihrem splitternackten Abbild. Das alles hatte sie für einige Zeit völlig verdrängen können. Doch nun hatte sie das Gefühl, ihre Ohren seien taub, so sehr rauschte das Blut durch ihre Adern. Sie wollte jetzt nur schnell weg von dieser Bühne. - Musste er das alles auch noch erzählen? Alle ausdrücklich darauf hinweisen? Dass sie es war, die hier vor aller Augen auf all den Plakaten und Fotos splitternackt zu sehen war - und dass sie das auch noch quasi freiwillig mitgemacht hatte... etwa aus Spaß an der Freude...?! – Und dann stand sie hier auch noch in diesem sexy Nichts von einem Kleid, das ihre Konturen so genau abbildete als wäre sie beinah nackt… - Als den Zuhörern klar wurde, dass die beiden nur ganz zufällig beim Fotoshooting eingesprungen waren, gab es begeisterten Beifall. Jasmin selbst hatte gar nicht mehr richtig zugehört, aber sie ahnte, dass der Applaus ihr galt. Sie verharrte in ihrer angestrengten, bemüht geraden Haltung, traute sich, einen kurzen Blick ins Publikum zu werfen. Sie fand Nadines aufmunterndes Lächeln. Nadine fing an, sie nachzumachen, mit durchgedrücktem Rücken und Händen, von denen sie nicht wusste, wohin, und die vor dem Schoß miteinander rangen. Als Jasmin ihre Parodie erkannte, musste sie wider Willen lächeln. Sie schaute zur Seite zu Aron, der komisch die Augen verdrehte angesichts der Weitschweifigkeit Webers. Auch darüber musste sie schmunzeln. Sie atmete durch, dann sah sie Louise, die ihr zunickte, dann Lissy, die den Daumen hob, dann Daniela, und sie erkannte, es war ein Heimspiel. Jasm´n, entspanne Dich, sagte sie sich.
„Und nun möchte ich zu unserer Verlosung kommen. Auf Ihrer Einladungskarte haben Sie eine Nummer. Wenn Sie diese nun in die Hand nehmen und vergleichen mögen. Jasmin, möchtest Du die Lose hier aus dieser Trommel ziehen?“ Sie war erleichtert, nicht mehr nur herumstehen zu müssen, sondern etwas tun zu dürfen. „Und Du Aron, lies bitte zunächst einmal vor, welcher Preis vergeben wird.
Er bekam das Mikro, den Zettel und las laut: „Dritter Preis: Tageskarte für die Therme einschließlich Bademantel und Handtuch für zwei Personen.“ Nadine zog ein Los, gab es Weber. „Nummer 32.“
Ganz vorne reckte eine ältere Dame ihre Hand hoch. „32 bin ich.“ Weber bat sie nach oben, Küsschen von Aron links und rechts, Küsschen von Jasmin, Küsschen und Glückwunsch von Weber.
„Zweiter Preis: Ein Wochenende zu zweit in der Honeymoon Suite.“ „Nummer 121.“
Niemand meldete sich. „121“ wiederholte Aron. Keine Meldung.
„Okay, ich nehme es!“ scherzte der Landrat, der von irgendwoher plötzlich wieder aufgetaucht war und nun ganz vorne stand. Er schien schon reichlich angetrunken und wankte leicht.
Er wurde überhört, also tönte er lauter: „Aber nur zusammen mit ihr!“ und er wies auf Jasmin.
„Ekel.“ dachte sie nur. Wie lüstern der mich anstarrt. Sie musste unbedingt wegschauen, ehe er noch ihren Blick erfassen konnte. Wieder sah sie sich auf dem Poster gegenüber, die Szene am Badesteg – in Nahaufnahme… - Wie bitte?!
Als Weber merkte, dass Jasmin nicht zugehört hatte, berührte er ihre Schulter. „Das Los? Der erste Preis.“ Er wandte sich dem Publikum zu „Nochmal: Eine goldene Mitgliedskarte. Lebenslang im Eden für den halben Preis.“
Doch da unterbrach ihn der laute Zwischenruf des mittlerweile schon sichtlich angetrunkenen Bürgermeisters: „Verlost Ihr auch die Plakate? Ich will eines!“
Weber stand einen Moment schweigend da, dann deutete er Daniela mit einem Kopfnicken an, dass sie sich um den armen Mann kümmern sollte. „Wenn Sie das möchten…“ meinte er nachsichtig, doch da erhob sich ein überraschend lauter Applaus aus den Reihen.
Jasmin brach innerlich fast in sich zusammen. - Was sollte das nun?! Warum machten die das mit ihr? Weber spürte ihre Nervosität. „Nur Mut…“ flüsterte er ihr zu, „ist ja gleich vorbei.“
„Hoffentlich.“ brachte sie nur mühsam heraus.
„Okay,“ sagte Weber laut ins Mikro und machte schon wieder Handzeichen an seine Leute, „dann ziehen wir jetzt ein Los für eines der beiden Plakate dort hinten.“ Er winkte seinen Helfern, die Plakate heranschaffen. Nun sollte Jasmin also zuerst genau das Plakat verlosen, auf das sie zuvor geschaut hatte. Es stand jetzt neben ihr, fast zwei Meter hoch, und sie war darauf schräg von vorn komplett nackt abgebildet, am Steg sitzend, die Beine im Wasser baumelnd, Busen voll im Bild, der Schoß zwischen den Beinen gut erkennbar rasiert, ihr Gesicht zwar offen der Kamera zugewandt, der Blick aber verträumt nach unten ins Wasser gerichtet. Im Hintergrund lag übrigens, nicht fokussiert und daher etwas verschwommen, die schöne Nadine, ebenso nackt, ausgestreckt auf dem blanken Holz. - Reiß Dich irgendwie zusammen, sagte sich Jasmin, und spiele mit!
Das Plakat ging nicht etwa an den Landrat, sondern an irgendeinen Behördenvertreter. Jasmin gratulierte ihm, als er auf die Bühne heraufkam, zwang sich zu einem Lächeln. Dabei hatte sie permanent das Gefühl, von den Blicken der Zuschauer, insbesondere der Männer, durchgescannt zu werden, durch ihr dünnes Kleid hindurch, und von allen genauso nackt gesehen zu werden wie sie es auf dem Plakat neben sich war. Nachher, wenn das hier vorbei ist, besaufe ich mich endgültig, dachte sie.
„Sie halten sich tapfer, Jasmin!“ meinte Weber leise zu ihr und sah sie lächelnd dabei an. „Und Sie sind wunderschön dabei!“
Das zweite Plakat war doch ein anderes als erwartet, es zeigte Aron unter der Außendusche, auf dem nun Jasmin verschwommen im Hintergrund auf einer Liege lag. Aron durfte es verlosen. Die ganze Aufmerksamkeit richtete sich nun auf ihn, was ihr ganz gut tat. Sie konnte nun tatsächlich einfach nur als schmückendes Beiwerk dabeistehen, klatschen und sogar lächeln.
Da rief Ralph, der ebenfalls schon etwas angeheitert war, in Arons Richtung: „Ausziehen! Ausziehen!“. Erst waren alle etwas irritiert, dann aber fiel der Landrat, der von Daniela längst an den Rand des Saales komplimentiert worden war, von dort aus ein. "Ausziehen! Aber beide!" Zwei, drei Männer folgten, dann auch die ersten Damen, und innerhalb weniger Augenblicke hallte dieser Ruf durch den ganzen Saal.
Jasmin schluckte. Sie wollte sofort von der Bühne herunter, doch Weber hielt sie geistesgegenwärtig am Arm fest. Schlimmer noch: Aron nestelte schon grinsend an seinem Hemd und provozierte damit nur umso lauteres Gejohle. Und schon war er aus dem Hemd heraus und zeigte seinen perfekten Oberkörper. Nun schauten alle zu Jasmin hin.
Sie suchte hilfesuchend den Blick von Louise. Doch die war nirgendwo zu sehen. Stattdessen erblickte sie Nadine. Und die nickte zunächst nur stumm und grinste frech. Dann zeigte sie einen erhobenen Daumen und formte mit den Lippen ´mach es!`.
Zwischenzeitlich hatte man neben sie noch ein weiteres Plakat gestellt, das nur sie zeigte: in Großaufnahme frontal nackt aus dem See steigend. Zwischen ihren Schamlippen war ihre wie so oft leicht hervorquellende Klitoris deutlich zu erkennen. Als sie das sah, biß sie sich auf die Lippen und schloss die Augen. Sie hätte sich am liebsten hinter dem Plakat versteckt.
Nun umfasste Hans Weber behutsam ihre Hand mit beiden Händen und sie hörte ihn leise zu sich sagen: „Es wäre wirklich wunderbar, wenn Sie das täten. Dieses eine noch... Es wäre die Krönung dieses Abends, dieser Eröffnung.“
Sie wandte sich ihm zu und schaute ihn mit ihren großen, tiefgründig dunklen Augen an. Alles in ihr war Ohnmacht, sie spürte, dass sie auf unerklärliche Weise viel zu wenig Kraft zur Gegenwehr besaß. „Ich soll mich ausziehen? Vor allen Leuten?“ fragte sie ungläubig.
"Ich weiß, es klingt verrückt. Aber ich kann die Leute da unten verstehen. Auch ich fände es wunderbar, wenn Sie noch einmal die nackte Muse dieses Projektes wären..."
Sie schloss erneut die Augen. Kurz meldete sich ihre Vernunft: Du bist verrückt, wenn Du das tust… Und doch - Jasmin atmete tief durch. Sie hatte keine Wahl, das wusste sie. Auch wenn sie nicht wusste, wohin das alles führen sollte.
Mittlerweile war es im Saal völlig ruhig geworden, alle schauten gebannt auf die Bühne zu der wunderhübschen, blonden jungen Frau, die sich im leisen Zwiegespräch mit Hans Weber befand, und warteten. Warteten tatsächlich geduldig und schweigend, was das hübsche Mädchen dort oben auf der Bühne wohl tun würde. Man hätte das Fallen einer Stecknadel hören können. Sogar der Landrat schwieg jetzt und starrte.
Das achtzehnjährige Mädchen dort oben versuchte verzweifelt, so etwas wie eine innere Stimme zu hören, die ihm einen Rat geben könne. Was soll ich bloß tun? Ich könnte einfach von der Bühne gehen. Empört. Beleidigt. War es nicht eine gemeine Unverschämtheit, ein junges, irgendwie wehrloses Mädchen in aller Öffentlichkeit so zu nötigen, sich auszuziehen? Eine Rücksichtslosigkeit, es überhaupt auszurufen, geschweige denn, tatsächlich zu erwarten! Ich könnte jetzt genauso gut das Treppchen wieder hinunter steigen und gehen. Ich könnte mich zu Recht aufregen und ärgern. Und jeder im Saal würde das irgendwann, vielleicht mit dann wieder nüchternem Kopf, später auch nachvollziehen und verstehen können - und sich selbst dafür schämen. - Aber ich kann nicht. Ich wäre eine riesige Enttäuschung. Für alle hier. Für Louise. Für Nadine. Für Weber. Und wahrscheinlich sogar für mich selbst.
"Erwecken Sie die Plakate zum Leben!" flüsterte leise Weber in ihr Ohr.
Sie öffnete endlich ihre Augen, schaute auf das Plakat neben sich. Da stand sie. Splitternackt. Lebensgroß. Lebensecht. Mit diesen Plakaten, das wusste sie, umgab ihre Nacktheit kein Geheimnis mehr, alles lag offenbar. Das Plakat wirkte wie ein Spiegel. Das bin ich, so sehe ich aus. Jasmin Bischoff, achtzehn Jahre alt, aus Potsdam. Mein Gesicht, mein Körper. Nackt, natürlich und ebenso echt.
Schließlich wagte sie den Blick ins Publikum. Jetzt stand dort auch Louise. Ihre Blicke trafen sich. Louise, hilf mir! Doch Louise nickte ihrer bildhübschen Auszubildenden sogar noch aufmunternd zu, legte die Hände bittend aneinander. – Was hindert mich also noch? Meine Chefin jedenfalls nicht. Schamhaftigkeit? Schüchternheit? Ach Jasmin, zu spät, das hättest Du Dir vorher überlegen sollen.- ´Es ist doch nur Nacktheit´, hörte sie Aron im Geiste sagen. - Und hier ist es Deine Rolle, nackt zu sein, denn Du bist jetzt das Model. Das Gesicht und der Körper des `Eden`.
Und es ist Weeslow! Dein Weeslow! Dein neues Zuhause!
All das verging in wenigen Sekunden, für sie fühlte es sich wie Stunden an. Sie gab sich einen Ruck, trat einen Schritt vor und legte ihre Finger an die Träger ihres Kleides. Sie wusste selbst nicht mehr, was sie tat. Sofort brandete ein unvorstellbarer Jubel auf. Sie zog die Träger von den Schultern und schob sie langsam an ihren Oberarmen hinab.
Als sie fast ihre wunderschönen Brüste befreit hatte, hielt sie inne. „Jetzt wieder Du…“ meinte sie zu Aron.
Aron zog sich die Schuhe aus, die Socken, begleitet von rhythmischem Klatschen. „Jetzt Du…“ sagte er zu ihr.
„Nein…“ Jasmin schüttelte den Kopf. „Dann wäre ich ja schon fertig.“ flüsterte sie leise.
Er zog seine Hose aus und stand nur noch in seinem schwarzen Slip da. „Nun?“
Sie nahm wieder den Stoff zwischen die Finger und schob ihn langsam über ihre wundervollen festen Brüste. Ihr erster öffentlicher Strip, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie wartete einen Moment den Jubel ab, dann ließ sie den Stoff über ihren flachen Bauch bis zu den Hüften sinken, hielt wieder inne. „Zusammen?“
Da rutschte das Kleidchen fast von selbst das letzte Stück herab und blieb auf ihren Füßen liegen. Es war passiert...
´Es ist doch nur Nacktheit´, dachte sie wieder. Und in der Tat, es war doch nur Nacktheit, natürliche, wunderschöne, jugendliche, sommerliche, ja, sogar unschuldige Nacktheit. Ihren makellos schönen Körper umfasste eine vollkommen gleichmäßige Sonnenbräune, nahtlos von Kopf bis Fuß, weit intensiver als auf all den erst zwei Wochen alten Fotos um sie herum zu sehen war.
Sie schloss noch einmal die Augen und atmete durch. So stehe ich jetzt hier... Dann traute sie sich, durch halb zugekniffene Augen in den Saal zu schauen. Und spürte, dass sie das Schlimmste bereits hinter sich hatte. Wieder sah sie Louise, dann Daniela, schließlich schaute sie zu Weber. Alle strahlten sie an, vor allem letzterer. Und mit einem Mal war sie richtig stolz auf sich. Sie trat aus dem Kleid heraus, hob es auf und warf es übermütig ins Publikum.
Und natürlich hatte ein jeder bemerken können, dass Jasmin unter ihrem Kleinen Schwarzen nicht weiter als blanke Haut trug. Aber was zählte das jetzt noch? Kurz schaute sie an sich selbst herab. Nahtlos gebräunte Haut, Idealgewicht, ihr Schambereich glatt, rein und gepflegt. Sie schaute zu Aron. Nahtlos gebräunte Haut, Idealgewicht, im Schambereich glatt, rein und gepflegt. Passt gut zusammen, fand sie. Sie hatte nicht nur ihr Idealgewicht, sondern auch ihr inneres Gleichgewicht wieder.
Sie blieb für die restliche Zeit so auf der Bühne, zusammen mit dem ebenfalls splitternackten Aron, sie beide Gesicht und Körper des Romantik Hotel Garden Eden CO.Und gerade, weil er dabei war, ihr ganz nahe, in derselben Situation, begann sie, sogar so etwas wie Spaß daran zu haben, jetzt wo alles entschieden war. Es war wie beim Foto-Shooting, fand sie: War man erst mal nackt vor allen Leuten, hatte man diese Hemmschwelle erst einmal überwunden, dann war es plötzlich gar nicht mehr so schlimm, dann gewöhnte man sich ganz schnell daran.
"Du hast mir gefehlt." flüsterte sie ihm ins Ohr.
"Du mir auch. Ich denke, das hier haben wir gleich hinter uns. Ich möchte jetzt rauf zur Honeymoon Suite.“
"Ich auch. Das volle Programm?"
"Das volle Programm!"
Plötzlich war Max da. Mitten im Raum. Er war sichtlich wütend, er kämpfte sich durch die Tür in den Raum, behindert von zwei Angestellten, die ihn vergebens nach seiner Einladung gefragt hatten und ihn versuchten aufzuhalten.
„Was machst Du hier?!“ schrie er sie an, als er sie mitten auf der Bühne entdeckte. Dann erst registrierte er, dass seine Freundin nackt war. Vollkommen nackt. Zusammen mit einem anderen Mann. Inmitten anonsten lauter angezogener Leute. Er blieb verdutzt stehen und hörte auf, sich zu wehren. „Was… machst… Du… da?“ fragte er, immer langsamer und leiser werdend.
Jasmin stand wie angewurzelt und starrte auf ihn herab, ohne auch nur eine Sekunde lang ihre Blöße zu bedecken. Dann schritt sie die Stufen herab und langsam auf Max zu. Die Menge teilte sich vor ihr. Aron wollte sie zurückhalten. „Nein, ich muss zu ihm. - Max, ich kann Dir das erklären…“
„Haut ab!“ rief Max wütend zu Weber und Aron, die sie zu ihm begleiteten. „Das ist meine Freundin!“ Er griff nach ihrem Arm und wollte sie hinausziehen.
Jasmin wehrte den Griff ab. „Lass mich! Ich komme auch so mit!“ Sie deutete mit einem Blick über die Schulter den anderen an, dass es okay sei, wenn sie sie mit ihm allein ließen.
Im Foyer waren einige erstaunte Gäste, die sich gerade zum Gehen bereit machten, daher gingen sie in einen dunklen Seitenflur.
Er fing wieder an, sie zu fragen, was das hier solle, was sie hier tue, erzählte dann jedoch hastig seine eigene Geschichte. Er sei bei sich in Hannover angekommen, und habe heute früh die Fotos im Internet entdeckt. Natürlich hatte er vom `Garden Eden` gehört, sie hatte ihm schon vor dem Urlaub viel davon erzählt, und er war neugierig gewesen, was das für ein Projekt war, das seine Freundin so beschäftigte. Aber was waren das für Fotos! Lauter Nacktfotos von ihr, total offen und explizit dicht dran. Er hatte sie dann nicht erreicht, auch Louise nicht, und ihre Mutter habe ihm erzählt, sie sei heute hier bei dem Eröffnungsempfang. Und jetzt das! Nackt! Was hatte das alles zu bedeuten?!
Je länger er redete, desto ruhiger wurde er, desto leiser, denn Jasmin hatte sich auf eine Bank gesetzt und still zu weinen angefangen.
„Was musst Du jetzt nur von mir denken?“ schluchzte sie und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.
„Weiß nicht. Erklär´s mir einfach!" Er setzte sich zu ihr.
„Ach Max…“
….
Sie gingen nicht mehr zurück zum Fest. Sie fuhr mit ihm heim. Aus der Honeymoon Suite wurde nichts. Nicht einmal von Aron verabschiedet hatte sie sich. Von niemanden. Aber die hatten sich bestimmt denken können, weshalb. Das war auch erstmal nicht das Wichstigste. Sie wusste nicht wie, aber sie überstand diese Nacht und den nächsten Tag mit Max, ehe er wieder nach Hannover abreiste. Sie hatte versucht, sich ihm zu erklären. Die Geschichte mit Aron ließ sie natürlich aus. Und während sie erzählte, spürte sie, dass sie eigentlich gar nicht wollte, dass er sie verstand. Dass er ihr verzieh. Denn Max war in diesem Moment schon Geschichte. Sie wollte es nur noch würdevoll, behutsam und freundschaftlich hinter sich bringen, das war das Mindeste, was er, der Gute, verdient hatte. Und doch, es musste ein Ende sein, alles andere wäre Lüge gewesen.
Teil 3 – In der Schule
"Hi Jasmin! Bist Du das hier?"
Sie musste gar nicht hinschauen. Sie wusste es sofort. Sie hörte es schon am Tonfall der Frage heraus, am Blick dazu. Verdammt, wie konnte die das herausgefunden haben? - Und wenn die es wusste, dann...
"Hey, was ist mit Dir?"
Jasmin drängte sich wortlos an ihrer Mitschülerin vorbei und ging an ihren Platz. Ihre Knie waren plötzlich weich wie Butter, und sie war froh, sich hinsetzen zu dürfen.
Nun also auch noch das...
An den Gesichtern um sie herum erkannte sie, dass es alle schon längst wussten. Klar, wenn einer, wenn auch nur einer von denen die Fotos entdeckt hatte, dann wussten es alle. - Aber wie?
Ihre Sitznachbarin Rebecca kam herein und setzte sich neben sie.
"Das ist ja der Hammer..." begann sie sogleich.
"Was?" fragte Jasmin und bemühte sich nach Kräften, ahnungslos zu klingen.
"Nun tu nicht so! Das ist das Thema hier! Vermutlich schon in der ganzen Schule..."
"Die Fotos?" fragte Jasmin zaghaft. Ihr war schlecht.
"Na klar. Die sind voll der Hammer!" wiederholte sich Rebecca.
Fast alle hatten sich zu ihr hingedreht und schauten sie an. In manchen Gesichtern meinte sie Schadenfreude zu erkennen, in anderen einfach nur Neugierde.
"Woher habt Ihr sie?" fragte sie Rebecca. Ihre Wangen glühten.
"Na hör mal! Von der Homepage dieses Hotels. Du hast doch seit Wochen von nichts anderem mehr gesprochen als von Deinem Projekt, diesem ´Eden´... Und jetzt, wo es eröffnet ist... Jan hat sie gestern entdeckt und alle angerufen. - Du machst ja Sachen!"
"Aber..." Weiter kam sie nicht.
Jessica trat an ihren Tisch. Jessica war die einzige, die Jasmin in dieser Klasse nicht ausstehen konnte. Sie war arrogant, besserwisserisch und hielt sich für besonders sexy. Leider sah sie tatsächlich beneidenswert gut aus.
"Respekt! - Das hätte ich Dir nicht zugetraut." Und das sagte diese Jessica auch noch in einem Tonfall, der klang, als meinte sie das wirklich aufrichtig und anerkennend. Oder war es doch bloß Ironie?
In diesem Augenblick kam der Lehrer herein, alle setzten sich nach und nach an ihre Plätze und die Unruhe legte sich allmählich. Jasmin kam der Unterrichtsbeginn wie eine Erlösung vor. Dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, wie sie diese Stunde, wie sie diesen Schultag, wie sie überhaupt je wieder einen Schultag überstehen sollte.
Ihre Nacktfotos aus dem `Eden` waren also schon überall herum. - Na, wunderbar! Nichts wofür Du Dich schämen müsstest, Jasmin... Dieser Gedanke der vergangenen Nacht, da noch so tröstlich, kam ihr wieder in den Sinn. - Von wegen! Es ist alles so verdammt peinlich! - Sie seufzte und sank dabei ein Stückchen in sich zusammen.
Ihre Nachbarin Rebecca bemerkte es und schaute sie grinsend an.
"Ist doch nicht so schlimm! Ich finde das total cool von Dir, echt..."
Jasmin antwortete mit einem schwachen Nicken. Mag ja sein, dachte sie, aber ich finde das hier gerade überhaupt nicht cool.
Sie versuchte mit aller Anstrengung, dem Unterricht zu folgen. Doch das gelang ihr nicht. Ihre Gedanken sprangen hin und her, ließen sich nirgendwo festhalten, am wenigsten bei dem, was der Lehrer gerade erzählte. Sie schaute sich möglichst unauffällig um. - Die wissen das also jetzt... Die wissen, wie ich nackt aussehe. Meinen Busen, meinen Po, meinen Schoß, das haben die jetzt und immerzu vor Augen. Wie ich es untenherum mag - kein Geheimnis mehr. Da könnte ich jetzt auch völlig nackt hier sitzen, würde gar keinen Unterschied mehr machen... Und was denken die jetzt von mir?! Die Reaktion von Jessica, ihrem Hassobjekt, trat vor ihr inneres Auge. Die beachtet mich sonst doch nie... Hält die mich jetzt für eine zeigefreudige Schlampe oder was? - In was bin ich da nur hineingeraten?
Es war, als verlöre sie vollkommen den Boden unter den Füßen.
Als hätte sie ihre Gedanken erraten, flüsterte Rebecca ihr zu: "Mach Dir mal keinen Kopf! – Hier finden das alle total genial... Sind nur ein bisschen überrascht. Das hätte Dir eigentlich keiner so recht zugetraut. Bist ja sonst eher so eine Artige..." Rebecca kicherte leise. "Und dann das. So total mutig von Dir..."
Der strenge Blick des Lehrers unterbrach sie.
Jaja, sagte sich Jasmin, schöner Trost... Ihr war zum Heulen zumute. - Von wegen Mut --- Dummheit höchstens! Ich Rindvieh! – Natürlich musste das alles ja irgendwie irgendwann mal herauskommen. Nicht nur bei Max. Bei allen! - Mit geschlossenen Augen holte sie tief Luft. - Irgendwie muss ich jetzt da durch. Hilft ja nichts, wenn ich weglaufe... - Sie gab sich einen Ruck und setzte sich aufrecht hin. Am besten, ich versuche das nachher zu erklären, das mit dem Ausfall der Models und so, mit meinem spontanen Einspringen, von wegen Auftrag und so, und dann... - Ihr kurzer Moment der Zuversicht brach auch schon wieder in sich zusammen. - Egal! Dann geistern trotzdem ab sofort überall meine Nacktfotos herum! Verdammt! Was habe ich da nur angerichtet?! - Jedes einzelne der Fotos ging ihr nach und nach durch den Kopf. Welche davon mochten auf der homepage sein? Alle? Auch die ganz intimen? Die nun alle anderen um sie herum kannten? Der Gedanke trieb ihr erneut die Schamesröte ins Gesicht. - Jasmin Bischoff, verdammt, Du bist so dumm, so naiv, so töricht! - Sie hätte vor Wut auf sich selbst laut schreien mögen.
Die Stunde ging vorbei und der Lehrer hinaus. Alle Aufmerksamkeit richtete sich sofort wieder auf sie. Jasmin war völlig unverhofft zum Mittelpunkt dieser Klasse geworden. Dabei war sie das nie gewesen und wollte es auch gar nicht sein. Alle mochten sie, das wusste sie, alle vielleicht bis auf diese Hexe Jessica. Sie war allgemein sehr beliebt wegen ihrer Fröhlichkeit und Natürlichkeit, und natürlich begehrt bei den Jungs ob ihres hübschen Äußeren und ihres Charmes, und deshalb auch von einigen wenigen Mädchen vielleicht ein bisschen eifersüchtig beneidet. Dennoch war sie immer nur eine Randfigur in dieser Klasse gewesen, war meistens mit Max und dessen Freundeskreis unterwegs gewesen.
Und nun das! Plötzlich war sie Mittelpunkt - nur völlig unfreiwillig und auf eine Art, die sie niemals gewollt hätte: als Nackt-Model!
Ihr war schlecht. - Obwohl sie ein Sommerkleid trug, und einige der Mädchen an diesem heißen Tag deutlich mehr Haut zeigten als sie, fühlte sie sich, als säße sie vollkommen nackt vor den anderen.
"Los, erzähl! Wie war´s!" drängte sie einer der Jungs, der ihr bis eben noch ganz sympathisch gewesen war, den sie in diesem Moment aber sehr gern gebissen hätte, am besten an einer sehr empfindlichen Stelle.
Alle sahen sie erwartungsvoll an. Es war wie in einem Alptraum.
"Ach Mensch, was soll ich denn erzählen?!" Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl nach vorn. Aber dann seufzte sie und sah in die Runde. "Na gut..."
Und so schlecht sie sich fühlte, ein wenig belustigte sie doch, wie sich plötzlich alle um sie herum im Kreis auf Stühle und Tische setzten und lauschten, wie in einer Märchenstunde.
Sie erzählte von dem Morgen, an dem sie überraschend, obwohl sie schon Urlaub gehabt hatte, von ihrer Chefin ins `Eden` geschickt wurde, vom Ausfall der beiden Models, von Weber, von Ralph und Aron, und dass sie nun mal die einzige junge Frau dort draußen in der Einöde gewesen sei und die Zeit gedrängt habe. - Alles Heikle und Anzügliche versuchte sie zu vermeiden, lediglich das Thema Nacktheit ließ sich bei all dem nicht umgehen.
„Und wie ging es Dir dabei?“ wollte Rebecca wissen.
„Na wie wohl… Ich hatte echt die Hosen voll…“
„Aber Du hattest ja gar keine an.“
Das Lachen tat gut.
Und je länger sie erzählte, desto besser ging es ihr. Es war wie ein Geständnis, wie eine öffentliche Beichte, und es fiel dabei ganz viel von ihr ab. Die Gesichter um sie herum waren gespannt, interessiert, aufrichtig teilnehmend. Und nach zehn Minuten erst bemerkte sie, dass sich die Lehrerin der nächsten Stunde auf leisen Sohlen angeschlichen haben musste und wohl schon eine ganze Weile in der dritten Reihe zuhörte.
Und je mehr sie mit ihrer Geschichte in die Offensive ging, desto mehr wurde sie Herrin der Lage. Das eigene Erzählen befreite. Ihren Zuhörern gab sie dadurch, dass sie immer selbstsicherer und offener, ja teilweise sogar heiter von den einzelnen Szenen sprach, zu verstehen, dass sie zu der ganzen Sache stand, ja, dass sie sogar ein wenig darauf stolz war, dass es eigentlich nichts zu verbergen gab - und dass es nichts zu verteidigen, sondern etwas zu berichten gab. Ihr wurde zunehmend leichter ums Herz.
Und die Reaktion ihrer Klasse war entsprechend. `Wann können wir beide uns mal im Eden treffen?` war noch die vorwitzigste der Kommentare der Jungs, die in aufrichtiger Bewunderung schwelgten. Und allesamt bestätigten ihr, wie wunderschön und ästhetisch sie die Aufnahmen fanden, die sie am Abend zuvor allesamt im Internet studiert hatten.
„Warum hat mich eigentlich keiner angerufen?“ fragte Jasmin mit gespielter Empörung.
„Habe ich. Aber Du warst nicht erreichbar.“
Da erst fiel Jasmin ein, dass ihr Mobiltelefon noch in Weeslow sein musste, ebenso wie ihr Kleid, ihre Handtasche und ihre Schuhe. Sie hatte das alles bei Louise in guten Händen gewusst und sich noch nicht darum gesorgt. Nur den Wohnungsschlüssel, den musste sie sich vom Max zurückgeben lassen. Wobei sie sich nicht sicher war, ob sie ihn jemals zurückgeben werde.
Kurz war sie von diesen Gedanken abgelenkt, doch da bekannte sich die junge Lehrerin, die völlig vergaß, den Unterrichtsbeginn einzuläuten, dazu, dass sie, ohne die Fotos gesehen zu haben, Jasmin ausdrücklich zu ihrem Mut gratuliere
Dann fragte sie Jessica, ihre Erzfeindin: "Und wer ist denn nun dieser süße Typ auf diesen Fotos?" und meinte natürlich Aron. "Kann man den mal kennenlernen?"
Sofort flammte in Jasmin so etwas wie Eifersucht auf. Jede andere hätte das wohl fragen dürfen, doch nicht ausgerechnet sie. Im nächsten Moment schon wurde Jasmin sich dieser Regung bewusst und musste schmunzeln.
"Nein, der gehört jetzt mir..." meinte sie keck und nicht ganz ohne echten Stolz.
Nach dieser Stunde war große Pause. Alle gingen bei dem schönen Wetter hinaus, auch Jasmin. Doch als sie draußen stand, war es schnell wieder vorbei mit ihrer zwischenzeitlich wiedergewonnenen Contenance. Wer wusste wohl schon davon? Egal eigentlich, denn alsbald würden es eh alle hier in der Schule wissen – und gesehen haben. Und da, einige sahen etwas verstohlen zu ihr herüber und tuschelten. Es ging also schon los.
Sie trug ein kurzes Sommerkleid, nicht ultrakurz, aber es war nun mal ein Minikleid, was bei ihrer fabelhaften Figur schon ausreichte, um ohnehin alle Blicke auf sich und ihre schlanken, herrlich braun gebrannten Beine zu ziehen. Oben herum war das Kleid eng und körperbetont, ausreichend, um ihre schönen, runden Brüste hervorzuheben. Sie ahnte, was jetzt in den Köpfen ihrer Beobachter, was in deren Phantasie vor sich ging. Und das war dann doch zu viel für sie. Sie kehrte um und ging zurück ins Gebäude, vorbei an anderen, neugierigen Betrachtern, und verbrachte den Rest der Pause lieber allein im Klassenraum. Hier ging es ihr schon besser. Und als die anderen hereinkamen, die sie allesamt anlächelten und höchstens gutgemeinte, harmlose Witzchen machten, konnte sie auch schon wieder halbwegs mitlachen.
Die zweite große Pause verbrachte sie wieder auf dem Schulhof, jedoch umringt von ihren neuen Fans, Rebecca, Jessica, Amelie, wie sie alle hießen. Das bot ihr Schutz und Sicherheit, und die Blicke der Außenstehenden waren für sie nun nichts anderes mehr als das: außenstehend.
Am Ende dieses Schultages hatte Jasmin das Gefühl, einen Sieg errungen zu haben. Einen Sieg über die Fotos, über die ganze Klasse, über all das Getuschel, über die Blicke - und über sich selbst. Und dass, weil sie die Sache selbst in die Hand genommen hatte, weil sie in die Offensive gegangen war, und damit auch das Bild bestimmen konnte, das die anderen von ihr haben sollten. Sie hatte den Spieß umgedreht, hatte zu ihren Fotos gestanden, ganz offen und selbstbewusst, und ihnen damit jedes Geheimnis, jede Anzüglichkeit genommen. Was blieb den anderen, außer den Bildern selbst? Na und...?! Sie hatte denen erklären können, wie sie zustande gekommen waren, und es gab nichts, wofür sie sich noch schämen musste.
Soll es doch die ganze Welt erfahren! Ja, sogar meine Eltern, dachte sie. Was bleibt, sind wunderschöne Aufnahmen von mir. Und dass jetzt jeder weiß, wie ich nackt aussehe - na und?! Jetzt ist es halt passiert und nicht mehr rückgängig zu machen. Und so sehe ich nun mal aus. Sorry, wenn es jemandem nicht gefällt - aber dafür kann ich ja nichts...
Am Nachmittag erhielt Jasmin all ihre Sachen, die sie im ´Eden´ gelassen hatte, von Louise zurück. Auf ihrem Nokia-Handy war eine Nachricht von Aron:
„Jasmin, es tut mir leid, wie es gekommen ist. Kommst Du wieder? Ich hoffe, es geht Dir gut. Dein Aron“
Sie musste schmunzeln. `Dein Aron´, wie lieb und unschuldig das klang.
„Ja. Ich komme wieder. Sehr gern. Hier ist alles erledigt.“
Jasmin gab ihre Wohnung in Berlin auf, die ohnehin Max zum größtenteils bezahlte. Sie durfte für das letzte Ausbildungsjahr die vier Nächte von Montag bis Freitag bei Louise in Berlin übernachten, die anderen wohnte sie in Weeslow. Aron hatte nur ein sehr kleines Zimmer hinter Ralphs Atelier bewohnt, also suchten die beiden etwas für sich. Und das sollte die alte Scheune bei Michael Schneider werden, die jedoch erst noch ausgebaut werden musste. Solange, bot ihnen Weber an, konnten sie im `Eden´ wohnen. Trotz ausgebuchter Hauptsaison machte er ihnen ein schönes Doppelzimmer frei. Einzige Bedingung für seine kostenlose Unterkunft: Die beiden musste den ganzen Tag überall splitternackt herumlaufen, im Hotel und auf dem Gelände – mit Ausnahme des Restaurants. Das taten sie gern, die vollen drei Monate lang, bis ihre Scheune endlich fertig war.
Kommentare
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Wieder eine wunderschöne Geschichte. Kann gar nicht genug bekommen, das ist richtig märchenhaft.
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