Edwina heiratet "traditionell"


Cove

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22.05.2018
CMNF

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Eine mittelgrosse ältere Kirche irgendwo auf dem Land in Baden-Württemberg. Der Hochzeitsmarsch erklingt. Die zahlreichen Hochzeitsgäste erheben sich und Edwina Spezzagutti wird von ihrem Papa durch den Mittelgang nach vorne geführt. Dort wartet bereit ihr Bräutigam Bruno Nozzi. Edwina trägt ein schönes weisses Brautkleid, was zu Getuschel unter den Gästen führt. Edwinas Papa übergibt seine Tochter dem Bräutigam und setzt sich zu seiner Frau in die zweite Reihe. Der Heiratsgottesdienst nimmt seinen gewohnten Verlauf. Auch der Pfarrer, Antonio Sorgio, trägt einen italienischen Namen. Die Trauung erfolgt jedoch auf deutsch, denn beide Brautleute, der Pfarrer und viele Gäste, sofern sie nicht Freunde des Brautpaars ohne italienische Wurzeln sind, gehören der zweiten, dritten oder gar vierten Generation von italienischen Einwanderern an, haben längst, zum Teil seit der Geburt, den deutschen Pass und sprechen einwandfrei deutsch sowie italienisch nur mit deutlichem Akzent. Aber die ehemals heimatlichen Bande haben sich über Jahrzehnte und Generationen gehalten. Viele der Anwesenden haben Verwandte in derselben Gebirgsgegend Süditaliens und begegnen sich manchmal unverhofft in den Ferien. Das alles wirkt sich auf die Partnersuche aus.

Der Tradition entsprechend fragt der Pfarrer die Gemeinde, ob jemand Gründe kenne, weshalb Edwina und Bruno nicht heiraten sollen. Wenn ja, so soll er jetzt sprechen oder für immer schweigen. Im hinteren Drittel des Kirchenschiffs steht ein Mann auf. Edwina erschrickt. Es ist dies Eugenio Bardi, mit welchem sie vor noch nicht allzu langer Zeit ein Liebespaar bildete und den sie verlassen hatte. Sie weiss, dass Eugenio darüber nie wirklich hinweggekommen ist. Eugenio teilt der Gemeinde mit lauter, deutlicher Stimme mit, dass Bruno eine Bedenkfrist eingeräumt werden sollte, denn Edwina trage zu Unrecht das weisse Kleid der Reinheit, sie sei unrein, habe schon etliche intime Freundschaften unterhalten, zum Teil sogar mehrere gleichzeitig, und ehrliche Männer verlassen, wenn ihr wieder nach neuen erotischen Abenteuer zumute gewesen sei. Sie sei untreu.

Edwina weiss, dass sie ein Risiko einging, als sie sich für das weisse Brautkleid entschied. Doch sie vertraute darauf, dass die Hochzeit in Deutschland und nicht in einem verrückt-traditionsbewussten süditalienischen Bergdorf stattfindet, ganz abgesehen davon, dass es heute auch in einem solchen Bergdorf unüblich ist, dass ein Hochzeitsgast die Braut öffentlich während des Gottesdienstes anschwärzt. Allerdings ist es nun innert zweier Jahre das dritte Mal, dass Edwina erlebt, wie sich jemand auf die traditionelle Frage des Pfarrers meldet und den Lebenswandel der Braut bemängelt. Von den beiden früheren Malen, deren Zeugin Edwina als Hochzeitsgast wurde, weiss sie, was jetzt folgen wird.

Es wäre nun Sache des Bräutigams Bruno gewesen, seine Hand auf Edwinas Schulter zu legen und damit zu zeigen, dass er sich auch durch Eugenios Intervention nicht von einer Eheschliessung abhalten lässt. Damit hätte der Spuk ein rasches Ende gefunden, denn ein solches Zeichen wäre respektiert worden. Doch Bruno tut nichts dergleichen, was aber durchaus mit der Tradition in Einklang zu bringen ist. Der Pfarrer, der auch um Traditionen weiss, bleibt schweigend am Altar stehen und lässt dem Geschehen seinen Lauf. Die Trauzeugin und der Trauzeuge blicken zu Edwina. Diese nickt leicht. Die beiden, unterstützt von zwei kräftigen Männern, treten auf Edwina zu und packen sie an den Händen und Armen. Sie zerren Edwina aus der Kirche. Fast die gesamte Hochzeitsgesellschaft folgt ihnen, denn solches erlebt man wirklich nicht jeden Tag. Auf einer Wiese direkt neben der Kirche bilden die Hochzeitsgäste einen grossen, doppelten Kreis. In dessen Mitte ist Edwina inzwischen auf die Knie gesunken. Und schon reisst das Hochzeitskleid und gibt die linke Brust frei. Edwina trägt keinen Büstenhalter. Ein solcher würde unschön durchscheinen. Ihr Kleid wird durch die kräftigen und grossen Brüste gehalten, einstweilen jedenfalls. Acht Männer unter den Hochzeitsgästen, neben ihrem Bräutigam Bruno, hatten bereits zu einem früheren intimen Zeitpunkt Gelegenheit, ihren Busen mit den Augen oder gar mit den Händen zu erkunden. Mindestens zwei Dutzend weitere Männer hatten dieses Vergnügen noch nicht, sind einem solchen aber selbstverständlich nicht abgeneigt. Manche Frauen, welche nicht so üppig ausgestattet sind, beneiden Edwina um ihre Oberweite und empfinden leise Schadenfreude. Eine interessante Frage ist auch, ob die "Schlampe" mit dem "erotisch vielseitigen Lebenswandel" sich unten herum rasiert und wenn ja, in welchem Umfang und ob dies "gut" aussieht. Kurz und gut: zwei Minuten später liegt Edwina splitternackt auf dem Rücken im Gras. Ihre Arme werden am Boden festgehalten, so dass sie sich nicht wegdrehen und nicht mit den Händen bedecken kann.

Edwina weint nicht, lässt die Demütigung in stoischer Ruhe über sich ergehen. Ihr Bräutigam Bruno beobachtet die ganze Szene aus einer gewissen Entfernung und kommt seiner Braut nicht zu Hilfe. Noch hat er das Ja-Wort nicht gesagt. Noch hat er keine Beistandspflicht. Noch liegt es in der Verantwortung der Braut, ihre vorehelichen Eskapaden in "passender" und "verdienter" Weise abzuschliessen.

Ob Edwina richtig handelte, als sie sich für das weisse Hochzeitskleid entschied, weiss sie nicht. Hätte sie ein schlichtes Zivilkleid getragen, so hätte sie vielleicht Eugenio nicht zur Offenlegung ihres nach traditionellen Massstäben zweifelhaften vorehelichen Sexuallebens und die Hochzeitsgäste nicht zur handfesten und vollkommenen Entblössung ihres sündigen Leibes provoziert. Sie hätte jedoch mit dem Zivilkleid den Eindruck erweckt, dass sie sich selber nicht als „rein" versteht oder ihr die sexuelle „Reinheit“ und Treue nicht sehr wichtig ist, was durchaus hätte Anlass sein können, der Sache auf den Grund zu gehen. Auch hätte sie mit einem Zivilkleid Bruno in den Augen einzelner zum öffentlich "gehörnten" Bräutigam gemacht hätte. Vielleicht wäre es gut gewesen, die beiden hätten vor dem "schönsten Tag im Leben" über ihr Erscheinungsbild gesprochen. Jetzt ist es aber zu spät.

Ist es so weit gekommen, gibt es für den weiteren Verlauf drei Möglichkeiten. Erstens kann jedes der Brautleute sich eine Bedenkzeit ausbedingen. Das dient um zur Ruhe zu kommen, selbst wenn beide im Moment überzeugt sind, dass sie heiraten werden. Zweitens kann die Braut so wie sie ist, eben nackt, vor den Altar treten. Das ist selten, denn selbst wenn die Braut sich dazu überwinden kann, findet nicht jeder Bräutigam den Mut, öffentlich neben einem "sündigen" Nackedei am Altar zu stehen und Ja zu sagen. Drittens kann die Braut sich mit einem einfachen braunen Büssergewand bekleiden. Dies setzt allerdings voraus, dass ein solches an Ort und Stelle ist. Es gibt Bräute, die vorsorglich ein solches durch eine befreundete Person zur Heirat mitbringen lassen.

Edwina ist wütend auf Eugenio, aber nicht auf die Hochzeitsgäste, auch nicht auf diejenigen, welche Hand an sie gelegt und das weisse Kleid zerrissen haben. Sie weiss, dass diese der Tradition entsprechend gehandelt haben und sie damit vor der Peinlichkeit bewahrt haben, sich in der Kirche für ihre vergangenen erotischen Ausschweifungen rechtfertigen und allenfalls selbst entkleiden zu müssen. Ein braunes Büssergewand liegt nicht vor, und Edwina wäre auch nicht bereit gewesen, ein solches zu tragen. Sie bespricht sich kurz mit Bruno und dem Pfarrer Antonio und begibt sich in einen Nebenraum der Kirche. Den Hochzeitsgästen, welche inzwischen wieder in der Kirche Platz genommen haben, wird durch den Pfarrer mitgeteilt, die Trauung werde in einigen Minuten fortgesetzt. Der Organist spielt "Grosser Gott, wir loben dich". Dieses Lied kennen die meisten, ob katholisch oder evangelisch, und ist deshalb gut geeignet, die Ordnung des Hochzeitsgottesdienstes wiederherzustellen. Edwina betritt ein zweites Mal den Kirchenraum und geht langsam, diesmal allein, durch den Mittelgang nach vorn und tritt zu ihrem Bräutigam an den Altar. Sie bleibt dabei nackt. Während sie nach vorne gegangen ist, hat sie mit leiser Freude wahrgenommen, dass Eugenio eine blutverschmierte Nase und ein blaues Auge eingefangen hat. So ungestraft kann also ein sitzengelassener Mann doch nicht seine frühere Freundin vorführen und demütigen lassen. Der Pfarrer setzt die Trauungsliturgie fort, als ob nichts geschehen sei. Edwina und Bruno dürfen endlich "Ja" sagen. Unmittelbar nach dem Segen verlassen sie die Kirche. Sie treffen mit zwanzig Minuten Verspätung zum Hochzeitsessen ein und tragen freizeitliche Kleidung. Auf Wunsch der Eheleute gibt es keine Hochzeitsansprachen, doch das Festmahl fällt auch ohne die gewohnt „humoristischen“ Einlagen unerwartet fröhlich aus.

Edwina hat sich längst beruhigt und nimmt die Sache jetzt gelassen. Sie ist nicht die erste Braut, die einer ganzen Hochzeitsgesellschaft in natürlichster Weise vorgeführt wird, und sie wird auch nicht die letzte sein. Von leiser innerlicher Panik ergriffen ist allerdings Silke Tausendfuss, die aus der Nähe von Kiel stammende Freundin von Vittorio Nozzi, des jüngeren Bruders des heutigen Bräutigams. In vier Monaten werden sie heiraten, in derselben Kirche mit demselben Pfarrer. Silke ist zierlich und hellblond. Sie passt schon rein äusserlich nicht in dieses süditalienisch geprägte Milieu, wurde aber von der Familie Nozzi liebevoll aufgenommen. Es ist ihr bewusst, dass es nicht wenige gibt, die auf ihren norddeutschen Körperbau neugierig sind. Und sie hörte heute auch schon einige Andeutungen, auch mit Bezug auf hellblonde Haare an üblicherweise verborgener Körperstelle. Die Möglichkeit, dass in vier Monaten ihre erotische Treue und überhaupt ihre leibliche Qualität als Norddeutsche in Frage gestellt wird, ist real. Von ihrem Verlobten wird sie keine Hilfe erwarten können. Der ist stolz, eine "Exotin" eingefangen zu haben und wird zweifellos noch stolzer sein, wenn dieser Paradiesvogel allen Männern in der Hochzeitsgesellschaft mit allen unverhüllten körperlichen Vorzügen vor Augen geführt wird und diese Kerle vor Neid erblassen werden. Merkwürdigerweise bereitet dies ihr, was sie selber betrifft, kaum Angst. Doch befürchtet sie, dass ihre eigene norddeutsche Familie wenig Verständnis zeigen wird und ihre Mama vielleicht sogar hysterisch reagieren wird, wenn die lange Zeit so wohlbehütete Silke plötzlich im Kreis von halbirren Halbitalienern mit weit von sich gestreckten Armen unbekleidet auf der Wiese neben einer Kirche auf dem Rücken liegen und dies ruhig über sich ergehen lassen wird. Aber irgendwie wird sie dies wohl überstehen. Jedenfalls wird ihre Hochzeit nicht kleinbürgerlich-bieder sein!


Kommentare

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