"skrupellos" Kapitel 19


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05.06.2017
Voyeurismus

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Die Klingel an der Haustüre war ohne Mitgefühl und weckte doch nur den Richter. Julia schlafend neben ihm, schien sie nicht zu stören.

Seine Omega zeigte 11.20 Uhr.

Er hatte sich den Morgenmantel übergeworfen und als er aus dem Fenster schaute, sah er den dunkelblauen BMW des Landgerichtspräsidenten Dr. Georg Schneider in der Einfahrt hinter seinem Saab stehen.

Dr. Schneider war sein direkter Vorgesetzter.

Ärger würde es trotzdem nicht geben, wusste der Richter. Die zwei Männer waren seit Jahrzehnten befreundet und hatten manche auch nicht völlig saubere Rechtsbeugung gerade gebeugt.

Er seufzte trotzdem genervt, nicht ausgeschlafen fühlte er sich müde und zerschlagen.

Grinste indessen doch, als er die Treppe hinunterging, die letzte Nacht...oh la la.

„Herbert...“, sagte der Präsident.

„Guten Morgen Georg“.

 

                                                        XXX

 

Papa wartete schon, als ich leicht verspätet im „Chez Rene“ eintraf.

Es war Mittagszeit und das französische Lokal war gut besucht, trotzdem hatte Papa den kleinen Zweiertisch hinten im Eck, an dem er so gerne saß, bekommen.

Er winkte mir zu, stand auf und drückte mich liebevoll.

„Mein Herzblatt“, flüsterte er mir dabei ins Ohr.

Ein Caipi Ginger, ein leicht grünlich aussehender Longdrink aus Cachaca und Ginger Ale, sein bevorzugter Aperitif stand bereits vor ihm und ich bestellte mir das Ding ebenfalls.

Was Papa mit einem Stirnrunzeln und den Worten: „Du weißt ich mag es nicht sehr, wenn Du Alkohol trinkst“, bedachte.

„Nur einen Papa, nur einen ja?“.

Wir nahmen das Tagesmenü.

Bei der Vorspeise, einem Schaumsüppchen mit Muscheln, sprachen wir über belangloses.

„Wunderbares Wetter, jetzt schon seit ein paar Tage“.

Zum Hauptgericht, Kaninchen in Senfsoße, erinnerten wir uns eines gemeinsamen Urlaubs, natürlich ohne Mutter, in Jesolo Italien.

„Du warst zwölf und ich musste höllisch aufpassen, liefen Dir doch ständig Jungs hinterher“, schmunzelte er.

Beim Dessert, Gateau Chocolate, kam er dann zum Thema.

„Rebecca, hast Du eine Freundin namens Julia?“.

Ich überlegte.

„Der Name sagt mir so gar nichts“, antwortete ich.

„Da habe ich von meinem Rechtsanwalt jedoch etwas anderes gehört“, und schaute wissend drein.

dieser blöde Idiot von einem Anwalt, kann der nicht sein dummes Maul halten...

„Warte mal, ...sagtest Du Julia?“, fragte ich.

„Julia, ja Julia sagte ich, Julia“, bestätigte er leicht amüsiert.

„Doch ja jetzt im Moment, fällts mir wieder ein“.

„Was fällt Dir ein mein Liebling?“.

„Nun ja, tatsächlich habe ich eine entfernte Bekannte die Julia heißt, ...oder so ähnlich“.

„Rebecca bitte lüge mich nicht an“.

unglücklich dreinschauend saß ich da und wusste, dieses unangenehme Gespräch stand erst am Anfang...

„Nein Papa“.

„Hat diese Julia, etwas damit zu tun, dass ich heute als vorläufig freier Mensch hier sitzen darf?“.

was soll ich darauf sagen, ich kann ihm doch unmöglich die Wahrheit..., andererseits was sollte ich sonst...

„Auszuschließen wäre es nicht völlig“, sagte ich vorsichtig.

„So so, auszuschließen wäre es also nicht, wie?“.

„Nein Papa, nicht gänzlich Papa“.

Er hatte nun diesen Blick, den ich so gar nicht an ihm mochte. Selten nur hatte er mich in der Vergangenheit so angeschaut, mit dieser Mischung aus tiefster Empörung und grenzenloser Zuneigung.

ich erinnere mich noch gut, als ich diesen Blick das erste mal gesehen hatte. Ich war 15 und die Polizei brachte mich nach Hause. Ich war in dem Beichtstuhl einer Kirche mit einem Jungen beim Tete-a-tete erwischt worden. Der Junge war etwas älter, aus der Unterprima, also zwei Klassen über mir und die Kirche lag auf dem gemeinsamen Nachhauseweg. Die zwei Polizeibeamten hatten zwar dezent verschwiegen, in welcher Situation sie mich vorgefunden hatten, deuteten nur vage an, aber Papa vermutete, nicht völlig zu Unrecht, dass da mehr war als nur Händchen halten...

„Meinst Du nicht, dass es endlich an der Zeit wäre...“.

„Papa, können wir uns nicht über etwa anders unterhalten?“, unterbrach ich ihn und spekulierte drauf, dass er mir im allgemeinen keinen Wunsch abschlagen konnte.

 

                                                        XXX

 

„Dazu gehört auch, dass ich die Probleme und Anliegen et cetera, meiner Mitarbeiter ernst nehme und ihnen so weit möglich beistehe und helfe und natürlich ganz besonders Dir lieber Herbert“, hatte Dr. Schneider eben gesagt, als Julia sich die Augen reibend, verschlafen die Treppe herunterkam.

Nur mit einem weißen Baumwollhöschen bekleidet, war sie die Inkarnation der weibliche Versuchung und der Präsident starrte ungläubig diese Erscheinung an und nichts würde ihn weniger verwundern, als wenn sie ihm einen Apfel hinhalten würde.

Zufrieden und weit entfernt davon, in dieser Situation irgendetwas anrüchiges, oder entlarvendes zusehen, sagte der Richter, mit einem nicht unbeträchtlichen Teil Stolz in der Stimme:

„Georg darf ich vorstellen Julia, wir werden heiraten“.

Dem Landgerichtspräsidenten hatte es die Sprache verschlagen, mehrmals setzte er an, wollte etwas sagen doch außer einem „ich...“ kam kein Wort über seine Lippen und als die fast völlig unbekleidete junge Frau vor ihm stand, ihre Hand ausstreckte und ohne jegliche Scham, freundlich sagte sie freue sich, gelang es ihm unter einer schier unmenschlichen Selbstbeherrschung zurück zu finden in die Welt der gesellschaftlichen Konventionen.

„Georg Schneider, sehr erfreut“ und ergriff ihre Hand.

Und als dieses Wesen ihn fragte, ob sie ihm etwas Gutes tun dürfe, errötete dieser 59-jährige Mann doch tatsächlich und möglicherweise zum letzten Mal.

„Einen Kaffee, oder Cappuccino vielleicht“, fügte Julia hinzu und er schämte sich nicht, weder für sein Erröten, noch für seine Blicke, noch für seine Phantasien.

Zugleich dachte er aber, etwas stimmt hier nicht, warum sind ihre Titten auf Augenhöhe und er begriff, dass er einen gesellschaftlichen Fauxpas erster Ordnung begangen hatte und bei der Begrüßung einer Dame nicht aufgestanden ist, etwas das ihm so seit 40 Jahren nicht mehr geschehen und wurde doch noch übertroffen von einer weiteren Fehlleistung.

So hielt er noch immer ihre Hand und erst als er ihren Versuch sie frei zu bekommen spürte, wurde ihm dies überhaupt bewusst.


                                                        XXX

 

Sah es für kurze Zeit so aus, als würde er meinem Wunsch nachgeben, tat er es doch nicht.

„Nein, nein und nochmal nein, ich lasse mich von Dir nicht ständig über den Tisch ziehen Rebecca. Ich will eine Auskunft darüber was geschah und höre bitte auf mich mit diesem unschuldigen Kinderblick anzuschauen. Immer wenn Du etwas ausgefressen hast, schaust Du mich so an und ich Trottel werde dann auch immer schwach, aber dieses Mal nicht Rebecca, hörst Du, dieses Mal nicht. Ich will alles wissen, alles, zum Beispiel wie...“.

während Papa sprach, schweiften meine Gedanken ab und ich versuchte mich zu erinnern, wann ich das erste Mal hier gewesen war.

Zehn, 11, keinesfalls älter wie 12 und zu Beginn überhaupt nicht, aber später immer mehr und immer stärker faszinierten mich die Fotos an den Wänden. Das „Chez Rene“ war ein Restaurant, in dem häufiger Promis gespeist haben. Vor längerer Zeit zumindest, denn die überwiegend schwarz-weiß Fotos, zeigten bekannte Menschen, lachend und gutgelaunt, jedoch überwiegend nun schon fast alle tot. Eben noch sich des Lebens freuend und ausgelassen feiernd, wie auf den Bildern zu sehen und nur einen Augenblick später weg, nicht mehr da, ausradiert.

Direkt in meinem Blickfeld hing eines an der Wand. Es zeigte Curd Jürgens, eindeutig über die 60, dunkler Anzug, weißes Hemd, Zigarette in der Hand, unterhielt er sich mit einer jungen Frau, die ihn ernst anlächelte und ihm dabei viele Infos über die Größe und Form ihrer Titten gab.

Konnte das die junge Uschi Glas sein? Möglich wärs, aber sicher war ich nicht und was tranken sie da? Drei Gläser standen auf dem Tisch, Longdrinkgläser, aber unmöglich zu sagen wessen Inhalts.

Ich schaute Papa an, sah wie sich seine Lippen bewegten, nahm aber den Sinn der Worte nicht auf.

Wann wirst Du mich verlassen? Es wäre die größte Katastrophe meines Lebens, damit würde ich nicht klarkommen, das wusste ich sicher. Wahrscheinlich würde ich weiterleben, aber nur weil ich zu feige wäre mich umzubringen.

Ich seufzte resigniert. Was für ein debiler Wahnsinn das Leben doch war.

Mein Blick wanderte zu dem nächsten Foto.

Romy Schneider, ihre Mutter Magda Schneider, lachten herzlich über einen Witz den Wolf Albach-Retty, Romys Vater, eben erzählt haben musste. Auf dem Tisch standen nur drei Tassen, das Essen war also schon vorbei und ich überlegte, was hatten sie wohl gegessen? Wie auch immer, alle drei ebenfalls schon lange tot...

Papa war anscheinend mit seiner Predigt fertig, denn er schaute mich erwartungsvoll an.

...um was ging es nochmal? Ach ja, Julias Liaison mit Richter Wallin. Komm sag ihm doch die Wahrheit, wenn er es unbedingt wissen will, einmal muss er sowieso erfahren, dass nicht der Storch die Kinder bringt...

„Papa, von wann ist dieses Foto hinter Dir?“, fragte ich jedoch zunächst.

„Was … was, Rebecca...was“.

Trotzdem drehte er sich um.

„Das ist Curd Jürgens, ein deutscher Schauspieler“, sagte er, als er sich wieder zu mir gewandt hatte.

„Und das Jahr Papa, das Foto, welches Jahr?“.

„Mitte der 70er denke ich, aber Rebecca, es wird Dir nicht gelingen vom Thema abzulenken und wenn Du mich wirklich liebst, wie Du immer sagst...“.

ja, das tue ich, ich liebe Dich sehr...

Und so erzählte ich ihm endlich die Geschichte, fast vollständig, ließ nur einige unwesentliche Details aus, wie zum Beispiel Julias Vögelei mit Jason in dem Hotel, während sein Anwalt bewusstlos auf dem Bett lag und obwohl ich solch pikante Details ausließ, sagte Papa, doch nach fast jedem meiner Sätze:

„Mein Gott“.

Nur manchmal sagte er auch: „Mein Gott Rebecca“.

Blass wurde er während ich sprach, fast weiß im Gesicht.

Ich kam schließlich zum Ende mit den Worten: „Ich denke Julia wird den Richter heiraten“.

„Rebecca ich bin schockiert, ich habe dich ausdrückli...“, begann er, als ein Ober an unseren Tisch trat und fragte ob es noch was sein darf.

Ich deutete auf das Foto mit Curd Jürgens.

„Können Sie mir sagen, was die trinken?“.

Das wisse er nicht sagte er entschuldigend.

„Dann fragen Sie ihren Chef“, fuhr ich ihn unhöflich an.

Ich sah wie er an der Theke mit Rene sprach, wie dieser aber den Kopf schüttelte.

„Rebecca, sag bitte dass das alles nicht wahr ist“, sagte Papa, als mein Handy läutete.


                                                        XXX

 

Julia war nur kurz auf der Lehne von Herberts Sessel gesessen, hatte dabei den Arm um ihn gelegt, doch es wollte kein Gespräch zwischen den Männern mehr aufkommen, zu sehr hing der Blick des Landgerichtspräsidenten auf ihr und so hatte Julia schließlich die zwei Herren alleine gelassen, hatte geduscht, sich ein Frühstück gemacht und saß nun in Herberts Arbeitszimmer im Untergeschoss des Hause vor dem Fernseher und schaute Musikvideos auf MTV.

Als ein Song von Madonna „Like a Virgin“ spielte, erinnerte sie sich an ein Gespräch mit Rebecca. Sie fuhren im Porsche und im Autoradio lief dieses Lied.

„Was singt die da Rebecca, ich kann gut englisch, versteh den Sinn aber trotzdem nicht?“, hatte sie gefragt und Rebecca hatte gelächelt.

„Madonna beschreibt darin exakt ein Gefühl, das wir Beide auch kennen,

ich war deprimiert,
aber du gabst mir das Gefühl,
ja, du gabst mir das Gefühl nochmal unberührt zu sein,
wie eine Jungfrau,
die zum allerersten Mal berührt wurde,
Wie eine Jungfrau…

nach vielen Schwänzen, kommt der eine, der Besondere, der ausfüllt die Muschi bis in den letzten Winkel, dehnt und spreizt, der sogar etwas schmerzt wenn er eindringt, wie damals beim ersten Mal, als wir entjungfert wurden. Erinnerst Du Dich nicht an dein erstes Mal?“.

Und es war so wie Madonna es besang und wie Rebecca es deutete, ganz genau so.

Rebecca war intelligent, daran gab es keinen Zweifel, triebhaft zwar, aber intelligent, vielleicht war ich schlauer wie sie, aber keinesfalls intelligenter, dachte Julia und während sie an Rebecca dachte und sie dabei eine große innige Zuneigung verspürte...

Ich sollte sie anrufen, dachte Julia und griff zum Telefon.


 


 


Kommentare

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