„skrupellos“


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08.03.2017
BDSM

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Kapitel I

"Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet".

Diese Worte aus Kafkas Roman „Der Prozess“, gingen mir durch den Sinn, als ich die breiten Stufen im Inneren des Landgerichts hochging. Und wie in jenem Roman, stand auch hier ein Unschuldiger vor Gericht. Es war an Gemeinheit, an Infamie nicht zu überbieten was mit ihm geschah, was sie ihm antaten, … meinem Papa.

Auf der Empore sah ich Herrn Bächelt, Papas Rechtsanwalt an einer Säule stehend eine Zigarette rauchen. Er kam mir entgegen, schaute ernst und sprach:

„Fräulein Rebecca, wir haben ja schon darüber gesprochen, rechnen Sie mit keinem guten Ausga...“.

Nahe ging ich mit meinem Mund an sein Ohr und sprach leise, aber deutlich die Worte: „Es ist alles arrangiert“.

Ich ging weiter Richtung Sitzungssaal, einen Rechtsanwalt zurücklassend, der irritiert und verständnislos hinterdrein blickte.

***

„Ich warne Sie Herr Rechtsanwalt, ihre wiederholten Versuche die Verhandlung durch unsinnige Beweisanträge zu behindern, werde ich nicht länger hinnehmen“. Der Rechtsanwalt fuhr von seinem Stuhl hoch: “Sie scheinen über alle Maße voreingenommen Herr Vorsitzender und...“.

Und nach einer bedeutungsvollen Pause:

„… und ich gestehe, ich bin kurz davor einen Befangenheitsantrag zu stellen“.

Der Vorsitzende lächelte spöttisch: „Gestehen Sie soviel Sie wollen Herr... äh... Anwalt“.

Doch die anwesenden Juristen im Saal eins des Landgerichts München wussten, ein Befangenheitsantrag würde verworfen werden, so sicher wie das Amen in der Kirche. Der Verteidiger sank langsam auf seinen Stuhl zurück.

Es war Tag eins der Verhandlung und ich saß in der zweiten Reihe des mehrreihigen Publikumsbereiches und da die Verhandlung öffentlich war, befanden sich noch sechs oder sieben andere Personen ebenfalls in diesem Bereich. Aufmerksam folgten sie dem Geschehen, machten sich Notizen. Möglicherweise, oder ziemlich sicher Vertreter der diversen Tageszeitungen der Stadt.

ja, schreibt nur auf welche Ungeheuerlichkeit hier geschieht.  Schreibt auf, wie seitens des Staates mit grundanständigen Bürgern umgesprungen wird. Wütend war ich sowieso, Entsetzen war dazu gekommen.

Papa in Handschellen. Ja, in Handschellen war er in den Gerichtssaal geführt worden. Zwar wurden ihm hier die Fesseln abgenommen, aber dieser Wachtmeister blieb frech und impertinent hinter ihm sitzen. Wie ein Schwerverbrecher wurde er behandelt und der Öffentlichkeit vorgeführt. Es war eine Niedertracht und Boshaftigkeit ohne gleichen.

Der Hauptverantwortliche?

Der vorsitzende Richter am Landgericht München Herbert Wallin.

Aber er wird die Quittung für sein unredliches Handeln bekommen, ich verspreche es hoch und heilig,...er wird bezahlen...

Zwei Stunden dauerte nun diese Farce schon und obwohl ich keine große Ahnung von Strafverfahren hatte, genau genommen war es das zweite Mal, dass ich in einem Gerichtssaal war, fühlte ich, es lief schlecht. Unverhohlene Antipathie, um nicht zu sagen Hass, schlug Papa und seinem Anwalt seitens des Vorsitzenden und des Staatsanwaltes entgegen. Kaum eine Frage wurde in normalem Tonfall gestellt, immer war ein gereizter, aggressiver Unterton deutlich heraus zu hören.

Der Staatsanwalt hatte sich maliziös lächelnd zurückgelehnt, die Sache lief gut für ihn.

Der vorsitzende Richter und das hört sich nun nach einem Klischee, nach billigen Rachefantasien an, aber ich bin bereit darauf jeden Eid zu schwören, er hatte große Ähnlichkeit mit Dorfrichter Adam.

Dorfrichter Adam, gespielt von Heinrich George, in dem deutschen schwarz-weiß Film „Der zerbrochene Krug“, nach einer Erzählung von Heinrich von Kleist. Verfilmt irgendwann in den Vierzigern und ein Klassiker der Filmgeschichte.

Die Ähnlichkeit, der runde kahle Kopf, die gedrungen Gestalt, es war verblüffend und so um die 45 Jahre alt, deckte dieser Richter alles was ich an deutschen Männern hasse ab.

Selbstgefällig, aufgeblasen, hässlich, peinlich, schmierig, dümmlich und natürlich … immer-brünstig.

Auf fünf Tage war die Verhandlung angesetzt und 28 Zeugen waren geladen, aber und schon zu Beginn des ersten Tages, sah ich in den Gesichtern des Verteidigers sowie meines Papas, Hoffnung gleich Null.

Und obwohl Papas Blick häufig zu mir wanderte, immer dann Optimismus ausstrahlte, lächelte, wusste ich es war Verzweiflung pur.

Die Anklage, Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.

***

„Fräulein Rebecca, ich will Ihnen nichts vormachen, die Sache steht nicht gut. Die Beweislage, nun wie soll ich sagen, bei einem anderen Vorsitzenden, wären fünf Jahre nicht utopisch, aber dieser Herbert Wallin, der Richter,...nun ja, … bekanntermaßen ein scharfer Hund bei Steuervergehen. Wir werden kaum mit Sympathien rechnen dürfen. Das Höchstmaß von zehn Jahren scheint nicht ausgeschlossen“, sprach Rechtsanwalt Bächelt eine Woche vor Verhandlungsbeginn in seinem Büro zu mir.

Rechtsanwalt Bächelt von der Kanzlei Nossy, der besten Kanzlei, spezialisiert auf Strafsachen, in Deutschland. Hundertfünfzigtausend Mark hatte ich auf Papas Geheiß aus der Schweiz geholt und dem Anwalt ausgehändigt.

Er fuhr fort.

„Die einschlägigen Vorstrafen, die Schadensumme, um die 20 Millionen stehen im Raum, das wiegt natürlich alles schwer“.

Ich schüttelte den Kopf.

„Herr Bächelt mein Papa ist unschuldig. Er ist der anständigste Mensch den man sich überhaupt nur vorstellen kann und niemals könnte er irgend etwas Böses tun. Das ist völlig ausgeschlossen“.

Für eine Sekunde huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

„Sicher sicher liebes Fräulein Rebecca, ich glaubs gern, dass Sie ihren Herrn Vater so sehen, trotzdem können wir nicht unsere Augen vor den Tatsachen verschließen“.

„Tatsachen? Was für Tatsachen?“.

Er räusperte sich.

„Nun ja, die diversen einschlägigen Vorstrafen zum Beisp...“.

„Lügen, hundsgemeine hinterhältige Lügen sind das. Er ist unschuldig, unschuldig, verstehen Sie das nicht?“, meine Stimme wurde laut, schrill und aggressiv.

Er antwortete nicht und schweigend schauten wir uns eine Minute an.

„Kann man den Richter bestechen?“, als ich mich etwas beruhigt hatte.

„Einen deutschen Richter bestechen? Schwierig, aber ja, es ist nicht völlig unmöglich, die Summe wäre aber allerdings exorbitant“.

„Wie viel?“, fragte ich.

Er überlegte.

„Nun ja, sagen wir um die fünf, sieben Millionen, als erstes Angebot wären schon erforderlich“.

Er blätterte in den Akten.

„Sagen Sie Fräulein Rebecca, eine andere Frage, ich sehe hier, die Staatsanwaltschaft hat ihres Herrn Vaters geschiedene Frau, ihre Frau Mutter, als Zeugin geladen. Wie ist denn das Verhältnis der Beiden zueinander?“.

Es war als hätte jemand mir mit eine Ohrfeige verpasst.

Mutter in der Verhandlung? Ich brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu wissen, dieses alte Dreckstück würde Jauche kübelweise über meinen Papa auskippen.

Irgendwie war das der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte. Ich flüchtete aus der Kanzlei und zurück in mein Appartement und begann zu weinen und zu trinken.

Weinen und saufen, saufen und weinen … und weinen.

Als ich keine Tränen mehr hatte, dann konkrete Zukunftspläne

Mein Leben war vorbei.

alt bist du aber nicht geworden,

nein,

also besser nochmal nachdenken?

Nachdenken worüber?

Nun ja...

ich kann und will nicht ohne ihn leben...

Verstehe, also?

Hochhaus, 20 Stockwerke, nur ein kleiner Schritt ins Glück...

Drei Tage verließ ich nicht meine Wohnung, reagierte auf keine Anrufe und auf kein Läuten an der Türe.

Hatte mir von einem nahen Supermarkt, zwei Stangen Gauloises ohne Filter, sowie einen Karton Alkohol(sechs Flaschen Johnny Walker Black Label) besorgt, den Schuhkarton mit Fotos aus dem Schlafzimmerschrank geholt und beim Betrachten der Bilder, betrank ich mich langsam, aber konsequent. Papa alleine, oder mit mir, auf keinem einzige war Mutter zu sehen. Es waren viele Fotos, bestimmt um die hundert. Über meine gesamte Kindheit und Jugendzeit verteilt, hätte auch ein neutraler Betrachter die große Liebe sehen, oder zumindest erahnen können, die uns verband.

Am dritten Tag, es war hell draußen und ich wach, lag aber in einer Art Umnebelung auf dem dicken Perser vor der Couch. Leere Whiskeyflaschen um mich herum, überquellende Aschenbecher dito, nur die Fotos hatte ich sorgfältig in den kleinen Schuhkarton zurück gelegt, plötzlich Geräusche.

Jemand öffnete die Wohnungstüre und ich hörte eine Frauenstimme sagen: „Danke, ich brauch Sie nicht mehr“.

„Und Sie werden mich auch bestimmt anrufen?“, fragte eine Männerstimme.

„Natürlich“, antwortete Julia.

„Was willst Du hier, ich hab Dich nicht gerufen?“, fuhr ich sie unwirsch an.

„Geh, ich will allein sein“, sagte ich.

Erst heiß, dann kalt, dann wieder heiß, so duschte sie mich ab.

Danach einen großen und starken Kaffee.

Da ich seit drei Tagen nichts gegessen hatte, musste ich mich übergeben und Julia machte mir einen Toast, Schinken mit Ananas und Spiegelei.

„Einen „Strammen Max“, bitte sehr“, sagte sie, als sie mir den Teller hinstellte.

„Das ist kein „Strammer Max“, quengelte ich.

Ausgehungert verputzte ich trotzdem gierig die Mahlzeit und mit den Fingern glaubte ich noch die Krümel zusammen.

„Also erzähl mal, was ist los?“, fragte sie mich als es wieder etwas besser ging.

Und ich erzählte, erzählte ihr alles.

Julia schaute mich erstaunt an.

„Und das ist das Problem? Die schlaue Rebecca, anscheinend doch nicht so schlau,… Abiturienten werden wohl doch überschätzt“.

Sie lächelte.

Ich verstand sie nicht. Sie wusste wie sehr ich meinen Papa liebe und sie lacht. Wütend wollte ich sie anfahren, wollte sagen: „Ist ja nicht dein Papa, da hätte ich auch gut lachen“.

Jedoch, sie kam mir zuvor:

„Lass uns doch mal eine Denksportaufgabe daraus machen, ja?“.

Ich schaute verwirrt, verstand nicht.

Der Richter ist ein Mann?“ begann sie.

Ich nickte.

„Gut, sehr gut, ausgezeichnet. Nun weiter, was begehren fast alle Männer?“.

„Frauen?“, antwortete ich fragend.

„Genauer Rebecca, genauer“.

„Frauenkörper?“.

„Exactomundo“.

„Du meinst ich soll ihm Sex anbieten, auf dass er Papa freilässt? Das kannst Du vergessen. Er kennt mich vom beantragen der Besuchserlaubnis, er würde darauf nicht eingehen“.

„Das seh ich auch so, das würde nicht gehen“.

Wir schauten uns an.

„Ja“, sagte Julia nur.

ein starkes Gefühl der Dankbarkeit überkam mich. Julia würde das tun, was sie am besten konnte, Männer hinter´s Licht führen, Männern ein X für ein U vormachen, Männer irreführen, Gefühle vortäuschen, das junge, naive, weltfremde Mädchen vorgaukeln...

„Wird es gelingen Julia?“.

Sie antwortete nicht sofort, überlegte.

„Das ist die eine Million Dollar Frage, ich werde mir jede Mühe geben, werd jeden unhygienischen Trick auspacken den ich kenne. Es gab nur wenige Männer bei denen ich mir ne Abfuhr holte, deshalb ja, den schnapp ich mir, den hol ich mir ins Bett, das werde ich mit links schaukeln. Ob er allerdings tut was wir wollen, ist eine andere Frage“.

Sie machte eine kleine Pause.

„Da aber laut Freud der Sexualtrieb dem Selbsterhaltungstrieb gleichgestellt ist, denke ich unsere Chancen stehen nicht schlecht“.

ich wusste, Julia würde es mit großer Wahrscheinlichkeit bewirken können. Zu oft hatte ich miterlebt wie gestandene Mannsbilder unzurechnungsfähig wurden, wenn es um ihre Gunst ging. Sie würde dieses fette Schwein erst um und dumm vögeln, nur um ihn dann vor ihrer Muschi verhungern zu lassen. So könnte es gehen, ach, so musste es einfach gehen. Auf diesem bizarren Weg würde Julia der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Würde den Büttel dieses verachtenswerten Staates, der Unschuldige ins Gefängnis warf, täuschen und betrügen und mit gleicher Münze heimzahlen, was man meinem Papa antun wollte...

 

***

„Ich möchte alles über diesen Mann wissen“, sagte ich noch am selben Tag zu dem übergewichtigen Chef der Detektei Fohr.

„Wo er wohnt, sein Beziehungsstatus, wenn Kinder wie alt, seine Vorlieben für Restaurants, eben alles was Sie so in drei Tagen raus finden können“.

„Und Fotos brauche ich, gute Fotos“.

***

Julia würde heute Julia sein. Professionell wird sie den Akt des Kennenlernens erledigen. Zu erfahren, versiert und fähig ist sie, als dass hierbei etwas schief gehen könnte. Schade, das ich nicht dabei sein, es nicht sehen konnte...

Sie richtete sich, ich schaute schweigend zu. Dreimal wechselte sie ihr Outfit, bis sie endlich zufrieden war. Mich fragte sie nicht. Sie war in Modefragen sich selbst die einzige Instanz. Als sie fertig war, sah sie umwerfend aus. Julia sah immer umwerfend aus, aber Heute hatte sie noch eine Schippe draufgelegt.

Schwarze Wollstrümpfe die knapp über die Knie gingen. Einen dunkelgrauen Rock, gerade so lange, dass noch drei fingerbreit Haut zu sehen war. Schwarze Stiefeletten mit einem fünf Zentimeter hohen Absatz und eine schwarze Seidenbluse mit großen weißen Punkten, armlang, mit aufgesetzten Schultern und einem hochgeschlossenen Kragen.

Und natürlich, Julia-Style, kein Lippenstift und kein Make Up.

Würde ein Maler sie malen, gäbe es für das Bild nur einen Titel:

„Die Verkörperung der weiblichen Lieblichkeit“.

***

Das thailändische Restaurant in der Innenstadt, nur drei Minuten Fußweg vom Landgericht entfernt, war gut besucht an diesem Mittag kurz nach halb eins. Der Richter hatte eben die Vorspeise hinter sich gebracht, als Julia zögerlich das Restaurant betrat, sich mit unsicheren Blick umschaute, um dann an einem freien Tisch unweit des Richters Platz zu nehmen.

Jason, einer von Madames Callboys, der nicht sehr weit entfernt, schon seit einiger Zeit in dem Restaurant saß, schaute mit Bedauern auf die in diesem Moment ihm servierte Szechuan-Ente, trank sein Glas Bier mit einem Zug aus, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und ... pfiff anerkennend.

„Hallo Schnecke, setz dir doch zu mich“, rief er Julia über zwei Tische hinweg zu.

Julia beachtete ihn nicht.

„Jetzt stell Dir nicht so an und komm schon her Süße. Wir fressen hier schön und gehen dann zu mir“.

Ein Ober trat zu Jason: „Mein Herr, bitte, Sie müssen sonst das Restaurant verlassen“.

„Was willst Du, lass mich in Ruhe. Die soll sich nicht so anstellen, die tropft doch schon wie ein Kieslaster“.

Jason sprach laut und alle Gespräche im Lokal verstummten und die Gäste folgten halb belustigt, halb empört der Szene.

„Bitte verlassen Sie das Restaurant, mein Herr. Sie haben Hausverbot“.

Ein zweiter Ober kam seinem Kollegen zu Hilfe und die Beiden packten Jason und zerrten und schoben ihn aus dem Lokal.

„Lasst mich los ihr schlitzäugigen Schwanzlutscher, ihr habt doch keine Ahnung, das geile Stück will´s doch dass ich´s ihr besorg...“, schrie Jason und wehrt sich nach Leibeskräften.

Obgleich einem kampferfahrenen Betrachter schon Zweifel an dieser Szene kommen könnten. Die zwei Ober wogen zusammen nicht so viel wie Jason und waren zu dem noch einen Kopf kleiner und trotzdem gelang es ihnen ihn aus dem Lokal zu bugsieren, … aber nun ja.

Julia´s Hände zitterten und mit einer fahrigen Bewegung stieß sie das schon vor gedeckte, aber noch leere hochstielige Rotweinglas so ungeschickt um, dass es vom Tisch rollte und zerbrach.

Sie schluchzte laut auf, ihr Blick huschte hilfesuchend durch den Raum, ihre Augen trafen die seinen, „hilf mir bitte“, sagten sie und füllten sich mit Tränen.

Der Richter stand auf und trat an Julias Tisch.

„Darf ich ihnen,… erlauben Sie...“.

Er nahm ihren Arm und führte sie zu seinem Tisch.

***

Nachdem Julia sich wieder beruhigt, einen winzigen Schluck Wein getrunken und er ihren Namen erfahren hatte, genügte ein: „Und was machen Sie so Julia?“, um bei ihr einen Redeschwung auszulösen.

Ihr Vater sei vor zwei Monaten gestorben.  Sie habe ihn sehr geliebt.

Ihre Mutter sei schon kurz nach ihrer Geburt mit einem anderen Mann fortgegangen, wohin wisse man aber nicht. Auch Nachforschungen von Papa seien im Sand verlaufen, man vermutete aber, wegen der nahen US-Kaserne, dass sie mit einem GI in die Staaten sei.

Papa habe sie alleine aufgezogen, er habe nicht mehr geheiratet.

Er ist Alleinunterhalter gewesen. Fünf, oder manchmal sogar sieben Mal pro Monat, trat er auf Firmenjubiläen auf, meist bei ihnen auf dem Land.

Mit der Zeit aber, lachten die Leute kaum noch über seine Späße und Parodien. Sie war immer dabei und während sie hinter der Bühne sich jedes mal halb tot lachte, draußen aber kaum noch Applaus, vereinzelt sogar Pfiffe und böse Zwischenrufe. Das habe ihr sehr weh getan.

Manchmal aber, fast immer bei einer Geburtstagsfeier in einem Altersheim, große Erfolge. Die Leute klatschten wie verrückt und Papa lebte auf. Noch Tage später erinnerte er sich immer wieder gerne daran, spielte die Sketche noch einmal nach und sie klatschte begeistert. Ach es war so schön, damals.

Papa, mit seinem karrierten Sacco und der roten Fliege, er fehlt ihr so sehr. Er war aber auch schon alt gewesen, über 75 und nun, nach seinem Tod, müsse sie Geld verdienen und sei deshalb in die Stadt gekommen.

Hier wolle sie sich eine Arbeit suchen.

Sie kramte aus ihrer Handtasche ein Stellenangebot, in welchem ein Club namens „Clinch“, „Tänzerinnen, guter Verdienst, Unterkunft vorhanden suchte. Sie zeigte diesen Zeitungsausschnitt dem Richter.

Da wolle sie nachher hin und sich vorstellen.

Tanzen habe ihr schon immer viel Freude gemacht und sie habe auch Ballettunterricht als Kind gehabt und sie denke schon, dass das etwas für sie wäre.

Sie habe auch schon dort angerufen und mit einem Herrn gesprochen. Sie habe ein bisschen von sich erzählt, auch das mit dem Ballett habe sie ihm gesagt und der freundliche Herr meinte, dass das toll wäre und er könne sich durchaus vorstellen, das sie die Stelle bekommen würde, sie solle also unbedingt vorbeikommen.

Sie hoffe nur, nachher einen guten Eindruck auf die Leute dort zu machen, auch wegen der Unterkunft.

Fassungslos hatte der Richter zugehört und sprach nun in eindringlichen Ton zu ihr.

„Julia, da dürfen Sie auf keinen Fall hin, haben Sie gehört.  Die suchen keine Tänzerinnen, die suchen Prostituierte“.

„Prostituierte? Aber, das sind doch Frauen, die für Geld mit Männern...“, erschrocken hielt Julia inne und starrte den Richter mit weit aufgerissenen Augen an.

„Genau Julia“.

„Aber, aber ... die schreiben doch sie suchen Tänzerinnen ... und der nette Herr und alles...?“.

„Das sind Verbrecher, die suchen gezielt junge, naive und unerfahrene Mädchen“.

genau so etwas wie Dich, mein unschuldiger süßer süßer Engel, dachte er...

„Ist das wahr?“.

„Julia, ich bin Strafrichter beim Landgericht. Sie dürfen mir glauben, ich weiß wovon ich spreche“.

Sie sank in sich zusammen.

„Ach ich bin wirklich zu zu dumm, … in allem, ...zu nichts tauge ich wirklich“.

Ihre Augen wurden dieses mal nur etwas glasig.

Das Verlangen, sie in den Arm zu nehmen, sie zu trösten und … zu küssen, wurde übermächtig und es brauchte seine gesamte Willenskraft um sich zu beherrschen.

„Darf ich Sie wiedersehen Julia, heute Abend vielleicht schon?“, hatte er sie gefragt.

Julia wusste nicht was sie sagen sollte. Ihre Augen flackerten und unstet huschte ihr Blick durch das Restaurant.

Sie war mit dieser Frage überfordert, das war deutlich zu sehen.

So eine sei sie nicht, antwortete sie schließlich.

„Das weiß ich Julia. Das sehe ich doch, Sie sind ein durch und durch anständiges Mädchen. Ich möchte Sie nur näher kennenlernen, … ohne jedweden Hintergedanke“.

bitte sag ja, ich will doch nur meinen Schwanz ein bisschen in diese kleine, ohne Zweifel allerliebste Öffnung an deinem Unterleib stecken, während ich meine Lippen auf deine drücke, oh bitte sag ja, öffne das Paradies für mich…

***

„Dieser Mann ist ein Gauner und Betrüger, ein krimineller Lump wie er im Buche steht“. Mutter deutete während sie diese Worte sprach mit dem Zeigefinger auf meinen Papa.

Der Staatsanwalt konnte sich: „Da sagen Sie uns nichts wirklich Neues“, nicht verkneifen.

Es klang wie auswendig gelernt, als sie fort fuhr: „Und ich verlange, dass Sie ihn zwingen, dass er mir das Geld das er mir schuldet herausgibt. Es sind ganz genau...“, sie kramte in ihrer billigen Woolworth-Handtasche, suchte etwas, fand es auch: “Es sind ganz genau 363 tausend und fünfzig Mark“.

Sie stand von dem Zeugenstuhl auf und hielt dem Richter einen Zettel hin.

„Liebe Frau, da sind Sie hier aber völlig falsch. Das mag bedauerlich für Sie sein, ist aber eine rein Zivilrechtssache. Bitte lassen Sie sich von einem Anwalt beraten“.

Er räusperte sich.

„Herr Staatsanwalt, möchten Sie ihre Zeugin befragen?“.

Mutter schaute verwirrt. Möglicherweise und ja, das ist zum Schreien komisch, hatte sie tatsächlich damit gerechnet, dass ihr hier und heute und noch in diesem Gerichtssaal nun endlich dieses, ihr unbestritten nach gültigem Scheidungsurteil zustehende Geld ausgehändigt werde. Ich glaube ich sagte es schon einmal an anderer Stelle, Mutter war eine der..., nein Korrektur, war die dümmste Person die ich jemals persönlich kennen gelernt habe...

„Der Angeklagte, ihr geschiedener Mann wird beschuldigt Steuern in großer Höhe hinterzogen zu haben. Meine Frage nun an Sie, haben Sie während ihrer Ehe mit dem Angeklagten, … nun hat er jemals mit Ihnen über Geschäfte gesprochen?“, fragte der Staatsanwalt.

Wie von der Tarantel gestochen fuhr Papa,s Verteidiger auf und wandte sich dem Richter zu.

„Hohes Gericht, ich verlange, dass die Zeugin darüber belehrt wird, dass sie sich mit ihrer Aussage eventuell selbst belasten könnte“.

Verärgert schauten Staatsanwalt und Vorsitzender den Störenfried an. Unschlüssig war er der Richter Wallin, das sah man deutlich, beriet sich mit einem Beisitzer, wusste aber auch, Papas Anwalt hatte recht und ein Nichtbeachten könnte prozessuale Konsequenzen haben.

„Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie keine Aussage machen müssen, in der Sie sich selbst belasten“, gepresst klangen die Worte des Vorsitzenden.

Und zu der Gerichtsschreiberin gewandt, kurz und knapp: „Zu Protokoll, Zeugin wurde belehrt“.

Mutter wurde unsicher, nervös huschte ihr Blick über die Gesichter der Anwesenden, sie drehte sich sogar zu mir.

„Komm schon Du blöde Kuh, sag aus, belaste Dich selbst“, es war eine Wohltat, ach was Wohltat, es war nicht sehr weit von einem Orgasmus entfernt, ihr diese Worte ins Gesicht zu schleudern.

Mutter starrte mich mit offenem Mund an und wandte sich dann dem Gericht zu.

„Sehen Sie nur die Herren Richter, das ist seine Tochter. Ach es ist unglaublich, was ich alles mit den Zweien durchmachen musste. Einer schlimmer wie der Andere, das können Sie mir glauben“, wehklagte sie.

„Heul doch Du hohle Nuss“.

Mutter schnappte empört nach Luft.

„Noch eine derartige Bemerkung und ich lasse Sie des Saales verweisen“, sprach der Richter und funkelte mich dabei wütend an.

„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, gab der Staatsanwalt erneut einen Kommentar ab.


Kommentare

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