Die Liste
Es ist Samstagabend, ich sitze am Küchentisch und lese den Wirtschaftsteil der Abendzeitung. Ich höre wie mein 16-Jährige Tochter Samira die Treppen herunter rennt. Atemlos steht sie im Türrahmen. „So Mama ich bin jetzt weg, bin schon wieder viel zu spät dran. Wir sehen uns dann vielleicht später noch. Tschüss“. Bevor ich etwas erwidern kann, ist sie schon wieder verschwunden. Aus dem Flur höre ich sie: „Ach, und kannst du bitte mein schwarzes Top noch waschen. Ich brauche es morgen und hab es in den Wäschekorb gelegt“. Die Haustür fällt zu. Ich falte die Zeitung zusammen und steige die Treppen zum ersten Stock hoch. Bereits im Flur sehe ich, dass Samira in der Eile vergessen hat das Licht im Badezimmer auszuschalten. Wo hat das Kind nur immer seinen Kopf?
Die nassen Spuren auf dem Fließen Boden legen nahe, dass sie bevor sie gegangen ist, gebadet hat. Ich schüttele den Kopf. Sie muss endlich einmal lernen für Ordnung zu sorgen. Ich beginne den Boden mit einem Handtuch trocken zu wischen. Der Bereich vor der Badewanne ist gerade zu überschwemmt. Mittlerweile befinde ich mich auf allen Vieren und beginne nun auch zwischen Badewanne und dem kleinen Holzschrank zu wischen. Aber was ist das? Auf dem Boden, zwischen Schrank und Wanne eingekeilt liegt ein Schneebesen. Genauer gesagt mein Schneebesen. Eine teurere Variante aus Edelstahl, der von einer pinken Silikonschicht ummantelt ist. Das Küchengerät benutze ich vorrangig in der Weihnachtszeit oder aber um Soßen o.ä. anzurühren. „Was zum Teufel hat der Schneebesen im Badezimmer verloren?“, frage ich mich. Ich hebe den Schneebesen auf und betrachte ihn aus der Nähe. „hmm komisch“, murmele ich und lege ihn erstmal auf den Toilettensitz. Mein Blick fällt dabei auf die Ablage unterhalb des Spiegels. „Oh man, wie kann man nur so vergesslich sein“. Auf der Ablage liegt Samiras Handy, welches sie in ihrer Eile dort vergessen haben muss. Ich nehme das kleine schwarze Mobiltelefon in die Hand, wobei der vorher dunkele Bildschirm plötzlich aufleuchtet. Auf dem Bildschirm erscheint eine Excel-Tabelle. „Oh bestimmt irgendwas von der Schule“, denke ich bei mir. Ich will das Handy schon wieder weglegen als mein Blick bei den Eintragungen der Tabelle hängen bleibt, die für mich keinen Sinn ergeben: Während auf der linken Seite vollkommen zusammenhanglose Gegenstände aufgeführt sind finden sich rechts dazu diverse Erläuterungen. Die Einträge lesen sich wie folgt:
Filzstift – Kalt, Oberfläche zu glatt, Durchmesser eher ungünstig
Kissen – Raue Oberfläche, K. wird gut getroffen, O: schön und laut ;)
Badewannenrand: Rutschige Oberfläche. K wird schön warm, O: ok
Die Liste umfasst ca. 15 Gegenstände unter denen sich unter anderem ein Handtuch, eine Zahnbürste oder auch eine Feder finden lassen. Mir ist absolut unbegreiflich was diese Liste zu bedeuten hat. Und was sollen diese Abkürzungen wie O. und K? Ich blicke erneut auf die Auflistung und versuche mir einen Reim darauf zu machen. Der letzte Eintrag lautet:
Schneebesen – Flexible Oberfläche, anschmiegsam. Anfangs zu extrem. O: aufregend
In welchem Zusammenhang auch immer, wird hier wohl mein Schneebesen katalogisiert. Eben jenen, welchen ich eben gefunden habe. Ratlos stehe ich immer noch mit dem Handy meiner Tochter in der Hand im Bad und schüttele den Kopf, manche Sachen muss ich vielleicht auch nicht verstehen. Eventuell ist es auch so etwas wie ein Spiel. Ich klaube das schwarze Top von Samira als auch den Schneebesen auf verlasse das Bad und lege ihr Mobiltelefon auf die Kommode im Flur, gehe in den Keller und schmeiß die Waschmaschine an. Der Schneebesen landet wieder in der Küchenschublade.
Gegen 22Uhr höre ich wie Samira nach Hause kommt. Ich sitze wieder in der Küche und lese. Sie steckt den Kopf zur Tür herein: „Hey Mama. Noch wach?“. „Ja, ich wollte den Artikel noch fertig lesen. Wie war’s denn? Im Übrigen hast du dein Handy hier liegen gelassen“. „Och es war ok. Wow super, dachte schon ich hätte es verloren“. „Nein es lag oben im Bad, vielleicht solltest du langsam einmal lernen deinen Kram beieinander zu halten“. „Ich hatte es einfach furchtbar eilig, da muss ich es wohl vergessen haben“. „ Wenn du ab und zu mal deinen Kopf einschalten würdest, hättest du’s einfacher“ tadele ich sie. „Mama ich gebe mir Mühe“ lächelt sie „Ich geh im Übrigen jetzt direkt schlafen, wir sehen uns dann morgen“. Sie verschwindet. „Gute Nacht“ rufe ich ihr hinterher. Ich höre an ihren Schritten, dass sie wieder zurückkommt, wahrscheinlich hat sie wieder etwas vergessen. „Ach Mama, was ganz anderes: Wäre es vielleicht möglich, wenn wir eine elektrische Zahnbürste kaufen, ich habe gelesen, dass herkömmliche Zahnbürsten nur halb so gut reinigen als wie die Elektrischen“.
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