Kopfkino


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20.11.2013
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„Willst du mal was versautes hören?“, fragt er kichernd in den Telefonhörer. Sie lacht fröhlich zurück.

„Klar, wieso nicht?“

„Na ja, dieses mal ist es wirklich versaut“, verkündet er geheimnisvoll.
„Raus damit!“ Er hat es geschafft: Jetzt ist sie sehr gespannt.

Er beginnt zu erzählen. Irgendwie ist es sonderbar, optisch ist er nicht ihr Typ, wenn sie so darüber nachdenkt. Er ist schon so lange ein guter Freund. Sie sehen sich nicht oft. Sie telefonieren viel und reden über dies und das. Aber seine Stimme... Er hat diese Telefonstimme. Man glaubt, man könne ihm alles erzählen und kann ihm stundenlang zuhören. Jetzt hört sie diese aberwitzigen Worte aus seinem Mund über eine verworrene und aufreizende Geschichte eines Freundes von ihm. Er erzählt es nur, es sind ausschließlich Worte, aber sie stellt es sich vor. Sie hört ihm neugierig weiter zu.

„Hast du das gerade wirklich gesagt?“, feixt sie nun.

„Mh, es kommt noch besser“, hört sie ihn buchstäblich durchs Telefon grinsen.

„Bist du allein?“, vergewissert er sich.

„Ja den ganzen Abend noch. Weißt du doch.“

„Hast du ja gesagt, stimmt. Ich auch.“

„Ich hab es mir mit dem Telefon auf dem Sofa gemütlich gemacht. Erzählst du jetzt endlich weiter?!“ Sie ist gespannt, wie diese unglaubhafte aber betörende Geschichte wohl weiter geht.

Sie hört wieder seine Stimme. Er flüstert die Sätze jetzt nahezu. Hat sie sich gerade verhört? Ein bisschen wird sie rot. Gut, dass er sie nicht sehen kann, wo sie sich doch sonst immer so abgebrüht gibt.

„Hallo?“ Er klingt zaghaft, so als habe er das Gefühl, doch ein bisschen zu weit gegangen zu sein.

„Ich bin noch da.“ Ohne es zu wollen, ist es fast nur ein Hauchen, was sie heraus bringt.

„War es zu derbe?“ Er hat wieder seine typische Telefonstimme. Die, mit der er fremde Frauen bei Werbeanrufen dazu bringt ihm seine private Handynummer zu geben.

„Nein“, flüstert sie.

„Aber du klingst so verändert“, stellt er fest. Sie fühlt sich ertappt und räuspert sich ein wenig.

„Ganz ehrlich? Es ging mir unter die Haut“, gesteht sie ihm dann.

„In wie fern? Es ist doch gar nicht gruselig?“, wundert er sich, oder ist es Sarkasmus? Sie ist sich nicht sicher.

„Dummerchen. Es macht mich an, dich so reden zu hören und...“ Sie verstummt.

„Oh, sorry. Ich dachte...“ Er klingt tatsächlich ein wenig verlegen und es zaubert ein Lächeln auf ihre Lippen.

„Nein, nein, schon gut“, beruhigt sie ihn.

„Das hatten wir noch nicht“, stellt er amüsiert fest.

„Nein.“ Es ist still in der Leitung in den nächsten Sekunden.

„Musst du noch duschen?“ Er klingt, als würde er sich zusammenreißen. Sie wertet es als eindeutigen Versuch einen Grund zu finden, das Gespräch zu beenden, bevor es noch verfänglicher wird.

„Nein. Hab ich schon“, schlägt sie seine Absichten in den Wind.
„Ich auch. Da haben wir ja Zeit.“ Offenbar hat er es sich schon wieder anders überlegt.

„Viel Zeit“, bestätigt sie. Wieder schweigt er sich einen Augenblick aus.

„Wie macht es dich denn an?“ Sie muss kichern. War ja klar, dass er fragt.

„Willst du es deutlich?“, vergewissert sie sich.
„Bitte! Lass nichts aus“, fordert er sie mit überzeugender Stimme auf.

Sie beschreibt ihm im Detail, was sie gefühlt hat bei seinen Worten, wie ihr Körper auf die Bilder in ihrem Kopf reagiert hat. Als sie fertig ist atmet er tiefer.

„Und?“, will sie zaghaft wissen.

„Jetzt macht es mich auch an“, gesteht er. Nun ist er es, der nur noch haucht.

„Du weißt, dass ich mich nach dem Duschen nicht wieder richtig anziehe, abends?“ Sein tiefes Atmen fordert sie gerade zu auf, diese Bemerkung fallen zu lassen.

„Mh, was soll das werden, wenn es fertig ist? Willst du mir eine lange Nase machen?“ Jetzt klingt er wieder ein wenig gefasster.
„Die Nase ist nicht ganz, woran ich gerade dachte“, erklärt sie ihm mit gedämpfter Stimme.

Es herrscht Stille in der Leitung, nur schweres Atmen auf beiden Seiten.

„Was hast du denn an?“ Jetzt wagt er sich weiter vor. Sonst lachen sie über solche Dinge und machen ihre Witze darüber, aber heute ist es anders. Die Geschichte, die er erzählt hat, hat es verändert.

„Nicht so viel, ist ja warm heute Abend“, erklärt sie leise.

„Wie viel ist nicht viel?“ Seine Stimme klingt noch sanfter, als sonst.

„Nichts.“

„Oh.“

Stille in der Leitung. Sie hört ihn rascheln und knistern.

„Jetzt hab ich das selbe an, wie du“, bemerkt er dann.
„Oh.“

„ An was hast du wirklich gedacht, eben, als ich von der Nase geredet habe?“, will er nun wissen.

„Kannst du dir doch denken.“ Sie ist nicht gewillt es auszusprechen.
„Oh ja, ich kann es mir sehr genau denken und ich habe es jetzt ihn meiner Hand“, flüstert er.
„Hast du?“ Darauf war sie nicht vorbereitet.

„Hab ich!“ Sein Ton verrät, dass er denkt er sei der Herr der Lage, aber da kann sie Abhilfe schaffen.

„Wie fühlt es sich an?“ Ihre Stimme klingt plötzlich schüchtern.

„Sag du es mir?“ Wie er es sagt, ist es wie eine Herausforderung.

„Wieso?“, antwortet sie mit der gespielten Naivität eines Schulmädchens.

„Weil es dann interessanter ist.“ Wieder sind seine Worte nahezu nur noch ein Wispern.

„Es ist warm und weich und fest zugleich. Es fühlt sich wahnsinnig gut an.“ Sie hört ihn ein wenig schnaufen.

„Das trifft es genau“, sagt er mit einem einem leichten Stöhnen in seiner Stimme.

„Was denkst du, wie es sich anfühlt, was ich gerade berühre?“, erkundigt sie sich dann kaum hörbar. Er braucht einen Augenblick für seine Antwort.

„Das weiß ich genau: Es ist warm und feucht, es pulsiert förmlich, fast so wie das, was in meiner Hand ist“, gesteht er dann.

„Es pulsiert?“ Nun ist ihre Stimme wie eine Herausforderung.

„Und wie es pulsiert“, säuselt er förmlich.
„Bewegst du deine Hand?“ Es ist ein Bitten, fast ein flehen.

„Gerne, ich für dich und du für mich.“ Jetzt flüstert er. Sie hört seinen Atem schneller werden. Es ist, als würde sie seine Berührung durch das Telefon hindurch spüren. Sie zieht tief Luft ein und genießt den Gedanken daran.

„Es fühlt sich gut an.“ Seine Stimme ist leise und rau.

„Oh ja, es fühlt sich gut an“, bestätigt sie kaum hörbar.

„Bringen wir es zu ende?“, fragt er recht unsicher.

„Jetzt schon?“ Wehmut liegt in ihren Worten.

„Bin ich dir zu schnell?“ Zu ersten mal kann sie seine Schüchternheit hören.
„Nein, nein, kurz und heftig - ich mag das manchmal.“ Es dauert nur einen kleinen Augenblick, dann ein schmatzendes Geräusch und ein wohliges:

„Mhhh.“ Sie folgt ihm und tut es ihm gleich.

Stille in der Leitung.

„Telefonieren wir morgen wieder?“, hört sie ihn dann,als wäre nicht gewesen.

„Klar“, freut sie sich.

„Bis morgen und schlaf gut!“

„Du auch. Gute Nacht.“
Wieder Stille in der Leitung.

Sie steht auf und leckt sich genüsslich die Finger ab, die sie gerade im warmen Schokoladenpudding auf ihrem Teller versenkt hatte. Fast hat sie sich daran verbrannt. Sie geht ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen. Was würde er wohl sagen, wenn er von dem Schokoladenpudding wüsste? Sie grinst sich im Spiegel an, als sie sich die Hände wäscht.

Er legt den Hörer zur Seite und steht vom Schreibtisch auf, dann zieht er sein Hemd gerade. Was würde sie wohl sagen, wenn sie wüsste, dass er gerade genüsslich die Banane isst, die er vor dem Telefonat von der Fensterbank aus der Sonne gerettet hat? Lächelnd vertilgt er den Rest der Frucht, die er eben noch liebevoll in seiner Hand gehalten hat und überlegt, welche Geschichte er ihr wohl morgen erzählt.


Kommentare

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