Bergseesommer
Da liegt er vor uns. Umzäunt von immergrünen Nadelbäumen. Tiefblau, wie das aufgerissene Auge eines riesenhaften Wächters im Dolomit. Am Morgen hat es geregnet. Im Tal hängen die Wolken bleischwer zwischen den niederen Höhenzügen. Wenn man aus diesem weißen Meer aufsteigt, wird man so zum Nebelwanderer, spürt die nanometergroßen Wassertröpfchen auf der Haut, saugt die feuchte Luft in die entwöhnte Großstadt-Lunge. Serpentine über Serpentine überwindet man die nassen Hänge, in denen die Feuchtigkeit von den Pflanzen tropft.
Irgendwann verschluckt einen der Mischwald. Dann hat man es geschafft und erblickt das spärliche Auflodern verirrter, blasser Strahlen zwischen den grauen Schwaden, bis einen der geballte Sonnenschein wie ein warmes Tuch umfängt und die Seele mit Licht erfüllt. Dort oben herrscht plötzlich Stille. Kein Auto, keine Stimmen, kein Krach, nur hin und wieder das ferne Brummen eines langsamen Flugzeugs. Auch der Wind fährt immer wieder durch die etwa mannshohen Sträucher, die ein Spalier für den steinigen Hohlweg bilden und ihn fast wie einen Tunnel erscheinen lassen, welcher sich furchig dem Antlitz des Berges entgegen gräbt. Über den Wipfeln erhebt sich der Hauptkamm des Gebirges. Schatten der kräftigen Sommersonne bedecken die hohen Kare und Sattel, die immer weiter in den Horizont ragen, je näher man ihnen kommt, drohen und doch locken, mit stillen Worten.
Dann lichtet sich das grüne Dickicht und gibt den Blick auf einen unbewaldeten Kessel frei. Das goldgelbe, breithalmige Berggras leuchtet in der Mittagssonne und die Konturen der Landschaft verschwimmen in Flimmern der trockenen Luft. Wie gelähmt von der Hitze verlangsamen sich die Schritte und der Schweiß tropft von den Haaren in das Gesicht.
Doch gleichsam unerwartet wie insgeheim erhofft schimmert etwas zwischen den Bäumen des Nadelwaldes, der die Ebene zum Süden hin begrenzt. Ein tiefer Spiegel, dunkel, schilfbewachsen und von Libellen umschwirrt. Wir stürmen los und erreichen bald das sumpfige Ufer.
Kurzerhand werfen wir unsere Rücksäcke ins Gras, reißen uns die Klamotten vom Leib und springen in die unbekannten Fluten. Gleich einem Blitz, der den überhitzten Körper in Sekundenbruchteilen durchzuckt, fühlt es sich an, wenn man in das eisige Wasser eintaucht. Erst erstarrt man atemlos, erfriert innerlich, doch dann breitet sich das Hochgefühl einer stillen, klaren Kühle über die Gliedmaßen zur Brust aus und begleitet einen bei den kräftigen Zügen an die Oberfläche. Selbst die sengendste Hitze wäre jetzt ertragbar, wenn man die Wasserdecke durchbräche und den Kopf reckte, um sie zu spüren.
Neben mir schwimmt meine Freundin. Ihr sehniger Körper durchschneidet das geheimnisvoll blaue Wasser. Jedes Härchen auf ihrer weißen Haut ist aufgestellt, nur das Kopfhaar klebt klitschnass an ihrem Nacken. Ich nähere mich ihr vorsichtig, darauf bedacht mein Anliegen noch zu verbergen und streiche ihr sanft über die blanke Schulter, die wie eine hellsandige Insel aus dem Nass ragt. Mein schlaffes Glied streift dabei kurz ihren Oberschenkel und in mir beginnt ein gewisses Verlangen zu brennen, das mich forscher werden lässt. Ich umfasse ihre schmale Taille, ziehe ihren glitschigen Körper zu mir und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen, in welchem all die im Laufe des Tages angestaute Wollust steckt, die sich nun entlädt. Lange Minuten schweben wir so eng umschlugen, im immer kühler werdenden Wasser. Dann lösen wir unsere intime Umarmung.
Wir stolpern über den steinigen Boden zurück zum Land, wo wir uns nebeneinander niederlassen. Die aufgekommene Erregung pocht in uns, schickt Blut in Kopf und Unterleib, fordert unerbittlich ihren Tribut. Ein letztes Mal suche ich prüfend die nahe Umgebung ab. Doch da ist nichts, außer ein paar nimmermüde Kolkraben, die krähend über dem Hain aus Tannen kreisen. Ich lege mich auf sie und dringe ein. Wir sind ein eingespieltes Team was das betrifft. Es dauert nicht lange, obwohl uns die Momente der Ekstase so sehr bannen, das Raum und Zeit um uns herum zu einer viskosen Masse verschwimmen. Ich sehe auf dein Gesicht wie du unter mir liegst, unter meinen Stößen erzitterst und spüre die Tiefe der Verbundenheit zu mir. Irgendwann gegen Ende dieser Ewigkeit verschärfe ich mein Tempo, wir werden lauter und lauter, schreien unsere Lust in die drückende Luft.
Nach einer kurzen Pause nähern wir uns noch einmal dem Bergsee. Wolken dämpfen das Nachmittagslicht und ein frischer Wind durchschneidet die Luft. Aber dann sticht schon wieder die Sonne hervor und beendet das schattige Intermezzo.
Nach dem zweiten Bad schleicht sich eine bleiernde Müdigkeit in unsere Gliedmaßen, erschöpft schließen wir die Augen und treiben träumend Arm in Arm, Herz an Herz, versteckt in den hohen Halmen, dem nahenden Abend entgegen.
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