Dr.Frank N. Stein
Frank erwachte. Der Radiowecker zeigte 6:25Uhr. In fünf Minuten würde er Alarm geben. Doch dazu kam es eigentlich selten, da Frank meist kurz zuvor erwachte. Seine innere Uhr funktionierte hervorragend, auch wenn die Nacht sehr kurz war. Erst weit nach Mitternacht war er nach Hause gekommen und hatte sich im Dunkeln ins Schlafzimmer geschlichen um seine Frau nicht zu wecken.
Er drehte sich zu ihr, um zu sehen ob sie noch schlief.
Da lag sie! Schlafend! Nackt wie oft im Sommer. Sie liebte es nackt zu schlafen. Da die Nächte momentan recht lau waren hatte sie die Decke weggeschoben und präsentierte sich in ihrer vollen Schönheit. Das Gesicht umrahmt von ihren schulterlangen, gelockten, brünetten Haaren. Leichte Sommersprossen auf Wangen und Nase. Kleine Fältchen in den Augenwinkeln. Ihre gebräunten Brüste hoben und senkten sich im Rhythmus ihres Atems. Der Stecker, mit dem ihr Nabel gepierct war, blitze in einem ersten Sonnenstrahl, der durch die halb geschlossenen Fensterläden fiel.
Franks Blick wanderte weiter zu dem weißen Hautbereich, der am Strand von ihrem Bikinihöschen vor Sonneneinstrahlung geschützt wurde. Ein schmaler Streifen ihrer Schambehaarung war gesäumt von dunklen Stoppeln. Sie hatte sich seit einigen Tagen nicht mehr rasiert. Ihre Scham war durch ihre rechte Hand verdeckt und es hatte den Anschein, dass sie sich den Zeigefinger in ihre Spalte geschoben hatte. Frank konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Ob sie wohl süße Träume hatte? Ihre Schenkel waren tief gebräunt. Ebenso ihre Knie und Waden. Die Füße waren durch die Decke verhüllt.
Frank bemerkte, wie ihn der Anblick seiner nackten Frau erregte. Am liebsten wäre er über sie hergefallen.
„Guten Morgen! Es ist 6:30 Uhr. Sie hören die Nachrichten von ....“ Schnell schaltete Frank den Radiowecker aus, bevor Elisabeth aufwachte.
Frank musste sich beeilen. Er musste ins Labor. Die laufende Versuchsreihe forderte sein ganzes Engagement. Seit Wochen ging das nun schon so. Von morgens bis oft tief in die Nacht hinein arbeitete er an einem streng geheimen Projekt. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sein Weib nun schon über Monate sträflich vernachlässigte. Er nahm sich fest vor, am nächsten Wochenende mit ihr zu schlafen.
Leise machte er sich auf den Weg zur Dusche. Er seifte sich ein. Dabei widmete er seinem Genitalbereich mehr Aufmerksamkeit, als es aus hygienischen Gründen notwendig gewesen wäre. Er bekam eine Erektion und der Drang zu seiner Frau ins Bett zurückzukehren wurde übermächtig.
„Schluss jetzt“, rief er sich zur Ordnung, spülte den Schaum weg und trocknete sich ab.
Zwanzig vor Sieben erreichte er das Labor von General Genetics. Seine Assistentin war noch da. Sie hatte die Versuchsreihe während der vergangenen Nacht betreut. In der Küche blubberte die Kaffeemaschine vor sich hin und verbreitete einen verführerischen Duft.
„Guten Morgen Inga, na wo stehen wir denn heute?“
„Der Plot ist zu 92% fertig. Höchstens noch 4 Stunden, dann können wir sehen, ob alles nach Plan funktioniert hat“, erklärte ihm die 28-jährige Doktorandin.
Inga war eine schlanke Frau mit langen, blonden Harren, ca. 1,80 groß mit einem hübschen Gesicht. Ihre Brüste, die sich deutlich unter ihrem weißen T-Shirt abzeichneten waren eine Körbchen Größe kleiner als die Elisabeths. Manchmal hatte Frank den Eindruck, dass die junge Frau etwas in ihn verliebt war. Einerseits schmeichelte ihm das, andererseits machte es ich aber auch verlegen. Schließlich war er verheiratet und er liebte seine Frau Elisabeth.
„Wenn Sie wollen, können sie jetzt Feierabend machen. Ich komme ganz gut alleine zurecht“, bot Frank ihr an. „Nein, wenn sie nichts dagegen haben, würde ich ganz gerne noch bleiben, bis das Experiment abgeschlossen ist. Es interessiert mich, ob alles so geklappt hat, wie wir uns das erhofften.“
Auch Frank fieberte dem Abschluss des Versuchs entgegen. Er dachte zurück an die Anfänge. Damals hatten sie einen Auftrag für eine Versuchsreihe von einem großen Lebensmittelkonzern erhalten. Es ging darum, ein Verfahren zur Herstellung von künstlichem Fleisch zu entwickeln. Die Menschheit gierte nach Fleisch. Doch die Züchter stießen an Grenzen. Tierschützer und steigende Futtermittelpreise machten ihnen das Leben schwer.
Es war schon seit längerem möglich, aus Stammzellen Muskelzellen zu züchten. Franks Aufgabe bestand nun darin, größere zusammenhängende Muskelpakete zu erzeugen. Frank experimentierte mit 3D Plottern, die statt Tinte oder Kunststoff, Nährlösungen mit Muskelzellen, Eiweiß und Proteine in den Druckerpatronen hatten. Mit Hilfe komplexer Computerprogramme sollten so Schicht für Schicht ein dreidimensionaler Muskel geplottet werden. Nach vielen Fehlschlägen gelang es dann vor zwei Jahren, künstliche Muskelstränge in beachtlicher Größe zu erzeugen. Letztes Jahr begann dann der Auftraggeber mit einem Food Printer aus Schweinemuskelzellen einen endlosen Muskelstrang zu erzeugen. Dieser war in Farbe und Geschmack nicht von echtem Schweinefleisch zu unterscheiden. Auf Gebrauchslänge abgeschnitten, konnten so Schweinefilets hergestellt werden. Frank war nur verwundert darüber, dass sich kein Verbraucher fragte, wo all die vielen billigen Schweinefilets herkamen, die über die Supermarktketten verramscht wurden. Der Vorteil für den Produzenten lag auf der Hand. Die Muskelmasse konnte in großen Bioreaktoren preisgünstig hergestellt werden. Es gab keinen Abfall, keine Knorpel und Sehen, keine Knochen die teuer entsorgt werden mussten. Auch kein Tierschützer konnte sich über nicht-artgerechte Haltung der Schlachttiere beklagen. Hier entstand eine ganz neue Industrie.
Für heute nun war der nächste Schritt geplant. Im Food Printer sollte ein komplettes Schwein entstehen. Noch 20 Minuten und sie würden wissen ob es funktioniert hat.
Inga legte die chirurgischen Instrumente bereit.
Sobald die Maschine ihre Arbeit beendet hatte öffnete Frank die Abdeckhaube. Zum Vorschein kam ein perfektes Schwein. Ein fast perfektes Schwein. Denn es handelte sich um einen Tierkörper der jedoch nicht lebte. Frank hatte nichts anderes erwartet. Mit seiner Methode konnten nur künstliche Biomassen erzeugt werden. Doch das war vollkommen ausreichend. So war es nicht nötig ein Tier zu töten. Es konnte so, wie es aus dem Plotter kam geschlachtet werden. Und genau das wollte er jetzt tun. Das Tier sollte zerlegt und genauestens untersucht werden. Es sollte geprüft werden, ob alle Organe vorhanden waren und ob diese aus den richtigen Zellen gebildet wurden. So durften in der Leber z.B. nur Leberzellen, jedoch keine Herz oder Nierenzellen gefunden werden. Erst wenn dieser Nachweis gelungen war, konnte von einem Erfolg des Experiments gesprochen werden.
Als er den Tierkörper mit seinem Skalpell geöffnet hatte klingelte das Telefon. Verärgert über die Störung nahm er ab. Am anderen Ende der Leitung meldete sich der Pförtner des Instituts. „Da sind zwei Herren, die sie dringend sprechen wollen.“
„Schicken sie sie wieder weg, ich habe jetzt keine Zeit“, gab er Anweisung.
„Die Herren sind von der Polizei und sie sagen es sei wichtig“.
„Nun wenn‘s dann unbedingt sein muss, lassen sie sie herein“, erwiderte Frank genervt.
Widerwillig unterbrach Frank die Arbeit an dem frisch zerlegten Schwein. „Mach bitte alleine weiter“, wies er seine Assistentin an und zog seinen blutverschmierten Schutzkittel und die Latexhandschuhe aus.
Vor dem Labor warteten zwei ernst dreinblickende Polizeibeamte auf ihn.
„Sind sie Dr. Frank Nicolas Stein?“
Frank konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letzte Mal jemand mit seinem vollen Namen angesprochen hatte. Als Kind rief ihn seine Mutter mit dem vollen Namen, wenn er etwas ausgefressen hatte. So verband er seinen Zweitnamen immer mit etwas negativem. Er mochte den Namen Nicolas nicht. Nicolas, wer hieß schon Nicolas. Das war ein Name für abgehalfterte französische Präsidenten oder Moderatoren von Internetseiten mit dubiosen Erotikgeschichten.
„Sie sind der Ehemann von Elisabeth Stein?“
„Ja?!“
„Wir haben schlechte Nachrichten für sie. Ihre Frau hatte einen Unfall!“ Frank hatte ein Gefühl, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen würde.
„Ist sie....“ Er wagte es nicht, seine Befürchtung auszusprechen.
„Nein, sie ist nicht tot. Aber sehr schwer verletzt. Wir möchten sie bitten mit uns ins Krankenhaus zu kommen.“
Auf dem Weg ins Krankenhaus klärten die Beamten Frank über den Unfallhergang auf. Ein LKW hatte die Mittelleitplanke durchbrochen und den Wagen von Elisabeth frontal gerammt. Sie hatte keine Change auszuweichen.
*
Während Frank durch die Scheibe in das Zimmer der Intensivstation sah, lauschte er wie betäubt den Ausführungen des Arztes. Im Bett lag ein bis zur Unkenntlichkeit in Verbände gehüllter Körper. Unzählige Kabel und Schläuche führten zu den blinkenden, piepsenden Geräten die um das Pflegebett aufgestellt waren. Die Geräusche der Beatmungsmaschine waren sogar im Vorraum zu hören.
„Wir haben ihre Frau in ein künstliches Koma gelegt. Sie war in ihrem Auto eingeklemmt. Ihre Beine wurden völlig zertrümmert. Wir hatten keine Wahl, wir mussten amputieren. Die Leber ist geschädigt, die Milz gerissen. Durch gebrochene Rippen wurde auch die Lunge in Mitleidenschaft gezogen.“
„Was können sie für meine Frau tun? Wie lange wird es dauern, bis sie wieder hergestellt ist?“ fragte Frank verzweifelt.
„Wir können gar nichts tun. Wir können sie nur schmerzfrei halten. Ihre Frau wird sterben! Wir können sie noch ein paar Tage in diesem Zustand halten. Sobald wir die Maschinen abschalten, stirbt sie. Es tut mir leid!“ Der Arzt blickte betroffen zu Boden. Frank konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
„Was ist mit Transplantation? Eine neue Leber, eine neue Lunge?“
Kopfschüttelnd erklärte der Arzt, dass das unmöglich sei. „Ihre Frau bräuchte keine neuen Organe, sie bräuchte einen neuen Körper.
Wenn ich ihnen einen Rat geben darf“, redete der Arzt auf ihn ein, „fahren sie erst mal nach Hause und kommen sie erst mal zur Ruhe. Wenn sie sich dann etwas gefangen haben, besprechen wir wie es weiter geht.“
*
Die beiden Polizisten, die im Flur vor der Intensivstation gewartet hatten, waren so freundlich und brachten Frank nach Hause. Die Wohnung jedoch schien ihn zu erdrücken. Ständig hoffte er, Elisabeth müsse jeden Augenblick um die Ecke kommen. Er glaubte überall ihre Anwesenheit zu spüren. In der Spüle stand noch ihre gebrauchte Kaffeetasse vom Morgen. Bei einem Blick ins Schlafzimmer sah er das zerwühlte Laken. Auf dem Wäschekorb lag ein BH von ihr. Vor seinem inneren Auge sah er, wie sie noch vor wenigen Stunden nackt im Bett neben ihm gelegen hatte. Friedlich schlafend, mit einem Finger in ihrer Spalte. Ob sie sich selbst befriedigt hatte? Er hätte es ihr nicht verübeln können. Er hatte sie in letzter Zeit sträflich vernachlässigt. Die Arbeit bei General Genetics fraß ihn auf. Und nun war alles zu spät! Während er im Labor künstliche Schweinekörper erschuf, musste er hilflos zusehen, wie der Körper seiner Frau zerfiel.
Frank ging ins Wohnzimmer um sich an der Hausbar einen großen Cognac einzuschenken. Da sah er den Brief auf dem Tisch. Mit zitternden Fingern öffnete er den Umschlag. Zum Vorschein kam ein Blatt Papier. Die Handschrift auf dem Zettel war eindeutig die Elisabeths. Er las:
„Lieber Frank,
schon seit Monaten bekomme ich dich kaum noch zu Gesicht. Du schleichst dich spät in der Nacht in unser Schlafzimmer und verschwindest morgens in aller Frühe wieder. Auch an den Wochenenden bist du oft nicht da, oder du bist müde und erschöpft. Du bist mir fremd geworden. Ich muss über unsere Beziehung nachdenken. Ich fahre für ein paar Tage zu meiner Mutter.
Gruß Kathy“.
Erschüttert legte Frank den Brief auf den Tisch. Es war alles seine Schuld. Sie wollte ihn verlassen, weil er sich nicht genügend um sie gekümmert hatte. Auf dem Weg zu ihrer Mutter hatte sie den Unfall. Das Schicksal hatte grausam zugeschlagen.
*
Nach einer unruhigen Nacht voller Alpträume fuhr Frank am nächsten Morgen ins Krankenhaus. Elisabeths Zustand war unverändert. Nach einer Stunde hielt es Frank nicht mehr aus. Er glaubte zu ersticken. Nach Hause wollte er nicht. So entschied er, ins Labor zu fahren. Die Arbeit würde ihn ablenken.
*
Schweigsam arbeitete er an der nächsten Versuchsreihe. Der Plotter hatte eine Schweinelunge produziert. Diese musste für einen Transplantationsversuch vorbereitet werden.
Ein Spezialisten Team stand bereit um die künstlich hergestellte Lunge einem lebenden Schwein einzupflanzen. Wenn diese Versuche erfolgreich wären, wäre man bei der Herstellung von künstlich gezüchteten Organen einen bedeutenden Schritt näher gekommen. In einigen Jahren könnten auch Menschen von der neuen Technik profitieren. Nur für Elisabeth wäre es zu spät. So viel Zeit hatte sie nicht mehr.
„Ihre Frau braucht keine neuen Organe, sie braucht einen neuen Körper“, hörte Frank die imaginäre Stimme des Notarztes. „Warum eigentlich nicht?“, fragte er sich. Er saß hier sozusagen an der Quelle. Alle dafür notwendigen Geräte waren vorhanden. Menschliche Stammzellen, aus denen alle anderen Zellen gezüchtet werden können, waren zwar nur in begrenztem Umfang vorhanden. Innerhalb weniger Tage wäre es aber möglich weitere Zellen zu reproduzieren.
Frank nahm sich vor gleich heute nach Feierabend mit den Vorbereitungen zu beginnen. Wenn nötig würde er Tag und Nacht arbeiten.
*
Inga war früh dran. Dennoch war sie wieder nicht die Erste im Labor. Ihr Chef, Dr. Stein saß an seinem Schreibtisch, den Kopf auf der Tischplatte und schlief. Seit zwei Wochen ging das nun schon so. Wenn Sie abends Schluss machte, arbeitete Dr. Stein noch weiter, wenn sie morgens kam, war er schon da. Es dauerte einige Zeit, bis Inga klar wurde, dass er ganze Nächte im Labor verbrachte und gar nicht nach Hause ging.. Auch die ganzen Bioreaktoren, in denen aus Stammzellen Muskelzellen und Zellen für Organe gezüchtet wurden liefen auf Hochtouren.
Inga schlüpfte in ihren Laborkittel und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Als dies kurz darauf mit einem Blubbern betörenden Kaffeeduft im Labor verbreitete, erwachte Dr. Stein. Inga füllte seine Tasse mit einem extra starken Gebräu, das selbst Tote wiederbelebt hätte.
„Dr. Stein, was treiben sie eigentlich jede Nacht im Labor? Sie ruinieren sich ihre Gesundheit. Das was sie da tun, hält kein Mensch auf Dauer aus. Ich mache mir ernsthafte Sorgen. Was sagt denn ihre Frau dazu, wenn sie keine Nacht zuhause sind?“
„Wegen der tue ich das doch“, erwiderte dieser mit matter Stimme. Frank konnte seinen Gemütszustand nicht länger vor seiner Assistentin verbergen. Als er ihr berichtete was geschehen war, zeigte sich auch Inga erschüttert. Sie nahm ihren Chef in den Arm um ihm Trost zu spenden. Er spürte ihre Brüste unter dem Laborkittel gegen seinen Körper drücken. Wann hatte er Elisabeth das letzte Mal so gespürt? Nur mühsam konnte er ein Schluchzen unterdrücken.
„Ich dachte sie hätten sich getrennt. Ein Unfall, das ist ja furchtbar. Was sagen denn die Ärzte?“
Nur mit Mühe konnte Frank die Tränen zurückhalten, als er Inga erzählte, was ihm der Arzt gesagt hatte. Dass Elisabeths Körper so stark geschädigt sei, dass ihr auch mit Prothesen und Spenderorganen nicht zu helfen sei. Was Elisabeth bräuchte, wäre ein neuer Körper. Genau den wollte Frank erschaffen. Deshalb laufen die Bioreaktoren seither auf Hochtouren.
„Ich züchte menschliche Zellen. Wenn ich genügend habe, kann ich damit möglicherweise einen neuen Körper für sie plotten. Sie wissen selbst, dass das mit den Schweinezellen ja schon funktioniert hat.“
„Ja schon, aber das war ein toter Körper, totes Fleisch ohne Leben.“
„Das ist mir schon klar, aber vielleicht können da die Ärzte in der Klinik etwas tun. Sie könnten ja Elisabeths Gehirn in den neuen Körper transplantieren.“
„Da gibt es aber noch ein Problem“, brachte Inga den nächsten Einwand. Um einen neuen Körper zu plotten benötigen sie eine Vorlage. Der Körper ihrer Frau ist so weit geschädigt, dass sie damit nicht überleben kann. Das bedeutet aber auch, dass sie ihn nicht als Vorlage für einen neuen Körper verwenden können.“
„Daran habe ich selbstverständlich auch schon gedacht. Deshalb habe ich eine Zeitungsanzeige geschaltet, in der ich Frauen für ein Experiment suche. Bisher haben sich acht Frauen gemeldet. Ich muss diese nun testen. Ich muss sicher sein, dass die Kandidatin gesund ist. Es wäre fatal, wenn ich einen kranken Körper kopieren würde. Das Problem ist nur, dass sich Elisabeths Zustand stetig verschlechtert und ich durch die Tests und das Auswahlverfahren viel Zeit verliere. Vielleicht sogar zu viel Zeit.“ Dr. Frank Stein wirkte verzweifelt. Inga hatte Mitleid mit ihrem Chef. Auch fand sie es bewundernswert, wie sich dieser Mann für seine Frau einsetzte.
„Ich hätte da eine Idee.“
Dr. Stein blickte seine Assistentin fragend an.
„Wie wäre es, wenn ich mich zur Verfügung stellen würde. Scannen sie meinen Körper und plotten sie eine Kopie.
Natürlich nur, wenn sie es ertragen können, dass ihre Frau hinterher genauso aussieht wie ihre Mitarbeiterin“, fügte sie lachend hinzu.
„Das würden sie tun? Das würden sie tatsächlich tun?“
„Ja!“
„Das wäre großartig. Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen danken soll.“
„Machen sie sich da mal keine Gedanken. Wann fangen wir an?“
„Lassen sie mich nachdenken. Heute Abend nach Dienstschluss! Ich muss den Magnetresaonanztomogaphen noch umprogrammieren. Das Raster, das wir für die Vorlage der Schweinekörper verwendet haben ist viel zu grob. Ich werde es verfeinern und bis an die Kapazitätsgrenze des Rechners gehen, um wirklich jede Körperzelle zu erfassen.“
Frank war nicht mehr zu bremsen. Er machte sich unverzüglich an die Arbeit.
*
Gegen 19:00 Uhr hatte es Frank geschafft. Die Maschine war bereit. Die Kollegen in den anderen Abteilungen von General Genetics hatten längst Feierabend gemacht. Außer Dr. Stein und seiner Assistentin waren nur noch ein paar Leute vom Wachdienst auf dem Betriebsgelände. Diese betraten aber niemals die Labore. So waren die Beiden völlig ungestört.
Frank rief seine Assistentin. „Wenn sie dann bereit sind, können wir anfangen.“
„OK, von mir aus kann’s losgehen. Was soll ich tun?“
„Legen sie sich bitte auf den Tisch des Magnetresaonanztomogaphen.“
Inga kletterte auf den Tisch, auf dem sie während des Scans durch die Röhre geschoben werden sollte. Frank zögerte.
„Was ist los? Gibt es ein Problem?“, fragte Inga.
„Ja. Ich brauche einen Körper. Keine Kleidung! Natürlich könnte ich diese mit einem Programm aus der Datenflut herausrechnen lassen. Damit verschwende ich aber Rechnerkapazität. Ich möchte jedes Byte für den eigentlichen Scanvorgang nutzen um ihren Körper so genau wie möglich zu erfassen. Ich glaube es wäre besser, wenn ich sie nackt scannen würde.“
Inga hatte einen Kloß im Hals. Sie sollte sich vor ihrem Chef nackt ausziehen? Der Gedanke bereitete ihr Unbehagen. Andererseits musste sie eingestehen, dass Dr. Steins Argumentation logisch war.
„In Ordnung, ich werde mich ausziehen“, versprach Inga nach kurzem Zögern. „Aber eine Bitte hätte ich.“
„Ja, die wäre?“
„Könnten sie hinausgehen, bis ich mich ausgezogen habe? Ich weiß, dass sie mich hinterher nackt sehen werden. Dennoch ist es mir unangenehm, wenn ich mich vor ihnen ausziehen soll. Ist das jetzt sehr albern?“
„Nein, nein, keineswegs. Selbstverständlich werde ich hinausgehen bis sie bereit sind“, versprach Dr. Stein.
Als er das Labor fünf Minuten später wieder betrat, lag Inga nackt, nur mit einem Handtuch bedeckt auf dem Tisch des MRTs.
Frank erklärte seiner Mitarbeiterin, dass er gleich mit dem Scan beginnen wolle. Es würde etwa 12 Stunden dauern, bis alle Daten erfasst seien. Während des Vorgangs sei es von entscheidender Wichtigkeit, dass sie absolut ruhig liegen bliebe.
„Da kein Mensch zwölf Stunden nahezu bewegungslos liegen kann, werde ich ihnen ein leichtes Narkotikum verabreichen.“ Während er das sagte, zog er eine Spritze mit Propofol auf. Inga bekam Panik. Sie wollte sich nicht betäuben lassen. Sie war alleine mit ihrem Chef im Labor. Kein Mensch weit und breit, der ihr zu Hilfe eilen könnte, wenn etwas schief lief. Sie stellte sich vor, wie ihr Chef während ihrer Ohnmacht ihren Körper begrabschte. Ja er könnte sie sogar vergewaltigen, oder mit dem Skalpell zerstückeln. Kein Mensch würde etwas davon mitkriegen. Was wäre, wenn er ihren Körper gar nicht scannen würde. Wer sagt denn, dass das Gehirn seiner Frau in eine Kopie ihres Körpers eingepflanzt werden soll. Wer könnte ihn daran hindern ihren Körper zu benützen. Frau Steins Gehirn hinein und ihres in die Mülltonne? Panisch wollte sie aufspringen, aber ihr Chef hatte die Spritze schon angesetzt und drückte die klare Flüssigkeit in ihre Adern. Inga wollte flüchten. Sie setzte sich auf. Das Handtuch fiel zu Boden. Mit sanftem Druck drückte Frank seine Mitarbeiterin auf den MRT- Tisch. Sie zappelte hektisch und versuchte sich ihm zu entziehen. Doch dann wurde ihre Gegenwehr schwächer. Das Betäubungsmittel zeigte Wirkung. Sie wollte noch etwas sagen, aber Frank konnte sie nicht verstehen. Dann schlief sie ein.
Fortsetzung folgt!
©Romanowsky
Kommentare
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