In ihrer Anschaulichkeit
Sie war immer so aufgewühlt, immer dann. In ihr spielte sich ein Film ab, die Szene zog sich sehr in die Länge. Keine Ahnung hatte sie vom Sinn der Handlung, ob dieser Szene etwas vorausgegangen war oder, ob es so begann. Teil eines Experiments zu sein? Kunst? Natur? Biologie? Eine Art psycho-soziologisches Zeug? Oder irgendeine Erklärung - sie fand sie nicht. Stets war schon alles im Gange, ohne Anfang, ohne grundfeste Basis für ein Regelwerk, das die Figuren lenkte, ihr Tun erklärte. Warum? Kein Hinweis auf einen alles umgebenden Rahmen - einen Anfang, ein Danach und einen Sinn. Warum genau so, warum nackt? Mittig und im Licht bestrahlt, so furchtbar. So vertraut, so präsent und ewig das Gefühl. - Vielleicht brauchte es auch gar keinen Grund. Keine eiskalte oder messerscharfe nüchtern kohärente Logik. Denn viel eher neigte alles in Mila dazu, es anzunehmen, wenn es kam. Völlig und komplett. Dann lösten sich die Grenzen ihres Ich, sie verschmolz mit der Szene, um genau dies, den Mittelpunkt des Geschehens so heftig, so machtvoll zu spüren, dessen Teil und Zeuge sie war. Und sie spürte nicht bloß. Es überwältigte sie.
Mila ist ein Name, wie viele andere auch. Diese Geschichte ist ein Traum, wie viele andere auch, der nicht verblasste und nicht verschwand. Der Name verrät nichts, außer uns beiden.
Alles gut, Mila, du bist in Sicherheit.
Im Klassenraum. Sie heißt S. und ist eine von 20 Mädchen und Jungs. Die Lehrerin gibt ihr die Anweisung, sich nackt zu entkleiden. Für sie kommt das unerwartet, aber es gibt keinen Ausweg. Seit 2 Jahren existiert diese Schulklasse, so lange kennt man sich. Vor dieser - ihrer - Klasse muss sie nun stehen und Stück für Stück ihre Kleidung ablegen, alles. Nicht gleich, sondern jetzt, und ohne Verzug. So beginnt sie mit der Prozedur, legt Oberteile, T-Shirt und Hose ab. Als der auffordernde Blick der Lehrerin nicht nachlässt, auch die Socken. Wohin damit, etwa auf den bisherigen Kleiderhaufen? Schamrot weicht sie allen Blicken aus, steht unschlüssig da.
Wenn die Lehrerin auf das noch Folgende verzichten könnte. Auch halbnackt vor der Klasse stehend erfüllt S. vielleicht den Zweck als Anschauungsobjekt. Doch leider reicht dies der Lehrerin nicht aus. Sie hört die Bitte, nickt verständnisvoll und sagt: "Ich verstehe vollkommen, dass es für dich nicht sehr angenehm ist. Aber das ist ganz natürlich und der Sinn der heutigen Unterrichtsstunde. Bewusst habe ich euch alle nicht darauf vorbereitet. Wir werden heute authentische Emotionen erleben und auswerten - Ziel der heutigen zwei Unterrichtseinheiten."
Sanft und ohne Hektik forderte sie S. nun dazu auf, BH und Slip abzulegen, was S. ohnmächtig befolgte. Einen Hauch von Intimität bewahrte S., indem sie dabei der Klasse den Rücken zukehrte. L. kommentierte dies nachsichtig dann ermunterte S. sie wiederum sehr sanft, nun die beiden Kleidungsstücke zu den anderen zu legen. Auch Mitschüler machten ihr Mut - "komm schon, schaffst du, mutig, weiter so" - es führte kein Weg daran vorbei. BH und Slip hielt sie noch vor, als sie zum Kleiderhaufen ging. ... Jetzt. Sie musste. Gab die Stückchen Stoff aus der Hand, legte sie ab.
Von vorne nackt stand sie jetzt mit nichts zum Bedecken, zugewandt der ganzen Klasse.
Sie fühlte nichts als die überwältigende Scham. Instinktiv bedeckte sie mit dem linken Unterarm den Busen, wenigstens die Brustnippel und hielt gleichzeitig die rechte Hand unten vor. In dieser Haltung, zusammengekrampft, verletzlich, kindlich, konnte S. nicht bleiben. Unter aller Augen wand sie sich hin und her, verharrte schließlich, etwas lockerer, mit hängenden Schultern, die Brüste frei. Scheiß auf den Busen, dafür nun beide Hände vor der nackten Vulva. Ihr Allerheiligstes und die letzte Bastion von Intimität, sie schützte sie mit allem, was blieb - ein kleiner Rest, doch fiel auch er, so war sie verloren.
Gesicht und Blick blieben weiter gramvoll gesenkt. L. und der Klasse war nichts entgangen, auch nicht die kleinste Regung in S.'s Gesicht, nicht die kleinste Geste ihres gestauchten Körpers. So hatte es L. beabsichtigt und konnte nun mit dem Thema "Scham" beginnen. Und sie bezog S. mit ein, indem sie ihr Fragen stellte.
"Super, bis hierhin! S., Deine Mitarbeit ist vorbildlich! Stell dich nun bequem hin, wir machen weiter. Ich sehe sehr deutlich, dass du dich jetzt in diesem Moment ganz stark schämst. Darüber möchten wir ein wenig mehr erfahren." - S. schweigt, blickt aber die L. an. "Wie fühlst du dich nun in diesem Moment und wie kommt das?" - S. murmelt, sie möchte so nicht darüber reden. L. versteht. Sie fordert sehr viel von S., geht hart an die Grenzen. Man könnte es dabei belassen, dass S. nichts mehr tun oder sagen muss, dann wären die anderen Mitschüler mit Wortmeldungen dran. L. hat aber noch einen Trumpf versteckt, um S. aus der Reserve zu locken. Noch immer bedecken ihre Hände die Scham, mit L.s Billigung. "S. schätzchen, es ist alles halb so wild. So nackt du auch vor uns sein musst, erlaube ich dir bisher frei, so zu stehen, wie du möchtest und dein Instinkt dich führt. Das möchtest du sicher auch so. Das Thema unserer Stunde allerdings die Scham in verschiedenen Aspekten. Qualität und Quantität der vielen Scham-Emotionen variieren beträchtlich, und bisher haben wir auf anschauliche Weise bloß eine Art davon erlebt, die du uns vorgestellt hast. Schon sehr gut, wie gesagt, aber wir haben noch was vor uns. Deine Mitarbeit ist für die Klasse weiterhin erforderlich. Und weißt du was? Da du bisher so gut mit gemacht hast, lasse ich dich gerne selbst entscheiden, wie wir weiter verfahren. Du ganz allein kannst bestimmen, auf welche Weise wir unsere heutige Unterrichtsstunde beschließen! Zwei Alternativen gebe ich dir. Und zwar wirst du Folgendes entscheiden müssen: entweder noch mündlich etwas beizutragen und Fragen zu beantworten, so wie wir es gerade eben versucht haben, als du nicht wolltest. Bist du dabei, dann darfst du so bleiben, wie du jetzt stehst. Oder aber, du müsstest nichts weiter beschreiben und beantworten, dafür aber deinen Körper vollends meiner Macht unterordnen. Das hieße unweigerlich: Hände in den Nacken! Und das wäre noch nicht alles.Im ersten Fall wären es nur ein paar Fragen von mir und evtl. von deinen Mitschülern. Also, während S. sich kurz sammelt und ihre Wahl trifft, frage ich mal an euch anderen: wieso schämt sich S. überhaupt? Wieso schämt man sich nackt vor anderen?"
- "Weil man aus der Menge hervorsticht, wenn andere Kleidung haben" - "Weil man es so gewöhnt ist" - "Weil wir gerade in dem Alter sind. Unsere Eltern sind gerne nackt" - "weil man mit dem eigenen Körper unzufrieden ist. Aber S. hat einen schönen Körper, vielleicht bis auf die Oberschenkel..." - "Weil wir teilweise noch nicht fertig entwickelt sind" - "Man will nicht nackt vor vielen Leuten sein und noch nie Sex gehabt haben..."
L.: "Sehr gut, das ist doch schon eine ganze Menge. Und wie äußert sich die Scham? Ist sie gut sichtbar? Gibt es zuverlässige Anzeichen dafür, die ihr von euch selbst kennt, oder vielleicht bei S. bemerkt habt oder sogar jetzt in diesem Moment bei ihr sehen könnt?" - Die Tortour, die S. erlebte, war kaum zu steigern. Nicht nur ihre Nacktheit, nein, auch ihr gnadenlos den anderen preisgegebenes Schamgefühl wurde ins Licht gezerrt, beguckt und zerpflückt. Die Mitschüler meldeten sich zu Wort: "Man wird rot und spürt seinen Puls sehr deutlich" - "Kloß im Hals" - "wie ein Stich, ein Schuss vor den Bug" - "Herzrasen" - "belegte Stimme und Stottern, wie S. eben gerade" - "man zieht die Beine zusammen, bedeckt sein Gesicht, will sich verbergen..." - da war doch alles dabei! L. konnte diese vorbildliche Klasse nur loben. Einen eher heiklen Aspekt aber hatte noch niemand angesprochen: das gelegentliche Auftreten von Scham und sexueller Erregung. Für einige Menschen gehörte das gar untrennbar zusammen. Viele Normalbürger allerdings sahen das als BDSM-nahe Paraphilie, also wollte L. in dieser Hinsicht keine Verwirrung stiften. Doch in ihren Phantasien kam das Element noch hinzu, sie stellte sich vor, nicht nur Mädchen wie S. sondern auch Jungs oder Pärchen vorzuführen. Dies hätte unweigerlich sichtbare Geilheit vor Publikum zur Folge. Bei S. dagegen war es kein Thema, ihre letzte Bastion musste respektiert werden, wie beschlossen.
"Nachdem wir nun so viele Antworten gesammelt haben, frage ich dich nun nach deiner Entscheidung, S." - "Ich... ja, ich möchte lieber sprechen, als... das andere..." Es war zu erwarten gewesen. Aber es blieb spannend. "Na, das ist doch ein Wort! Es geht ja auch um dein individuelles Empfinden. Keineswegs um richtig oder falsch". - "Ja, aber... das ist es ja gerade" - "Was meinst du damit? Ist das schwierig für dich, in einer Situation wie dieser hier?" - "Ich meine, dass... ich mir jetzt den Schock nicht geben will, meine Hände wegzunehmen und alles freizugeben. (schluckt) ... tut mir leid... ich fühle mich schon jetzt so schwach..." Ein Schwächegefühl? Empfand sie die Scham so stark? L. hatte schon von solch extremer Intensität des schämens gelesen, war aber nicht darauf gefasst, dass es jemanden aus ihrer Klasse treffen könnte. Keine Panik und ruhig Blut, sagte sie sich. Und S. zugewandt: "Warte, es holt dir jemand ein Glas Wasser, für den Kreislauf. - Luca, machst du das bitte kurz - danke!" - Für einen Moment herrscht Stille. Viele Augenpaare sind nach wie vor auf S. gerichtet. Sie blickt starr in den Raum. Luca bringt ein Glas Wasser nach vorne. Unschlüssig schaut S. auf das gefüllte Glas in Lucas Hand, ohne sich zu regen. L. versteht und hilft ihr beim Trinken, indem sie das Glas hält und ihr an die Lippen setzt. ... "Hm, danke. - Also, Hände weg wäre für mich voll grausam, ich hab das Gefühl, das würde ich nicht überstehen. Nein... ich fühl mich jetzt schon so kurz vorm Kollaps und hier vor euch allen zu reden ist... auch total schwer, weil das ja auch alles ... meins ist. Ich muss euch zeigen, was ich nicht zeigen will... nicht... wenn... wenn ich mich so scheiße schäm, dann machts nicht noch schlimmer. Legt das mir nicht alles bloß (schluckt) Sonst kommt alles doppelt und dreifach... - L.: "Emotionen haben alle gemeinsam, dass sie sich fast immer verstärken - je nach Situation regelrecht potenzieren. Ich freue mich darüber, dass ich Freude empfinde. Ich bin wütend über meine Wut. Angst vor dem Angst haben. Und eben die Scham in unserem Beispiel S. - würdest du dich besser fühlen, wärst du nackt ohne Schamgefühl?" - "Hm... ja, doch, natürlich." - und dann gibt sich S. einen Ruck, räuspert sich das Brüchige in ihrer Stimme weg, und erzählt: "Ich hätte gerne einen Freund und würde ihn nackt verführen. Vielleicht würde ich auch Aktfotos machen. Aber wenn ich machtlos bin, so wie heute bei Ihnen, dann ist das so fies. Ich habe Respekt vor Ihren Anweisungen, Frau Lehrerin, denn es ist ein Privileg, zur Schule zu gehen und nichts für Bücher und Schulsachen bezahlen zu müssen. Und nun lernen wir in Gesellschaftskunde Emotionen und Affekte im soziologischen Kontext. Heute haben Sie mit einer sehr anschaulichen Methode Schamgefühl erzeugt, wobei ich Ihnen dienlich sein darf. Und es hält mir immer noch an. Mein Puls rast, ich atme schnell und bin immer noch so entblößt, es fühlt sich an, wie in Ketten. Nicht frei, nein, das Gegenteil davon. Ich kann niemanden anschauen, meine Blicke fliehen vor Ihnen und euch anderen, ich möchte mich am liebsten verstecken und, dass das hier nicht wahr ist, und verschwinden. Mein Kopf glüht, das könnt ihr wohl alle seh... sehen, und die Scham ... treibt mir Tränen in die Augen, ich fühl mich so bestraft, als hätte ich was Schlimmes verbrochen, was absolut Schäbiges, Kriminelles und Verachtenswertes getan. Ich Lügnerin, Diebin, Hure... und auch wenn hier bei uns in der Schule Fotohandys verboten sind - meine Zurschaustellung hier werden trotzdem viele Menschen erfahren, mit denen ich zu tun habe. Ich werde es nicht leugnen und als Märchen abtun können, ich bin allein gegen 20 von euch. Meine Eltern werden es durch eure Eltern erfahren, meine Freundinnen außerhalb von hier und wer noch alles. Und selbst wenn jeder sich denkt oder sagt, dass ich ja nichts dafür kann und mich tapfer geschlagen habe? Es würde die schreckliche Schmach nicht mindern. Niemandem könnte ich mehr in die Augen sehen, der davon weiß, dass ich einmal auf Befehl - machtlos mit meinem gesamten, ungeschützten und bloßen Körper - vor euch 20 gestanden habe und gezwungen war, mich zu ... entscheiden... nein... und wie soll ich ab jetzt einen Freund haben, jeder Junge wird davon mitbekommen. ... Ich kann nichts dafür, Frau L. Ich sollte dankbar sein, aber fühle mich so gestoßen und bestraft. Ohne Vorwarnung. Ich konnte mich nicht vorbereiten und gerade heute... da fühl ich überall nur Scham und Schande, ob ich mich krampfhaft bedecke oder meine ungewaschene Blöße enttarne. Das ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera!"
- "Danke erstmal. Nach der kleinen Pause wird das weiter unser Thema sein. S. du kannst dich nun wieder anziehen, damit du wieder zu deiner alten Forum zurückfindest!" - S. seufzte vor Erleichterung, aber Wut keimte auf über das Gönnerhafte in Tonfall und Wortwahl der Lehrerin. Sie stellte sich in die rechte Ecke des Raumes, um sich die Wäsche wieder überzustreifen. Wirklich geschützt ging das nicht, aber ihre Möse konnte keiner sehen, ebensowenig wie ihre nachgewachsenen Haare unter den Achseln, deren peinlicher Hände-in-den-Nacken-Zurschaustellung sie zum Glück entgangen war. Wieder ganz angezogen, konnte sie sich endlich auf ihren Platz setzen und sich ein wenig lockern. Mit gefasster Miene sah sie Melanie an, ihre beste Freundin in der Klasse. Mädchen können einander gut trösten und spüren, wenn dies angebracht ist. In S. Situation aber spürte und verstand jeder um sie herum, dass sie Trost brauchte. Sie hatte einen mächtigen Kloß im Hals, bewahrte aber die Fassung, als Melanie sie in den Arm nahm und so bald nicht wieder freigab. Die Anwesenheit und das Mitgefühl der Jungs waren ihr im Moment zwar eher entbehrlich, doch von Sandro, der zu ihr und Mel kam und etwas Nettes sagte, fühlte sie sich angenehm berührt und aufgebaut. Wenigstens hatte sie gute Freunde, auch männliche, deren Nähe sie jetzt gut gebrauchen konnte.
Die zweite Stunde mit L. begann. Frau L. eröffnete sie mit der Frage: "In der letzten Stunde haben wir uns sehr ausführlich mit der Scham einer nackt zur Schau gestellten Person befasst. Wir haben sehr viel und sehr deutlich gesehen und S. hat uns ebensoviel von sich berichtet. Sie tat das sehr offen und pflichtbewusst. In einer der folgenden Stunden werden uns ihre Empfindungen noch weiterhin beschäftigen. Aus der Distanz einiger dazwischenliegender Tage wird sie uns noch einmal berichten, wie sich so eine vergangene Schamsituation anfühlt, an der sie uns heute, nackt und beschämt, lebhaft teilhaben ließ." - Erneut lenkte L. damit die Blicke aller auf S. und brachte deren Blut in Wallung. S. wünschte, endlich nicht mehr im Mittelpunkt zu sein. Noch ein wenig länger, so glaubte sie, und die Pein würde sich dauerhaft in ihrer Seele einnisten.
Nun aber wechselte L. die Perspektive. - "Und nun wenden wir uns zu euch. Wie habt ihr als Anwesende, als Zuschauer, empfunden? Was waren eure Gedanken und könnt ihr eine Emotion benennen, die in euch am präsentesten war?" - "Unangenehm" - "ich habe mit ihr gefühlt" - "habe Angst, dass ich da auch mal durch muss..." - "etwas unheimlich, aber insgesamt habe ich die Bloßstellung dieser Person sehr genossen" traute sich Jasmin, zu bekunden. Jacob gestand ehrlich, dass er S. schon länger nackt sehen wollte, aber diese Art und Weise ihm nicht behagte und es ihr so nicht gegönnt hätte. Scham und schlechtes Gewissen, eindeutig. Zwei weitere Jungs sowie zwei Mädchen gaben zu, ähnlich wie Jacob zu empfinden, erst Neugierde, dann erstaunte Freude über die Erfüllung des heimlichen Wunsches und schließlich schamvolles Unbehagen. Normalerweise würde sich niemand die Blöße geben, seine geheimen Begierden oder Neugierde vor der ganzen Klasse zu verraten, schon gar nicht gleichgeschlechtliche Begierden. Aber heute wollte jeder auspacken, wie sie die S. schicksalhafte Situation erlebt hatten. Niemandem in der ganzen Klasse war es richtig angenehm gewesen, keiner hatte uneingeschränkt und geil S. Anblick genießen können, ohne schlechtes Gewissen, ohne Scham über die eigenen Gedanken, die eigene Erregung. Trotz der Machtlosigkeit, zum Zuschauen verdonnert zu sein, spürte man über allem ein Bedürfnis, S. Schmach mit ihr zu teilen und es so wiedergutzumachen. Melanie sprach es als Erste aus: "Ich möchte solidarisch sein und auch mich so demütigen" sagte Mel. "Das mildert zwar nicht das Geschehene, aber es verteilt die Schande auf mehrere Schultern" - es dauerte nicht lange, bis fast alle in der Klasse ihre Solidarität bekundet hatten, wohlwissend, dass dies als freiwilliger Akt schon anders empfunden würde, als S. zwangsweise Vorführung. Entscheidend aber war die tatsächliche Bereitschaft, Scham und Blöße auf sich zu nehmen, das wirkte viel besser als rein verbale Bekenntnisse. Viele der Anwesenden sagten auch, sie wären bereit, das gleiche zu tun, wozu sich Melanie bereiterklärt hatte. Besonders freute sich Mel über die Zustimmung von D. N. und P. die das Opfer brachten, trotz ihrer körperlichen Unzulänglichkeiten "bereit" zu sein. S. selbst nahm das Ganze wahr, etwas unwirklich aber sehr gerührt. Die Geständnisse der anderen hatten sie sehr aufgebaut. Vor allem wurde nicht mehr in jedem Satz ihr Name benutzt, was sie zunehmend entspannter werden ließ. Die ehrlichen Einblicke in die zwiespältigen Gefühle ihrer Mitschüler kitteten ihre grob aufgebrochene Intimsphäre ein wenig zu und stellte in ihr ein Gleichgewicht her. Sie war noch mitgenommen und spürte noch das nach, was sie im Gegensatz zu ihnen erlebt hatte, aber sie war nicht mehr einsam, nicht mehr nur das Opfer.
Die L. war überrascht. Es schien kaum jemanden in der Klasse zu geben, der lieber auf gute Schulleistungen setzte anstatt auf Empathie zu einer Mitschülerin. Weitere nackte Tatsachen waren für diese Unterrichtseinheit nicht vorgesehen. Aber noch etwas geschah. Die Wortmeldungen der Schüler geschahen nicht mehr geordnet, sondern alle begannen, durcheinanderzureden und kreuz und quer zu diskutieren. Noch nie hatte sie die 9b chaotisch oder rebellisch erlebt, im Gegensatz zu anderen Schulklassen. L. musste das Heft in der Hand behalten. Aber das erschien ihr nicht schwer, es waren ja von den Schülern selbst Vorschläge gekommen, die weitere Schulstunde zu gestalten. "Meine Lieben", sagte sie, "gleich können wir weitermachen, dann werde ich auf eure geäußerten Wünsche eingehen. Aber vorher möchte ich, dass ihr kurz sammelt und zusammenfasst, was alles von euch Zuschauern genannt wurde. Ja bitte, Lars!" Und Lars nannte die Aspekte: Mitgefühl und Fremdscham, vereinzelt auch Schadenfreude. "Genau so, danke. Gibt es vielleicht noch etwas, was nicht genannt wurde?" Hier hielt sie kurz inne. Sollte man das ansprechen? Kurz entschlossen überließ sie diese Entscheidung demjenigen, der sich entsprechend geäußert hatte. "Jacob. Fällt dir noch etwas anderes ein? Sascha, dir vielleicht, oder einer von euch Damen?" - Jacob lächelte etwas befangen und wiederholte kleinlaut, was er verspürt hatte, anfangs und später. Christina fügte hinzu, sie kanne es von ihrem älteren Cousin und anderen Jungen. Aber das Thema fand sie sehr unbehaglich, vor allem sich selbst betreffend. Auch L. fand es sicherer und angebrachter, das beiseite zu lassen und ihre eigenen Phantasien gut von ihrer Unterrichtstätigkeit zu trennen. So fuhr sie fort: "Wir haben also als Zuschauer erstens größtenteils empathisch gedacht und empfunden. Zweitens haben wir uns fremdgeschämt. Wir sehen, diese beiden Empfindungen sind einander durchaus ähnlich, wobei Ersteres allgemeiner und Letzteres spezifischer ist. Ich glaube, Christoph hat vorhin sehr anschaulich beschrieben, wie sich Fremdschämen anfühlt, nämlich teilweise, als wäre man selbst Mittelpunkt und nicht Betrachter der Schamsituation, obwohl man sich tatsächlich weitab vom Geschehen befinden kann. So starke Auswirkungen hat die Emotion des Fremdschämens.
Der letzte, von Lars genannte Aspekt war die Schadenfreude. Jasmin, bei dir erinnere ich es. Kannst du uns noch etwas dazu sagen?" - Jasmins Aufmerksamkeit fand zurück zu L. und sie fragte zunächst, was genau sie denn daran beschreiben sollte. Dann sagte sie: "Also, ich hab ihr sowas schon gegönnt. Es war schon in Ordnung, innerlich musste ich grinsen, ganz ehrlich. S. und ich mögen uns ja nicht so sehr, und dann steht sie da vorne, völlig klein und wehrlos und findet kein Erdloch, in das sie verschwinden kann ..." - "Jasmin, ist gut jetzt..." fuhr Melanie dazwischen. S. hörte, wie jemand freimütig zugab, ihre Demütigung in vollen Zügen genossen zu haben. Das ohrfeigte sie. Und diese Person plus mutmaßlich weitere schauten nun sicherlich zu ihr und sahen die Ohrfreigen der Schamesröte in ihrem Gesicht. Wieder fühlte sie sich ins Licht gezerrt, wenn auch gut versorgt und mit vielen Freunden. "Ja, ok." sagte Jasmin, "es ist ja auch echt ein bisschen fies jetzt und ich muss nicht noch Salz in die Wunde streuen. Mir reicht es, dass ich dabei war." - "Danke für dein Statement, Jasmin", sagte L. "Schadenfreude - oh, S., wir sind gleich durch, ich bringe das nur kurz zuende. Schadenfreude also kennt mit Sicherheit jeder. In der Regel wird Schadenfreude von Kindern und Jugendlichen bis hin in euer Alter verstärkt empfunden und erlebt. Selten richtet sie sich gegen unbekannte Menschen, sondern werden durch Antipathien oder auch konkrete Rachegedanken hervorgerufen. Was zwischen euch ist, Jasmin und S., gehört ja hier nicht zum Thema.
Und noch etwas ist wichtig, was bisher niemand von euch genannt hat..." L. machte nun auf den Faktor der Gruppendynamik aufmerksam. Sie sprach vom Vorhandensein sowohl nonverbaler, als auch verbal geäußerter, gruppendynamische Prozesse und verdeutlichte, dass im heutigen Unterricht beides stattgefunden hatte. Damit waren die wichtigsten Inhalte des heutigen Unterrichts thematisiert worden. Zwanzig Minuten blieben noch.
Ein kurzes Schweigen entstand und L. lächelte erwartungsvoll Melanie an. Die sagte: "Ja... also gut. Ähem, ich hatte mich ja vorhin gemeldet. Ich reiße mich nicht drum, aber ich möchte eben zeigen, dass ich es nicht abkann, wenn Leute mit etwas allein gelassen werden, die mir wichtig sind. Sondern, ich finde es besser, wenn man so etwas teilt. Gut, ich will nicht so lange reden... es hatten sich ja für das, was ich gleich machen werde, noch mehr Leute gemeldet... egal." Jetzt, wo sie dran war, wurde ihr doch ein wenig anders. Ein Rückzieher kam nicht in Frage. Abgesehen davon, dass L. das nicht durchgehen lassen würde, war allein der Gedanke daran, wieder abzuspringen, reichlich schäbig, denn S. hatte diese Möglichkeit nicht gehabt, sondern sich machtlos fügen müssen. Mel hasste zudem nichts mehr als fruchtloses Gelaber. "Schuldigung, ich musste mich erstmal sammeln." Also holte sie tief Luft und begann, sich zu entkleiden. ... Während sie die Hose faltete, summte sie vor sich hin. Sie war aufgeregt, wahrscheinlich auch etwas rot auf den Wangen und sprach zu sich: "Gut, gut, ist ok, alles ok..." in Slip und BH riskierte sie einen Blick auf die Klasse und grinste schelmisch, nach dem Motto "that's life", was solls. Wenn sie S. ansah, wurde sie ernster. Aber S. lächelte ihr zu, bewundernd, gelöst, irgendwie so. "Du machst das wirklich..." hieß es. Nun folgte der Sprung ins eiskalte Wasser. Der BH wurde aufgenestelt, gelöst und auf den Kleiderstapel gelegt. Rücken gebeugt, Arme und Hände um den Busen herum. Dann, wie ein Sprung ins kalte Wasser, die gerade Haltung. Rücken gerade Busen nach vorne. Kleine Warzen aber großer Umfang und Körbchen. Dieses Schaustehen war ihr nicht sehr angenehm, im Hinblick auf alle Anwesenden und auf die zukünftige Zeit miteinander. Außerdem merkte sie einen leichten eigenen Geruch, trotz gestrigem Duschen. Endlos peinlich. Sie setzte ein Lächeln auf. Weiter ging es. Sie drehte sich nicht um, sondern zog den Slip der Klasse zugewandt aus. In der Hocke war ihr Schoß frei, doch dann legte sie locker ihre Hände davor, genau wie S. sie sah ihre Klassenkameraden an und musste lachen. Man grinste sich an. Als die nackte Mel in Lachen ausbrach, zuckte sie und wollte sich eine Hand vor den Mund halten. Das tat sie auch für eine Sekunde, bevor auch diese Hand wieder den Weg vor Mels nackten Schoß fand. "Du bist doch rasiert" sagte Thomas. "Reicht dir nicht eine Hand für deine Spalte?" Was für eine schlaue Frage, dachte Mel, zögerte und antwortete knapp: "reicht, aber so fühle ich mich nicht wohl." und probierte es gleich darauf doch. Eine Hand unten vor, die andere... ist dann frei. Das ging auch, aber dann sah es vielleicht aus, als würde sie sich fingern. Nein, da kehrte sie lieber zu ihrer und S.'s Haltung zurück. "Mellie, du musst dich nicht verstecken. Wenn du dir mit den Händen nichts bedeckst, brauchst dich auch nicht doppelt schämen!" Mel verstand die Anspielung, gemeint war die qualvolle Stunde ihrer Freundin, denn bei S. hatte sich die Scham wirklich potenziert und nicht nur sie von Kopf bis Fuß befallen, sondern den ganzen Raum eingenommen. Doch bei ihr selbst war das so nicht der Fall. Sie konnte auf lockere Art ihre Blöße bedecken, ohne vollständig leidend auszusehen, und das hatte sie auch vor. Jojo hatte also Unrecht und offenbarte allenfalls seine Begierden. Mel fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, während sie die andere verführerisch spreizte, ohne einen wirklichen Anblick freizugeben. "Das sehe ich ein wenig anders, Jo. Deine Hose sagt mir eher, dass du gerade unbedingt meine Möse sehen willst, ohne vielleicht mal ein wenig abzuwarten", zwinkerte sie ihm zu mit dem Selbstbewusstsein einer gestandenen Frau. Und sollte er gar keinen Ständer haben - Sprüche solcher Art wirkten trotzdem garantiert.
Mel gab sich kokett und witzig vor der Klasse. Die Jungs mochten ihren Auftritt fast alle, einige der Mädchen jedoch fanden sie eingebildet und begannen, über sie abzulästern. Sie überlegten sich gerade, mit welchen kleinen Gemeinheiten sie sie treffen könnten, als L. das Wort ergriff und ihnen für die letzten 7 minuten frei gab, auch, damit Mel sich in Ruhe anziehen und mental akklimatisieren konnte. Mit einem großen Dankeschön für Mühe und Durchhalten beschloss L. die Stunde. Mel jedoch musste sich noch einmal den Anlass ihres Nacktauftrittes ins Gedächtnis rufen. Ihre Freundin S. war für Gleiches ausgewählt worden und zog es durch, zwar mit Bravour, aber auch mit herben Verlusten. Mel empfand längst nicht die Wucht der Empfindungen wie S. es tat. Und da war noch etwas anderes - Spaß, Reiz, Lust im weitesten Sinne. Sie sah zu S., die sie verhalten lächelnd anschaute. Ganz anders als sie selbst... Mel hatte sich nackig gemacht für S. Das war der Grund, und nicht als Rubbelfleisch für Jo und seine Sitznachbarn. Auch nicht, um ihren Spaß am Zeigen zu entdecken. Alles nicht verkehrt, aber der Grund war, ihre Freundin nicht allein zu lassen.
Also versetzte sie sich für einen Moment, bevor sie sich wieder anzog, in sie hinein und nahm eine Haltung an, die Verletzlichkeit zeigte. Den linken Ellbogen zum bedecken der Brüste, die rechte Handfläche für unten. Automatisch zog sie den Schoß zusammen, es passte einfach so gut dazu. Bis sie sich gleich darauf unsicher fühlte und merkte, dass es mit dem linken Arm oben komisch war und der rechte Ellbogen - ihr "Schreibarm" - sie besser schützte. Ihre Brüste kurz freigebend, wechselte sie die Arme unter den Augen von 1000 Gaffern, die sie sich vorstellte. Sie schaute zu Jojo und den anderen, die unverändert grinsten, und es tat seine Wirkung. Sie musste schlucken und wich den Blicken aus. Vorhin, mit Brust raus und Gelächter, konnte sie nicht ahnen, dass eine einfache Haltungsänderung so viel bewirken konnte. Frau L. verfolgte das mit Interesse. Für Mel war wichtig, dass bei ihrer Vorführung auch alle dabei waren, die bei S. auch dabei gewesen waren, möglichst bis zum Schluss. Vor allem Frau L. sollte ihren Freundschaftstribut an S. bezeugen können. S. war vor den Augen vieler ultimativ gedemütigt worden. Und jeder, der dies gesehen hatte, sollte durch Mel's Aktion erfahren, dass S. nicht allein ist, und, dass sie es in keinster Weise verdient hatte.
Mel wandte sich zu ihren Kleidern. Nun brauchte sie sie. Doch dann, aus einer Eingebung heraus, ging sie zuerst, nackt, wie sie war, zu ihrer Freundin. Zögerte, setzte sich und umarmte S. ganz fest und flüsterte ihr beruhigend zu. S. schluckte noch einen Moment, bevor schließlich die Anspannung von ihr abfiel. Jetzt konnte sie endlich losheulen, während Mel sie an sich drückte. Und sie gab sie lange nicht frei.
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