Vergebung


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30.09.2012
Kunst

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Nebelgestrüpp. Durch das nasskalte Dickicht führten mich meine frierende Schritte, den Berg hinauf scheinbar unendlich ins Nichts.

Sonst war es hier oft windig, die goldenen Buchen rauschten im Sturm der kaltklaren Herbstage.

Aber Mitten im Nebel...


 

Meine Augen verirrten sich im undurchdringbaren Vorhang aus Wassertropfen, doch ich stolperte weiter vorwärts.

Die Stadt lag hinter mir, unten, versunken im namenlosen Meer.

Ich war den Plattenbauten entkommen. War den Ziegelreihen entflohen. Allein auf meinem unmöglichen Auftrag!

Bald würde ich auf die Straße treffen, wie sie sich gewunden durch die Hügel schnitt, in hämischen Zügen ihrem schrecklichen Ziel entgegenschlängelte.


 

Ich erinnerte mich an gestern. An die kühlen Gesichter:

"Caspar!", hatten sie gesagt, "das ist doch nicht dein Ernst, warum denn gerade Jetzt?"

Doch ich hatte mich entschieden, schon lange war der Entschluss in mir gereift, viel zu lange focht ich diesen schmerzenden Kampf in mir aus.

Auf der einen Seite die Angst meine Identität zu verlieren, denn schon seit meiner frühen Schulzeit war ich mehr oder weniger dabei.

Anderseits konnte ich es nicht mehr ertragen, diese Schuld, dieser Hass gegen mich selbst, den ich immer wieder auf die Anderen projiziert hatte.

Es war wohl gut so, einen Schlussstrich zu ziehen. Jetzt!


 

Endlich kam ich zu einer Kante. Vor mir begrenzte glänzender Asphalt den sumpfigen Waldboden. Da war sie also, die Straße. Mein Anker im Labyrinth aus faulenden Blättern und Moos.

Schon als meine ersten Schritte auf dem harten Untergrund hallten, glaubte ich, dass jemand mit marschierte. Ein unbekanntes Heer aus Toten, mit milchig-weißen Gesichtern, leblos und schlaff, das hinter mir im Tritt folgte.

Mich schauderte. Je länger ich ging, desto kälter wurde die Luft.

Hinauf, hinauf zur großen Lichtung.


 

Das Erste was ich durch den Schleier stechen sah, war ein Wachturm, der wie ein kubistischer Golem starr in den nicht vorhandenen Himmel ragte.

Dann Stacheldraht und eine Art Tor.

Da war es also, direkt vor mir, einem Menschen, der vor wenigen Wochen noch Witze darüber gerissen hatte.


 

Als ich näher kam, sah ich, dass das schmiedeeiserne Gitter geöffnet war.

Ich sah auch Menschen, aber nur schemenhaft in der Ferne.

Erst jetzt fiel mir auf, das ich wohl auf einer Art Parkplatz stand, Autos, zwei oder drei, Werktags- Einsamkeit!

Ich ging zu den Gebäuden, irgendwohin, um vorerst der Kälte zu entkommen.

Links war eine kleine Hütte. Ich schlüpfte hinein.


 

Kerzenlicht. Und Porträts. Alte Fotos, gestorbene Gesichter.

Es roch dumpf nach altem Holz.

Und plötzlich war ich mir unsicher, ob ich es überhaupt hinein schaffte.

Im flackernden Licht tanzten die Schatten um mich herum. Dunkelheit und Licht im regen Wechsel.

Ich schaffte es nicht!


 

Mit einem Mal hörte ich Schritte. Knirschender Rollsplit, knisternde Ungewissheit.

Ich drückte mich in eine dunkle Nische. Amorphe Angst beschlich mich.

Angst ertappt zu werden? Angst erkannt zu werden?

Nein, wer sollte schon...ich war nie einer der Lauten und nie einer der Brutalen.

Ein stiller Mitläufer im Takt des Populismus.

Und doch schutzlos auf Feindesland, aufgeliefert dem eigenen Gewissen.


 

Schattenhaft schwebte eine Gestalt herein. Blieb stehen. Kondensat im erlöschenden Licht.

Leises Atmen.

Der Schatten sah mich nicht!

Sollte ich mich vorwagen? Nein!

Der Schatten wagte sich zum Kerzenlicht: Eine junge Frau.

Unspektakulär im Jeans-Blouson und Wollrock.

In ihrem Gesicht war Dunkelheit, nur eine grob geschnitztes Profil war zu erkennen.

Sie kniete. Betend?

Und in diesem Moment erfassten meine Ohren die bedächtig geflüsterten Worte, verstärkt durch den stumpfen Hall und Alles in mir vekrampfte sich zu einer harten Masse.

"El malej rahamim" Wie ein Donnerschlag. Jedes Mal in den letzten Tagen.

Ich las zu viel.


 

Die Luft anhaltend näherte ich mich ihr. Immer an der braunen Wand entlang.

Schleifende Lauer, ich sah ihr Gesicht. Weiße Haut. Augen wie schwarze Murmeln.

Lockig fiel das Haar über die Nase, den Backen, gleich einem magischen Vorhang.

So naß und stickig es hier war, ich blickte sie an. Fühlte ihre Wärme, je näher ich kam.

Stand nun direkt hinter ihr. Mit angehaltener Luft. Spürte den Drang sie zu berühren.

Was tat ich? Ich konnte doch nicht...Doch schon streiften meine Finger ihre Schulter.


 

Herumwirbeln, ein Tritt zwischen meine Beine. Ich knallte auf den Boden.

Schwarz!


 

Eine warme Hand an meinem Ohr. Ich spürte wie sie nach unten wanderte, den Puls fühlte.

Helle Stimme verzerrt und fern, schummrig, mir war schummrig. Wo war ich?

Als ich meine schweren Lider nach oben aufschlug sah ich es, ihr Gesicht, direkt über dem Meinen.

"Es tut mir Leid", krächzte ich.


 

Schaudernd setzte ich mich auf. Ihre Miene – unschlüssig.

Angst oder Mitleid...

Ich sah jämmerlich aus. Verwachsener Kurzhaarschnitt, dreckiger beiger Kapuzenpulli.

Ihre Augen fixierend, suchte ich nach Worten.

Wühlte in meinen Gedanken, nur um ein kümmerliches "Sorry" in das Zwielicht zu werfen.

"Nein, Caspar, das kannste besser!"


 

Doch sie tippte mit ihrem Ringfinger auf die Brust und sagte kehlig: "Me: Chava!

And you?"

Ich wusste es nicht. Caspar war der alte Name. Der Neue?

"I'm...Caspar!", sagte ich zögernd.

Sie lächelt. Hatte ja keine Ahnung.

Unschlüssig stand ich da, die Zeit zog vorbei.

Gerade als ich dachte, sie würde sich umwenden....

Ich hielt sie fest. Meine Hand griff an ihre Schulter.

Nicht grob, aber bestimmt.

Was tat ich nur?


 

Als sie sich versuchte loszureißen, gruben sich meine Fingernägel in ihre weiße Haut.

Das Blut pochte in meinem Ohren, in mir war etwas erwacht.

Der einsame Wolf der durch den Tag zog, nun stand er vor seiner Beute, die er mit roten Augen musterte, auf eine Bewegung lauernd.


 

Schrie sie?

Wer wenn ich schriee, hörte mich denn aus den Engel Ordnungen?

Nein!

Wachen Auges wartend, starrte sie in mein fahles Gesicht.

Meine Lippen waren so seltsam trocken. Ich küsste sie.

Sie ließ es geschehen...

Eine Einladung? Vielleicht.

Ein Überfall? Ganz bestimmt!


 

Warum kreisten in meinem Kopf die Gedanken?

Wie sah sie wohl nackt aus?

Vernunft kann man verlieren, in diesem Moment verlor ich sie wie einen wertvollen Talisman.

Doch was nutzte dir oller Tander, wenn man mehr haben konnte.


 

Mein Körper drang auf sie.

Wir stürzten in den Dreck.

Meine Hand glitt über ihre Wange.

Dann auf ihre Brust.

Öffnete die Knöpfe ihrer Strickjacke.

Drang an das weiße Fleisch.


 

Doch dann wurde ich ungeduldig.

Mit einem grausigen Ratschen zeriß ich ihre Strumpfhose.

Ich spürte den Stoff ihres Slips.

Und wollte darunter.

Meine Finger bohrten sich wie die Kugeln eines Gewehrs in sie.

Das Eindringen quittierte sie mit einem unterdrückten Grunzen.

Der Schal war in ihrem Mund.

Mein Werk?

Ich wusste es nicht mehr.


 

Alles war naß und schleimig.

Doch irgendwie war die Kälte gewichen.

Meine schmutzige Jeans glitt nach unten.

Intimität.

Wollte sie das auch?

Sie wehrte sich nicht.

Doch, jetzt versuchte sie zu schreien.


 

Ich hielt ihr den Mund zu.

Ich fickte sie jetzt, so sanft es auf dem harten Boden ging.

Ein Fleischgemisch im zuckenden Dithyrambus der Lust.

Küssend überprüfte sich die Oberfläche, den Hals, den Mund, die Nase, die Stirn.

Es schmeckte salzig.


 

Pein, ja Pein.

Es würde nicht mehr lange dauern.

Ich wurde schneller.

Verklebte Strähnen schwitzigen Haares im Mund.


 

Der Höhepunkt war unspektakulär.

Sie biss in meine Hand.

Wenig später spritze ich meine Ladung in sie.

Im Dreck.

Meine Hose war ruiniert.

Sie schob die Strumpfhose über die Schenkel nach oben.

Es war vorbei.


 

Wir wateten nach draußen.

Ihr Gesicht war rot und verweint.

Aber sie blieb bei mir.

Alles neu!

Caspar war ich nun nicht mehr.


 

Rate meinen neuen Namen!

Auch du, Prinzessin, in deinen kalten Räumen.

Gerfrorene Tränen rannen über deine Wangen.

"Jeschajahu", entsprang deinen Lippen.

Und kurz streifte die blasse Sonne den Ort der Toten.


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


Kommentare

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