Treibjagd (2)


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23.04.2012
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Treibjagd 2 (Hexenwut)

 

Sie tragen mich, Maike, (wer und was ist jetzt Maike?) mit zusammengebundenen Händen und Füßen an einer langen Fichtenstange durch den Wald. Der, der hinten geht, schient ein saublöder Kerl zu sein. Immer, wenn ich den Kopf hebe, dann grinst er mich dummgeil an. Dabei starrt er mir immer wieder sabbernd zwischen meine nackten Hinterbacken. Manchmal sagt er auch: „dolle Fotze!“.

So ein blöder Knilch. Ich hätte wirklich Lust, im in seine dämliche Fresse zu sch…, aber ich will mich nicht noch mehr herabwürdigen. Für den wäre mir sogar ein warmer nasser Furz zu schade. Soweit lasse ich mich nicht herab.

 Ich bin verzweifelt.

Alles war gut. Marga und ich, wir hatten in der Nähe ihrer Suhle gespielt. Die fünf kleinen Frischlinge waren wie immer quietschvergnügt. Wir ahnten nichts Schlimmes.

Doch plötzlich war Marga wie vom Blitz getroffen aufgesprungen, hatte ihre Frischlinge hart mit dem Rüssel angestupst und war mit ihnen auf der Flucht im Dickicht verschwunden.

Was diesen Reflex bei ihr ausgelöst hatte, das merkte ich leider erst, als es zu spät war.

Gerade hörte ich noch ein Klappern und Schlagen an die Bäume, da standen sie auch schon mit aufgerissenen Augen und Mündern vor mir. Zwei Kerle in orangefarbenen Jacken.

„Na was haben wir denn da für ein seltsames Wild? Eine Sau? Eine wilde Sau ohne Haare, so, so…ein nacktes Weib! Ein Weiberschweinchen! Ich krieg mich ja nicht mehr ein!“

Sie kamen um die Ecke von einem dichten Jungwaldbestand, so dass ich sie nicht kommen sah. Durch das Quieken der Kleinen hätte ich nichts gehört. Marga muss sie aber gerochen haben. Da siegte dann bei ihr eben der Mutterinstinkt.

 Ich weiß noch nicht, ob ich ihr das verzeihen werde. Sie hatte wohl gedacht, dass ich es auch rieche. Ja, ich hätte es riechen sollen. Jetzt stank es mir jedenfalls gewaltig.

Sie kamen von beiden Seiten der Schneise.

Keine Fluchtmöglichkeit. Der eine von ihnen, der der vorn geht und Hagen heißt, hatte Stricke mit bunten Fähnchen dabei. Irgendwelche Absperrseile zum Ablenken des Wildes. Damit haben sie mich gefesselt.

 

„Du, Hagen“, fragte der Prollige, „Warum ficken wir die nicht gleich hier im Wald durch und lassen sie dann liegen? Warum willst du sie bis zur Strecke schleppen?“

„Du bist wohl wahnsinnig, Jens-Eugen, du Blödmann? Und was ist dann, wenn sie uns anzeigt? Oder willst du sie etwa abmurksten, nachdem du sie gefickt hast? Die Treibjagd steht doch sogar in der Zeitung und unsere Namen stehen auf der Treiberliste. Die würden uns doch sofort am Kragen haben. Nee, das soll mal schön der Herr Dr.Zuche verantworten.

Wozu ist er denn Jagdvereins-Präsident und Jagdleiter? Außerdem hoffe ich, dass ich meinen Jagd- und Waffenschein mindestens ein Jahr früher kriege, wenn ich ihm dieses Wild hier heute Abend, beim Verblasen auf die Strecke lege. Da wird er aber Augen machen. Ich habe es nämlich langsam satt, immer nur den Treiber zu machen für die Herren“

„Du bist doch ein ausgebuffter Schweinehund, Hagen!“

 

Den Hund kann er haben, aber das Schwein wäre eine Beleidigung für Marga und Ihresgleichen! Denke ich voller Hass und verzweifelter Hilflosigkeit.

Der blöde Mannshund hinter mir hat sich irgendwo unterwegs einen Zweig abgepflückt und versucht immer wieder, mir damit auf die Schamlippen zu klatschen oder mir grinsend  im Poloch herumzufummeln. Ich versuche, die Beine zusammenzuklemmen, so gut es geht. Es geht leider nicht. Es schmerzt nur. Die Backen kann ich aber zusammenkneifen.

 

Nach einer guten halben Stunde kommen wir bei einem einsam stehenden Haus neben einem Teich mitten im Wald an. Das kenne ich. Es ist die alte Wassermühle, wo manchmal die Dorffeste und die Kirmes statt finden.

Die zwei schleppen mich zum Hintereingang der Mühle und legen mich einfach auf der Sackrampe ab. Hagen geht weg und kommt kurz darauf mit einem beleibten älteren Herrn wieder.

„Schauen Sie doch mal, was wir erlegt haben, Herr Dr. Zuche. Na, ist das was, he?

Haben wir so, wie sie jetzt ist, im Jagen12 bei dem Fichten-Jungwald gefunden, das kleine Schweinchen.“

Ich höre zuerst einmal nichts außer tiefem Durchatmen. Dann:

„Ihr seid doch wohl wahnsinnig! Habt ihr sie gefesselt? Mensch Hagen. Wenn das rauskommt, dass ihr die so nackig und gefesselt hierher geschleppt habt, dann sind wir hier alle dran, wegen Kidnapping, Entführung, Nötigung, oder sonst was. Wenn nicht noch viel Schlimmeres. Und ich bin hier der Verantwortliche….bringt sie sofort weg von hier!“

„Die Beiden glotzen ziemlich blöde.

„Wohin sollen wir sie denn bringen? Raus kommt das so und so. Die wird uns doch anzeigen, Herr Dr. Zuche, oder nicht? Sollen wir sie betäuben?“

„Das hättet ihr euch früher überlegen sollen, ihr Dämlackel!

Halt!

Wartet, da fällt mir etwas ein. Der Richter Rietscher, dieser Emporkömmling, der ist doch Kreisrichter hier in der Gegend und schielt schon lange nach meinem Präsidentenamt.

Passt auf: Mit MIR habt ihr NIEMALS gesprochen, ich weiß von Nichts. Geht einfach zu ihm und bittet ihn um Rat. Dann hat der das Ganze an der Backe und wir sind raus.

Euch muss er helfen, als Richter. Also los. Du kriegst morgen auch sofort deinen Waffen- und Jagdschein, wenn das erledigt ist, Hannes, versprochen.“ Und schon ist er weg, wie ein Geist.

„Siehste! Hätten wir sie doch lieber gleich durchgefickt und liegen lassen!“ jammert Jens-Eugen.

„Halts Maul, du Arsch!“ schimpft Hagen und geht den Richter Rietscher suchen.

Als Hagen mit dem Richter zurückkommt, scheint dieser schon ziemlich angetrunken zu sein.

Er hatte wohl einen Jagderfolg.

Er hatte. Ein Kerl wie „Der Mann, den die Frauen lieben“  Selbstgefällig grinsender „Richter-Hold-Typ“

„Das war ein herrlicher Tag heute, Mannomann! Kapitale Sau zur Strecke gebracht. Blattschuss! Na gut, das Fell taugt ja nicht viel, ist ein Fehler drin, aber vom Jagdgewicht her ganz beachtlich. Und was habt ihr noch Schönes für mich? Tut nicht so geheimnisvoll…“

 

Mir wird schwarz vor Augen. Was hat er gesagt? Fell mit Fehler? Das kann doch nur…?

‚Marga, meine liebe Marga. Ich verzeihe dir, dass du dich nicht um mich gekümmert hast.

Du hättest selbst Schutz gebraucht. Bist ihnen wohl direkt vor die Flinte gelaufen?

Und die Kleinen? Ich bin doch ihre zweite Mutter, ich muss mich um sie kümmern!

Dieser Gedanke rettet mich jetzt vor der totalen Verzweiflung, vor dem Zusammenbruch. Er reißt mich hoch und schärft meine Sinne auf das äußerste.

‚Warte Richter, und auch ihr anderen Schurken! Das ist euer Ende!’ Und das ist ein Schwur. Ein Schwur, der leicht einzulösen sein wird, wenn ich nur am Leben bleibe.

Aber der Richter ahnt in seinem Suff und in seinem Jagdstolz überhaupt nichts.

Als er mich sieht, reißt er die Augen lüstern auf, grinst mich augenzwinkernd an und wiegt mit anerkennender Miene den Kopf.

„Alle Achtung, ihr Schlitzohren“, sagt er, „Ihr habt es aber hier faustdick hinter den Ohren Jungs! Solche Einfälle macht euch wirklich Keiner nach. Na dann bringt sie mal nach vorn und legt sie zunftgerecht auf die Strecke! Das muss ich doch unbedingt in meinem Golfclub erzählen. Die glauben mir das aber ja nicht“.

 

Er scheint das Ganze für einen vorbereiteten Gag zu halten.

Die beiden „Jungs“ stellen sich dumm, was ihnen nicht weiter schwer fällt und befolgen treu und brav die Anweisungen des Richters. Dieser torkelt ihnen wohl gelaunt hinterdrein.

 

Sie tragen mich nackt an der Stange mitten auf den Platz, wo die Strecke verblasen werden soll.

Erst wird es ganz still, dann geht ein Raunen durch die Menge. Man hört ein Auto mit quietschenden Reifen durchstarten.

„Wer war denn das?“ höre ich eine Stimme fragen.

„Das war der Herr Dr. Zuche, unser Präsident. Ich glaube, seine Frau ist plötzlich erkrankt.“

‚Auch du entkommst mir nicht, du Mistkerl!’ Denke ich noch, da werde ich auf den Rücken gelegt.

Abgelegt zwischen tote Wildsauen und Keiler, auch ganz junge Tiere sind dabei.

Unsere Kinder sehe ich Gott sei Dank nicht darunter. Marga liegt neben mir. Auf der langen gezackten Fellnarbe mit den rosa Härchen glänzt ein Rinnsal von Blut.

Ich versuche, sie mit meiner Schulter zu streicheln.

‚Machs gut, Marga. Du warst mehr Mensch als alle diese Monster hier. Ich verspreche dir, dass ich mich um die Kleinen kümmere, wenn sie noch am Leben sind. Und ich verspreche dir, dass ich nie wieder solche Kerle „Schwein“ nennen werde, denn das würde dich und die Deinen beleidigen.’

Der Richter tritt heran, zeigt auf Marga und protzt laut: „Ein guter Schuss, nicht wahr?

 Aber dieses nackte Wild hier lebt ja noch, wie ich verwundert sehe, auch wenn es eine hübsche rosa Wunde hat. Da wird wohl heute Abend noch jemand zu einem guten Schuss kommen, hä, hä, hä, hä. Na, wer wird das wohl sein?“

Anscheinend wissen alle, wer es sein wird. Sie klatschen ihm Beifall.

 

Ich habe aufgehört zu denken: „was wird aus mir?“

Ich denke fieberhaft: ‚Was mache ich mit euch, wenn ich frei komme?“

Und frei kommen werde ich, das wird mir der Richter noch vor seinem Gang zur Matte unter den Brücken garantieren müssen, auch gegen seinen Willen. Wir werden sehen, ob wir in einem Rechtsstaat leben, bevor ich ihn vernichte. Wir werden sehen, ob Geld und Einfluss Alles darf. Auch im Suff hätte schließlich erst einmal mit mir reden müssen. Aber er ist sich ja so sicher, dass Privilegien alle Gemeinheiten rechtfertigen.

 

Jetzt verblasen sie die Strecke.

Sau tot

Nein!

Blast lieber Halali!

Die Jagd ist noch nicht zu Ende, sie beginnt.


Kommentare

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