Die nackte Maske


baer66

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22.02.2012
Exhibitionismus

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Ein nacktes maskiertes Mädchen, das gehetzt und außer Atem über die Brücken von Venedig flieht, verfolgt von zwei älteren ebenfalls maskierten Männern erregt selbst im Karneval einiges Aufsehen.

Ich schlendere im gelblichen Licht der Kandelaber von der Piazza San Marco in Richtung Santa Maria Formosa und überlege gerade, wo ich mir mit einem Caffè oder einem Ombra die Zeit bis zum Abendessen vertreiben soll. Ich bin auf dem Weg zu dem kleinen aber feinen Fischrestaurant, das unter Venezianern als nichttouristischer Geheimtip gehandelt wird und dessen Name deshalb hier leider nicht verraten werden darf, damit das auch so bleibt.

Überall maskierte, fröhliche, lachende Menschen. Ein Pierrot prostet mir mit einem Glas Prosecco zu. "Ciao creatura!"

Plötzlich werde ich von hinten gestoßen. Eine schlanke zarte Gestalt mit einem schwarzen Domino, einem eleganten Dreispitz und einer reich verzierten Maske mit Vogelschnabel rempelt mich an und läuft in höchstem Tempo die schmale Gasse entlang bis zur Brücke über den kleinen Kanal. Mir fällt gleich auf, daß unter dem weiten Mantel die nackten Waden und zierlichen Füße eines Knaben oder einer jungen Frau hervorschauen.

Da bleibt die flüchtende Maske mit dem Mantel an den ausgestellten Karnevalsartikeln eines Geschäfts hängen, der Domino fällt herunter und es besteht kein Zweifel mehr, daß es sich um eine junge Frau handelt und eine äußerst attraktive noch dazu. Im Schein der beleuchteten Auslagen erkenne ich einen sportlichen durchtrainierten Körper mit kleinen straffen Brüsten und einem festen Hintern.

Das Mädchen ist naßgeschwitzt vor Anstrengung und scheint in eine Sackgasse geraten zu sein, aus der sie mit doppelter Geschwindigkeit wieder zurück zur nächsten Brücke läuft, um über den Kanal in einen dunklen Arkadengang zu verschwinden. Dabei bietet sie mir für einen kurzen Augenblick auch eine äußerst delikate Aussicht auf ihre süße glattrasierte Spalte.

Zwei ältere korpulente bärtige Männer in roten Masken und Dominos eilen keuchend heran und nehmen die Verfolgung der schönen Fliehenden auf. Sie deuten in die Richtung der Arkaden, rufen einander den Namen der kleinen Calle jenseits des Kanals zu und klingen siegessicher, da sich der Vorsprung des Mädchens durch den Irrweg verringert hat.

Ich nehme, neugierig geworden, unwillkürlich denselben Weg und folge der ungewöhnlichen Gruppe. Fast verliere ich ihre Spur, doch dann gelange ich zu einer kleinen Piazzetta und sehe gerade noch wie die beiden Männer das nackte Mädchen an den Oberarmen festhalten und an der Türe eines alten Palazzo läuten. Über der Türe hängt eine rote Laterne und beleuchtet ein kleines Schild neben dem Eingang: "A.Rossetti Costumi - Maschere" - ein Kostümverleih also.

Ein alter Mann im Schlafrock öffnet, murmelt ein paar unfreundliche Worte und läßt dann die Drei eintreten.

Ich bleibe allein mit meinen Gedanken auf der dunklen Piazzetta zurück. Inzwischen wäre es auch Zeit, zum Abendessen zu gehen. Mein reservierter Tisch wird mir nur 15 Minuten freigehalten. Da ist der Padrone streng, weil er ja lediglich über 12 Plätze verfügt.

Doch ich habe Feuer gefangen. Wilde Szenen spielen sich in meinem Kopf ab: Was machen die zwei Verfolger wohl jetzt da drinnen mit dem Mädchen? Sie hat gehetzt gewirkt, aber auch ängstlich? Und es ist schließlich Karneval. Vielleicht wollten sie alle einfach nur ihre Kostüme zurückgeben. Aber wieso hat das Mädchen dann den verlorenen Domino nicht aufgehoben?

Es geht mich zwar nichts an, aber ich muß jetzt einfach wissen, was da drinnen passiert. Ich läute an der Eingangstür. Einmal, zweimal, dreimal. Endlich höre ich schlurfende Schritte. Der Alte im Schlafrock öffnet und schaut mich verärgert an. "Mi dica Signore! Was wünschen Sie?"

Damit habe ich gerechnet. "Mi serve una maschera e un costume", täusche ich vor, mir ein Kostüm ausleihen zu wollen. "Chiuso! Mi dispiace", will mich der Alte abwimmeln. Das verstärkt meinen Verdacht, es könnte sich hier etwas Illegales abspielen noch, da es ja gerade erst 19h ist. Keine Zeit, ein Geschäft zu schließen und das in Venedig und noch dazu im Karneval.

Ich erzähle etwas von einem Maskenball, zu dem ich in letzter Minute eingeladen worden bin und wo ich ohne Maske und Kostüm keinen Zutritt hätte. Ich wäre auch gerne bereit, die doppelte Leihgebühr zu bezahlen.

Das überzeugt den Geschäftsmann. Er bittet mich umständlich herein und führt mich in ein großes Magazin im Erdgeschoß des Palazzo. Hunderte Kostüme jeglicher Art hängen an langen Stangen, für Prinzessinnen, Harlekins, Gondoliere aber auch Tierkostüme und freizügige Outfits für Tänzerinnen und Haremsdamen.

"Was wünschen Sie, Signore?", fragt der geldgierige Alte beflissen. "Venezianischer Adeliger aus dem 18.Jahrhundert? Doge? Bischof?"

Zu seiner Enttäuschung antworte ich: "Nein, nein. Nur eine Maske, einen schwarzen Dreispitz und einen dunklen Domino."

"Wie sie möchten, Signore", meint der alte Gauner, "aber der Preis ist derselbe. Prezzo unico!"

Gerade als ich die Maske probieren will, höre ich ein Lachen. Das Mädchen von vorhin stürzt splitternackt in den Raum. Ohne Maske sehe ich, daß sie eine wirkliche Schönheit ist, mit langem schwarzen Haar, graugrünen Augen und einem Kußmund. Ich schätze sie auf kaum 20 Jahre. Hinter ihr die beiden lüsternen Verfolger, jetzt auch unmaskiert, die ihre Hände nicht von ihrem eleganten Mädchenkörper lassen können.

Der Kostümverleiher schimpft: "Giulia, was machst Du hier? Du solltest doch schon lange auf Deinem Zimmer sein!"

Ich mische mich ein. "Das Mädchen wurde von diesen beiden Herren verfolgt und belästigt. Greifen Sie doch ein! Ist das ihre Tochter?"

"Giulia ist ein wildes Kind. Ja, sie ist meine Tochter. Immer wieder verbiete ich ihr, Herrenbesuche mitzubringen. Aber Sie sehen ja selbst, Signore!", erklärt der Alte.

Das Ganze erscheint mir äußerst unglaubwürdig. Er hat die Drei doch vorhin selbst ins Haus gelassen. Und Giulia war doch schon nackt bis auf die Maske. Mir scheint, der Alte tut so manches für Geld, womöglich sogar sein eigenes Kind verkuppeln.

Giulia schaut mich mit unschuldigem Blick an. "Gefalle ich Ihnen, Signore?"

Sie hat wohl bemerkt, daß ich nicht allein aus edlen Beweggründen zu ihrer Rettung einschreiten wollte, sondern daß mich sehr wohl ihr schöner nackter Körper neugierig gemacht hat.

"Brauchst Du meine Hilfe, Giulia?", frage ich naiv.

"Ich würde mich gerne persönlich bei Ihnen für Ihre Ritterlichkeit bedanken, Signore. Kommen Sie doch mit nach oben in mein Zimmer", säuselt sie.

Die beiden Lüstlinge und der Vater des Mädchens sehen uns an und sind plötzlich die besten Freunde. Aus dem Augenwinkel meine ich gesehen zu haben, wie der eine dem Vater ein paar grüne Geldscheine zugesteckt hat.

Ich betrachte den lockenden jungen Körper der unschuldig wirkenden Giulia, die wohl raffinierter ist, als ich es ihr zugetraut hätte. Aber ich bin ja in Venedig, der Stadt, die jahrhundertelang die schönsten Kurtisanen der Welt hervorgebracht hat.

Plötzlich merke ich die Lächerlichkeit der Situation und verabschiede mich rasch. "Morgen, wenn ich das Kostüm zurückbringe, habe ich etwas mehr Zeit, Giulia", sage ich mit fester Stimme.

Sie wirft mir einen Schlafzimmerblick zu, dreht sich um und schreitet mit ihren langen schlanken Beinen langsam und aufreizend die Stiege zum Obergeschoß hinauf.




Idee nach Szenen in Arthur Schnitzlers Traumnovelle.


 


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