Das Mädchen aus dem Wasser Teil 1
Das Mädchen aus dem Wasser
Holzratte, © 2010
Die dunklen Wolken am Horizont verhießen nichts Gutes und so holte Johannes in aller Eile sein Netz ein. Schwer hing es im Wasser und schien voller Fischen zu sein. Wie jeden Tag war er in aller Frühe aufgebrochen um schon mit den ersten Sonnenstrahlen seinen ersten Fang an Bord holen zu können. In einem tief-dunklen blau hatte sich der Himmel über die Erde und das Meer gewölbt während er auf das Meer hinausfuhr und dem Aufgang der Sonne aus dem klaren Wasser zuschaute.
Sein Fischerglück war ihm anfangs jedoch verwehrt geblieben und er musste häufig seinen Fangplatz wechseln bevor sein Netz sich mit einem Male fast bis zum Bersten gefüllt hatte. Johannes zog und zog und schaffte es doch nicht seinen Fang auch nur ansatzweise über die Bordwand seines kleinen Segelbootes zu hieven. Als er es schließlich aufgab und beschloss das Netz zurück zum Ufer zu schleppen waren die Wolken schon bedrohlich nahe herangezogen. Ein frischer Wind kam auf und ließ kleine Wellen auf der noch vor kurzem so glatten Oberfläche des Wassers tanzen.
Unruhig band er das Netz am Heck fest, auch wenn er damit sein Ruder behinderte, setzte das Segel und versuchte den Wind im günstigsten Winkel einzufangen um noch vor dem Unwetter in seinem kleinen schützenden Hafen anzukommen.
Nur knapp entkam er den Gewalten des Wassers. Gerade als er in das kleine von seinem Urgroßvater angelegte Hafenbecken einfuhr nahm der Wind zu, peitschte eine Welle über die Mole und ließ die dunklen Wolken das Licht der Sonne verdecken. Der erste Blitz zuckte über den Himmel als er sein Netz von seinem Boot losband und den Strand hinauf schleppte. Johannes staunte als er die Menge an Fisch erblickte, die sich in seinem Netz verfangen hatte. Selbst an seinen besten Tagen hatte er noch nie so viele auf einmal gefangen.
Kalter Regen begann sich unter die mittlerweile schon kräftigen Böen zu mischen und durchnässte ihn binnen weniger Minuten. Zitternd vor Kälte und triefend von all dem Wasser beeilte er sich seinen Fang in Kisten umzupacken und schleppte diese in seinen Lagerraum der sich direkt an seine bescheidene Hütte anschloss. Ein Blitz erhellte den Himmel, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner der ihn zusammenfahren ließ wie als wäre der Leibhaftige persönlich vor ihm aufgetaucht. Fluchend setzte er seine Arbeit fort um nicht den kleinsten Fisch zu verlieren, hatte er doch heute den Fang seines Lebens gemacht.
Als er endlich die letzte Kiste ordentlich verstaut hatte konnte er sich vor Kälte kaum noch bewegen, alles tat ihm weh. Schnell lief er in den Wohnraum, zog sich um und hängte die tropfnassen Kleider zum trocknen auf bevor er an den Ofen trat und ein Feuer in ihm entzündete um sich einen heißen Tee aufzusetzen. Nur wenige Minuten später meldete sich der Kessel pfeifend zu Wort. Vorsichtig griff Johannes nach dem hölzernen Griff und füllte sich seine Blechtasse bis zum Rand mit dem heißen Wasser bevor er ein paar der von ihm getrockneten Kräuter hineinwarf, die vor seiner Hütte wuchsen. Anschließend setzte er sich mit einer Decke umwickelt auf die kleine Ofenbank und nippte an dem heißen Getränk bis ihn wieder eine wohlige Wärme durchströmte und er schließlich zur Seite kippte und einschlief.
Ein lautes Krachen ließ ihn aus seinem Schlaf hochschrecken. Der Wind tobte noch immer um seine Hütte und rüttelte an den Fenstern und der Tür und der Regen prasselte so stark wie schon lange nicht mehr auf das mit Reet gedeckte Dach. Wie spät war es eigentlich, schoss es ihm durch den Kopf, und wie war er in sein Bett gekommen? Vorsichtig stand er auf und schürte noch einmal das Feuer im Ofen an um die eingekehrte Kälte wenigstens ansatzweise zu vertreiben. Anschließend stieg er wieder in sein Bett und starrte gebannt auf die Dachbalken. Noch hielten sie dem Sturm stand, doch wie lange noch und wann würde das Dach aus seiner Verankerung gerissen werden? Obwohl er meinte bei diesem Wetter keine Ruhe finden zu können wurden ihm doch mit der Zeit die Augen schwer und er versank erneut in einen unruhigen Schlaf.
Als Johannes erneut erwachte herrschte Stille. Hatte er alles nur geträumt? Langsam hob er einen Fuß aus dem Bett, zog ihn aber sofort wieder zurück nachdem er den Boden berührt hatte. Er war feucht, der Boden, feucht und kalt. Nur widerwillig stand er auf, schien sich doch die Kälte durch seine Füße auf den ganzen Körper auszubreiten.
Über Nacht hatte sich der festgestampfte Lehmboden seiner Hütte in Morast verwandelt der bei jedem seiner Schritte ein schmatzendes Geräusch von sich gab. Barfuß lief er zu dem einsamen Fenster an der Rückwand seiner Behausung welches tagsüber etwas Licht in den sonst dunklen Raum warf, öffnete die Läden und konnte seinen Augen nicht trauen. Das karge Buschwerk und die Wiesen die seine Hütte früher umgeben hatten waren von einer bräunlich-schwarzen Schlammschicht bedeckt die sogar an der einsamen Eiche, die zwar sämtlicher Blätter beraubt aber ansonsten den Sturm unbeschadet überstanden hatte, in seinem spärlichen Garten hinaufgekrochen war. Schnell begann er seine Schuhe anzuziehen, zog den ersten jedoch gleich wieder aus da er noch feuchter und kälter als der Boden unter seinen nackten Füßen war, lief zur Tür und öffnete sie. Das Chaos das ihn bei strahlendem Sonnenschein begrüßte ließ ihn rückwärts zurück in seine Hütte taumeln. Von der Mole waren nur noch vereinzelte Mauerreste zu erkenne und alles was gestern noch vor seiner Hütte grünte und blühte war verschwunden. Als er dann schließlich noch aus seinem Haus hinaustrat füllten sich seine Augen mit Tränen. Dort wo früher sein Lagerraum gestanden hatte stachen nun nur noch spitze Holzlatten in den Himmel. Von seinem gestrigen Fang war nichts mehr wo er es gelassen hatte. Die Kisten waren umgeworfen und der Fisch über den gesamten Boden und die ehemaligen umliegenden Wiesen dahinter verteilt worden. Sein Boot fand er schließlich hinter seinem Haus wieder. Nur noch Bruchstücke ließen erahnen, dass es einmal ein Boot gewesen war. Das einzige was noch stand war seine kleine armselige Hütte.
Erst jetzt begann er langsam zu begreifen, dass sein Leben wie er es bis zum gestrigen Tag geführt hatte über Nacht aus den Angeln gehoben worden war. Hilflos stand er da und schaute das Werk der Zerstörung an. Sein Blick wanderte umher und blieb schließlich an der kleinen, ins Meer hineinragenden Zunge hängen die bis gestern noch mit Büschen bewachsen gewesen und jetzt ein von jedem Leben blankgewaschener Fels war. Doch nicht diese trostlose Szene war es die ihn auf den toten Landstrich blicken und seine Aufmerksamkeit auf dem nackten Fels ruhen ließ sondern die Gestalt die regungslos auf ihm lag.
Mit vorsichtigen Schritten ging er langsam auf sie zu. Als er die Spitze erreicht hatte weiteten sich seine Augen vor Entsetzen. Er konnte es nicht glauben doch der Fischschwanz ließ keine andere Deutung zu: Vor ihm lag eine Meerjungfrau, von den Felsen geschunden aber trotzdem immer noch eine Meerjungfrau. Hastig bekreuzigte er sich als sein Blick über sie wanderte. Bäuchlings lag sie in der prallen Sonne, ihr Kopf ihm abgewandt, die Arme ungesund abgewinkelt und mit Schürfwunden am Rücken, der teilweise von ihrem grünlich-blond schimmernden Haar verdeckt wurde, übersät.
Noch während er dastand und sie betrachtete löste sich ein leises Stöhnen von ihren Lippen und einer ihrer Finger zuckte. Dann aber geschah das für ihn Unvorstellbare: Noch während das Mädchen aus dem Wasser auf dem nun schon fast trockenen Felsen ihr Bewusstsein unter Schmerzen zurückerlangte begann sich ihr Fischschwanz zu verändern. Die hellgrün schimmernden Schuppen begannen sich in rosige Haut zu verwandeln und der Schwanz wölbte sich unterhalb ihrer Hüfte nach innen um sich schließlich zu spalten und in zwei Beine zu verwandeln. Langsam und mit einem leise knackenden und reißenden Laut wanderte der Riss ihren Unterkörper hinab bis er die Flosse erreichte die sich schlussendlich in zwei zartgliedrige Füße verwandelte. Starr vor Schrecken schaute er dem Schauspiel zu und konnte nicht glauben was er da sah.
Noch während sich die Verwandlung vollzog hob das Mädchen leicht ihren Kopf, wendete ihn auf die andere Seite und ließ ihr erschöpft wieder auf den harten Stein sinken. Dann öffnete sie ihre Augen. Johannes‘ Mund wurde trocken als er in die Augen des nun vollkommen nackten Mädchens blickte. Klar wie Kristall und so unvorstellbar tief wie das weite Meer kamen sie ihm vor. Nur mit Anstrengung gelang es ihm den Blick von ihren Augen loszureißen doch wanderte er jetzt unwillkürlich über den Rest ihres makellosen Körpers. Wie weggeblasen waren all seine Sorgen, waren die Worte des Priesters der seine Gemeinde jeden Sonntag vor den Verlockungen der Sirenen warnte. Er vergaß alles um sich herum und wollte nur noch für dieses Mädchen da, ihr wie ein Vater sein, wollte sich um sie kümmern und ihr helfen wieder zu Kräften zu kommen.
Fasziniert registrierte er, dass das engelartige Mädchen vor seinen Augen versuchte sich zu erheben. Mit kraftlosen Armen versuchte sie sich mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht aufzurichten, knickte aber auf halbem Weg wieder ein, rollte dadurch ungewollt auf ihren Rücken und entblößte ihre nicht weniger zerschundene Vorderseite. Große rote Striemen die teilweise durch die Anstrengung wieder aufbrachen und zu bluten begannen zogen sich quer über ihre Brüste und ihren Bauch. Ab der Hüfte abwärts war sie jedoch unverletzt was er sich dadurch erklärte, dass sie dort während ihres Aufschlags noch ihr Schuppenkleid getragen hatte. Sein Blick glitt über ihren wohlgeformten Körper bis er schließlich in ihrem Schritt hängen blieb. Was er dort erblickte war das für ihn unnatürlichste was er je gesehen hatte. Ihr Geschlecht wurde nicht etwa durch Haare verdeckt wie er es von seiner Frau, die bei der Geburt seines Kindes mitsamt dem Säugling im Kindsbett verstorben war, kannte sondern war bis auf die kleinen grün blinkenden Schuppen die es bedeckten kahl.
Hilfesuchend blickte sie zu Johannes auf der immer noch wie versteinert und mittlerweile offenem Mund auf sie herab starrte um doch noch ihren stummen Hilferuf zu erhörten. Fast stolperte er über seine eigenen Füße als er auf sie zu ging. Schwach ergriff sie die Hände die er ihr entgegenstreckte und eine seltsame Müdigkeit überkam Johannes die aber so schnell wie sie gekommen war auch wieder verschwand. Das Mädchen lächelte ihn an als sie sich an seinen Armen hinaufzog und schließlich vor ihm zum sitzen kam.
Sein Blick klebte förmlich an dem Gesicht des zarten Geschöpfes das ihn unverwandt aus großen leuchtenden Augen anblickte. „Wie heißt du?“, fragte er sie mit trockener Kehle nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte, doch sie schaute ihn nur stumm aus ihren klaren grünen Augen an. Dann wandte sie ihren Blick von ihm ab und schaute auf ihre Beine. War es wirklich Schrecken den er kurz in ihren Augen aufblitzen sah ehe sie vorsichtig begann ihre Beine zu bewegen? Ihr Mund zuckte leicht als sie ungeschickt versuchte mit den Zehen zu wackeln. Ungelenk winkelte sie ihre Knie an, blickte anschließend wieder zu ihm auf und streckte ihm erneut ihre Hände entgegen. Mit unsicheren Händen griff er ihr unter die Arme und hätte sie vor Schreck beinahe wieder losgelassen als er auch in ihren Achselhöhlen feine Schuppen ertastete, doch hatte sie bereits seine Schultern ergriffen und begonnen sich an ihm hochzuziehen.
Er hielt sie noch einen Augenblick nachdem sie mit wackeligen Beinen zum stehen gekommen war und genoss das Gefühl ihrer weichen Haut unter seinen rauen Händen. Dann ließ er sie vorsichtig los und zog sich seine Jacke aus während sie ihm neugierig dabei zusah. „Weist du“, begann er, „wenn uns jetzt jemand so sieht, du so ohne Kleidung, dann könnte ich hier meine Zelte abbrechen.“ Doch wieder schaute sie ihn nur an und folgte mit ihren Augen seinen Gesten. Als er ihr seine Jacke um die Schultern legte um so ihre Blöße wenigstens halbwegs zu verdecken geschah das Nächste womit er nicht gerechnet hatte: Die Jacke zerfiel bei dem Kontakt mit ihrer Haut und fiel in Fetzen zu Boden. Wie ist das möglich, fragte er sich und begann panisch sich umzuschauen. „Komm, du kannst hier so nicht bleiben.“ Johannes‘ Beschützerinstinkt hatte ihn nun vollständig unter Kontrolle und er griff das Mädchen bei den Schultern und führte sie über den Schlamm in seine Hütte. Widerstandslos ließ sie sich von ihm leiten. In der Hütte angekommen setzte er sie auf den einzigen Stuhl den er noch besaß, griff sich an den Hinterkopf und fuhr sich durch die Haare. Dann lief er zu seiner Kleidertruhe, wühlte einen Augenblick in ihr herum und zog schließlich eines der Kleider seiner Frau heraus. Dann trat er erneut auf sie zu und reichte ihr das Kleid. Sie aber schaute ihn nur mit großen Augen an. „Du musst dir das anziehen“, sagte er und versuchte ihr die Worte mit Gesten begreiflich zu machen. Als sie aber darauf auch nicht reagierte warf er sich das Kleid über die Schulter, hob ihre Arme an, erhaschte dabei einen Blick auf die Kleinen Schuppenfelder darunter, und streifte ihr das Kleid über. Doch kaum hatte es ihren Oberkörper umhüllt begann auch das Kleid in Fetzen von ihrem Körper zu fallen.
Wieder ging er zu der Truhe, holte ein weiteres Kleid heraus, das Festtagskleid seiner verstorbenen Frau, streifte es ihr wieder über doch auch dieses zerfiel. Verzweifelt schaute er sie an. „Warum tust du das?“ fragte er sie schließlich. „Du musst dich ankleiden, sonst würde man dich der Unzucht bezichtigen, dich schlagen und niemand würde mehr Fische bei mir kaufen“, aber sie schaute ihn weiterhin nur an. Johannes wusste nicht, was er noch tun sollte, konnte, also begann er im Raum auf und ab zu gehen, immer gefolgt von den Blicken des Mädchens, setzte sich schließlich auf seine Bett und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
„Warum tust du das?“, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken die so fein und lieblich klang wie das Rauschen der Wellen an einem warmen Sommerabend. Er riss seinen Kopf hoch und sah erstaunt zu dem Mädchen hinüber. „Warum tust du das?“, fragte sie ihn erneut.
„Ich... Ich...“, begann Johannes zu stottern, „Du... Du kannst ja doch sprechen“ rutschte es aus ihm heraus.
„Warum tust du das?“, fragte sie nun schon zum dritten Mal und das Lächeln das ihre Augen umspielt hatte verwandelte sich in Trauer.
Er verstand ihre Worte, jedes einzelne so klar wie die Schreie der Möwen wenn sie ihn bei seinen Ausfahrten begleiteten und dann doch keinen Fisch abbekamen, doch erkannte er den Sinn dahinter nicht. „Warum tue ich was?“, fragte er sie schließlich verwirrt.
„Warum versteckst du mich vor der Sonne? Ich vermisse sie“, sagte sie und senkte ihren Blick auf ihre in ihrem Schoß verschränkten Hände. Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel als sie ihre Lider mit den unbeschreiblich langen Wimpern niederschlug und rollte ihre Wange hinab.
Johannes stand auf, trat langsam auf sie zu, fasste sie leicht bei ihren Schultern, hob ihr Kinn an und schaute ihr tief in die Augen. Noch immer fiel es ihm schwer nicht darin zu versinken. „Ich... Das... Ich verstecke dich nicht vor der Sonne, mein Kind. Das war nie meine Absicht.“ Erleichtert sah er, wie das Lächeln Stück für Stück in ihre Augen zurückkehrte. „Das wollte ich nicht!“
„Dann lass mich bitte wieder aus deiner Höhle heraus“, bat sie und sah ihn dabei flehend an.
Johannes begann einen inneren Kampf auszutragen. Zum einen wollte er dieses schöne Wesen nicht leiden sehen, viel mehr wollte er sie fröhlich sehen und sich am Klang ihrer Stimme erfreuen, zum anderen aber konnte er sie auch nicht einfach in ihrer vollkommenen Blöße vor die Tür treten lassen, zu stark wäre dieser Verstoß gegen die gesellschaftlichen Normen. „Du musst dir etwas überziehen“, begann er erneut, doch kaum hatte er die Worte ausgesprochen sah er wieder eine Welle der Trauer über ihr Gesicht gleiten.
„Gefalle ich dir nicht?“, fragte sie ihn währen sich ihre Augen rot verfärbten und sich neuerliche Tränen aus ihnen lösten. „Bin ich so unansehnlich, dass du mich mit dem Fell toter Tiere bedecken willst?“
Die Fragen trafen Johannes komplett unvorbereitet. Sprachlos sah er sie an und seine Gedanken überschlugen sich. „Nein“, sagte er schließlich nachdem er sich wieder halbwegs gefasst hatte, „du bist nicht unansehnlich, du bist sogar außergewöhnlich schön, doch...“ Er verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte ein Mensch – kurzzeitig vergaß er, dass es sich bei ihr nicht um einen Menschen handelte sondern um eine Meerjungfrau – freiwillig auf sämtliche Kleidung verzichten?
„Lass mich frei, lass mich die Strahlen der Sonne auf meiner Haut spüren, lass mich die salzige Luft des Meeres riechen“, bat sie ihn fast schon mit flehender Stimme.
Johannes begann sich zu wundern. Was hatte er nur getan um dieses schöne Wesen derart in Verzweiflung zu bringen? Sollte er ihr ihrem Willen stattgeben und damit die Ächtung seiner selbst durch die anderen Fischer und ihre Familien, sollte einer von ihnen ihn mit dem nackten Mädchen sehen, entgegengehen? Er rang mit sich, er rang mit sich so stark wie noch nie zuvor in seinem Leben. Aufgewühlt lief er erneut im Raum umher, fuhr sich hin und wieder mit den Händen über sein Gesicht, raufte sich die Haare, schaute das Mädchen an und verfiel ihr letztendlich vollkommen. Ihr flehender Blick zerbrach seine Bedenken, zerbrach seine Zurückhaltung und ließ ihn zu ihrem blühendsten Verehrer werden. Jeden Wunsch wollte er ihr erfüllen, jeden Einzigen, egal wie unmöglich er ihm erscheinen sollte.
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