Straßenfeger 2
Damit nimmt das Unheil seinen Lauf.
Die Drei wissen es nur noch nicht…
Alles fing damit an, dass sie eine alte Binsenweisheit missachtet hatten:
Nach der Sauna mindestens eine halbe Stunde ruhen und den Körper langsam wieder herunterkühlen…
Stattdessen hatten sie sich nur rasch abgetrocknet, ihre Sachen wieder übergezogen,
und sie waren viel zu hastig ins Freie und zur Pizzeria gegangen.
Die lag an einer Straßenecke, an der Einmündung einer kleinen Parkallee mit einem kleinen Seerosenteich.
Draußen standen weißrotgrüne Tischchen und Stühle.
Der Betreiber war wohl ein Italiener. Wer auch sonst?
Keine Gäste, niemand da. Auch der Park schien völlig verwaist
Nach zwei Minuten erschien ein junger Mann, so um die 25.
Ein ganz hübscher Kerl, schwarzhaarig und braungebrannt. Der Inhaber?
Vielleicht.
Er brachte frische Blumen, frische Gläser und die Menükarten.
Sogar Aschenbecher. „Haben die Damen einen Wunsch?“
Er hatte nicht mal einen italienischen Akzent. Eher schon einen preußischen.
Sie nahmen Platz und stöberten die Speisekarten durch.
Kathrin bestellt sich einen Eisbecher. Pi möchte eine Vegetarier-Pizza mit Pilzen, Tomaten und viel Käse. Mandy beherrscht sich, verkneift sich das Essen und bestellt einen Eiskaffe.
Der Maestro zieht ab.
Dann fing es an. Genauer gesagt: Bei Pi fing es an. „Es ist verdammt warm und schwül heute. Ich schwitze wie ein Rennschwein! Am liebsten würde ich mir gleich wieder alles ausziehen!“
Mandy blickte an Pi herunter: „Ist ja auch kein Wunder. Du trägst diesen dichten Jogginganzug, der auch für schlechtes Wetter taugt. Viel zu undurchlässig.“
„Den trage ich immer, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, und heute Mittag hatten wir eine richtige Gewitterstimmung. Eigentlich ja immer noch.“
„Ach was!“ Mandy setzt ihr knuddelbärchenliebes Optimistenlächeln auf.
„Ich habe nur mein luftiges Sommerkleid an und sonst nix.“
„Sonst nix?“ Pi lächelt zweifelnd.
„“Ja, na gut, einen Slip natürlich, ist doch klar.“
„Und wieso ist das klar? Wenn ich lang trage, dann kommt mir da gar nix drunter.
Du weißt doch, wie beschissen das ist, wenn dir das Ding ständig in der Ritze scheuert
und du kommst dann nicht richtig ran, scheußlich!“
Mandy lacht laut. „Lass doch jucken, Pi!“
„Nee, da kenne ich aber was Besseres.“ Schon prusten beide laut los.
Kathrin sagt nichts. Sie schaut nur ziemlich entsetzt auf die Beiden anderen.
Kathrin würde auch noch bei 60 Grad im Schatten züchtig angezogen bleiben, auch wenn ihr der Schweiß in die Schuhe rauschen würde, wie der Niagarafall.
„Ihr seid wirklich unmöglich“, seufzt sie nur schüchtern.
Aber Pi und Mandy bleiben beim Thema:
„Ist das dein Ernst, Pi? Du trägst nichts drunter im Sommer, nicht mal auf Arbeit?“
„Nee, nicht mal da. Und jetzt würde ich am liebsten auch gleich alles von mir werfen.
Aber hier geht das ja leider nicht. Wenn ich im Wald wäre, an meinem Badeteich, dann ja.“
Mandy will es jetzt ganz genau wissen und schaut Pi herausfordernd an.
„Du siehst wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht, Pi? Hier ist doch schließlich alles voller Bäume und sogar ein hübscher kleiner Teich ist da…“
Pi versteht und setzt ein unergründliches Mona-Lisa-Lächeln auf.
Pi fordert man nicht ungestraft heraus. „Gut! Wenn du es nicht glaubst...“
Pi schaut sich erst in der ganzen Gegend um und dann mustert sie die Bäume.
Direkt über ihren Tisch ragt der dicke Ast von einem ziemlich alten Baum mit relativ glatter Rinde.
Der Stamm wurzelt auf halbem Weg zwischen dem Eingang der Pizzeria und ihrem Tisch.
Pi steigt auf einen Stuhl, den sie sich herangerückt hat und erklimmt wie eine Wildkatze den dicken Baumast. Kaum ist sie oben, da purzeln schon ihre Kleider von oben auf den Stuhl.
Zuerst die Jogginghose und gleich danach der Blouson.
Kathrin kiekst laut auf und hält sich verlegen und entsetzt die Hand vor den Mund.
Mandy grinst belustigt, stopft die Sachen von Pi in ihre große Tasche und schaut dann neugierig nach oben. „Das ist ja geil! Du bist ja echt rattennackig, Pi, ich glaube es ja nicht!
Ich werd verrückt! Wenn ich nur auch so schnell wie du da hoch käme.“
„Mandy, Cat, das ist herrlich! Schön kühlend auf der Haut und ein freies Gefühl überall.
Hier bleibe ich jetzt. Das scheint übrigens ein Walnussbaum zu sein. Da hängen noch Nüsse aus dem Vorjahr an den Zweigen.“
„Und was wird aus deiner Pilzepizza? Soll ich die essen, wenn sie kommt? Oder soll ich sie dir nach da oben reichen?“
„Na klar will ich die essen! Mach dir da mal gar keine voreiligen Hoffnungen.
Dachtest du, dass ich mir hier oben alte Nüsse knacke?“
Plötzlich wird Kathrin leichenblass und wedelt heftig mit den Armen:
„Da, da, dort vorn, da kommt Einer. Ein Radfahrer! Gleich ist er da! Komm schnell wieder runter, Pi!“
„Na, da wäre sie ja aber schön dämlich, wenn sie das täte. Die sitzt doch gut da oben, da kann sie keiner sehen, Cat.“
Der Radfahrer ist jetzt da.
Mandy lächelt ihn unschuldig an und kann sich dabei wohl einen kleinen Kontrollblick nach oben nicht verkneifen. Kathrin ist knallrot angelaufen und starrt regelrecht hypnotisiert nach oben in den Baum. Pi, die nackte Katze ist inzwischen zwei Äste weiter nach oben geklettert.
Der Radfahrer kriegt davon nichts mit. Er schaut nur tröstend und vorwurfsvoll auf Cat,
„Na, junge Frau, da sitzt wohl ein kleines Vögelchen im Baum, wie?
Keine Angst, wenn die mal was fallen lassen, dann treffen sie selten. Ist statistisch erwiesen.
Ja, ja, die jungen Leute heute. Mit der echten Natur können sie einfach nicht mehr richtig umgehen...“ und radelt weiter.
Wenn der wüsste!
Ja, dann wäre Mandy mal gespannt, wie der wirklich zur echten Natur so steht…
Der Kellner kommt mit seinem Service und stellt zuerst Kathrin den großen Fruchteisbecher mit Sahne hin. „Sehr zum Wohl, schöne Frau!“
Endlich fängt sich Cat wieder und strahlt zufrieden zurück.
‚Der Junge Mann scheint Kathrin sehr zu gefallen’, denkt Mandy amüsiert.
Da aber nimmt schon das Schicksal seinen Lauf.
Klacker, klicker, dängdäradäng!
Von oben aus dem Baum klickern Teile von Walnussschalen und weiße Stückchen Walnusskerne auf sein silbernes Tablett.
„Ham wa denne hier Eichhörnchen?“ (Aha, ein Berliner Italiener)
Er blickt nach oben und sieht gerade noch, wie Pi oben auf dem dicken Ast breitbeinig die letzten Walnussschalenreste mit dem Finger aus ihrer Poritze streift.
Und dann sieht er Pi in voller perspektivenverzerrter Schönheit.
Genau die Sichtperspektive, die Männer bei uns am liebsten haben.
„Männe! Dette nenn ick ja mal een echten Knackarsch! Datt walte Hucho.“
Damit ist er bei Cat jetzt unten durch. Gründlich.
Das ficht ihn aber nicht weiter an, denn er stolpert erschrocken schwindelig über das leicht ausgestellte Tischbein und schüttet Mandy den ganzen Eiskaffe über das Kleid.
Sie stürzen beide schreiend übereinander und dann vom Stuhl. Die Pizza landet im Kiesbett.
Von oben kommt eine Geisterstimme: „Die Dinger kann man ja ganz einfach knacken.
Sogar mit dem Hintern! Das macht Spaß!“
Die beiden gefallenen Engel rappeln sich auf und Cat lacht zum ersten Mal an diesem Tage richtig laut und herzlich. Nun müsste der Maestro auch wissen, womit er ihr hin und wieder eine große Freude machen könnte. Oder?
Kathrin schlürft genussvoll ihren Eisbecher. Mandy grinst schadenfroh. Sie hatte da einige Stückchen der Pi-Nuts auf die Schlagsahne fallen sehen.
‚Ich werde es ihr erst später sagen, sind ja nur Peanuts’,
nimmt sie sich schelmisch grinsend vor.
„Dett tut ma aber jetzt leid! Tschuldjen se ma bitte, Jnädche . So wat is ma ja noch nie passiert, aber da war ja auch...“
Mandy legt dem armen Kerl die Handflächen auf die Brust und beruhigt ihn.
„Ja, weiß ich doch. Da war Pi, die da oben. Lass mal, ist schon jut, war ja Gott sei Dank kein heißer Kaffe.
„Danke und nochmals Entschuldigung. Möchten Sie inzwischen die Zeitung von heute?“
Jetzt hat er plötzlich aufgehört, zu berlinern. Ist wieder der Alte.
Der Maestro zieht die BILD-Zeitung aus der Tasche seiner Kellnerschürze und gibt sie Mandy.
Das hätte er lieber nicht tun sollen…
Das Schicksal schlägt schon wieder zu.
Mandy schmeißt die Zeitung auf den Tisch und schaut böse nach oben, zu Pi.
„Das hast du aber wieder mal schön hingekriegt. Wie ich jetzt aussehe!
Soll ich jetzt so nach Hause laufen?“
Oben im Baum knackt ein Ast. Ansonsten herrscht Stille.
Stille? Nein, mitnichten.
Kathrin hat sich die Zeitung angesehen und fuchtelt damit ganz aufgeregt zu Mandy hin.“
„Mandy, sieh doch mal hier, das Titelbild!
Der eine hier kommt mir so bekannt vor und du müsstest ihn auch kennen.“
Mandy genügt ein kurzer Blick und sie erstarrt zur Salzsäule.
„Und ob ich den kenne! Das ist Lothar. Mein Loddaar! Zwischen zwei halbnackten schwarzen Weibern! Und dann noch die Überschrift, groß und fett:
“Deutschland-Fans lassen nichts anbrennen.“
Das Bild unter dem Titel zeigt zwei offensichtlich angeheiterte Deutsche Fußball-Fans umgeben von drei sehr offenherzigen Schokoladenhäschen
am Vorabend der WM-Eröffnungsfeier.
„Nichts anbrennen lassen, wie? Und hier zu Hause wird inzwischen die Pfanne schwarz!
Der Mistkerl stemmt dort Zentnerschwere Negerweiber und ich sitze hier alleine rum!
Das werde ich dir aber versalzen, mein Loddaar! Bloß wie? Ich bin jetzt zu Allem fähig, das kann ich dir sagen.“
Kathrin schüttelt missbilligend den Kopf. „Beherrsche dich doch mal, Mandy, so kann man das doch heute nicht mehr sagen …“
„Was denn? Negerweiber? Mir doch scheißegal, wie ich die zu nennen habe. Von mir kannst du jetzt keine political correctness erwarten, nee!“
Der Maestro kommt zurück mit einer neuen Pizza und einem neuen Eiskaffe.
Mandy kocht immer noch.
„Jawohl, zu Allem!“
Sie grinst den Kellner mit einer seltsamen Miene an, die kein Maler aufs Blatt kriegen könnte.
„Kannst jetzt Mandy zu mir sagen, Intim waren wir ja eh schon fast…“
„Danke. Mandy? Darf ich wirklich? Sie sind…, äh, du bist ja wirklich nett. Womit hab ich das verdient?“
„Bin ich, bin ich. Ganz besonders dann, wenn ich wütend bin. Aber keine Sorge, nicht auf dich. Nicht mehr. Und womit du das verdient hast, das werden wir schon noch sehen.“
„Ach ja: Ich heiße Gugliemo, Gugliemo Rocchigiani. Ich bringe alles noch mal. Und natürlich, wenn Sie.., äh du…, also wenn ein Bademantel gewünscht wird, dann bringe ich dir gerne einen, Mandy. Das Kleid kann sofort gewaschen werden und trocken geschleudert und ist in einer Stunde wieder wie neu.“
Und schon fängt Cat mächtig an zu husten und kriegt fast eine schwere Atemnot.
Entweder hat sie ein Stückchen Walnussschale im Hals oder es ist der Schreck.
Wahrscheinlich ist es der Schreck.
Denn Mandy hat sich mit einem Ruck das dünne weißrote, jetzt braun bekleckerte Kleid über den Kopf gestreift und steht jetzt nur noch in ihrem fast durchsichtigen Slip da.
Cat hat jetzt wieder Luft und ihr entringt sich ein Schrei der allerhöchsten Empörung.
„Määääääändy!!!!! Das geht doch nicht! Das kannst du nicht machen!“
Inzwischen ist aber auch die nackte Baumkatze Pi heruntergestiegen und stellt sich neben Mandy.
„Und warum sollte sie nicht können? Ich kann doch auch. Und sogar du könntest. Du erst recht…“
Cat tippt sich an die Stirn.
„Nur über meine Leiche! Ihr seid doch wohl verrückt, alle beide!“
Kathrin schämt sich fremd für Pi und Mandy.
Pi ist immer noch nackt und sie ist geschmeidig und schön wie eine warmblütige Rassestute.
Will sie etwa Mandy den Schneid abkaufen? Oder sie nur beschützen.
Was hat sie dort oben alles mitgekriegt?
Aber Mandy lässt sich jetzt nicht mehr aus dem Set drängen. Sie plaudert mit Gugliemo, als wäre überhaupt nichts geschehen. „Ich werde dich „Roggi“ nennen, ja? Oder „Rocky“? Gugliemo ist mir zu schwierig. Bist du etwa mit diesem Profi-Boxer verwandt? Graciano Rocchigiani?“
„Wat?“ Rocky starrt wie hypnotisiert auf die Titten von Mandy und fällt ins Berlinern.
„Ach so, ja, det is der Onkel von meiner Großtante über 3 Ecken.
Kenne ihn aber nicht näher.“
„Hast ja auch gar keine Ähnlichkeit mit ihm. Ich nenne dich Rocky, einverstanden?
Die Zwei sind übrigens echt. Da bin ich ganz stolz drauf.“
„Wat? Die Zwei.., äh, ja, natürlich.“
„Ja. Natürlich sind sie auch, darauf kannst du Einen lassen. Aber nicht Jeder weiß das zu schätzen. Leider. Schau ruhig hin. Wie gefalle ich dir, Rocky?“
„Siehst Scheiße aus.“ Kommt es da von hinten, von Pi.
„Waas?“
„Mit dem braunen Fleck hinten an deinem Slip siehst du aus, wie eingeschissen.“ Sagt Pi und grinst dabei ganz unverschämt.
„So! Jetzt reicht es mir aber!“ Und mit wenigen Beugen und herrlichem lautlosen Glockengebimmel ihrer runden Rosenbrüste findet sich der Slip zu dem Kleid auf dem Tisch.
Die schmale braunrötliche Schamhaarbürste an ihrem Bauch richtet sich zum Igel auf und ihre Schamlippen schwellen an wie ein paar knackige Wiener Würstchen.
Rocky schnappt sich das Kleid und den Slip und macht sich irritiert vom Acker.
Mandy dreht sich um zu Pi, fällt ihr um den Hals und schluchzt wie ein nackter Wolfswelpe bei Vollmond. „Ach Mensch, Pi! Gehören wir jetzt in die Klapse?“
„Ach wo, Mandy. Da gehören die hin, die so was von uns denken. Hast du schon einen Einfall, wie du es deinem Lothar heimzahlen willst? Den Rocky vernaschen? Das kriegt der doch gar nicht mit.“
„Ehrlich gesagt. Ich könnte das jetzt Pi, wirklich, ich könnte das sofort und auf der Stelle.“
„Und wenn der nun auch verheiratet ist oder eine Freundin hat, die ihn liebt?
Dann wärst du ja auch kein Stück besser.“
Auf dem Parkweg unter den Bäumen kommt ein junges Paar auf die Pizzeria zu.
Pi und Mandy lassen sich nicht stören. Kathrin erstarrt mal wieder in Fremdschämen.
Obwohl das Paar keine sechs Meter von ihnen entfernt ist, blickt der junge Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht seitwärts in die Büsche, als gäbe es da schon das Endergebnis der Fußball-WM zu sehen. Die Frau sieht empört zu den beiden hin.
Wahrscheinlich kneift sie ihren Freund schmerzhaft in die Seite.
Sie sollte doch froh sein. Der ist wenigstens hiergeblieben.
„Du Mandy, was meinst du? Auge um Auge, Zahn um Zahn. Kriegen die da unten in Südafrika eigentlich auch deutsche Zeitungen?“
„Sicher. Vielleicht einen Tag später, aber das Geschäft werden die sich doch nicht entgehen lassen. Woran denkst du? Sag es mir bitte, Pi.“
„Hm, hast du Angst vorm Fotografiert werden? Nackt meine ich.“
„Waas? Du denkst doch nicht etwa an…“
„Genau. Daran denke ich.“
„Mensch Pi, mir wird jetzt gleich schlecht, ich brauche jetzt was zu essen.“
„OK, dann rufe doch den Rocky. Den werden wir nämlich auch dazu brauchen…“
Freundlich winkend radeln zwei Wanderer vorbei. Ein Mann und eine Frau.
Sie lachen fröhlich und klatschen freihändig fahrend in die Hände.
Geht doch.
Kommentare
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