Lulu
Anmerkung: Nicht alles frei Erfunden!
Interview aus dem Nachrichtenmagazin DER SchamSPIEGEL vom 01.04.2010
Zur Person: Kathleen Morgeneyer, 32, ist die beste Nachwuchsschauspielerin des Jahres 2009. Geboren im Erzgebirge und aufgewachsen in Chemnitz. Nachdem sie noch vor dem Abitur die Schule schmiss, hat sie in Berlin an der Schauspielschule studiert. Daraufhin folgten Engagements in Berlin und Düsseldorf. Zurzeit spielt die blonde schlanke Darstellerin mit den mädchenhaften Zügen die Titelrolle in Wedekinds „Lulu“ am Schauspiel Frankfurt a.M.
Zum Stück: Frank Wedekind „Lulu“ oder „Die Büchse der Pandora“ von 1904, zusehen am Schauspiel Frankfurt noch am 04.04., 05.04., 21.04., 22.04. und 23.04.2010.
DER SchamSPIEGEL: Frau Morgeneyer, die Rolle der ‚Lulu‘ gilt als eine der schwierigsten und gleichzeitig erotischsten Frauenrollen überhaupt im modernen Theater – was hat Sie dazu bewogen diese Herausforderung anzunehmen?
Kathleen Morgeneyer: Mich reizt diese Aufgabe schon seitdem ich eine Aufzeichnung von Peter Zadeks Inszenierung aus dem Jahr 1991 mit Susanne Lothar gesehen habe. Ohne falsche Bescheidenheit möchte ich sagen, dass Susanne Lothar wahrscheinlich die beste ‚Lulu‘ aller Zeiten ist.
DER SchamSPIEGEL: Susanne Lothar steht in dem 2 ½ stündigem Stück ca. 30 Minuten komplett nackt auf der Bühne – Sie dagegen spielen in der Inszenierung von Stephan Kimmig fast 2 Stunden ohne jegliche Bekleidung, diesen Rekord von Susanne Lothars ‚Lulu‘ haben Sie schon mal geschlagen. Dazu muss man ergänzen, dass Sie zum ersten Mal nackt auf der Bühne sind. Haben Sie das gewusst bevor Sie die Rolle angenommen haben?
Kathleen Morgeneyer: Naja … (lacht) … zumindest hätte ich es wissen können, wenn ich das Script mit den Regieanweisungen aufmerksam gelesen hätte. Ganz im Ernst, natürlich wusste ich vorher, dass ich mich als Verführerin ‚Lulu‘ auf der Bühne ausziehen muss … (lacht) … ich hatte aber nicht gedacht, dass ich mich die ganze Zeit nicht wieder anziehen darf.
DER SchamSPIEGEL: Wie war das für Sie – das erste Mal, und dann noch für solange Zeit, nackt auf der Bühne zu agieren?
Kathleen Morgeneyer: Ehrlich gesagt, es war furchtbar! Mein Herz hat gepocht und meine Knie haben gezittert, das hat man bestimmt noch in der letzten Reihe sehen können. Ich bin sehr froh, dass Stephan (Regisseur S. Kimmig Red.) sehr viel Rücksicht und Verständnis für mich aufgebracht hat. Er hatte zum Beispiel angeordnet, dass ich bereits während aller Proben nackt sein sollte. Darauf verzichten sonst die Regisseure, aber dadurch kam der unausweichliche ‚Schock‘ des nacktsein vor bekleideten Menschen früher und nicht erst bei der Premiere.
DER SchamSPIEGEL: Wie haben Sie die Proben unter der Leitung von Stephan Kimmig erlebt?
Kathleen Morgeneyer: Man darf sich als Laie diese Proben nicht so ‚intim‘ und abgeschlossen vorstellen, wie man denken könnte, geprobt wird …
DER SchamSPIEGEL: … vielleicht in diesem Falle ‚intim‘ in einem anderen Sinn…
Kathleen Morgeneyer: (lachend) Ja in gewisser Weise schon. Also geprobt wird auf der Bühne oder in einem Probenraum, währenddessen wird aber in einem großen Theater normal gearbeitet: Verwaltung, Bühnenbauer, Ausstatter, Requisiteure, Handwerker, andere Theatergruppen und so weiter, kurz und gut, ich konnte gut Proben, wie es ist als einzige nackt unter vielen anderen zu sein. Mir ist das sehr schwer gefallen. Obwohl das Theater mein Leben ist, ist mir das körperliche Element meines Berufes erst jetzt richtig klar geworden. Im Unterschied zum Film wird bei den Proben sehr viel häufiger unterbrochen und diskutiert, ja und dabei war ich halt die ganze Zeit nackt – um mich herum meistens alle komplett angezogen. Ich war vor der ersten Probe dermaßen aufgeregt, dass ich erstmal krank geworden bin. Als ich dann das erste Mal mein Top und dann den Slip abstreifte und nackt vor meinen Kollegen stand, habe ich die erste halbe Stunde keinen Ton herausgebracht. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Wenn die Klamotten fallen, spürt man erst einen Luftzug an den Brustwarzen, die sich sogleich aufrichten, und zwischen den Beinen. Und dann glaubte ich die Blicke der anderen zu spüren. Ich hatte das Gefühl alle starren mich an.
DER SchamSPIEGEL: Haben Sie sich auch vor Ihren Schauspielerkollegen geschämt? Oder ist das eine vertraute professionelle Gemeinschaft, wo ‚Scham‘ nicht vorkommt?
Kathleen Morgeneyer: Ich habe mich sehr geschämt. Obwohl ich meine Kindheit noch in der DDR verbracht habe, habe ich nie FKK gemacht und in die Sauna gehe ich auch nicht.
DER SchamSPIEGEL: Aber Sie haben es doch wirklich nicht nötig Ihren schönen Körper zu verstecken!
Kathleen Morgeneyer: Vielen Dank (lacht). Leider war ich als ich nackt vor den anderen stand nicht so selbstsicher. Plötzlich dachte ich, meine Brüste sind zu klein, ich bin zu dünn, meine Haut ist zu blass und ich habe zu viele Leberflecke am Körper.
DER SchamSPIEGEL: Haben Sie sich inzwischen an die Nacktheit gewöhnt. Fällt es Ihnen jetzt leichter sich vor anderen auszuziehen? Sie haben jetzt die Proben und bereits 3 Vorstellungen hinter sich.
Kathleen Morgeneyer: Es fällt mir immer noch sehr schwer die Hüllen fallen zu lassen. Es steht eben der ganze Körper auf der Bühne. Ich muss mich nicht mehr nur um mein Gesicht kümmern. Jeder Pickel am Po ist peinlich, der Faden vom Tampon ist zu sehen und meine Intimbehaarung wird zum Gesprächsthema. Es ist schon komisch, wenn 5 Männer um dich herum über deine Schamhaare diskutieren, während du nackt in der Mitte stehst.
DER SchamSPIEGEL: Worum ging es denn bei dieser Diskussion?
Kathleen Morgeneyer: Ganz einfach: Schamhaare ‚dran‘ oder ‚ab‘. Da ‚Lulu‘ zu Beginn des Stückes erst 17 Jahre alt ist, war der Regisseur zunächst der Meinung ich sollte mir die Schamhaare rasieren, das würde jünger aussehen. Ich habe blondes Schamhaar…
DER SchamSPIEGEL: … das wissen wir …
Kathleen Morgeneyer: (lacht etwas verlegen) … da kann man sowieso schon meine Schamlippen hindurch sehen …
DER SchamSPIEGEL: … das wissen wir auch …
Kathleen Morgeneyer: (weiter verlegen) … völlig ohne Schutz wollte ich mich dann doch nicht entblößen. Da habe ich mich gegen Stephan durchgesetzt. Also blieben die Haare dran. Ganz natürlich, so trage ich sie sonst auch immer.
DER SchamSPIEGEL: Ein schönes ‚güldenes‘ Dreieck
Kathleen Morgeneyer: (verlegen lächelnd) Danke!
DER SchamSPIEGEL: Aber mit der reinen Nacktheit ist es ja für eine Schauspielerin in der Rolle der ‚Lulu‘ nicht getan. Erzählen Sie doch bitte mehr darüber was Sie dann völlig nackt als ‚Lulu‘ so alles darstellen mussten.
Kathleen Morgeneyer: ‚Lulu‘ ist die erotischste Frau der Theatergeschichte überhaupt, sie verdreht allen Männern und sogar den lesbischen Frauen den Kopf. Ihr verfallen Künstler, Doktoren, Junge, Alte, Kluge, Einfältige, Adlige, Akrobaten und so weiter. Das heißt es geht nicht nur um pure Nacktheit, sondern auch um Sex. Und hier hat der Regisseur einiges in die Regieanweisungen gesetzt, was es in einem seriösen Theater bislang noch nicht gab.
DER SchamSPIEGEL: Davon wollen unsere Leser sicher mehr erfahren.
Kathleen Morgeneyer: (lacht) Das kann ich mir vorstellen. Bereits in der ersten Szene nestle ich mit bloßen Füßen im Schritt eines Schauspielerkollegen herum. Das war sozusagen mein erster Footjob, den ich jemals gemacht habe (lacht). Dabei bin ich auf allen Vieren mit dem Gesicht zum Publikum. Nicht nur das ich meinen Kollegen an seiner intimsten Stelle mit dem Fuß berühre, gleichzeitig kann er mir auch genau zwischen meine Beine sehen. Er sieht meine geöffnete Scheide und mein Poloch.
DER SchamSPIEGEL: Das bekommt ja das Publikum auch noch alles zu sehen.
Kathleen Morgeneyer: Ja. in der gleichen Position zeige ich auch dem Publikum meine intimsten Körperöffnungen. Aber, wie Sie ja wissen, kommt es noch extremer. In einer Szene will ich als ‚Lulu‘ beweisen, dass ich nicht mehr Jungfrau bin und ziehe deshalb meine Schamlippen auseinander, zunächst in Richtung des vor mir knieenden Kollegen und dann zum Publikum.
DER SchamSPIEGEL: Wir haben wunderschöne „rosige Aussichten“ gehabt. Eine solch intime körperliche Zurschaustellung haben wir noch auf keiner Bühne – außerhalb des Rotlichtviertels – gesehen.
Kathleen Morgeneyer: (wird rot) Jetzt mal ganz im Ernst, ich habe lange mit Stephan darüber diskutiert, aber er wollte nicht davon ablassen.
DER SchamSPIEGEL: In einer weiteren Szene hocken Sie sich nackt über eine stehende Flasche und reiten darauf. Ist der Flaschenhals dann wirklich in Ihrer Scheide?
Kathleen Morgeneyer: Ja! Das war schon fast eine akrobatische Leistung. Ich hatte dabei vor zwei Dingen Angst. Erstens, dass sich ein Vakuum bildet und sich die Flasche nicht mehr herausziehen lässt. Und zweitens, dass der Flaschenhals versehentlich in meinem Po landet. Beides wäre sicher schmerzhaft und natürlich unsagbar peinlich geworden.
DER SchamSPIEGEL: Das sah auf jeden Fall gut und professionell aus. Mit so einer Show könnten Sie auch woanders arbeiten.
Kathleen Morgeneyer: Ich weiß was Sie meinen, aber sehen Sie, eine Frau die so allumfassend alle Männer erregt und verrückt macht wie „Lulu“, muss sich auch ‚professionell‘ verhalten und einiges veranstalten. Um das auf der Bühne darstellen zu können, bedarf es etwas mehr als ein Augenaufschlag und ein offener Mund. Deshalb habe ich schließlich auch dieser Szene – nach längerer Argumentation mit Stephan – zugestimmt.
DER SchamSPIEGEL: Diskutiert wurde sicher auch über die Masturbationsszene, oder?
Kathleen Morgeneyer: Für die Masturbationsszene musste ich mich sehr überwinden. Bei allen anderen Szenen, stand im Script sehr genau, wie sich der Regisseur die Darstellung vorstellt. Für die Masturbationsszene heißt es nur „Lulu befriedigt sich selbst und hat einen heftigen Orgasmus“. Das heißt ich musste mir selbst überlegen, wie das aussehen soll. Und das war besonders unangenehm gegenüber den Kollegen, den da dachte ja jeder, so sieht das auch aus, wenn die Morgeneyer sich’s selbst macht. Und letztendlich lagen Sie damit ja auch nicht so falsch. Denn in einer so intimen Situation hat man ja vor allem seine eigenen Erfahrungen. Bei der Selbstbefriedigungsszene habe ich nicht nur körperlich nackt auf der Bühne gestanden, sondern auch meine intimsten sexuellen Gefühle, Vorlieben und Praktiken habe ich einem großen Publikum vorgeführt.
DER SchamSPIEGEL: Aber es gibt noch mehr Sex auf der Bühne. Um zu testen ob Ihr erster Mann wirklich tot ist, nehmen Sie seinen Penis aus der Hose, ziehen daran und nehmen den schlaffen Schwanz Ihres Schauspielerkollegen auch in den Mund! Das hat es nun wirklich noch nicht auf einer seriösen Theaterbühne gegeben!
Kathleen Morgeneyer: Ja, das ist wirklich „starker Tobak“. Ich hatte Stephan noch gefragt, ob man das wirklich so darstellen müsste. Er hatte geantwortet, dass ja auch in dem Film „Intimacy“, der immerhin bei der Berlinale von der hochkarätigen Kritiker-Jury den Goldenen Bären bekommen hat, ein echter Blowjob dargestellt wird. Also willigte ich auch in diese Szene ein. Bei den Vorstellungen konnte ich spüren wie geschockt das Publikum war.
DER SchamSPIEGEL: Wie verhindern Sie denn, dass der Penis von Ihrem Schauspielerkollegen, der ja eine Leiche spielt, nicht doch hart wird?
Kathleen Morgeneyer: (Lacht) Ich muss nur 2-3mal daran ziehen und nehme seinen Schwanz nur ganz kurz in den Mund. Aber Till (T. Weinheimer Red.), bitte verzeih‘ mir wenn Du das liest, ist über 70, der braucht ohne Viagra (lacht) schon ein bisschen länger um IHN nach oben zu bekommen.
DER SchamSPIEGEL: Frau Morgeneyer, Sie sind seit 2 Jahren verheiratet, was hält denn Ihr Mann von Ihrer Arbeit, seitdem Sie die „Lulu“ spielen?
Kathleen Morgeneyer: Er war natürlich nicht so sonderlich begeistert, nachdem ich ihn davon erzählt habe. Ich bin nackt auf der Bühne. Mehrere Tausend Menschen, werden die intimsten Stellen meines Körpers sehen. Ich habe echten Sex mit mir, mit fremden Männern und einer anderen Frau auf der Bühne. Da ist er nicht so glücklich. Er ist deshalb sehr eifersüchtig. Wenn ich einfach nur mal nackt gespielt hätte, fände er das sogar erregend. Also wenn andere meinen nackten Körper sehen, was die dann vielleicht geil macht. Aber nur er dürfte alles sehen, alles berühren und alles mit mir machen. Aber so sagt er, bliebe nichts mehr von mir übrig, was nur für ihn reserviert ist. Er hat sonst alle meine Stücke gesehen – diesmal nicht. Ich hoffe, dass er bald darüber hinwegkommt.
DER SchamSPIEGEL: Frau Morgeneyer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
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