Scheißtag I


Schambereich

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18.03.2010
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Noch zwei Tage bis zum Wochenende! Carmen war schon ziemlich ungeduldig. Sie hatte über diese Kontaktbörse im Internet tatsächlich das gefunden, was man allgemein als Traumtypen bezeichne würde. Nach ein paar lieben Mails waren sie schließlich dazu übergegangen, per Cam zu chatten und nun hatten sie sich endlich für Samstag abend verabredet.

Martin lebte etwas außerhalb in einem eher ländlichen Gebiet, was Carmen sehr entgegen kam. Sie hatte von der Großstadthektik und den oberflächlichen Leuten dort allmählich genug. Außerdem gingen ihr ihr Chef und die Arbeitskollegen ziemlich auf die Nerven. Daher hatte sie gerne zugesagt, über das Wochenende zu Martin raus aufs Land zu kommen. Nach Feierabend hastete sie nun noch schnell durch die Innenstadt, weil sie sich ein paar robuste Wanderschuhe zulegen wollte, denn ihre schwarzen Stiefel mit den hohen Absätzen waren für Spaziergänge auf Feldwegen eher ungeeignet.

Sie klemmte ihr Handy unters Ohr, um sich rasch eine Zigarette anzuzünden, am anderen Ende nervte ihre Freundin Susi, weil sie mal wieder Streß mit ihrem Freund hatte. Mist! Das Feuerzeug sprang natürlich wieder nicht an, typisch! So windig war es doch eigentlich gar nicht. Susi war auf einmal auch kaum noch zu verstehen, in der Leitung knackte und knisterte es. Carmen holte tief Luft. Einfach ruhig bleiben! Nach dem Theater heute in der Agentur war das nun einfach noch das kleine Sahnehäubchen. Frau Mayer die fette Kuh hatte nichts besseres gewußt, als ihr wieder all die lästigen Aufträge zuzuschustern, die sonst keiner übernehmen wollte, der Chef hatte wieder grundlos herumgetobt, das verflixte Feuerzeug sprang immer noch nicht an - kurz: es war zum kotzen! "Carmen, passiert das bei euch auch?... zscht...krkrks..." Kein Empfang mehr. Das kann doch nicht sein, mitten in der City ein Funkloch oder wie?

Carmen war inzwischen beim Schuhgeschäft angelangt. Im Schaufenster war ein großer Spiegel angebracht und wie üblich wenn sie einen Spiegel sah, checkte sie schnell ihr Äußeres. Für den Streß heute seh ich gar nicht übel aus, dachte sie bei sich. Und in der Tat war sie überdurchschnittlich gut aussehende 22jährige mit einem fein geschnittenen klassischen Gesicht. Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und ihre schwarze Lederjacke zu Blue-Jeans verlieh ihr eine leicht unnahbare Coolness.

Das Feuerzeug wollte nun endgültig nicht mehr, das kleine Rädchen löste sich und fiel aus der Verankerung. Zornig schleuderte Carmen das defekte Ding zu Boden. Dabei verrutschte ihr das Handy, das sie immer noch zwischen Schulter und Ohr geklemmt hatte - sie konnte es gerade noch auffangen, bevor es ebenfalls auf dem Gehweg gelandet wäre. Das wurde ja immer besser!  Auf dem Display wurde nur noch Pixelsalat angezeigt,  die hintere Klappe ließ sich auch nicht mehr richtig schließen. Sie bastelte ärgerlich ein paar Sekunden daran herum, doch es half nichts, das verflixte Ding zerfiel in seine Bestandteile! Akku und Sim-Card sowie der ganze andere Techniksalat, der normalerweise in dem cool designten Gehäuse steckte, landeten unsaft auf dem Bürgersteig. Na toll! Immer diese Schnäppchenangebote! Jetzt konnte sie sich auch noch ein neues Handy kaufen! Hoffentlich war die Sim-Card nicht kaputt, sonst konnte sie auch noch ihren Bekannten wegen der Telefonnummern hinterdreinlaufen.

Sie hob die Sim-Card wieder auf und blickte sich um. Also irgendetwas ging vor sich! Überall wurde gehupt, geflucht und gelärmt. Auf der Straße staute sich der Verkehr, was war das auf einmal für ein Chaos?

"Passiert das bei euch auch?" Was hatte Susi damit gemeint?

Ein paar Meter entfernt stand ein Ehepaar um einen Kinderwagen, von dem sich ein Rad gelöst hatte. Ein Fahrradfahrer wäre beinahe unsanft gestürzt, weil der Lenker abbrach. Anscheinend habe nicht nur ich heute einen Scheißtag, dachte Carmen bei sich. Achselzuckend betrat sie das Schuhgeschäft.

Auch hier herrschte Aufruhr. Mehrere Regale waren auseinandergefallen, überall lagen Schuhe herum. Eine Verkäuferin und mehrere Kundinnen standen ratlos in dem Chaos. Der Schuhständer neben Carmen fiel in sich zusammen, von der Decke bröckelte der Putz. Sie hatte noch kein Erdbeben erlebt, aber sie konnte auch mit Sicherheit ausschließen, daß es sich um eines handelte. Es schien vielmehr, als ob alles, was gewöhnlich miteinander verbunden war, plötzlich den Entschluß gefasst hätte, sich zu lösen. Der Verkäuferin brachen die Absätze an den edlen Stilettos ab, so daß sie sich unfreiwilligermaßen auf den Hintern setzte. Inzwischen war kein Möbelstück mehr intakt und das gesamte Gebäude machte einen eher wackeligen Eindruck, so daß Carmen sich entschied, doch besser wieder die Straße aufzusuchen.

Dort blieb ihr der Mund offen stehen! Es herrschte nun endgültig heilloses Durcheinander - überall hasteten die Leute von rechts nach links, von Autos und Motorrädern waren nur noch Trümmerhäufen übrig. Daß sich Carmens Handtascheninhalt auf die Straße ergoss, bemerkte sie nur am Rande. Eine Blondine neben ihr meinte: "Ist das ein Terroranschlag oder so?"  -  "Ich hab keine Ahnung, wir sollten wohl besser hier verschwinden, oder?" antwortete Carmen. Als sie sich in Bewegung sezte, wäre sie beinahe gestürzt, da sich auch von ihren Stiefeln die Sohlen gelöst hatten. "Shit!" Die Teile hatten ein Vermögen gekostet! Der Blondine schien es nicht besser zu ergehen, auch sie hatte nur noch ein paar Lederlappen an den Beinen, von denen sich der Reißverschluß ablöste. Ihr grauer Kurzmantel sah inzwischen auch ziemlich schäbig aus. Das durfte einfach nicht wahr sein!

Carmen blickte an sich hinab. An ihrer Lederjacke platzten die Nähte auf, der linke Ärmel verabschiedete sich. Das gelbe Shirt, das sie darunter trug sah fransig und fadenscheinig aus. Es war so grotesk wie faszinierend. Ein Mann in einem zerfetzten Anzug hastete vorbei, dort hinten hielt einer krampfhaft die Reste seiner Hose fest. Die Blondine kniete inzwischen am Boden und jammerte: "Mein Schmuck!"

Carmen dämmerte langsam, daß hier gerade etwas furchtbares passierte. Sie packte die Blondine am Arm ihrer zerschlissenen Bluse und sagte: "Okay, nichts wie weg hier!"

Auf Strümpfen bahnten sich die beiden einen Weg durch zerlumpte Gestalten und an Trümmerhaufen vorbei, als die ersten Häuser einstürzten. Carmens Shirt bzw. was davon übrig war, rutschte ihr vom Körper und ihre Jeans machten einen verwahrlosten Eindruck, der BH der Blondine öffnete sich, die ersten Menschen waren nun völlig nackt. Bittebittebitte nicht! flehte Sie still bei sich. Ich hab keine Lust auf FKK...

Als auch Carmens BH den Geist aufgab, blieb sie stehen. "Shit!" Das wars, jetzt ist es passiert! Das Haar hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht, weil es nicht länger von einem Gummi gebändigt wurde. Aus den zerfetzten Strümpfen schauten ihre unlackierten Zehen. Die Blondine stand außer Atem neben ihr. Nur einen nutzlosen Strapsgürtel hatte sie noch um die Hüften hängen, das vorhin noch perfekte Make-Up war zerlaufen. Carmens Hände verkrampften sich um ihren String, zwecklos! Die Seide zerbröckelte in ihren Fingern und dichtes schwarzes Schamhaar kam zum vorschein. Zu allem Überfluß bemerkte sie den schwarzen Flaum an ihren Unterschenkeln, auch in ihren Achselhöhlen machte sich ein flauschiger Pelz breit. Auch die inzwischen völlig nackte Blondine betrachtete erstaunt und angeekelt ihren Intimbereich. "Ich hab das doch lasern lassen..." wimmerte sie.

Carmen bedeckte notdürftig mit den Händen ihre Brüste und ihren Schambereich. Das hier war die Hölle, kein Zweifel! Wo früher eine Stadt war, erstreckte sich ein Geröllfeld mit tausenden nackten und zotteligen Gestalten...

 

---

Ihr musste wohl kurz schwarz vor Augen geworden sein. Als sie wieder zu sich kam, blickte sie auf ein dunkelblondes Haardreieck. "Alles klar?" fragte die Blondine. "Seh' ich so aus?" konterte Carmen trotzig und kämpfte mit den Tränen. "Wie heißt du überhaupt?" - "Monika". Die Blondine setzte sich zu Carmen in den Dreck. "Hör mal," meinte Monika, die einen erstaunlich gefassten Eindruck machte "ich finde, wir sollten auf keinen Fall hier bleiben." - "Warum? Ist doch sowieso auf alles geschissen jetzt!" Carmen hätte jetzt alles gegeben für eine Zigarette - verdammt, sie hatte ja nichts mehr!

"Weißt du, noch sind alle total verdutzt und orientierungslos, " begann Monika erneut, "aber ich habe das dunkelbraune Gefühl, daß das nicht lange so bleibt. Wenn die erst mal alle merken, daß sie wie die Höhlenmenschen daherkommen, dann werden die sich auch so benehmen und dann herrscht hier auch in sexueller Hinsicht Ausnahmezustand. Willst du gerne dabei sein, wenn diese Affen hier Lust bekommen, ihre Weibchen zu bespringen?" Das klang ja noch entsetzlicher. Carmen schluckte. "Ja aber wo sollen wir hin? Meine Wohnung wird wohl auch nicht mehr stehen..." - "Anzunehmen... Also, wenn das Terror war, und davon gehe ich mal aus, dann nehme ich an, daß sich die Verwüstung nur auf den städtischen Bereich beschränkt. Wenn wir es schaffen, aufs Land zu kommen, kann es immerhin sein, daß dort noch alles in Ordnung ist. Und selbst wenn nicht, dann haben wir dort einfach die besseren Chancen, einen Unterschlupf, Wasser und Nahrung zu finden als in diesem Steinbruch." - "Ja weißt du, wie man in der Wildnis zurechtkommt?" - "Klar, das hat zu meiner Ausbildung beim BND gehört." - "Und warum willst du mich dann als Klotz am Bein dabeihaben?" - "Das muss wohl Liebe auf den ersten Blick gewesen sein oder so" lachte Monika. "Also, auf geht's!"

Sie erhoben sich, Monika blickte sich um, blinzelte in die untergehende Sonne und setzte sich in Bewegung. Carmen war das Barfußlaufen auf Gestein nicht gewöhnt, das würde eine anstrengende Reise werden. "Wenn ich mich nicht irre, war dort früher der Bahnhof. Ich denke, wir folgen am besten der ehemaligen Bahnlinie, so kommen wir am schnellsten aus der "Stadt" raus. Wie heißt du überhaupt?"


Carmen und Monika verschwanden Hand in Hand Richtung Westen in der Dämmerung.


Kommentare

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