Zwölf Uhr Mittags


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27.01.2009
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Zwölf Uhr Mittags

Die letzten Tage waren ihm wie ein Traum vorgekommen. In kurzer Folge hatte das Parlament einige Gesetze erlassen, die sich Martin in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Ziel war die Förderung der Emanzipation oder so ähnlich, was dabei herausgekommen war, nachdem das Gesetz mehrfach nachbearbeitet wurde, hatte mit einer Gleichberechtigung der Frau aber mal gar nichts zu tun, sondern entsprach eher seinen fetischistischen Neigungen.

Diesen Freitag Mittag, Punkt zwölf Uhr sollte es jedenfalls soweit sein: ab diesem Zeitpunkt war Frauen nicht nur das Tragen, sondern der Besitz von den Körper bedeckenden Gegenständen untersagt. Das beinhaltete nicht nur Kleidung und Schuhe, sondern auch Accessoires wie Schmuck, Gürtel und dergleichen. Außerdem alles, das auch nur entfernt mit Make-Up zu tun hatte. Selbst das Färben der Haare oder eine Bettdecke waren ab diesem Zeitpunkt illegal.

Und als wäre das noch nicht fies genug hatten einige besonders findige Parlamentarier in einem Passus auch jegliche Rasur untersagt.

Einige Frauenrechtlerinnen hatten zwar bereits Beschwerde eingelegt, aber das Gesetz war auf ihre Initiative hin überhaupt erst angeregt worden, insofern standen die Chancen für eine schnelle Änderung eher schlecht. Die Allgemeinheit war jedoch der Meinung, dass sich ein solches Gesetz ohnehin nicht durchführen lassen würde und dass das Leben einfach so weitergehen würde wie bisher. Schließlich hingen ja jede Menge Arbeitsplätze von der Modebranche und der Kosmetikindustrie ab usw. Außerdem könnte man ja nicht in einer Hauruckaktion massenweise Kleidungsstücke konfiszieren.

 

Doch Martin wusste, dass bereits vorgesorgt worden war. In zehn Minuten würden jedenfalls jede Menge Frauen ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Bzw. sie hätten dann natürlich keine Wäsche mehr an. Das war auch der Grund, weshalb er sich heute in der Kosmetikabteilung des Kaufhauses aufhielt, denn hier arbeitete eine Frau, die er in Gedanken schon so oft ausgezogen hatte, dass er sich ihren Striptease einfach nicht entgehen lassen konnte. Sie stand einige Meter entfernt, sah einfach umwerfend aus in ihrem weißen Kittel und beriet zwei etwa zwanzigjährige Mädels bei irgendwelchen Parfüms. Eben lächelte sie ihm zu. Er lächelte zurück und tat so, als ob er sich für irgendwelche angebotenen Artikel interessieren würde. Dabei hatte er lediglich Augen für sie – er kannte nichtmal ihren Namen, aber ihre großen dunklen Augen und die streng zurückgebundenen schwarzen Haare machten die Kenntnis von Namen ja beinahe überflüssig. Heute würde er sie fragen, oft genug hatte er sich von ihr bereits dabei beraten lassen, sein Standardrasierwasser zu kaufen. Die musste inzwischen sowieso wissen, dass er auf sie abfuhr. Noch zwei Minuten bis High Noon…

 

 

Dort drüben stand wieder ihr Verehrer. Süß war er ja schon, aber irgendwie nicht normal. Sie hatte jedenfalls ständig das Gefühl, dass er sie in Gedanken auf das schändlichste missbrauchte oder so. Hinter seiner coolen Fassade heckte er jedenfalls irgendwelche Dinge aus, vor allem heute schien er auf irgendetwas zu warten. Was der wohl machen würde, wenn sie ihm einfach sagen würde, dass sie eigentlich eine begeisterte Nudistin ist, die es mag, wenn man ihre verschwitzen und behaarten Achseln ausschleckt… Huh! Hatte sie das eben gedacht?

 

 

Heike und Susi ließen sich gerade von dieser viel zu gelackten Verkäuferin den neuesten Duft aufschwatzen. Heike begann sich zusehends, über diese blöde Tussi aufzuregen. Wer brauchte überhaupt Parfüm? Stinken war doch eigentlich was total geiles. Noch geiler wäre es allerdings, sich jetzt einfach die Klamotten vom Leib zu reißen…

 

 

Nicole schloß kurz die Augen, diese beiden Kundinnen überforderten sie, von gut zehn angetesteten Parfüms wurde ihr schwindelig, dazu plötzlich diese fixe Idee, sich als Nudistin zu outen. Himmel, dabei hatte sie nie FKK gemacht, weil sie das einfach total uncool fand. Uncool bin eigentlich nur ich, dieser beschissene weiße Kittel, dieser blaue Nagellack – und dieser Gestank. Verdammt, es war zwölf Uhr! Irgend so ein Schwachsinn war für zwölf Uhr angekündigt.

 

„Wissen Sie was“, meinte die jüngere der beiden Kundinnen, „ich denke, Sie können ihre Parfüms behalten, stinken ist erotischer!“ Gleichzeitig erschrak sie sichtlich über ihre eigene Aussage. „Finde ich auch“ pflichtete ihr die zweite Kundin bei… Die beiden hatten recht! Nein, das hatten sie nicht, igitt! Wenn sie nur wüsste, was hier vor sich ging. Sie musste jedenfalls aus diesem ekelhaften Kittel raus, schließlich war sie FKK-Fan. Was würde der coole Typ am hinteren Regal nur von ihr halten, wenn sie hier noch länger bekleidet herumstehen würde…

High Noon – Es war zwölf Uhr und tatsächlich, die ersten anwesenden Frauen begannen, an ihren Klamotten herumzuzupfen, angewidert die Parfümflakons oder Lippenstifte oder was sie sonst so gerade in den Händen hatten zurück in die Regale zu stellen. Auch die Frau, wegen der er hier war, nestelte an den Knöpfen ihres Kittels, sie schien einen inneren Zweikampf auszufechten und wie ein Hypnoseopfer zu verlieren. Das musste wohl mit dem kaum hörbaren Summton zu tun haben, der seit Punkt zwölf aus allen Lautsprechern erklang. Auf Martin hatte der Ton jedoch keine Wirkung, seine Erregung rührte eher daher, dass die ersten Frauen die Hüllen fallen ließen.

 

 

Nicole schüttelte den Kopf. Mein Gott, war das widerlich hier. Diese beiden bekleideten und geschminkten Schlampen beleidigten ihren Sinn für Ästhetik. Wie konnte man nur freiwillig Jeans tragen. Sie trug ja selbst auch welche, das musste ein Alptraum sein! Oder doch nicht, da drüber zog sich eine Kundin eben aus, auch ihre Kollegin an der Kasse befreite soeben ihre Brüste aus einem schrecklichen BH. Es war allerhöchste Zeit, sich nackig zu machen.

 

Genau darauf hatte er gewartet: Zögerlich zuerst schlüpfte sie aus ihrem Kittel, löste gedankenverloren ihre Haare. Unter dem Kittel trug sie schwarze Jeans und ein schwarzes Trägertop mit einem silbernen Totenkopf darauf. Während sie sich ebendieses Tops entledigte schlüpfte sie aus ihren spitzen Pumps. Ihre blaulackierten Zehen wären für sich allein schon eine Pracht, doch als der BH fiel hatte er nur noch Augen für ihre makellosen Brüste – jeweils eine handvoll, mit süßen harten Nippeln. Nocheinmal hielt sie inne, wie um zu fragen, was sie hier wohl tat, dann knöpfte sie ihre Jeans auf. Martin hatte keine Augen mehr für die anderen anwesenden Frauen, er sah nur noch seine Göttin, die sich nun endlich auch von ihrem String befreite. Einen makelloseren Körper hatte er noch nie erblickt, sie war eine fleißige Solariumsbesucherin, wie er an ihrem nahtlosen Teint feststellen konnte, außerdem schien sie Sport zu treiben, nichts wabbelte, alles war perfekt geformt und straff. Die anderen Nackedeis waren zwar auch recht lecker, schon alleine weil sie nackt waren, aber seine angebetete überstrahlte alle.

 

 

So war das schon viel besser! Endlich war sie nackt! Sie schaute sich kurz um, hmm, komisch, ihre Kollegin saß nackt an der Kasse und die anderen Kundinnen verließen nach und nach die Abteilung in Richtung Toiletten… „Entschuldigung, sind die Toiletten dort in der anderen Abteilung?“ fragte eine der beiden jungen Frauen. „Ja, dort wo die anderen auch alle hinlaufen.“ – „Die wollen sich wohl auch diesen Schmutz aus dem Gesicht waschen… Naja, danke, dass sie uns nichts verkauft haben. Wiedersehen!“ Die beiden Frauen trippelten davon, ihre Klamotten ließen sie achtlos auf dem Boden liegen. Mist, jetzt kann ich denen noch hinterherräumen!

Vorher musste sie jedoch ersteinmal nachschauen, wie schlimm es um sie bestellt war. Dieser Nagellack ließ ja auf nichts Gutes hoffen. Sie schaute in einen Spiegel und wäre vor Scham am liebsten in den Boden versunken. Wimperntusche, Lidschatten, sogar Lippenstift, sie sah schrecklich aus. Am schlimmsten war allerdings die Tatsache, dass sie rasiert war. Ihre Scham war blank, und auch ihre Achseln und Beine ließen jede Spur von Behaarung vermissen – das war ja furchtbar! Und vor allem so unhygienisch. Und wie lange das dauern würde, bis die Haare wieder nachgewachsen wären… das war einfach nicht fair! Sie musste jedenfalls auch schleunig zur Toilette, um sich zumindest einmal dieses Zeug aus dem Gesicht zu waschen, das war recht für Frauen aus dem horizontalen Gewerbe!

„Entschuldigung,“ NEIIINN! Das durfte nicht wahr sein, dass gerade er sie so sehen würde. Aus der Nähe – sie war doch ganz nackt und geschminkt. Aber nackt war ja eigentlich richtig, oder? Aber dann hatte er sie ja vorher schon zigmal bekleidet gesehen… ja was denn jetzt?

„Eigentlich suche ich ein Rasierwasser, aber Ihnen ist nicht gut, oder?“ – „Ja, äh, Kreislauf, haben Sie kurz Zeit, ich muss mich etwas frisch machen.“ – „Kein Problem, ich warte, ich bin sowieso nur wegen Ihnen hier.“ – „Oh, wie komme ich zu der Ehre?“ – „Naja, Sie sind einfach sehr hübsch und machen auch sonst einen netten Eindruck. Wenn Sie diese etwas plumpe Anmache jetzt stört, brauchen Sie es übrigens nur sagen, dann werde ich Sie nicht weiter belästigen.“

Natürlich störte sie das nicht und als sie sich kurz das Gesicht gewaschen hatte, verabredete sich Nicole mit Martin zum Abendessen. Danach entfernte sie diesen blauen Lack von Händen und Füßen. Kundschaft kam komischerweise keine mehr. Komisch war das aber eigentlich gar nicht, sie verkaufte doch nur unnützen stinkenden Kram oder Herrenartikel, und die Männer kamen meistens in der Mittagspause vorbei…

…aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. Warum war sie jahrelang bekleidet herumgelaufen, hatte sich geschminkt und sogar rasiert? Frauen lebten doch nudistisch und das war doch auch viel besser so, oder wie?

 


Kommentare

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