Nach Zwölf


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26.01.2009
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Nicole war immer noch etwa verwirrt. Ihre Kollegin hinter der Kasse masturbierte ein wenig, als wäre es das Normalste auf der Welt. Andererseits, hier gab es ja eigentlich nichts zu tun – welche Frau würde schon Mascara kaufen? Naja, heute Vormittag waren noch einige Kundinnen hier und hatten noch ganz anderen Schwachsinn mitgenommen…

Sie begann, sich auch ein wenig ihrer Klit zu widmen, als ihr Blick auf die herumgestreuten Kleidungsstücke fiel. Diesen Unrat konnte sie hier nicht herumliegen lassen, wenn die Chefin das sehen würde.

Wenige Minuten später waren die Überbleibsel aus dem barbarischen Zeitalter der Damenmode in der großen Mülltonne im Hof verschwunden. Es war herrlich, im ganzen Einkaufszentrum war keine einzige bekleidete Frau mehr zu sehen, es wimmelte von wippenden Brüsten in den unterschiedlichsten Formen und noch sah man auch die zahlreichen Intimfrisuren von Wildwuchs bis zum Landestreifen, die meisten waren jedoch wie Nicole auch völlig blank. Daß so eine Geschmacksverirrung bis vorhin noch völlig normal war, verursachte in Nicole eine leichte Übelkeit. Nein, diese Übelkeit kam eher von diesem ekelhaften vibrierenden Summton. Anscheinend machten ihr ihre Ohren wieder zu schaffen, seit einem kleinen Unfall vor zwei Jahren war sie für bestimmte Frequenzen faktisch taub.

 

Als sie auf dem Weg zurück in ihre Abteilung nahm sie den Weg durch die Modegalerie, und hier traf sie ein regelrechter Faustschlag ins Gesicht. Waren denn auf einmal alle Wahnsinnig geworden, sie selbst mit eingeschlossen? Die Verkäuferinnen gaben sich jedenfalls nackt am Boden wilden lesbischen Spielen hin, unter dem Beifall zahlreicher männlicher Kunden. Seltsamerweise hatten sich die Männer nichteinmal ausgezogen, während nahezu jegliche Frau mit der Kleidung auch die Zivilisation abgelegt hatte.

Was in Dreiteufelsnamen hatte sie (und alle anderen) denn vorhin nur geritten, plötzlich auf natur pur zu machen? Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt – hier passierte auf jeden Fall etwas unheimliches. Sie überlegte kurz, ob sie sich schnell eine Jeans und einen Pulli überziehen sollte, dachte dann aber, dass es wohl besser wäre, vorerst nicht aufzufallen. Erstmal zurück in die Abteilung!

 
 

„Sag mal, warum hast du dich heute Mittag ausgezogen?“ Nicoles Kollegin Mandy unterbrach die  ausgedehnte Massage ihrer feuchten Muschi und schaute verdutzt. „Naja, weil es einfach richtig ist, nackt zu sein, oder?“ – „Ach ja, und warum warst du dann nicht schon immer nackt?“ – „Hab mich halt vorher nicht getraut. Aber ich habs einfach nicht mehr ausgehalten in diesen ekelhaften Textilfetzen. Mich kriegt jedenfalls niemand mehr dazu, so was noch mal anzuziehen – oder mich zu rasieren. Schau dir nur mal meine Achseln an, ist doch furchtbar so ohne Haare…“

 

Nicole wäre, wenn die Situation nicht ernst gewesen wäre, beinahe zum Lachen zumute gewesen. Das war geradezu grotesk! Das komplette Mode- und Schönheitsempfinden hatte sich von jetzt auf nachher um 180 Grad gedreht. Sie selbst hatte für einige Stunden ja genauso gedacht, nur bei ihr war dieser seltsame Wahnzustand wieder vorbeigegangen. Ob es wohl noch mehr Frauen ging, wie ihr?

Eine ca. vierzigjährige Frau, die trotz ihrer Hängebrüste noch recht attraktiv wirkte, betrat die Abteilung. Freundlich lächelnd trat Nicole auf sie zu und versuchte dabei, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr ihre Nacktheit im Gegensatz zu allen anderen doch etwas zu schaffen machte. „Junge Frau, ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass ich ihr Warensortiment als skandalös empfinde! Mein Name ist übrigens Meyer und ich bin vom hiesigen Ordnungsamt.“ – Oh mein Gott, was wollte die denn jetzt? – „Wie Sie eigentlich wissen sollten, ist seit heute Mittag zum Glück Schluß mit diesem ekelerregendem Schmutz, der den weiblichen Körper bisher besudelt hat, daher fordere ich Sie hiermit auf, Ihr Sortiment bis nächste Woche mit den geltenden Gesetzen in Einklang zu bringen.“

- „Und was sollen wir dann noch verkaufen?“ – Frau Meyer zuckte kurz zusammen, sie hatte wohl mit eifriger Zustimmung gerechnet. Nicole biss sich auf die Lippen, diese unbedachte Frage könnte Konsequenzen haben. „Nun, ähm, als Kosmetikverkäuferin gelten für sie die gleichen Bestimmungen wie für die weiblichen Angestellten der Textilbranche oder für Schuhverkäuferinnen. Präsentieren Sie ihre natürliche unverfälschte Schönheit! Guten Tag!“

 
 

Einige Zeit später ließ sich Nicole auf ihr Bett fallen. Die Arbeit war ja eine Sache, aber die nackte Busfahrt hatte ihr den Rest gegeben. Eine Reihe vor ihr hatten sich zwei Frauen einen Versandhauskatalog angeschaut und sich lautstark über diese „skandalösen und pornographischen“ Abbildungen ereifert. Einige Männer im Bus mussten daraufhin laut lachen, sie witzelten herum, dass heute morgen noch alle derartig „obszön“ herumgelaufen wären, und ob uns Mädels denn nichts seltsam vorkommen würde. Nicole war daraufhin in ihrem Sitz ziemlich weit nach unten gerutscht.

Der absolute Oberhammer war jedoch der Aushang am Schwarzen Brett des Mehrfamilienhauses, in dem sie lebte. Das Ordnungsamt hatte verfügt, dass innerhalb einer Übergangsfrist sämtliche Wohnungen „gereinigt“ werden müssten. Wer immer hinter diesem Wahnsinn steckte, hatte jedenfalls ganze Arbeit geleistet. Der eigentliche Horror an der Sache war aber, dass sie nicht einfach auch in der Lage war, den nackten weiblichen Körper als Nonplusultra zu betrachten. Und die Vorstellung, ihren Kleiderschrank leerzuräumen ohne Möglichkeit, ihn jemals wieder zu füllen, war äußerst trostlos. Verdammt, sie hatte keine Lust auf diesen schmuddeligen Einheitslook. Sie beschloß, erstmal zu duschen. Und Martin hatte sie ja auch ganz vergessen!

 
 

Als sie aus der Dusche kam, klingelte das Telefon. „Hi, bist du nackt?“ Das war Mariella, Nicoles beste Freundin. „Klar, du auch?“ – „Und macht es spaß?“ Mit Mariellas Stimme schien etwas nicht zu stimmen. „Keine Ahnung… wie geht es deinem Ohr?“

 

Das schien des Rätsels Lösung, dieses Vibrieren und Summen, das beinahe unmerklich den ganzen Tag zu hören war. Nicole und Mariella hingegen hatten beide dasselbe Ohrenproblem, seit sie damals auf diesem Rockkonzert erleben durften, wie Rückkopplungen eine Verstärkeranlage zum Schmelzen bringen konnten. Demnach dürfte es also noch ca. 20 weitere Frauen im Land geben, die gegen das, was immer sich gerade abspielte, immun waren (Taubstumme nicht mitgerechnet).

 
 

Kurz darauf saß Mariella auf Nicole Couch – das Treffen mit diesem verklemmten Psycho war auf unbestimmte Zeit verschoben worden – und die beiden überlegten, was wohl weiter zu tun war. Mariella hatte ihre Klamotten in einer Plastiktüte mitgebracht und auch Nicole genoß es, endlich wieder eine Jeans und ein Top zu tragen. „Wenn ich mir vorstelle, dass meine neuen Schuhe gerade irgendwo in einer Mülltonne verrotten, könnte ich aggressiv werden.“ fluchte sie und zog ihren Lidstrich nach. Auch Mariella fühlte sich bedeckt sichtlich wohler, obwohl an ihrem nackten Anblick nichts auszusetzen war. Ihre dunkelrot gefärbten Haare band sie wieder zum Pferdeschwanz zusammen. „Meine Fresse, ich hab mich kurzzeitig richtig vor mir selbst geekelt – weil ich so gepflegt bin. So kann’s doch echt nicht sein. Auf Steinzeit als Schönheitsideal habe ich jedenfalls keinen Bock!“ protestierte Mariella. „Ich doch auch nicht, die Frage ist nur, was machen wir? Selbst wenn wir unseren Privatbesitz nicht rausrücken müssten, irgendwann sind Schminke und Parfüm aufgebraucht. Und öffentlich kannst du dich mit den gefärbten Haaren bald nicht mehr zeigen. Ich schätze mal, dass wir sogar ziemliche Probleme bekommen werden, wenn wir als die einzigen weiterhin die Beine epilieren….“ – „Sieht so aus, als würden wir gewaltig in der Kacke sitzen, oder?“


Kommentare

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