Meine unbekannte Geliebte,
diese Zeilen schreibe ich dir in der Hoffnung, dich bald einmal wiederzusehen, voll der Hoffnung, dass ich es dann wagen werde, dich anzusprechen.
Drei quälende Stunden lang habe ich in deiner Nähe gesessen, in dem kleinen Vorortcafé, das ich nach meiner Arbeit oft aufsuche, um pfeiferauchend zu lesen – inmitten vieler Menschen, und doch perfekt isoliert an meinem Stammplatz hinter den Plastikpflanzen, neben der Tür zur Toilette, wo sich sonst niemand setzen mag. Die anderen Stammgäste bevorzugen die hellen Tische an der Fensterfront, wo sie dem Geschehen der Straße näher sind, wo sie Freunde hinein winken oder die untreuer Nachbarin mit ihrem Liebhaber hinter dem Schutz der altmodischen Gardinen beobachten können. Das lärmende Treiben der Cliquen und deren belanglose Wortfetzen, die mich in meiner Einsiedelei hinter den Kunststoffblüten erreichen, sind nicht meine Welt. Wenn lautes Lachen den Geräuschpegel anschwellen lässt, hebe ich kurz die Augen von meinem Buch und betrachte meine Umgebung, bis wieder die gleichförmigen Wellen kollektiven Gemurmels meine Konzentration zurückkehren lassen. Dann suche ich die verlorene Zeile meiner Lektüre und vertiefe mich wieder in der gedruckten Welt.
Heute war das Café besonders gut gefüllt, mit lauter jungen Menschen, voll der Lebensfreude und lustiger Einfälle. So war es kein Wunder, dass ich oftmals mein Buch zur Seite legen musste, wenn ein lautstarker Witz den nächsten jagte. Inmitten dieser lärmenden Fröhlichkeit fühlte ich mich so Fehl am Platze wie noch nie. Schon überlegte ich, die Bedienung um die Rechnung zu bitten, um vielleicht im nahen Stadtpark weiter zu lesen, da tratest du durch die Tür, und mein Blick war nicht mehr von dir zu lösen. Groß und schlank bist du, deine rötlichen Locken umspielen ein ebenmäßiges Gesicht, das wohl eher gewohnt ist zu lachen; aber bei deinem Eintreten hattest du die Stirn zu Zornesfalten verzogen. Ganz entgegen meinen Gewohnheiten, mich um die Leute um mich herum nicht zu kümmern, betrachtete ich dich eingehend. Da alle Tische bis auf meinen, den niemand mochte, voll besetzt waren, musstest du warten. Langsam gingst du durch die Gänge des Cafés, und meine Augen folgten dir wie gebannt. Entsprechend der Jahreszeit warst du nur leicht bekleidet. Als erstes fielen mir deine Schuhe auf, die mir wie dünne Sohlen, gehalten von winzigen roten Riemchen, vorkamen. Meine Blicke wanderten an deinen Beinen hinauf, den schönsten, die ich je gesehen hatte: Über schlanken Fesseln ragten sie schier endlos nach oben, wohlgeformt und ebenmäßig. Ein kurzer Jeansrock endete weit oberhalb deiner Knie. Er saß eng und betonte die Rundungen deines – verzeihe mir den Ausdruck – wunderschönen Hinterns. Wenn du auf der Suche nach einem freien Platz nahe an meinem Tisch vorbeikamst, konnte ich voller Freude beobachten, wie der Rock bei jedem deiner Schritte schräge Falten warf, die Konturen deiner Leisten nachzeichnete. Irrte ich mich, oder konnte ich unter dem Stoff einen wohlgerundeten Schamhügel erahnen?
Du trugst eine weiße Bluse mit – unüblich für die Jahreszeit – langen Ärmeln. Du hattest den dünnen Stoff in den Jeansrock gestopft, und die obersten drei Knöpfe standen offen. Als du wieder einmal ganz nahe an mir vorbeigingst, ohne mich zu bemerken, konnte ich einen Blick auf den Ansatz deiner Brüste erhaschen. Sie erschienen mir nicht zu groß und fest; bei deinem Gang durch das Café wippten sie nur unmerklich bei jedem deiner Schritte nach, obwohl ich bei einem weiteren verwegenen Blick keinen BH entdecken könnte. Du schautest immer wieder auf die Uhr, dann zum Eingang, als wartetest du auf jemand. Deine Miene war wie am Anfang verfinstert. Eine kleine Goldkette mit einem Anhänger, den eine Perle zierte, baumelte von deinem schlanken Hals. Weiteren Schmuck konnte ich nicht entdecken.
Gepflegte Fingernägel hast du – nicht so lang, dass sie wie Krallen wirken; das Weiß ihrer nicht von Haut bedeckten Teile hattest du mit Geschmack betont. Deine Lippen waren nahe ihrer natürlichen Farbe geschminkt, nur der feuchte Schimmer verriet, dass du nachgeholfen hattest.
Endlich wurde ein Tisch am Fenster frei, und du eiltest, um ihn in Besitz zu nehmen. Wider mein Erwarten wähltest du den Stuhl rechts – mit dem Rücken zum Fenster. Wie ich deinen Blicken entnehmen konnte, wolltest du die Eingangstür im Auge behalten. Als die Kellnerin dich nach deinen Wünschen fragte, beugtest du dich nach vorne, und ich konnte deinen Brustansatz ganz deutlich sehen. Du bestelltest einen Espresso macchiato und trankst ihn nahezu in einem Zuge aus. Noch immer strahlte dein Gesicht keine Spur von Freude aus, du wirktest angespannt, nervös. Immer wieder schautest du zur Tür, aber das tat deiner Schönheit keinen Abbruch.
Jetzt war dein ganzer Körper auf einmal angespannt. Ich folgte deinem Blick zur Tür und sah einen schlanken, schwarzhaarigen Mann hereinkommen, der sich kurz umschaute und dann den freien Platz an deinem Tisch ansteuerte. Deine Gesichtszüge blieben hart, als du ihm die Wange zu einem flüchtigen Kuss anbotest.
Deine Körperhaltung verriet die reine Abwehr, während dein Nachbar seine Bestellung aufgab. Die Knie hattest du nicht übereinandergeschlagen, sondern fest zusammengepresst. Während dein Begleiter an seinem Cappuccino nippte, redetet ihr – in kurzen Sätzen, jeweils gefolgt von Schweigen. Dein Gegenüber unterstütze seine Worte mit heftig gestikulierenden Handbewegungen. Die Zornesfalten auf deiner Stirn vertieften sich. Fast bedauerte ich, dass ich inmitten des Gemurmels der Gäste euren Streit – dass es sich um einen solchen handelte, daran bestand kein Zweifel – nicht mithören konnte. Selbst im Zorn warst du wunderschön.
Der Disput schien zu eskalieren, eure Gesten wurden weitschweifiger, die Wortabfolgen kamen in kürzeren Abständen. Der Mann deutete mit dem rechten Zeigefinger fordernd auf den Tisch; du schütteltest den Kopf. Er wiederholte seine Geste. Ich sah, wie deine Augen feucht wurden, als du wieder verneintest. Nur schaute auch er sehr verärgert.
Er winkte nach der Kellnerin, holte seine Geldbörse aus der Gesäßtasche und knallte ein paar Münzen auf den Tisch. Wieder redete er auf dich ein, deine rotblonden Haare flogen, als du wieder verneintest. Mit wütendem Blick machte er kehrt und ging in Richtung Ausgang. Schon hatte er die Klinke in der Hand, als du aufstandest. Ein einziges Wort vernahm ich aus deinem Mund, klar und scharf ausgesprochen: „Warte!“
Langsam drehte er sich um. Du bliebst neben deinem Tisch am Fenster stehen, strecktest deine Hand aus und bedeutetest ihm mit deinem Zeigefinger, zurückzukommen. Im Zeitlupentempo folgte er deiner Aufforderung und blieb in einem Meter Abstand vor dir stehen. Minutenlang blicktet ihr euch schweigend in die Augen.
Dann glitten deine Hände nach unten, unter deinen Jeansrock und lüpften seinen Saum. Erst verstand ich nichts, bis ich sah, dass du mit einer schnellen Bewegung deinen Slip auszogst – knapp geschnitten und von unschuldigem Weiß. Du ergriffst ihn mit beiden Händen und stülptest ihn über den Kopf deines verdutzten Begleiters. Mit einem weiteren schnellen Griff zogst du deinen Rock gerade, und dann hast du mit schnellem Schnitt das Café verlassen. Der Mann blieb überrascht und regungslos stehen, bis er sich endlich von deinem Dessous befreite und ebenfalls das Lokal verließ. Ich schaute durch das Fenster und bemerkte, dass ihr in unterschiedliche Richtungen entschwandet.
Ich winkte die Bedienung zu mir und fragte, ob sie dich kenne. Sie verneinte, erwähnte aber, dass du regelmäßiger Gast seist.
Ich bat die Kellnerin um Papier und einen Bleistift. Leider hatte sie nur diese Servietten, auf denen ich dir jetzt schreibe. Gleich werde ich meine Zeilen an der Theke abgeben mit der Bitte, sie dir bei deinem nächsten Besuch auszuhändigen.
Denn ich habe mich unsterblich in Dich verliebt ……….
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